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Marger: Der Beruf des Trockensteinbauers
Lang leben die Mauern!
Die Margers von Mallorca sind mehr als Steine-Aufschichter. Ihr Handwerk prägt die Landschaft der Insel und hält eine uralte Tradition am Leben. Lluc Mir (44) ist der Vorsitzende des Verbandes der mallorquinischen Trockensteinbauer und ist stolz auf seine Zunft.
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Über Mauern zu reden, so stellt sich im Gespräch mit Lluc Mir heraus, hat so viele Dimensionen wie eine Debatte übers Wetter. Es beginnt ganz harmlos als Smalltalk und führt am Ende zu erstaunlichen Einsichten. Mauern gehören in Mallorca zur Landschaft dazu wie die Olivenbäume und das Meer. Den meisten Menschen fallen Mauern wohl erst auf, wenn sie vor Altersschwäche oder unter Naturgewalten zusammenbrechen. Doch Lluc Mir, der Vorsitzende der mallorquinischen Trockensteinbauer-Zunft, kämpft dafür, dass sein Metier die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient.
Die Signatur des Mauer-Künstlers Wir treffen ihn auf einem Gerüst auf dem Gelände des Santuari de Nostra Senyora de Gràcia am Berg Randa. Die Stützmauer, die dort in die Höhe wächst, gehört mit sechs Metern zu den stattlichen Exemplaren ihrer Gattung. Seit fünf Jahren baut er mit seinen Leuten an dieser Mauer, ein langsamer Rhythmus, der sich nach der Verfügbarkeit der finanziellen Mittel der Auftraggeber richtet. Mit durchschnittlich 100 € pro Quadratmeter gehört eine handgeschichtete Mauer im Trockensteinbau zu den höherpreisigen Investitionen. „Aber wenn man Qualität und Haltbarkeit berücksichtigt, ist das nicht teuer“, stellt Lluc klar. An der Seite der Konstruktion hat er einen Stein mit einem heraus gehämmerten Gecko eingefügt, seine Signatur, die er an besonderen Bauwerken hinterlässt. Selbstbewusst tritt er für sein Handwerk ein. „Ich bin kein Künstler, ich bin Maurer.“
Mit Steinmauern die Felsen imitieren Man könnte ihn auch einen Mauer-Architekten nennen, denn der Bau einer Trockensteinmauer ist eine Wissenschaft für sich. Die Steine werden nicht in gerader Linie übereinander geschichtet, sondern ineinander verkeilt wie bei einer Brücke, damit sich der Druck nach allen Seiten verteilen kann. Horizontale und vertikale Linien werden vermieden, Fugen unterbrochen. Wächst eine Mauer viele Meter in die Höhe, wird die Konstruktion hinter der Frontseite mit Steinen aufgefüllt. Diese Tiefe verleiht ihr die nötige Stärke. Meist benutzen die Marger Kalkstein, dessen unterschiedliche geologische Komposition und Farbtöne den Reiz einer solchen komponierten Gesteinswand ausmachen. Um die Natürlichkeit hervorzuheben, wird auf eine unregelmäßige Oberfläche der Steine Wert gelegt. Auch bei der hohen Wand von Randa weisen lediglich die Eckblöcke glatte Flächen auf, die kleinen Steine dagegen werden extra von Hand
so behauen, dass sie wie natürlich erodiert wirken und so die Felsen der Umgebung imitieren. „Das Gestein von Randa ist sehr speziell und hat einen hohen Anteil an Quarzkristallen, die in der Sonne glänzen.“ Für die Mauer hat Lluc Mir zusammen mit dem Pächter des Anwesens große Gesteinsbrocken den Hang hinauf gewuchtet und in Llucmajor zuschneiden lassen. Die kleineren Steine kommen überwiegend aus einem nahegelegenen Steinbruch.
Für diesen Beruf gibt es keine Lehrbücher Der Trockensteinbau auf Mallorca ist ein mündlich weitergegebenes Traditionshandwerk. „Es gibt keine Lehrbücher dafür und inzwischen auch keine Schule mehr.“ In den späten 1980er Jahren, erzählt Lluc, war der Beruf des Margers vom Aussterben bedroht. Die alten Meister fanden keine Nachfolger. „Wenn die Wissenskette einmal unterbrochen wird, kann man das Know-How nur noch aus bestehenden Bauten rekonstruieren.“ Also wurde 1986 die Escola de Margers (Trockenmaurerschule) in Sóller gegründet, um den Pfad Es Barranc de Biniaraix wiederherzustellen und junge Handwerker in dieser Branche auszubilden. „Das Consell von Mallorca hat die Schule über 20 Jahre geführt. Auch ich wurde dort unterrichtet, schon von jungen Meistern, die bei den alten gelernt hatten. Aber dann kam die Krise und Förderung gab es nur noch für Projekte mit professionellen Qualifikationen.“ Die Ausbildung in der Schule gehörte nicht dazu, das Diplom wurde nirgendwo anders anerkannt. „Seit fünf Jahren gibt es unsere Vereinigung und das erste, wofür wir gekämpft haben, ist die offizielle Anerkennung
unseres Berufes.“ Als nächsten Schritt strebt das Gremi de Margers an, die Ausbildung wieder anzukurbeln. Schließlich wurde der Mauerbau Pedra en Sec, der ohne Bindemittel auskommt, von der UNESCO 2018 zum immateriellen Weltkulturerbe ernannt.
Trockensteinbau ist das Gegenteil von Schnelllebigkeit Obwohl in der Tradition verhaftet, ist der Trockensteinbau ein sehr lebendiges Gewerk. Welche Wunderwerke damit möglich sind, haben die Margers mit vereinten Kräften auf dem Weg zum Kloster Lluc an einer 11 Meter hohen Mauer bewiesen, deren einzelne Quader bis zu 1,5 Tonnen wiegen. „Einer hatte den Auftrag, aber neun Trockensteinmeister haben mit angepackt und wir sind super stolz auf das Ergebnis.“ Es ist allerdings ein großes Problem, Trockensteinbau als Standard zu erhalten, bemängelt Lluc Mir. „Beim Bau muss immer alles schnell und billig sein. Aber im Ergebnis ändert sich das Landschaftsbild der Insel.“ Deshalb interveniert die Vereinigung der Trockensteinbauer gegen Bausünden. Dank ihnen wird die Leitplanke an einem Straßenstück von Sóller nicht mit einem Imitat aus steinbesetzten Betonfertigteilen, sondern in echter mallorquinischer Handarbeit erneuert.
Einen weiteren Erfolg fuhren sie für die Restaurierung der 200 Jahre alten Hafenmole in Portocolom ein, bei der nun statt neuer Steine und Mörtel die alten Platten wiederverwendet werden sollen. „In einer Zeit, wo alles schnell gehen muss und eine kurze Lebensdauer hat, ist Trockensteinbau genau das entgegengesetzte Konzept. Das Baurecht sagt, dass eine Mauer zehn Jahre halten muss, aber wenn du gut arbeitest, siehst du deine Mauer nie fallen, die kann bis zu 300 Jahre halten.“ Im Ausland gelten wir als Super-Spezialisten Die Schwärmerei für sein Handwerk ist in 21 Jahren Berufsjahren nicht weniger geworden. Nachdem er als junger Mann zwei Jahre bildende Kunst studiert hatte, brach Lluc Mir ab und hatte keine Ahnung, wohin es mit ihm beruflich gehen sollte. „Es war zwar nicht mein Ziel, Trockensteinbauer zu werden, aber als ich es damals mit der Escola de Margers versuchte, hat mich die Leidenschaft gepackt. Ich bin dem Beruf gleich am ersten Tag verfallen und liebe ihn bis heute. Ich arbeite in den schönsten Gegenden Mallorcas, der Beruf hält mich fit, meine Arbeit hilft dabei, das markante Landschaftsbild der Insel zu erhalten und meine Bauwerke können die Menschen noch sehen, wenn ich mal nicht mehr bin.“ Die Idee zu seinem Markenzeichen, dem kleine Gecko, wurde 2014 geboren, als er in Zürich das Grundstück einer Opernsängerin im mallorquinischen Stil gestaltete. „Ihr hat das so gefallen, dass sie sagte: ‚Das solltest du signieren.‘“ Lluc setzt sich mit all seiner Leidenschaft dafür ein, dass die Arbeit der Marger auf Mallorca an Ansehen gewinnt. „Im Ausland wird die Kunst des mallorquinischen Trockensteinbaus geschätzt und wir werden als die Super-Spezialisten gesehen, aber Zuhause sind wir nur Marger, Steinaufschichter. Nadie es profeta en su tierra.“ Der Prophet gilt nichts in seinem eigenen Land – dank Lluc Mir und seiner Kollegen von der Zunft ändert sich das gerade.
Info
Touren, um Trockensteinmauern zu bewundern - die Schlucht Barranc de Biniaraix bei Soller - das Landgut La Trapa bei St. Elm - historischer Weg Cami des correu aus dem 15. Jahrhundert von Esporles nach Banyalbulfar - Weg von Caimari nach Lluc - Fernwanderweg Ruta de Pedra en Sec (GR 221) von Port d'Andratx nach Port de Pollença
Website und Kontakt zum Meister
www.llucmir.com Christiane Sternberg Fotos: Marcos Gittis