Welle | Rundbrief der Langau e.V. | 2/2014

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welle 2/14 Wenn ich aus dem Fenster in meinem Büro blicke, dann schaue ich auf das Dach gegenüber. Die Sonne scheint auf die noch kahle Linde im Brunnenhof und dahinter wird fleißig das Dach abgedeckt. Die Arbeit geht den Männern routiniert und schnell von der Hand. Der alte Dachstuhl bleibt, wird verstärkt und ertüchtigt, modern gedämmt und dann mit schönen, roten Ziegeln wieder eingedeckt. So spiegelt sich in unserem Alltag gerade etwas vom Wesen der Welt – wir bauen immer auf einen vorhandenen Grund. Manchmal bewusst doch sehr oft ohne es zu ahnen. Selbst die neueste Idee, die größte Veränderung ist doch nur ein Widerhall von etwas, das sich lange vorbereitet, sich unauffällig angebahnt hat, und etwas, zu dem viele

Ich liebe Tunnel. Sie sind ein Symbol für die Hoffnung: irgendwann wird es wieder hell sein. Wenn es nicht zufällig Nacht ist. PASCAL MERCIER, NACHTZUG NACH LISSABON

einen Beitrag geleistet haben. Solches Wissen lehrt uns Bescheidenheit. Im Haupthaus unten ist derweil munteres Treiben, die Vorbereitungen für Ostern sind in vollem Gange. In der Küche werden in guter Tradition Osteroblaten gebacken, die Worte: Christus ist Sieger werden dabei mit einer alten Form in den Teig gedrückt. Am

interner rundbrief der bildungs- und erholungsstätte langau 86989 steingaden www.langau.de

Ostersonntag liegen sie auf jedem Teller und begrüßen unsere Gäste zum Osterfrühstück. Sie sollen uns erinnern, dass es einen Grund gibt, auf dem wir stehen, der uns von nichts und niemand genommen werden kann. Wenn manchmal auch alles um uns herum ins Wanken gerät, ganz unten gibt es ein unerschütterliches Fundament auf dem unser Menschsein ruht. Christus ist Sieger! Das Wissen darum schenkt uns Vertrauen. Bescheidenheit und Vertrauen – eine gute Mischung für ein gelingendes Leben und eine gute Lehre aus einem ganz normalen Tag in der Langau. Einen herzlichen Gruß vom gesamten Team der Langau ó peter barbian

Vorwort Wir möchten Sie an unseren Erfahrungen mit unseren Gästen aus Afrika und Asien teilhaben lassen, aber auch Verständnis für die Situation der Frauen und Männer wecken, die Zuflucht in einem der reichsten Länder der Welt suchen. Vielleicht begegnen Sie ja bei Ihrem nächsten Besuch in der Langau einem "unserer" Männer und kommen ins Gespräch. Wir können Ihnen versprechen: Es ist eine Bereicherung! Viel Freude mit dieser Ausgabe der Welle!

"Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen." (3 Mose 19,33) Wir möchten mit diesen Worten des Alten Testaments die Brücke schlagen zu unserem Leitthema der zweiten Ausgabe der Welle in diesem Jahr, die dem Thema „Asylsuchende in der Langau und Deutschland“ gewidmet ist. Seit mehr als einem halben Jahr haben wir regelmäßig Besuch in der Langau von Menschen, die im Landkreis Weilheim auf die Entscheidung über ihren Asylantrag warten.

ó die redaktion — daniel wilms, simone linke

Unser Thema Der Flüchtlingswelle folgte eine Welle der Sympathie Asylbewerber im Kreis Weilheim-Schongau

wiegend Männer aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Mali, Senegal, Nigeria und Sierra Leone. Aber auch Familien mit drei bis vier Kindern leben nun zumindest vorübergehend in dieser Region.

In beeindruckender Weise haben zahlreiche Bewohner des Landkreises die Herausforderung angenommen, die mit einer neuen Flüchtlingswelle über unseren Landkreis ‚hereinbrach‘. Bis zum April 2013 konnten noch alle Asylbewerber im Landkreis im Wesentlichen in einer Unterkunft in Schongau untergebracht werden. Etwa 50 waren es. Ein Jahr später leben 250 Asylbewerber in 15 Unterkünften, die das Landratsamt angemietet hat. Schwerpunkte sind neben Schongau: Peißenberg, Seeshaupt und Weilheim. Jedem Landkreis werden nach einem bestimmten Schlüssel Asylbewerber aus den Erstaufnahmeeinrichtungen in München und Zirndorf zugeteilt. Im Landkreis Weilheim-Schongau sind es über-

Wir sind dankbar, für die ‚Politik‘ des Ausländeramtes des Landratsamtes, möglichst kleinere, dezentrale Unterkünfte zu schaffen. Das beugt sozialen Spannungen untereinander und mit der Nachbarschaft vor. In Weilheim und Peißenberg gab es in den letzten Monaten keinerlei Schwierigkeiten mit Nachbarn. Im Gegenteil. Die Hilfsbereitschaft und Sympathien sind groß. Unterstützerkreise haben sich schnell formiert und unterstützen die Asylsuchenden an vielen Stellen: bei Arztbesuchen, bei der Vermittlung von Kindergärten- und Schulplätzen, bei der Beschaffung von Fahrrädern und Fernsehern. Zahlreiche ehrenamtliche Deutschkurse werden gegeben, die Voraussetzung für gelingende Integration. Ehrenamtliche bieten 1


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