EL AVISO Mallorca September 2021

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KULTUR GESELLSCHAFT

EL AVISO | 09/2021

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TV-Legende und Charity-Golfer

Impressionen aus Ruck Zuck und Familien-Duell

Werner Schulze-Erdel ist auch nach seiner Zeit als TV-Moderator vielen in Erinnerung geblieben. Zwei Jahrzehnte prägte er erfolgreiche Spielshows wie „Ruck Zuck“ und „Familien-Duell“. Heute lebt er in München und Santa Ponsa. EL AVISO sprach mit ihm unter anderem über ein Leben nach der TV-Karriere, Themen wie Vermögensbildung, Fernsehen heute, soziales Engagement und Wertevermittlung sowie über ein ganz spezielles Outing.* EL AVISO: Du hast bei Musikbox, später Tele 5 moderiert, dann bei RTL „Ein Tag wie kein anderer“ und das Feierabendmagazin, zurück bei Tele 5 „Ruck Zuck“ und dann – wieder bei RTL – das „Familien-Duell“. Was waren die größten Herausforderungen für Dich? Werner Schulze-Erdel: Herausforderungen gab es eigentlich immer, weil es so oft anders kam als geplant. Aus einer Woche Vertretung bei RTL wurden beispielsweise zwei Jahre: Das war das FeierabendMagazin und das Reisequiz „Ein Tag wie kein anderer“. Dann kam ein neuer, bekloppter Unterhaltungschef und alles wurde auf den Kopf gestellt. Ich traf zufällig den Tele 5-Chef Wolfgang Fischer auf der Funkausstellung wieder, und der sagte: komm doch zurück zu uns, ich habe da eine Gameshow aus Australien und Amerika für Dich. Ich war nicht sicher, ob das in Deutschland funktioniert. Daraus wurden dann über 1.000 Sendungen „Ruck Zuck“ und wir waren sogar für das „Bambi“ nominiert. Dabei waren wir anders als die ARD- und ZDF-Kollegen, das war das Erfolgsrezept und die eigentliche Herausforderung, denn es war ja auch learning by doing.

WSE: Das war nicht allzu schwierig, ich habe die freiwerdende Zeit einfach für meine anderen Aktivitäten genutzt. Hinzu kam das karikative Engagement, wie zum Beispiel der Förderverein Good Hope, den ich mit meinem Jugendfreund Udo Lindenberg mitgegründet habe. Vor zehn Jahren haben wir ein ganzes Dorf für 300 Kinder in Tansania gebaut. Die Bekanntheit ist interessanterweise geblieben. Immerhin hatte ich zwischenzeitlich einen Marktanteil von 52,9 Prozent und war damit auf der Titelseite in der amerikanischen Variety. Heute sind solche Quoten unvorstellbar. Noch immer zeigen mir beispielsweise in der U-Bahn Kinder lachend ihr Smartphone und fragen: Sind Sie das? Die sehen kaum noch Fernsehen, aber die Sendungen sind immer noch ein Renner auf YouTube, teilweise auch in Ausschnitten, bei denen Stefan Raab meine Kandidaten hochgenommen hat.

Mit Udo Lindenberg

EA: Bereust Du im Nachhinein etwas, das Du während der TV-Karriere aufgeben oder vernachlässigt hast? Die Schauspielerei und Theater, das Familienleben? WSE: Das Familienleben habe ich nicht vernachlässigt, aber das Theater spielen. Wenngleich ich in einem Monat 50 Sendungen für zweieinhalb Monate Programm aufgezeichnet habe, blieb für die Schauspielerei vor allem am Theater kaum Zeit. Ich war schon so gut beschäftigt: mit Veranstaltungen für Firmen, Coachings für Manager und Politiker, als Dozent für die SchauspielAkademie und mit der Produktion von Reisefilmen.

EA: Ein Wechsel zu ARD oder ZDF war zu Deiner Zeit nicht üblich. Hattest Du als „Gesicht der Privaten“ den Eindruck, für derartige andere Angebote „verbrannt“ zu sein? WSE: Damals ja, heute wäre das kein Thema mehr. Ein mir bekannter Programmdirektor sagte: Ich mag Dich zwar, aber Du bist zu sehr ein Gesicht des privaten Fernsehens. Damit war das Thema erledigt. Beim Theater war das eine Zeit lang ähnlich. Da waren die Kritiken schon vorher geschrieben, ich war ja für viele der Unterhaltungsfuzzi (lacht). Da muss dann erstmal Ruhe reinkommen.

EA: Du hast fast 6.000 Sendungen mit rund 25.000 Kandidaten moderiert. Wie ist das, wenn es plötzlich mit der TV-Präsenz zu Ende geht?

EA: Wie reagiert man auf gut honorierte Verlockungen, wie zum Beispiel eine Einladung ins Dschungelcamp? WSE: Also da bin ich gegen immun. Das Dschungelcamp

ist einfach menschenverachtend, selbst wenn das einige Leute gar nicht realisieren. Die monetären Angebote sind schon sehr hoch. Meine Freunde würden das trotzdem nicht verstehen. Nur Geld ist eben auch nicht das Wichtigste – Gott sei Dank, kann ich mir diese Einstellung leisten – ich bin ja Privatier mit abgeschlossener Vermögensbildung (lacht). EA: Hätte eine Neuauflage von „Familien-Duell“ heute noch eine Chance? „Der Preis ist heiß“ ist gefloppt. Liegt der Erfolg Deiner Meinung nach am Moderator? WSE: Ohne vermessen zu sein, es liegt schon sehr am Moderator. Der Moderator steht für die Sendung. „Der Preis ist heiß“ hätte eben mit so einem positiven Knuddelbär wie Harry Wijnvoord besetzt werden sollen. Bei „Familien-Duell“ gab es ja Versuche und ich kann nur sagen, wenn man so eine Show macht und bei der Kommunikation mit Menschen seinen Text vom Teleprompter abliest, dann kann das nicht gut gehen. Das war zudem auch so billig produziert, mit lauter langweiligen, spießigen Menschen. Da war ich ja damals schon moderner. Diversität ist das aktuelle Thema, und zwar ernst genommen, also keine Vorzeige-Menschen, sondern interessante Menschen. Das „Familien-Duell“ könnte wie in vielen anderen Ländern der Welt heute noch erfolgreich sein. EA: Du hast von abgeschlossener Vermögensbildung gesprochen. Das ist nicht typisch für die TV- und auch Schauspielbranche. Was ist Dein Rezept? WSE: Der Hauptgrund meiner guten Altersvorsorge ist: Ich war und bin nur einmal verheiratet (lacht). Genug Geld wird auch heute noch gezahlt, aber viele denken, das geht immer so weiter. Klar habe ich mir vom ersten Vertrag mit RTL erst einmal ein besseres Auto geleistet, und und. Aber ich habe den Ball immer flach gehalten. Wichtig ist dabei: Nicht größenwahnsinnig werden. Was wurden mir tolle Beteiligungsangebote versprochen…?! Ich habe lieber auf ein paar teure Blue Chips gesetzt. Wenn die auf Dauer verlieren, geht die Welt ohnehin zugrunde. Und bei Immobilien: Lage, Lage, Lage! EA: Die Nachwuchs-Förderung liegt Dir besonders am Herzen. Was gibst Du den jungen Kollegen/innen mit auf ihren Weg? WSE: Die Voraussetzungen heute sind ganz andere. Ich erinnere an das Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ von Neil Postman, wo das Ganze vor Jahren schon vorausgesagt wurde. Einerseits ist die Entwicklung toll, weil ich eigentlich keine Redaktion mehr brauche, denn


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