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Interview Stefan Loiperdinger
Sa Gerreria-Viertel, Restaurant Molta Barra
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Spaziergänge durch Palma
Für den Fotograf, Grafik-Designer und Autor Stefan Loiperdinger ist Palma die schönste Stadt überhaupt. Der Herausgeber von „Mallorcas schöne Seiten“ hat kürzlich einen Bildband über die Hauptstadt der Insel veröffentlicht, der wie alle seine Veröffentlichungen anders ist. Als aufmerksamer und sensibler Betrachter zeichnet er ein umfassendes Bild von der Stadt und ihren unterschiedlichen Gesichtern. EL AVISO sprach mit Stefan Loiperdinger über ein ungewöhnliches Konzept, die Stadt und ihre Entwicklung und den Tourismus.
EL AVISO: Sie sind Münchner, Ihre Frau ist aus Südwest-England. Wie kam es zu der neuen Heimat Mallorca, auf der Sie seit rund 20 Jahren einen Teil Ihrer Zeit verbringen? Stefan Loiperdinger: Das begann im Jahr 2002. Ich sagte zu meiner Frau: „Lass uns mal eine Woche nach Mallorca fahren, dann können wir das auch abhaken, weil es uns sowieso nicht gefallen wird.“ Das Ergebnis dieser ersten Reise kennen Sie: Wir kommen bis heute immer wieder her. Nach und nach habe ich die Insel entdeckt und festgestellt, das ist hier ja wirklich mehr als nur Palmen, Strand und Sangria. Wir haben dann eine Immobilie am Meer gesucht und auch gefunden.
EA: Freunde sagen, Ihre Liebe zu Mallorca ist über Jahre immer wieder gewachsen. Wie haben Sie das selbst empfunden? SL: In der Tat ist das so. Am Anfang waren wir immer nur kurz auf der Insel, weil wir wegen unserer Werbeagentur in München arbeiteten. Das brachte mit sich, dass wir Mallorca zunächst oberfl ächlicher betrachteten. Aber dann wurden die Aufenthalte länger. Ich habe begonnen, die Insel zu erkunden und gesehen, was für ein großes Potential Mallorca hat: Natur, Kultur – ich habe jedes Mal Neues entdeckt und mich immer mehr in die Insel verliebt.
EA: Sie haben gesagt, Mallorca selbst ist voller Kontraste. Worauf beziehen Sie das? SL: Gravierend ist der Ballermann mit den vielen Menschen im August, auf der anderen Seite tatsächlich noch kaum besuchte Strände, die man als Inselkundiger zur gleichen Zeit fi ndet. Genauso die an sich wenigen Hotelburgen und im Gegensatz dazu menschenleere Landschaften. Die Jahrtausende alte Kultur und das moderne, brodelnde Leben in Palma zum Beispiel im Stadtteil Santa Catalina. Oder die Kunstszene: Für die moderne Kunst hat Pep Pinya 1969 mit seiner Galerie auf Mallorca den Grundstein gelegt. Auch das ist ein Kontrast zu den uralten Kunstschätzen der Insel.
EA: Palma ist für Sie die schönste Stadt. Was zeichnet Palma aus und mit welchen Städten haben Sie Palma bei dieser Bewertung verglichen? SL: Vor allem mit München, weil ich München eben sehr gut kenne. Und man sagt ja auch, München sei die schönste Stadt Deutschland – zumindest für Münchner (lacht). Für mich ist Palma so schön, weil es von der Architektur und den Fassaden her historisch geblieben ist. Wenn ich heute in Palma in der Altstadt herumlaufe, sehe ich kaum ein modernes Gebäude. Ein großes Lob dafür an die Stadtverwaltung, die bei Renovierungen viel Geld in die Erhaltung investiert. München hat im Vergleich dazu einen wunderbar alten Stadtkern, aber eben nicht die alte südländische, romanische Architektur.
Palma CanFortezaRey Plaça Cort
Hotels... Aber ich habe gemerkt, das wird langweilig. Nachdem ich viel in der Stadt herumgelaufen bin, wurden aus den Rubriken Spaziergänge in Palma. Damit ist für Abwechslung gesorgt, eine alte Fassade, ein modernes Geschäft – es soll nicht so hinplätschern, sondern man soll gespannt sein, was auf der nächsten Seite folgt. Angefangen zu fotografi eren habe ich um die Kathedrale herum, dann habe ich La Calatrava, Sa Gerrería und das Stadtzentrum als nächstes erkundet, und so schließlich die ganze Stadt. Dabei habe ich sehenswerte Orte entdeckt, die ich vorher noch gar nicht kannte.
EA: Ich kenne sonst keinen vergleichbaren Bildband über Palma… SL: Nein, es gibt Bücher über Palma, aber keinen anderen Bildband. Die Stadt bietet derart viele sehenswerte Orte und Dinge in der Stadt, vielleicht haben andere Verlage das bisher auch unterschätzt.
EA: Sie geben neben anderen nützlichen Informationen auch Restaurant- und Einkaufstipps, was für einen Bildband eher unüblich ist?
EA: Ihr kürzlich erschienener Bildband „Palma“ ist ungewöhnlich: neben den imposanten großformatigen Motiven gibt es gleichzeitig informative Texte und Hintergrundberichte. Anstelle von thematischen Rubriken führen Sie den Leser durch die Stadtviertel. Wie ist das Konzept entstanden? Das Konzept der Stadtteile? SL: Zunächst habe ich etwas herumexperimentiert. Ich dachte, wir arbeiten mit Rubriken, machen erst die Sehenswürdigkeiten, dann die Restaurants, dann die
SL: Ja, ich wollte keinen reinen Kulturband über Palma machen. Palma ist eine Stadt zwischen zwei Welten, auf der einen Seite die Kultur, das architektonische und kulturelle Erbe, auf der anderen Seite alles das, was sich neu entwickelt hat. Als ich von 20 Jahren nach Mallorca kam, war Palma noch ganz anders. Da musste man in einigen Gassen aufpassen, dass einem beim Durchgehen kein Holzbalken auf den Kopf fällt. Das Gebäude von Rialto Living ist erst 2006 restauriert worden und auch andere Häuser und Geschäfte wurden erst in den letzten zehn, zwölf Jahren hergerichtet.
Sa Gerreria-Viertel ein Problem werden für Mallorca. Denn so vorteilhaft der Qualitätstourismus auch ist, man muss sich mal überlegen, was das für die Umwelt von Mallorca bedeutet. Massentourismus heißt ja, die Leute kommen an, werden in ihr Hotel gebracht und einmal in der Woche gibt es eine Rundtour durch Mallorca. Ansonsten bleiben sie in ihrem Hotel und gehen zu ihrem Strand. Die schaden der Natur nicht viel. Wenn aber deutlich mehr Qualitätstouristen landen, dann haben wir keine 100.000, sondern 200.000 oder 300.000 Mietautos. Ich sehe da eine große Gefahr, weil das niemand auf dem Radar
hat. Natürlich tut Qualitätstourismus der Insel gut, Mallorca wird aufgewertet, Restaurantbesitzer und Geschäftsleute freuen sich. Aber das muss auch logistisch machbar und umweltfreundlich verträglich sein.
EA: Was wünschen Sie sich für das neue Jahr 2022? Wird es neue Bildbände geben? SL: Das Corona weltweit endlich mal vorbei ist. Es geht mir nicht um die Maske, die man ohne weiteres tragen kann. Ich habe die Unbekümmertheit vermisst. Wir überlegen gerade, ob wir nach München fl iegen. Angesichts der vielen Neuinfektionen dort, ist die Antwort nicht einfach. Auf Mallorca sind die Inzidenzwerte dagegen überschaubar. Ansonsten gibt es genügend Fotomotive auf der Insel. Ich plane noch nicht konkret, aber so in drei Jahren kann es sicherlich mal wieder einen neuen Bildband geben.
EA: In dem Projekt ist sicherlich auch eine große Portion Stefan Loiperdinger enthalten, will heißen: Auch Ihr persönlicher Geschmack spielt eine Rolle. Wo scheint der Autor in Ihrem Buch durch? SL: Sehr viel in Sa Gerreria, den Fotos der engen Gassen, alten Häusern, wo man jede Ritze sieht und eine Fassade zum Gemälde wird. Auch die dunklen Gegenden, in denen man allerdings nachts nicht herumlaufen möchte, was sich mit der Entwicklung der Stadt zunehmend ändern wird.
EA: Persönliches Interesse ist auch beim Thema Wandern eingefl ossen, hatte ich den Eindruck? SL: Stimmt, da haben Sie recht. Da treibt mich immer die Neugier. Wenn ich geradeaus sehe und es geht hinten links ein Weg ab, dann will ich wissen, was da ist, und das lässt mir keine Ruhe (lacht). Das ist im Tramuntana-Gebirge letztlich genauso wie in Palma.
EA: Wie ist Ihr Arbeitsablauf? Wann wird für ein solches Buch fotografi ert? SL: Das machte mehr der Zufall. Ich laufe herum. Dann ist das Motiv gut, aber das Licht nicht, dann komme ich halt nochmal. Manchmal gehe ich fünfmal hin, bis alles stimmt.
EA: Bleiben wir noch mal beim eigenen Geschmack. Wo und wann würden Sie einen Freund tre en wollen, der Sie auf Mallorca besucht? Welche Jahreszeit, welches Hotel, welches Restaurant, welchen Ausfl ug, welche Ausstellung empfehlen Sie ihm? SL: Im Frühjahr oder Herbst, damit es nicht zu heiß und überlaufen ist. Wo? In Palma, in dem traumhaften Hotel Can Cera oder auf der mittelalterlichen Finca Balitx D'Avall bei Sóller mit ihm am Kaminfeuer sitzen. Zum Essen zum Beispiel in das relativ neue Santa in Santa Catalina, das kulinarisch und optisch top ist, oder ins Quinta Avenida – beste japanische Küche von Mallorquinern gemacht –, oder das Casa Maruka mit gehobener mallorquinischer Küche, die Vermutería La Rosa, wo es meiner Meinung nach die beste Tortilla überhaupt gibt. Ausfl ug und Ausstellung? Nach wie vor fi nde ich Els Calderers (Sant Joan) sehr schön, das ist zwar fast eine Art Museum aber trotzdem mit viel Atmosphäre und sehr authentisch, oder die Finca Galatzó (Calvià), und Ausstellung: die Galeria Pelaires, eine der führenden Galerien Spaniens in einem sehr schönen Palacio mit wechselnden Ausstellungen internationaler Künstler. Abends vielleicht das Teatre Sans zu Original-Flamenco-Tanz in Sa Gerreria.
Kathedrale
der Tür. Was soll man sich ansehen? SL: Was sich zu Weihnachten anbietet, ist die permanente Krippenausstellung mit einer berühmten neapolitanischen Krippe aus dem 18. Jahrhundert im Palau March, beim Café Capuccino die Treppen hoch. Oder der Weihnachtsmarkt auf der Plaça Mayor mit dem Duft von gerösteten Kastanien und Churros sowie den Krippenfi guren. Und natürlich der Passeig del Born mit seiner wundervollen Weihnachtsbeleuchtung.
EA: Ein Bildband ist ja immer eine Momentaufnahme. Wo sehen Sie Entwicklungen, wie wird sich eine Momentaufnahme in 10 Jahren davon unterscheiden? SL: Ich ho e, nicht viel. Aber man wird Veränderungen nicht verhindern können. Ich vermute, dass Palma sich innerhalb der Altstadt architektonisch nicht sehr viel ändern wird. Es wird allerdings Entwicklungen in den Stadtvierteln geben. Das was heute Santa Catalina als Szene-Viertel ist, wird man dann vielleicht als neue Hot Spots in den östlichen Teilen von Palma fi nden, wo schon heute sehr viel investiert wird. Sa Gerreria geht in den nächsten fünf Jahren wohl auch den Weg der Renovierung und leider betri t das dann auch Fassaden, die heute noch Seele haben, oder auch preiswerte Lokale, die verschwinden oder teurer werden.
EA: Sie ziehen im Buch ausgehend von der Architektur geschichtliche Parallelen bis hin zur größten Invasion, dem Tourismus. Glauben Sie, man wird den Massentourismus zurückdrängen, zugunsten des individuelleren Tourismus? SL: Deutlich zurückdrängen glaube ich nicht. Dazu müssten von den jährlich 12 oder 14 Millionen Besuchern einige Millionen wegbleiben. Das könnte
Sa Gerreria-Viertel, Plaça Quadrado
Das Gespräch führte Frank Heinrich