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Interv. Werner Schulze-Erdel
TV-Legende und Charity-Golfer
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Werner Schulze-Erdel ist auch nach seiner Zeit als TV-Moderator vielen in Erinnerung geblieben. Zwei Jahrzehnte prägte er erfolgreiche Spielshows wie „Ruck Zuck“ und „Familien-Duell“. Heute lebt er in München und Santa Ponsa. EL AVISO sprach mit ihm unter anderem über ein Leben nach der TV-Karriere, Themen wie Vermögensbildung, Fernsehen heute, soziales Engagement und Wertevermittlung sowie über ein ganz spezielles Outing.*
EL AVISO: Du hast bei Musikbox, später Tele 5 moderiert, dann bei RTL „Ein Tag wie kein anderer“ und das Feierabendmagazin, zurück bei Tele 5 „Ruck Zuck“ und dann – wieder bei RTL – das „Familien-Duell“. Was waren die größten Herausforderungen für Dich? Werner Schulze-Erdel: Herausforderungen gab es eigentlich immer, weil es so oft anders kam als geplant. Aus einer Woche Vertretung bei RTL wurden beispielsweise zwei Jahre: Das war das FeierabendMagazin und das Reisequiz „Ein Tag wie kein anderer“. Dann kam ein neuer, bekloppter Unterhaltungschef und alles wurde auf den Kopf gestellt. Ich traf zufällig den Tele 5-Chef Wolfgang Fischer auf der Funkausstellung wieder, und der sagte: komm doch zurück zu uns, ich habe da eine Gameshow aus Australien und Amerika für Dich. Ich war nicht sicher, ob das in Deutschland funktioniert. Daraus wurden dann über 1.000 Sendungen „Ruck Zuck“ und wir waren sogar für das „Bambi“ nominiert. Dabei waren wir anders als die ARD- und ZDF-Kollegen, das war das Erfolgsrezept und die eigentliche Herausforderung, denn es war ja auch learning by doing.
EA: Bereust Du im Nachhinein etwas, das Du während der TV-Karriere aufgeben oder vernachlässigt hast? Die Schauspielerei und Theater, das Familienleben? WSE: Das Familienleben habe ich nicht vernachlässigt, aber das Theater spielen. Wenngleich ich in einem Monat 50 Sendungen für zweieinhalb Monate Programm aufgezeichnet habe, blieb für die Schauspielerei vor allem am Theater kaum Zeit. Ich war schon so gut beschäftigt: mit Veranstaltungen für Firmen, Coachings für Manager und Politiker, als Dozent für die SchauspielAkademie und mit der Produktion von Reisefi lmen. WSE: Das war nicht allzu schwierig, ich habe die freiwerdende Zeit einfach für meine anderen Aktivitäten genutzt. Hinzu kam das karikative Engagement, wie zum Beispiel der Förderverein Good Hope, den ich mit meinem Jugendfreund Udo Lindenberg mitgegründet habe. Vor zehn Jahren haben wir ein ganzes Dorf für 300 Kinder in Tansania gebaut. Die Bekanntheit ist interessanterweise geblieben. Immerhin hatte ich zwischenzeitlich einen Marktanteil von 52,9 Prozent und war damit auf der Titelseite in der amerikanischen Variety. Heute sind solche Quoten unvorstellbar. Noch immer zeigen mir beispielsweise in der U-Bahn Kinder lachend ihr Smartphone und fragen: Sind Sie das? Die sehen kaum noch Fernsehen, aber die Sendungen sind immer noch ein Renner auf YouTube, teilweise auch in Ausschnitten, bei denen Stefan Raab meine Kandidaten hochgenommen hat.
Mit Udo Lindenberg
EA: Ein Wechsel zu ARD oder ZDF war zu Deiner Zeit nicht üblich. Hattest Du als „Gesicht der Privaten“ den Eindruck, für derartige andere Angebote „verbrannt“ zu sein? WSE: Damals ja, heute wäre das kein Thema mehr. Ein mir bekannter Programmdirektor sagte: Ich mag Dich zwar, aber Du bist zu sehr ein Gesicht des privaten Fernsehens. Damit war das Thema erledigt. Beim Theater war das eine Zeit lang ähnlich. Da waren die Kritiken schon vorher geschrieben, ich war ja für viele der Unterhaltungsfuzzi (lacht). Da muss dann erstmal Ruhe reinkommen.
Impressionen aus Ruck Zuck und Familien-Duell
ist einfach menschenverachtend, selbst wenn das ist einfach menschenverachtend, selbst wenn das einige Leute gar nicht realisieren. Die monetären einige Leute gar nicht realisieren. Die monetären
Angebote sind schon sehr hoch. Meine Freunde Angebote sind schon sehr hoch. Meine Freunde würden das trotzdem nicht verstehen. Nur Geld ist eben auch nicht das Wichtigste – Gott sei Dank, kann ich mir diese Einstellung leisten – ich bin ja Privatier mit abgeschlossener Vermögensbildung (lacht). EA: Hätte eine Neuaufl age von „Familien-Duell“ heute noch eine Chance? „Der Preis ist heiß“ ist gefl oppt. Liegt der Erfolg Deiner Meinung nach am Moderator? WSE: Ohne vermessen zu sein, es liegt schon sehr am Moderator. Der Moderator steht für die Sendung. „Der Preis ist heiß“ hätte eben mit so einem positiven Knuddelbär wie Harry Wijnvoord besetzt werden sollen. Bei „Familien-Duell“ gab es ja Versuche und ich kann nur sagen, wenn man so eine Show macht und bei der Kommunikation mit Menschen seinen Text vom Teleprompter abliest, dann kann das nicht gut gehen. Das war zudem auch so billig produziert, mit lauter langweiligen, spießigen Menschen. Da war ich ja damals schon moderner. Diversität ist das aktuelle Thema, und zwar ernst genommen, also keine Vorzeige-Menschen, sondern interessante Menschen. Das „Familien-Duell“ könnte wie in vielen anderen Ländern der Welt heute noch erfolgreich sein. EA: Du hast von abgeschlossener Vermögensbildung gesprochen. Das ist nicht typisch für die TV- und auch Schauspielbranche. Was ist Dein Rezept? WSE: Der Hauptgrund meiner guten Altersvorsorge ist: Ich war und bin nur einmal verheiratet (lacht). Genug Geld wird auch heute noch gezahlt, aber viele denken, das geht immer so weiter. Klar habe ich mir vom ersten Vertrag mit RTL erst einmal ein besseres Auto geleistet, und und. Aber ich habe den Ball immer fl ach gehalten. Wichtig ist dabei: Nicht größenwahnsinnig werden. Was wurden mir tolle Beteiligungsangebote versprochen…?! Ich habe lieber auf ein paar teure Blue Chips gesetzt. Wenn die auf Dauer verlieren, geht die Welt ohnehin zugrunde. Und bei Immobilien: Lage, Lage, Lage!
EA: Die Nachwuchs-Förderung liegt Dir besonders am Herzen. Was gibst Du den jungen Kollegen/innen mit auf ihren Weg? WSE: Die Voraussetzungen heute sind ganz andere. Ich erinnere an das Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ von Neil Postman, wo das Ganze vor Jahren schon vorausgesagt wurde. Einerseits ist die Entwicklung toll, weil ich eigentlich keine Redaktion mehr brauche, denn
Mit Ehefrau Sybille Nüsslein
die habe ich als Smartphone. Ich sehe auch, dass die jungen Leute eine viel bessere Ausbildung haben als wir sie hatten. Voraussetzung für ein Volontariat bei RTL ist beispielsweise ein abgeschlossenes einschlägiges Hochschulstudium. Aber kennen die jungen Kollegen deshalb die Menschen von der Straße, die ihr Programm schauen? Meine Beobachtung ist: Die Kommunikation fehlt in weiten Teilen. Und noch ein Punkt: Ab und zu ein Versprecher oder zu nuscheln ist nicht entscheidend, Authentizität ist wichtig.
EA: Bei ARD und ZDF hat wieder eine Spardebatte eingesetzt, und dort droht man mit erheblichen Qualitätsverlusten. Wie siehst Du das? WSE: Ich denke nur an die riesigen Teams von ARD und ZDF, die schon zu meiner Zeit zu Dreh-Terminen anreisten. Die kamen gefühlt mit 20, 30 Leuten und RTL kam mit drei. Aber wesentlicher sind deren Rentenfonds, die lassen die Sender ersticken. Ob es zudem ein Dutzend Rundfunkanstalten geben muss und ebenso viele Rundfunkorchester, bezweifele ich. Unabhängig davon ist meine generelle Meinung: Solange ARD und ZDF die Grundversorgung im Informationsbereich sicherstellen, sind sie wichtig. Die guten Sendungen sollten dabei nicht nach 23.00 Uhr versteckt werden, da sind die meisten schon im Bett.
Mit Fritz Wepper
Mit Jan Josef Liefers und Anna Loos
EA: Wenn wir gerade beim Thema sind: Auch RTL schlägt gerade einen neuen Kurs ein. Was sagst Du dazu? WSE: Meint RTL es wirklich ernst mit der Qualitätso ensive oder ist das wieder so eine Zeitgeist-Frage? Die merken natürlich, dass sich durch die Digitalisierung alles verändert. Die jungen Leute schauen nicht mehr klassisches Fernsehen, die höchsten Zuwachsraten haben die StreamingSender. Eine Möglichkeit: Das Geld lieber nehmen für sportliche Großereignisse? Ich habe da kein Rezept. Ich weiß es nicht. EA: Zurück zu Dir: Ein weiteres Anliegen ist der Bereich Charity. Dazu organisierst Du Golf-Tuniere. Kann man da noch etwas beständiges bewegen? WSE: Tansania als Beispiel habe ich schon erwähnt. Wir organisieren in einem kleinem prominenten Team dafür Charity-Golf-Tuniere, die unter anderem von Udo Lindenberg unterstützt werden. Die Hilfe ergibt sich und ist in gewisser Weise breit aufgestellt. In meiner Heimatstadt Münster kam ich dann mit Jan Josef Liefers zusammen, der in Münster immer den Tatort dreht. Wir beide sind Golfer und wir wollten mit Aktionen der NCL Stiftung in Münster helfen, die sich um die wenig beachtete Krankheit der Kinderdemenz kümmert, ich als Münsteraner und er als Münsteraner Botschafter. Wir bewegen also etwas und achten dabei immer darauf, dass das auch nachhaltige Wirkung hat.
EA: Ein Sprung und ein anderes, aber aktuelles Thema: Wie hast Du Corona erlebt? war aber eigentlich vier Jahre zu alt. Ich habe dann später auch noch mit 50 Jahren 20jährige gespielt, hatte also mit den Genen auch Glück. Das mit der Lügerei war dann immer hinterher etwas anstrengend, bei Flug- und Hotel-Buchungen durch Sekretärinnen und so weiter. Manchmal frage ich mich, warum ich das nicht eher korrigiert habe. In meiner Heimat, dem Münsterland, habe ich dann zum vorgeblich 66sten Geburtstag 150 Leute auf die MS Günther eingeladen, und das zum Anlass für ein Outing genommen und gestanden. Ich habe eingestanden, dass ich 70 Jahre alt bin.
EA: Du sagst selbst von Dir „Unterhaltungsfuzzi“. Was ist an Werten, und Prinzipien geblieben als ehemaliger Messdiener und Demonstrant gegen den SpringerVerlag? WSE: Inzwischen habe ich schon für Springer gearbeitet, die Zeiten ändern sich (lacht). Und inzwischen planen zwei ehemalige Messdiener – Wolfgang Bosbach und ich – durchs Heilige Land fahren. Zurzeit habe ich etwas Bedenken, es ist zwar wieder ruhig, aber politisch noch nichts geklärt. Ja, die Werte: Ich bin katholisch und das hat mich geprägt. Gerade in einer Zeit, wo der Werteverlust in unserer Ich-Gesellschaft so extrem ist, und wo man sich falsche Götter sucht, sollte man Kante zeigen, sich bekennen. Wir müssen den jungen Leuten etwas vermitteln. Ohne Werte groß zu werden, Mit Elke Sommer und Wolfgang Bosbach kann nicht gut enden.
WSE: Ich bekam plötzlich WhatsApps von wildfremden Leuten, warum ich nach Mallorca fl iege. Man dürfe ja schließlich auch nicht in die deutsche Ferienwohnung, die Kindergärten dürften nicht ö nen und so weiter. Ich habe dann journalistischen Kollegen gesagt: Der Ärger ist verständlich, aber ich fl iege mit einem Flugzeug, in dem alle getestet sind, mit dem besten Umluft-System, Mallorca hatte zuvor einen viel härteren Lockdown als Deutschland, die Menschen haben darunter wirtschaftlich stark gelitten und mit den strengen Maßnahmen ist Mallorca sicherer als anderswo. Auf Mallorca sehe ich dann in der deutschen Presse die Bilder mit Menschenmassen am Ballermann. Ich war noch einen Tag vorher dort, ein Mann saß vor dem Ballermann, sonst niemand. Das ist unglaublich, das nenne ich Manipulation. Übrigens zuletzt mit einem Foto von der Rolltreppe Anreisender am Flughafen, aus völlig falscher Perspektive. EA: Dein Alter – heute 73 Jahre – hast Du lange verschwiegen und Dich vier Jahre jünger gemacht. Warum? WSE: Der Grund liegt im Jahr 1972. Da hatte ich an der Bochumer Schauspielschule meine Aufnahmeprüfung,
EA: Nun machst Du ja den jugendlichen Eindruck eines 53-jährigen. Was ist Deine Planung für die kommenden 30 Jahre? WSE: Ich habe noch Glück, aber schon die ersten Wehwehchen (lacht). Ja, immer weiterkämpfen, zu- und abnehmen, wieder mehr Sport treiben. Ich will mich weiterhin sehr viel sozial engagieren. Das macht mir sehr viel Spaß, Erfolg Mit Wolfgang Bosbach für den guten Zweck zu haben. Ansonsten plane ich nicht so weit im Voraus. Mit David Hasselho und Frank Heinrich Das Interview wurde in der Du-Form geführt, der Interviewer war einige Jahre TV-Kollege von Werner Schulze-Erdel. Das Gespräch führte Frank Heinrich