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Interv. Dr. Helmut Baur
Ein erfülltes Leben
Dr. Helmut Baur (80) ist Vollblut-Unternehmer. Der gelernte Uhrmacher und Optiker sowie studierte DiplomKaufmann gründete 1975 zusammen mit seiner Frau Gabriele in Böblingen die Binder Optik. Heute umfasst das Unternehmen 50 Fachgeschäfte in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bayern mit ca. 400 Mitarbeitern. Helmut Baur ist unter anderem Honorargeneralkonsul von Malaysia, Ehrensenator der Hochschule für Technik und Wirtschaft (Aalen), Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Mittelständische Industrie (Berlin), in den Kuratorien der Business School Stuttgart, Stiftung Deutsche Sporthilfe und Ludwigsburger Schlossfestspiele sowie Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse. Er hat seit vielen Jahren einen Zweitwohnsitz in Port d’Andratx. mir Spaß machen, meist zusammen mit Freunden oder in Zusammenhang mit meiner diplomatischen Tätigkeit mit hohen Regierungsmitgliedern aus Malaysia, die alle leidenschaftlich gerne Golf spielen. Ich habe nicht den Ehrgeiz, mein Handicap zu verbessern. Dazu habe ich viel zu wenig Zeit und genug andere Interessen.
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EA: In welchem Verhältnis stehen für Sie denn Arbeit und Entspannung? HB: Das ist Ying und Yang, Anspannung und Entspannung. Wenn Sie einen Muskel ständig unter Anspannung halten, dann übersäuert und versagt er auf einmal. Positiver Stress und Entspannung muss in Harmonie sein und ist letztlich auch die Antwort auf die Frage, warum wird EA: Sie waren unter anderem viele Jahre Präsidiumsmitglied der „Confrérie de la Chaîne des Rôtisseurs“ und Vizepräsident der Chaine-Stiftung. Gutes Essen scheint also nicht ganz unwichtig zu sein, welche Küche bevorzugen Sie? HB: Jede Küche, die gut ist, auch die La Cuisine de Maison, also die einfache Hausfrauen-Küche. Wir waren gerade zu Gast beim einzigen Zwei-Sterne-Koch der Insel – alles war wunderbar, aber meine Frau hat dann irgendwann gesagt, wann gehen wir wieder mal ganz normal essen? Spanisch, asiatisch, französisch oder deutsch, es muss einfach nur gut sein. Das ist auch die Politik der Chaîne des Rôtisseurs. Mitglieder sind Restaurants mit guter Küche, wir fördern zudem junge Nachwuchs-Köche, das liegt mir sehr am Herzen. Mallorca hat das Publikum für die gute und gehobene Küche, die hier mittlerweile in stattlicher Zahl etabliert ist – Ballermann und Magaluf waren gestern… (lacht). Die Chaîne Mallorca ist noch klein, aber das soll sich bald ändern.
EA: Sie sind als Honorargeneralkonsul in Malaysia für ihr außerordentliches Engagement vom König mit dem hohen Adelstitel Datuk ausgezeichnet worden. Wenn ich mir dazu die Vielzahl Ihrer aktiv betriebenen Aufgaben und Ehrenämter anschaue: Wie schaff en Sie das zeitlich? HB: Ich habe mich mit 27 Jahren intensiv mit Time Management befasst, als ich meine Abiturprüfung nachholte. Das war das sogenannte Hochbegabten-Abitur, bei mir mit der Fachrichtung Wirtschaft. Das konnte man nicht wiederholen und 80 Prozent der Teilnehmer fi elen durch. Zur Vorbereitung hatte ich deshalb eine umfangreiche Bücherliste. Da habe ich zuvor erst einmal einen einwöchigen Kurs zum Thema Zeitmanagement gemacht. Nach der Woche konnte ich mit einer bestimmten Technik wesentlich schneller lesen, und mit jeder Minute kostbar umgehen. Auf die Abiturprüfung habe ich dann
Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Gabriele Baur (v.r.n.l.) Prof. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Präsident der Chaîne des Rôtisseurs
EL AVISO: Wir sind hier auf dem Golfplatz Son Quint. Sie selbst haben vor einiger Zeit Ihr Handicap kritisiert, was ist daraus geworden? Helmut Baur: Das war eher scherzhaft gemeint, eigentlich hat sich nichts verändert, und das aus gutem Grund. Mein Anspruch ist: Golfspielen muss entspannt sein und man krank oder bleibt gesund. In der chinesischen Gesundheitslehre, die auch in Malaysia weit verbreitet ist, geht es um die Meridiane, die nicht blockiert sind, die richtige Ernährung, letztlich den erwähnten Ausgleich – ich kenne wohl auch deshalb keine gesundheitlichen Beschwerden. EA: Welche Rolle spielt dabei für Sie Mallorca? HB: Mallorca ist ein wichtiger Teil meiner Entspannung und neben Malaysia auch eine zweite Heimat geworden. Heimat bezogen bilden Mallorca und Malaysia für mich und meine Frau mit Deutschland zusammen einen Dreiklang.
Datin Sarah Nava Rani Al Bakri Devadason, Botschafterin Malaysias
ein auf sechs Semester verkürztes Studium an 3 Universitäten zum Diplom Kaufmann gesetzt. Als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes gestand man mir die Verkürzung zu, natürlich mit regulärer Prüfung.
EA: Nochmal zurück zum persönlichen Engagement. Sie haben sich eingesetzt für Lebensräume, für Tierschutz. Manchmal bringt das ja auch Ärger, etwa Ihre Initiative gegen Schildpatt bei der Brillenherstellung…? HB: Ich stand deshalb in Trier vor Gericht. Wir hatten einen Fernsehfi lm gedreht, der hieß „Rettet die Meeresschildkröten jetzt“. Wir hatten im Urlaub auf Bali gesehen, wie die Schildkröten angelandet und auf grausame Weise bei lebendigem Leib von ihrem Panzer entfernt wuden. Das war auf Jamaika und in der Karibik genauso. In dem TV-Film habe ich dann auch zum Boykott der Optiker aufgerufen. Danach wurde ich verklagt von den Herstellern der Schildpatt-Brillen, die alle in der Eifel bei Daun sitzen.
HB: Das ist richtig. Gerichtsstand war Trier und wir haben dann wichtige Rundfunksender wie WDR, SWR organisiert, die zur Verhandlung nach Trier kamen und berichteten. Und wir haben zahlreiche Tierschützer und andere Sympathisanten nach Trier gebracht. Das war für uns ein großer Erfolg, denn das Gericht hat in seinem Urteil gesagt, man müsse auch die geänderte öffentliche Meinung berücksichtigen. Die Klage wurde abgeschmettert und es gab keine Verurteilung. EA: Unter den Optiker-Kollegen beliebt waren Sie dann nicht? HB: Das war mir egal. Fielmann und Binder Optik waren unter Kollegen die bestgehassten Optiker in Deutschland. Wir haben beide die Branche mit frischen Ideen umgekrempelt, er im Norden, ich im Süden. Das hatte zur Folge, dass mich kein Hersteller beliefert hat, als ich mich selbstständig machte – außer der Firma Zeiss. Als ehemaliger Vertriebschef für Brillen von Zeiss hatte ich viele Freunde und auch Ware von den Herstellern, die mich boykottierten. Ich habe vieles im Ausland gekauft, was teilweise sogar billiger war. Da muss man halt ein bisschen findig sein (lacht). EA: Sie haben einmal gesagt, bei Ihnen ist das Glas Wasser immer halb voll. Ist diese Einstellung eine Voraussetzung für Unternehmer? HB: Unbedingt! Ein Unternehmer muss immer positiv denken, egal in welcher Krise. Das wirkt sich ja auch auf die Gesundheit aus. Denken Sie an die zahlreichen psychosomatischen Krankheiten. Der Mensch tut viel für oder gegen seine eigene Gesundheit! EA: Geschäftlich hat Ihnen Mallorca nicht immer Glück gebracht? HB: Wir haben unsere Filiale in Port d‘Andratx vor einigen Jahren wieder geschlossen, weil wir uns nicht ständig ärgern wollten. Fast alle Deutschen, die nach Mallorca gehen denken, man kann sich hier ein leichtes Leben machen. Das hatte zur Folge, dass die Mitarbeiter in der Hochsaison Urlaub nehmen wollten, oder sie hatten sich morgens per Computer angemeldet und abends abgemeldet, das Geschäft war aber ganztägig geschlossen und sie waren tagsüber wahrscheinlich am Strand. Hinzu kam die grenzlose Bürokratie der Spanier. Wir mussten den deutschen Meistertitel eines Mitarbeiters in Madrid erstmal vor Gericht durchkämpfen. Auch Fehler gehören zum Leben, da genieße ich lieber diese traumhafte Insel!
Helmut, Gabriele und Dominic Baur mens Zeiss hat Sie dann Ihr späterer Mitbewerber Fielmann zur Selbstständigkeit inspiriert?
HB: Nicht nur, auch andere Optiker inspirierten mich. Ich habe dann überlegt, dass ich familiär mehr mit Unternehmer-Genen gesegnet bin, als in Konzernen zu arbeiten. Dort herrschen ja andere Gesetze, da muss man sich eher mal bücken (lacht). Ich wollte dann doch selbst mein eigenes
Ding machen.
EA: Warum Binder Optik und nicht Baur Optik?
HB: Meine Mutter ist eine geborene Binder, und es gab ein vom Großvater gegründetes Uhrmacher- und Optiker-
Geschäft in Böblingen. Als ich mich selbstständig machte, bin ich vorher zu einem Marktforschungsinstitut und habe gesagt: Testet doch mal Baur und Binder, was besser ankommt. Baur ohne „e“ war schon mal schlecht, weil man in Baden-Württemberg Bauer mit „e“ schrieb. Binder war eingeführt und bekannt, so wurde es Binder Optik.
EA: Im Optik-Markt gibt es eine harte Konkurrenz. Was macht Ihre Positionierung aus?
HB: Wir sind und bleiben ein Familienunternehmen und das wollen wir unseren Kunden auch klar machen. Das vollstufigen Produktion sehr schnell und flexibel und damit erfolgreich ist. Bei Brillen spielt das alles keine Rolle, die kann man in Deutschland kaum mehr produzieren, das ist viel zu teuer. Die werden in China, Taiwan, Korea, Singapur, Japan oder in Italien mit Teilen aus Fernost produziert, oft mit deutschen Maschinen, deutschen Material, aber eben geringeren Löhnen.
EA: Der Brillenkauf ist beratungsintensiv. Wie ist die
Antwort von Binder Optik auf Internetangebote?
HB: Der Anteil liegt zurzeit beim Internet-Brillenkauf bei fünf Prozent und wir erwarten in der Branche nicht mehr als 10 Prozent. Wir sehen Internet als Informationsmedium, bieten mit anderen Kollegen zusammen Plattformen wie www.meinebrille.de oder www.meinelinse.de an. Anpassung und Verarbeitung erfolgt dann im jeweiligen Geschäft. Wir beobachten den Markt, aber andere Konzept werden derzeit Kundenansprüchen nicht gerecht.
EA: Ihre Frau spielt eine große Rolle für Sie und Ihren Erfolg. Was meinen Sie, ist das eine besondere Fügung oder braucht ein erfolgreicher Mann immer die Unterstützung einer starken Frau? HB: Das ist beim Wolfgang Grupp genauso, es steht eigentlich immer eine tolle Frau an der Seite eines erfolgreichen Mannes. Frauen haben beispielsweise ein ganz anderes Gefühl für Mode und Design. Meine Frau hat lange Jahre den Einkauf bestimmt. Auch die Gestaltung unserer Filialen ist ihr Thema, da kam ich dann oft erst zur Eröffnung (lacht). Ich habe mich mehr um Mitarbeiter und Marketing gekümmert. Ich finde es wunderbar, dass jeder gleichberechtig seine Stärken einsetzt.
EA: Das operative Geschäft haben Sie Ihrem Sohn Dominic übergeben. Fällt Ihnen das als Vollblut-Unternehmer schwer? HB: Nein, Sie müssen dann schon jemand die Chance geben, wenn er auch die volle Verantwortung übernimmt. Da gibt es bei uns kein Problem, und er macht das sehr gut!
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Gabriele Baur Winfrid Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württemberg
EA: Wir haben schon über Ihr Turbo-Studium nach zwei Ausbildungen gesprochen. Was ist für den Berufsstart heute wichtig? HB: Zunächst muss klar sein, wenn alle studieren wollen, dann gibt es eben viele Taxifahrer mit Studium. Wir haben einen enormen Mangel im Mittelstand an qualifizierten Handwerkern und die verdienen oft sehr viel mehr als Leute mit langjährigem Studium. Wichtig ist einfach auch, sich am Anfang mal vom Psychologen testen zu lassen, wozu man geeignet ist. Generell bin ich ein Anhänger der dualen Ausbildung, da sind praktische Arbeit und Studium ideal verbunden. Heute können Sie mit dualem Studium als Optiker sogar an bestimmten Universitäten auch promovieren. EA: Als Gesamtvertriebsleiter für Brillen des Weltunternehist einfach anders als ein Unternehmen, hinter dem nur Geldgeber stehen, und die Mitarbeiter zu ihrer Tätigkeit eigentlich wenig Bezug haben. Viele Mitarbeiter sind bei uns schon 20, 25 oder 30 Jahre. Daher wollen wir der Markenoptiker sein, preislich im mittleren und oberen Bereich. Dies verbunden mit exzellentem Service und Beratung. Dafür haben wir schon einige Auszeichnungen erhalten.
EA: Ihre Eigenmarken werden überwiegend im Ausland produziert. Was halten Sie von Trigema-Chef Wolfgang Grupp, der alles in Deutschland produziert? HB: Er ist ein langjähriger Freund von mir, der mit seiner Das Gespräch führte Frank Heinrich