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Zu Besuch in Ramona Marggis Bäckerei
from Aroma 04/20
by Pistor AG
Bäckerei «gsund» 8834 Schindellegi SZ baeck erei-gsund.ch
Von der " Brötli-Garage " zur Bäckerei " gsund "
Ramona Marggis Bäckerei «gsund» im schwyzerischen Schindellegi setzt auf Low-Carb- und kristallzuckerfreie Backwaren. Ja, das funktioniert tatsächlich. Hier lesen Sie warum, und Sie erfahren, was der Online-Shop, eine kurvenreiche Passstrasse sowie ein «Guetzli-Marathon» damit zu tun haben.
Text: Franziska Dubach Bilder: Jonas Weibel
Bäckerin-Konditorin, Erna Marty, steht an der Ausrollmaschine, rollt Teig aus und beginnt sogleich mit Ausstechen. Flink legt sie ein Teigplätzchen in
Schmetterlingsform nach dem anderen auf das Blech neben ihr. Sie stelle gerade
Low-Carb-Zitronenguetzli mit Chia her, verrät sie. Die Fragezeichen stehen mir vermutlich ins Gesicht geschrieben. Wie um Himmelswillen entsteht aus einem
Zuckerteig ein kohlenhydratarmes Konfekt?
Low Carb in der Bäckerei?
«Die Low-Carb-Guetzli werden mit Haferkleie gefertigt, mit Folsäure angereichert und kommen ganz ohne Kristallzucker aus», erklärt Ramona Marggi, Gründerin der Bäckerei «gsund». Um die einzelnen Produktionsschritte mit seiner Kamera einzufangen, macht sich Fotograf Jonas prompt auf Bilderjagd. Auf meine Frage, wie aus einem Zuckerteig kohlenhydratarme Produkte hergestellt werden, sagt sie: «Unsere Backwaren basieren auf Haferkleie und enthalten dadurch bis zu 60 Prozent weniger Kohlenhydrate als vergleichbare Produkte. Den Zucker ersetzen wir durch einen Zuckeraustauschstoff. So kommt der Zuckerteig ohne Kristallzucker aus», schmunzelt Marggi.
Das Beste vom Hafer
«Wir nutzen die Eigenschaften der Haferkleie, die sehr faserreich ist und in der am meisten Ballaststoffe stecken», klärt sie auf. «Haferkleie besteht aus den Randschichten des Haferkorns mit Fruchthaut, Samenschale und Silberhäutchen. Beim Mahlen der Haferkörner werden die Randschichten vom Mehl abgetrennt. Wir lassen diese Schalenrückstände für uns zu Kleie vermahlen. Mit seinen rund 85 Prozent Ballaststoffen wirkt sich Haferkleie positiv auf den Cholesterinspiegel aus, ist besonders sättigend, fördert die Verdauung und vermeidet Heisshungerattacken.»
Eine Verkaufsinsel
Doch beginnen wir von vorne. Direkt an der Dorfstrasse von Schindellegi SZ, hoch über dem Zürichsee gelegen, befindet sich die Bäckerei «gsund». Fotograf Jonas und ich betreten die Bäckerei und stehen direkt vor der halbrunden Verkaufstheke. Geradeaus die Kühlvitrine, dahinter das Brotgestell und links ein Ladentisch, der die Beschriftung «Gewicht kontrollieren mit kohlenhydratarmen Produkten» trägt. Links von der Theke ist die Schaubäckerei: Da stehen zuhinterst eine Aufwirk- und eine Knetmaschine, davor ein Arbeitstisch sowie eine Ausrollmaschine und etwas weiter rechts der Backofen. Lässt man seinen Blick rundum schweifen, ist festzustellen, dass die Produktion auch hinter dem Brotgestell weitergeht, also im Halbkreis um die Verkaufsinsel.
Frauen am Werk
Es fällt auf, dass hier nur Frauen arbeiten. Ein Mann ist jedenfalls an diesem Tag keiner in Sicht. Vier der fünf Damen unterschiedlichen Alters tragen pinke Arbeitsshirts. Die Fünfte trägt ein weisses Oberteil und einen blauen Cardigan. Das ist Inhaberin Ramona Marggi. Nach der Begrüssung nehmen wir in der Nische rechts von der Theke, die als Café-Ecke dient, an einem der Hochtische mit Barhockern Platz. Auf dem Boden daneben stehen etliche Taschen bereit. «Unsere heutigen Online-Bestellungen», antwortet Ramona Marggi auf meinen fragenden Blick. «Normalerweise versenden wir die Bestellungen gleichentags per Post, so dass sie am nächsten Tag bei den Kunden eintreffen. Aber die Coronapandemie wollte es anders», beginnt sie zu erzählen.
Gesunde Backwaren per Post
«Heimgesucht von COVID-19, bestellte die Schweizer Bevölkerung von einem Tag auf den anderen alles online. Die Post wurde regelrecht mit Paketen überflutet. Mit der Folge, dass unsere Bestellungen mit grosser Verspätung – manchmal bis zu sieben Tage später – bei den Bestellern eingetroffen sind. Mit verheerenden Folgen für Brote und Gebäck – altbacken und sogar verschimmelt war die Ware», berichtet Marggi. «Doch die Lösung kam rasch und unverhofft», freut sie sich. «Wie viele andere auch, musste Gastronom Jürg Züllig, ein Golf-Kollege von mir, sein CurlingRestaurant in Baden aufgrund der Pandemie schliessen. Um trotzdem einer Beschäftigung nachzugehen, liefert er unter der Woche, seit April bis in den Herbst, täglich unsere Online-Bestellungen aus. Eine App hilft ihm, die schnellste Tour zusammenzustellen.»
Makrönli ohne Zucker
Ramona und ich gehen ebenfalls in die Produktion. Konditorin-Confiseurin Sybille Nützel dressiert Kokosmakrönli. Auch hier setzten sie auf den Zuckeraustauschstoff anstelle von Kristallzucker, so Marggi. Die Basis sei Mais und werde ohne Beteiligung von Insulin vom Körper verwertet, weshalb auch Diabetiker ihre Kokosmakrönli geniessen dürften. «Das Fachwissen über Zuckerersatz kann dir niemand, weder eine Fach- noch eine Berufsschule vermitteln, dies war anfangs eine Herausforderung», sagt sie. Versuch um Versuch hat sie ihr Know-how erweitert und ihre Produkte ohne Kristallzucker weiterentwickelt.
Superfood als Bestandteil der Philosophie
«Unser Ziel ist es, Produkte mit Mehrwert, beispielsweise Superfood, anzubieten», sagt Ramona Marggi. «Aus Überzeugung reichern wir deshalb alle unsere Produkte mit Folsäure, dem lebenswichtigen Vitamin B9, an. Seit dem Jahr 2005 ist die Bäckerei ‹gsund› Partnerin der Stiftung Folsäure.» Ramona möchte die backende Branche dazu ermuntern, einen Beitrag an die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung zu leisten und ebenfalls Folsäure in ihren Brot- und Backwaren einzusetzen. «Es ist weder schwierig umzusetzen noch teuer», verspricht sie.
1000 Brötli aus der Garage
Ramona Marggi hat in ihrer beruflichen Laufbahn nicht einen gerade verlaufen den Weg, sondern eine kurvige Passstrasse gewählt. Diese Herausforderung braucht eine leidenschaftliche Rennvelofahrerin, wie Ramona eine ist: «Nach meiner Lehre zur Bäckerin-Konditorin fand ich es vor erst spannender, in einer Saisonstelle im Service und an der Bar zu arbeiten. Trotz dem habe ich zu Hause wieder zu backen begonnen. Fasziniert von der kohlenhyd ratarmen Ernährung war mein erstes Produkt ein Low-Carb-Brot. Zuerst backte ich in kleinen Mengen, die allmählich grösser wurden. Ich brauchte ‹Abnehmer›
Im Laden stehend, mit Sicht in die Schaubäckerei.
Gewusst
Vitamin B9: Folsäure
Wer meint, Folsäure sei nur etwas für Frauen mit Kinderwunsch, täuscht sich. Keine Folsäure, kein Leben – daher trägt das Vitamin B9 auch den Titel Lebensvitamin und verlangsamt den Gedächtnisverlust im Alter, sorgt bei Männern für eine bessere Spermienqualität, wirkt sich positiv in der Behandlung von Depressionen aus sowie auf die Gesundheit von Mutter und Kind – vor und während der Schwangerschaft, hält die Haut länger straff und jung, reduziert das Risiko von Asthma und Allergien und beugt indirekt Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor.
Mehr dazu: stiftung-folsäure.ch
Ausstechen der Zitronenguetzli.
Ramona Marggi beim Interview.
Die Online-Bestellungen sind bereit zur Auslieferung.
Wow-Effekt «Gsundella»
Ein zuckerfreier Schokoladenaufstrich mit 62 Prozent Kakaoanteil bei nur 3,4Prozent Kohlenhydraten pro 100 Gramm. Mütter kaufen «Gsundella» für sich und ihre Kinder, ebenso NutellaLiebhaber, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Neu und einzigartig in der ganzen Deutschschweiz gibt es «Gsundella» auch aus kristallzuckerfreier, weisser Schokolade. Ein schokoladiger Brotaufstrich für den leichten Start in den Tag.
Jetzt bestellen: baeckerei-gsund.ch
für meine vielen Testprodukte. Die Mund-zu-Mund-Propaganda funktionierte und plötzlich hatte ich eine Bestellung von 1000 Brötli!» Diese Menge beanspruchten Ramonas Haushaltgeräte aufs Äusserste. Der Grundstein für die Bäckerei «gsund» war gelegt: «Ich erwarb eine Garage, um fortan dort zu backen, und verkaufte meine Produkte über den eigenen Online-Shop. Die Garage war übrigens hier, am jetzigen Produktionsstandort», schmunzelt sie. Bis heute findet Ramona Marggi Inspiration beim Velofahren: «Oftmals fallen mir Lösungsansätze für aktuelle Herausforderungen auf dem Velo ein.»
Hauptumsatz mit Low Carb
Die Bäckerei «gsund» lanciert laufend neue Produkte. «Damit es den Kunden, die auf Low Carb setzen, nicht verleidet», sagt die Gründerin. «Viele kommen auf Empfehlung einer Ernährungsberatung bei uns vorbei. Aufgrund des gesundheitlichen Aspekts arbeitete ich anfangs mit einem Arzt zusammen. So bekam ich die Möglichkeit, meine Produkte bei rund 80 unabhängigen Ernährungsberaterinnen und -beratern vorzustellen. Diese empfehlen nun mein Sortiment ihren Klienten weiter. Deshalb verkaufen wir unsere Produkte hauptsächlich online und in grossen Teilen der Schweiz. Rund 80 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit Low-Carb-, den Rest mit UrDinkel-Produkten», verrät Marggi. «Nicht nur Frischback-Brote, sondern auch Backmischungen mit Rezepten für Low-Carbund UrDinkel-Brote kann man bei uns online bestellen.»
Ernas Apfelstreusel
Für neue Rezepte sei sie immer offen, betont Ramona Marggi. Sie motiviere ihre Mitarbeitenden, neue Produktideen zu entwerfen. Schaffen es die Neuentwicklungen ins Sortiment, belohne sie die Mitarbeitenden mit einem Bonus. So sei auch Ernas Apfelstreusel entstanden. «Unsere Bäckerin Erna hat das Apfelstreuselküchlein kreiert. Mit einem feinem Zuckerteig-Bödeli ohne Kristallzucker, aus UrDinkel-Mehl und Haselnüssen sowie mit einer zarten Streuselmasse obendrauf. Die Füllung stellt sie aus Crème fraîche, Zitronensaft und Schweizer Äpfeln her. Ernas Apfelstreusel ist sehr beliebt», freut sie sich.
Der «WeihnachtsguetzliMarathon»
Ramona Marggi gibt ihr Wissen seit rund zwei Jahren auch in Kursen weiter: «Diese führe ich in unserer Schaubäckerei mit jeweils acht bis zwölf Teilnehmenden durch. Am beliebtesten ist die ‹Wiehnachts-Guetzlete›: Mein Team hilft die vorbereiteten UrDinkel-Teige auszurollen und zu backen, damit sich die Kursteilnehmenden voll und ganz dem Ausstechen widmen können: Je mehr sie ausstechen, desto mehr Guetzli dürfen sie mit nach Hause nehmen – ein sogenannter ‹Ausstechmarathon›», verrät sie.
Bald steht Weihnachten vor der Tür – wer das «Guetzle» in der Weihnachtszeit liebt, aber keine Lust auf Unordnung in der Küche hat, sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. «Am Ende des Kurses können die Teilnehmenden kohlenhydratarme sowie kristallzuckerfreie Produkte mit zehn Prozent Rabatt einkaufen. Eine frühe Anmeldung lohnt sich», sagt Ramona Marggi abschliessend. Vollbepackt mit «gsunden Versuecherli» wie Ernas Apfelstreusel, LowCarb-Brötchen und einem Glas «Gsundella» machen wir, das Redaktionsteam, uns auf den Heimweg. ▪