TagesSatz 2010/01

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EINDRÜCKE

TEICHMANN *FürHOLGER seine ruhige Art geschätzt, verkauft der Hobbymaler den TagesSatz vor der Post am Bahnhof in Göttingen. Die Bilder dieser Ausgabe entstanden während eines VHS-Kurses.

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EDITO R I A L Liebe Leserinnen und Leser, der TagesSatz hat eher am Rande mit Menschen zu tun, die wohnungslos sind. Das Groß unserer Verkäuferinnen und Verkäufer lebt hier, Gott sei Dank, in einigermaßen geordneten Verhältnissen. Zwar haben auch sie mit den Widrigkeiten des Alltags zu kämpfen wie wir alle, aber der Kontakt zu den Kollegen beim TagesSatz gibt ihnen doch auch einen gewissen Rückhalt und Unterstützung. So können wir bei Problemen mit Ämtern oft vermitteln oder Absprachen treffen. Doch auch das Aufsetzen eines Behördenbriefes hilft ihnen oft schon weiter. Ganz andere Sorgen und Nöte haben aber Menschen, die wirklich auf der Straße leben. Einer von ihnen hat sich daher zur Aufgabe gemacht, auch diese Personen mit den notwendigen Informationen und Hinweisen zu versorgen. Er selbst hatte zu Anfang seiner Obdachlosen-Karriere dieses Wissen nicht und lief daher gegen manche verschlossene Tür. Daher hat er zwei Internet-Seiten eingerichtet, die er über Spenden finanziert und auf denen sich jeder Betroffene entsprechende Hinweise holen kann. Uns allen sind sicher auch die Handwerksgesellen auf der Walz, meist Zimmermänner oder Dachdecker-Gesellen, noch ein Begriff. Diese mussten früher die sogenannten Wanderbücher führen, in welchen sie ihre jeweiligen Arbeitsstellen sowie die Beurteilung durch die jeweiligen Meister dokumentierten. Wesentlich später kamen auch regelmäßige Stempel von Arbeitsämtern und Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe hinzu und schützten sie vor Sanktionen. Denn bis zum Jahre 1973 waren im Bürgerlichen Gesetzbuch Betteln oder Landstreicherei noch unter Strafe gestellt. Diese Sanktionen sollten auch mit das Ziel unterstützen, die Obdachlosen zu kontrollieren, ihre Wanderströme gegebenenfalls zu kanalisieren und sie schließlich dazu anzuhalten, sesshaft zu werden. Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen

TagesSatz. Hilft sofort.

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Der TagesSatz wird von Menschen in sozialen Schwierigkeiten auf der Straße verkauft. Vom Verkaufspreis der Zeitung (2,00 Euro) behalten die VerkäuferInnen 1,00 Euro. Sie können damit ihre finanzielle Situation verbessern und sind nicht mehr auf Almosen angewiesen.

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Die Mitarbeit in Redaktion und Vertrieb des TagesSatz bietet arbeits- und wohnungslosen Menschen eine Aufgabe und die Möglichkeit, neue soziale Kontakte zu knüpfen und ermöglicht langfristig gesehen den Wiedereinstieg ins Berufsleben.

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Der TagesSatz finanziert sich ausschließlich durch Verkaufserlöse, Anzeigen und Spenden. Das Straßenmagazin erhält keine regelmäßigen Fördermittel.

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Wenn Sie den TagesSatz über den Kauf hinaus unterstützen wollen, können Sie auf folgendes Konto eine Spende überweisen:

Harald Wörner (Kassel)

TagesSatz e.V. Kassler Sparkasse Kto.: 1183379 Blz.: 52050353 TagesSatz e.V. Sparkasse Göttingen Kto.: 50581511 Blz.: 26050001 Bitte geben Sie Ihre Adresse im Feld Verwendungszweck an, damit wir Ihnen eine Spendenbescheinigung zusenden können.

Der TagesSatz ist Mitglied von:

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Z W I S C H E N DEN ZEILEN

Winterzeit ist Lesezeit Jetzt wo es draußen stürmt und schneit und die Kältegrade uns durch Mark und Bein gehen, präsentiert der TagesSatz die Buch-Highlights für die kalten Tage!

* DANIELE PALU Märchenhafte Reise

Bewegende Brudertherapie

Patient Hitler

Selten wurde ein Buch mit so viel Vorschusslorbeeren auf den Markt gebracht, wie dieses: „Die Karte meiner Träume“ ist der erste Roman des 29-jährigen Reif Larsen, den er noch als Student schrieb und auf gut Glück an eine Agentur schickte. Eine Millionen Dollar Vorschuss bekam der Shooting-Star dafür. Larsens Erfolgsgeheimnis ist sein fast magischer Realismus: Der hoch begabte T.S. lebt auf einer Farm in Montana mit seiner Mutter, einer verschrobenen Insektenforscherin, seinem Vater, einem schweigsamen Viehzüchter und Schwester Gracie. Eines Tages gewinnt T.S. einen Zeichenwettbewerb des legendären „Smithsonian“-Instituts. Ohne seine Eltern zu informieren, macht er sich auf eine ereignisreiche Reise nach Washington, auf der er auf einen wissenschaftlichen Geheimbund stößt, Wurmlöcher bereist und es mit Zauberei zu tun bekommt. Das wirkt zwar zuweilen arg konstruiert, untermalt aber den märchenhaften Charakter des Buchs über die Kraft der Fantasie und die Stärke eines Kindes, was auch visuell deutlich wird: Die Buchseiten sind an den Rändern voll gemalt mit den Karten, Zeichnungen des T.S. Auf minimalem Raum erschafft Larsen mit dieser zweiten Ebene einen ganz neuen Roman. Nicht zuletzt deshalb ist der Roman – trotz einiger Schwächen – ein ebenso einfühlsames wie humorvolles Gesamtkunstwerk.

„Der letzte Tag, an dem alles zwischen mir und meinem Bruder gut war, war, als wir zwanzig Rinder auf unsere Stadt losließen.“ Wenn ein Buch mit einem solchen Satz beginnt, kann es schon von vornherein kein schlechtes sein. Die Autoren sind ein prominentes Brüderpaar: Tillmann Prüfer ist Gründungsmitglied der Financial Times Deutschland und Redakteur beim Zeit-Magazin. Benjamin wurde bundesweit bekannt durch sein Buch „Wohin du auch gehst” über die Liebe zu einer mit HIV-infizierten Kambodschanerin, das Anfang 2010, von Detlev Buck verfilmt, in die Kinos kommt. Irgendwie haben sich die Brüder auseinander gelebt. Den älteren der Beiden, Tillmann, belastet diese Situation, er bittet seinen Bruder zur Paartherapie. Benjamin lehnt nicht ab. Insofern ist dieses Buch vor allem das Dokument einer Selbsttherapie. Die Brüder sprechen sich gegenseitig an, schreiben: „Lieber Tillmann” und „Lieber Benjamin”. Sie beschreiben – keineswegs zimperlich – wichtige Situationen ihrer beider Leben. Das Ergebnis ist eines der bewegendsten und gleichzeitig amüsantesten Bücher des letzten Jahres.

Über kaum einen Menschen der Weltgeschichte ist mehr geschrieben worden. Und über keinen kursieren so viele Gerüchte. Adolf Hitler soll drogenabhängig gewesen sein, schizophren, homosexuell. Er soll nur einen Hoden gehabt haben, eine Syphilisinfektion und als Kind eine Hirnhautentzündung. Die Vermutung, dass Hitlers Wahn in seiner Krankheitsgeschichte begründet war, hält sich hartnäckig. Doch wie krank war der Diktator wirklich? Der Historiker Hendrik Eberle und der Arzt Hans-Joachim Neumann suchten im Nachlass von Hitlers Leibarzt, aber auch in Gesprächen mit Zeitzeugen nach Antworten. Ergebnis ist eine aufschlussreiche Analyse, die sich mitunter so spannend liest wie ein Krimi – und eine provokante These vertritt: „Hitler handelte – trotz Parkinson und einer Herzerkrankung – in vollem Bewusstsein und auch das deutsche Volk kann die Verbrechen nicht auf einen kranken, verrückten Diktator abwälzen, der die Welt in den Abgrund riss.“

Reif Larsen: Die Karte meiner Träume. Fischer, 22,95 Euro. Hardcover, 435 Seiten

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Benjamin und Tillmann Prüfer: Mein Bruder: Idol – Rivale – Verbündeter. Scherz Verlag, 16,95 Euro. Hardcover, 270 Seiten

Hans-Joachim Neumann, Henrik Eberle: War Hitler krank? Ein abschließender Befund. Luebbe, 22,99 Euro. Hardcover, 400 Seiten

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IN H A LT

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AUS ERSTER HAND Verkäufer schreiben 12 13 13 14 15 16 18 21 22 24 27

Neue Horizonte für Verkäufer von ANDREas Pramann Wilde Nacht im Theater von werner kossmann Nachtleben LYRIK von HOLGER TEICHMANN Von der Schwierigkeit, die innere Ruhe und Balance zu finden von JÖRG „YOGI“ MÜLLER Kalte Füße und heiße Tassen von Uwe bruhse Von Wanderbüchern und linken Flebben von Wolfgang ayass Schrittweise Normalität erreichen von alexander rifel Anpassungsfähiger Realist von Armin schulze Obdachlos und Online von harald wörner Netzgeschichten von ANDREas Pramann Schreck im Schwimmbad von regina führ

NACHGEFRAGT Verkäufer im Interview 8

„Ich habe die ganze Zeit aufgepasst“

Julia krause im interview mit detlef „rocky“ bernhard

10 „Irgendwie musst‘de mal irgendwo hin!“

MALTE schiller im interview mit olaf burhenne

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Editorial Zwischen den Zeilen Vorgestellt Nächstes Mal & Impressum Wohin, wenn

Bitte ausschneiden und zurücksenden an: TagesSatz e.V., Westring 69, 34127 Kassel

Fördermitglied oder ABO?

Grundsätzlich möchten wir Sie darum bitten, die Zeitung auf der Straße zu kaufen. Für diejenigen, die dazu keine Möglichkeit haben, bieten wir ein Abo für 50 € / Jahr an. Damit wird Ihnen der TagesSatz ein Jahr lang (12 Ausgaben) zugestellt. Selbstverständlich können Sie das Abo auch verschenken. Wer den TagesSatz darüber hinaus unterstützen möchte, der kann Fördermitglied werden. Eine Spendenquittung wird Ihnen am Jahresende automatisch zugesandt.

Ja, ich möchte dem TagesSatz e.V. als förderndes Mitglied beitreten.

Hiermit ermächtige ich den TagesSatz e.V. meinen Jahresbeitrag / meine jährl. Abokosten bis auf Widerruf von folgendem Konto abzubuchen: Name, Vorname:

Den Jahresbeitrag ( Mindestbeitrag von 75,- € ) in Höhe von

Straße, Hausnr.:

_____ € lasse ich jeweils vom angegebenem Konto abbuchen.

PLZ, Ort:

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Ja, ich möchte das Straßenmagazin TagesSatz für mindestens ein Jahr abonnieren. Die Kosten von 50,- € (incl. Versand) lasse ich jeweils vom angegebenem Konto abbuchen.

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Ort, Datum

Unterschrift

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V O R G E S T E L LT Werner KoSSmann / Alter: 53 / Standplatz: Sparkasse (Ann Christin) [GÖ] Seit wann verkaufst du den TagesSatz? Seit der dritten Ausgabe Was gefällt Dir am Verkauf? Lauter netter Leute Was war dabei Dein besonderes Erlebnis? Das Trinkgeld. Nette Leute. Was wünscht Du Dir? Viel, viel Zukunft mit meiner Frau und meinem Kater! Und Zufriedenheit, Gelassenheit und Gottes Segen. Andreas Pramann / Alter: 49 / Standplatz: Bahnhof [GÖ] Seit wann verkaufst du den TagesSatz? 2004 Was gefällt Dir am Verkauf? Kontakt mit Menschen, Zuverdienstmöglichkeit. Was war dabei Dein besonderes Erlebnis? Lob für meine Artikel. Was wünscht Du Dir? Eine bezahlte Arbeit, von der ich auch leben kann.

Holger Teichmann / Alter: 47 / Standplatz: Post am Bahnhof [GÖ] Seit wann verkaufst du den TagesSatz? 2003 Was gefällt Dir am Verkauf? Ich habe durch den Verkauf mein künstlerisches Schaffen finanziert. Was wünscht Du Dir? Gutes Wetter und gute Gesundheit

Olaf Burhenne / Alter: 37 / Standplatz: Karstadt Sport [GÖ] Seit wann verkaufst du den TagesSatz? Juni 2008 Was gefällt Dir am Verkauf? Freundliche Menschen, von denen ich auch mal was extra kriege. Was wünscht Du Dir? Frieden auf der Welt!

Jörg „Yogi“ Müller / Alter: 46 / Standplatz: Vor der Jakobikirche [GÖ] Seit wann verkaufst du den TagesSatz? August 2008 Was gefällt Dir am Verkauf? Gespräche, Anerkennung meiner Fotos, Artikel und Leistung. Was war dabei Dein besonderes Erlebnis? Wie sich mein innerer Frieden und meine Ruhe auf meine Mitmenschen übertragen hat. Was wünscht Du Dir? Glück, Frieden und Freiheit für alle Lebewesen. Walter Zschocke / Alter: 47 / Standplatz: Uni und Wochenmarkt [GÖ] Seit wann verkaufst du den TagesSatz? Seit circa acht Jahren Was gefällt Dir am Verkauf? Die finanzielle Unterstützung. Was war dabei Dein besonderes Erlebnis? Einige Leute sind sehr nett oder geben auch mal mehr. Was wünscht Du Dir? Gesundheit.

Rocky Bernhard / Alter: 51 / Standplatz: Karstadt [GÖ] Seit wann verkaufst du den TagesSatz? Seit 2008 Was gefällt Dir am Verkauf? Einfach alles. Was war dabei Dein besonderes Erlebnis? Dass die Menschen alle so nett zu mir sind. Was wünscht Du Dir? Ein langes Leben und gesund zu bleiben!

Bruno F. Spotted Bear / Alter: 55 / Standplatz: Post (Innenstadt) [GÖ] Seit wann verkaufst du den TagesSatz? Sieben Jahre mit Unterbrechung Was gefällt Dir am Verkauf? Viele nette Menschen, mit denen man sich unterhalten kann. Was war dabei Dein besonderes Erlebnis? Das wunderbar ehrliche Lächeln von Kindern. Was wünscht Du Dir? Gesundheit, Weltfrieden und Politiker, die auch mal an die Menschen im eigenen Land denken. 6

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VORGEST E L LT Angelika Sommer / Alter: 59 / Standplatz: Lokale, Wilhelmsh. Post & Geschäfte [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? Mit Unterbrechungen seit neuneinhalb Jahren Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? Durch einen anderen Verkäufer Was hast Du davor gemacht? Durch schlechte Erfahrungen bin ich in die Armut geraten Was wünschst Du Dir? Glück und Gesundheit und mit meinem Partner zusammen bleiben – auch für alle anderen Armin Schulze / Alter: 56 / Standplatz: Markthalle (Sa.), tegut Bettenhausen [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? 30. Mai 2002 Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? Den Vorsitzenden des TS kennen gelernt und durch ihn inspiriert worden Was hast Du davor gemacht? Wohnungslos seit 1994 Was wünschst Du Dir? Eine gut bezahlte Arbeit Jürgen Heske / Alter: 53 / Standplatz: Kö-Galerie, Sportarena, Douglas & Pohland [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? Seit Juni 2005, mit Unterbrechungen, jetzt wieder seit November 2007 Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? Durch einen Mitarbeiter bei der Heilsarmee Was hast Du davor gemacht? War in Delmenhorst im Gartenbau tätig Was wünschst Du Dir? Vor allem wünsche ich mir Gesundheit Regine Führer / Alter: 48 / Standplatz: Treppenstraße [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? Von 1995 bis 1998 und wieder seit Juni 2005 Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? Durch einen anderen Verkäufer Was hast Du davor gemacht? Auf Stellensuche gewesen Was wünschst Du Dir? Zufriedenheit, Gesundheit, ein bisschen Glück im Leben

Habte Mogos / Alter: 54 / Standplatz: Obere Königsstraße, vor Köhler [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? Seit Mai 2006 Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? Durch Regine, eine andere Verkäuferin Was hast Du davor gemacht? Im CityPoint gearbeitet, als Service-Kraft Was wünschst Du Dir? Die Hauptsache ist Gesundheit und dann vielleicht noch Arbeit, sofern es gesundheitlich geht Jürgen Engelhardt / Alter: 65 / Standplatz: Gaststätten [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? Das erste Mal im November 2006 Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? Durch Angelika, um ihr bei Krankheit auszuhelfen Was hast Du davor gemacht? Arbeitslos und ganz früher Fernfahrer und Seemann Was wünschst Du Dir? Ein gutes Leben, viele Fische an der Angel und dass es mit meiner Frau so weitergeht Heinz Bechlars / Alter: 66 / Standplatz: Alte Post, gegenüber der Treppenstraße [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? Seit 1999 mit Unterbrechungen Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? Über die Heilsarmee Was hast Du davor gemacht? Als Vertreter gearbeitet Was wünschst Du Dir? Bessere Gesundheit

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Jörg „Yogi“ Müller

N A C H G E F R AGT

„Ich habe die ganze Zeit aufgepasst“ Rocky ist jemand, der weder lange still sitzen noch schweigen mag. Er spricht viel und schnell, besonders dann, wenn ihm etwas auf der Seele brennt. Im TagesSatz erzählt er von der Krankheit und Pflege seiner kleinen Nichte. In rasantem Tempo.

* JULIA KRAUSE IM INTERVIEW MIT DETLEF „ROCKY“ BERNHARD

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ocky, du möchtest etwas loswerden, worum handelt es sich?

Es geht um meine Nichte. Also eigentlich um die Tochter meines Neffen. Sie hat ein Loch im Herzen. Nein, zwei. Eins konnte man operieren, aber das andere… Ein halbes Jahr war sie damals alt. Sie war lange auf der Intensivstation. Und nach drei Tagen haben sie dann festgestellt, dass sie zu wenig Sauerstoff bekommen hat. Sie hat Krämpfe gekriegt, und geschrien hat sie. Richtige Anfälle waren das. Heute kann sie nichts mehr, das Gehirn ist einfach kaputt.

kannten mich schon im Krankenhaus. Hab nachher sogar einen Fernseher und ein kleines Weihnachtsgeschenk von denen bekommen. Aber zu Anfang hatte meine Nichte nicht mal eine Klingel im Zimmer, dafür musste ich erst sorgen. War über ein halbes Jahr jeden Tag auf der Station. Bis sie von Göttingen nach Sülzheim gekommen ist. Die Schwestern im Krankenhaus haben auch manchmal gefragt, „Wie kommen Sie damit bloß zurecht?“ Aber was soll man da sagen? Bin mit ihr ab und zu spazieren gegangen, war mal draußen mit ihr. Und wenn sie wieder Krämpfe hatte, dann habe ich sie beruhigt. Wenn ich sie auf dem Arm hatte, war sie meistens ruhig.

Und du stehst ihr sehr nahe? Wie geht es ihr heute? Na klar. Ich war immer da. Hab die ganze Zeit aufgepasst, dass da nichts passiert. Auch über Weihnachten. Die 8

Nicht viel besser. Sie ist heute ungefähr acht Jahre alt. Sie hatte damals TagesSatz

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NACHGEF R A G T schon einen Spezialkinderwagen, aber eigentlich kann sie immer noch nichts alleine machen. Auf sie aufzupassen ist ein 24-Stunden-Job. Und mein Neffe und seine Frau haben nicht so viel Zeit. Sie ist jetzt in einem Pflegeheim. Aber Überwachungsmonitore, wie auf der Kinderstation im Krankenhaus, gibt es da nicht. Besuchst du sie immer noch? Ja, nicht mehr so oft wie früher, weil sie nicht mehr in Göttingen ist, aber ab und zu schon. Ich glaube, sie erkennt mich dann sogar. Jedenfalls schaut sie immer so, als ob. Eigentlich sollte sie in ein Pflegeheim in Göttingen kommen, aber damals war sie noch zu jung. Die waren für so kleine Kinder nicht ausgerichtet. Jetzt muss man mal sehen, wie es weitergeht. Hattest du in der Zeit, in der du jeden Tag bei ihr warst, Rückhalt in deiner Familie?

weiß, ob man nicht selbst auch mal Hilfe braucht? Du sagtest, dein anderer Bruder ist schon früh gestorben. Wie ist das passiert? Weiß ich nicht, mir haben die ja keinen Bescheid gegeben. Seine Frau meine ich. Ich wusste noch nicht mal, dass er im Krankenhaus war. Aber das ist eine andere Geschichte. Eigentlich wollte ich ja nur über meine Nichte reden. Als sie im Krankenhaus war, ist einmal ihre Sonde verrutscht, und dann hab ich sie wieder richtig hin gerückt. Die Ärztin hat sich damit nicht mal wirklich ausgekannt. Die kam mit einer Schere an – aber ich hab das alles klargestellt. Jeden Morgen um halb neun hab ich den Bus von Hann. Münden nach Göttingen genommen, damit ich bei meiner Nichte sein konnte. Haben dein Neffe und seine Frau dich darum gebeten?

ich inzwischen auch schon viele nette Leute kennen gelernt. Manchmal überlege ich, ob ich deswegen auch nach Göttingen ziehen soll – wegen der Leute. Aber das Amt will immer eine schriftliche Begründung haben, warum man umziehen will. Und meistens bekommt man hier ja doch nur was in der Unteren-Masch-Straße oder im Hagenweg. Nee, nee, das wäre nichts für mich. Habe momentan einen sehr netten Vermieter und eine schöne Wohnung in Hann. Münden. Aber dadurch, dass ich nun fast jeden Tag beim TagesSatz bin, wäre es schon nett, in Göttingen zu wohnen. Hier beim TagesSatz geht es schließlich auch einigen dreckig, da muss man sich gegenseitig helfen. Für mich ist das selbstverständlich. Hat deine Einstellung etwas mit deinem Glauben zu tun? Nein, das hat damit überhaupt nichts zu tun. Ich kenne das einfach nicht anders, war als Kind schon hilfsbereit. Wenn sich ein Nachbar verletzt hat, dann bin ich für den einkaufen gegangen. Macht man doch so. Meine Mutter hat auch gegeben, was sie konnte, man kann sagen, sie hat sich manchmal schon aufgeopfert. Meine Geschwister nicht so, aber das ist eine andere Sache.

„Jemand musste doch bei ihr sein, und ich hatte Zeit.“

Meine Familie war zu der Zeit schon tot. Also meine Mutter und mein Vater – und einer meiner Brüder. Mit dem anderen hab ich schon lange keinen Kontakt mehr. Na ja und mein Neffe und seine Frau hatten ja selbst damit zu tun. Aber meine Frau war damals noch da. Die hat schon geholfen. Auch als ich meinen Vater gepflegt habe. Neun Jahre hab ich den gepflegt. Und einen Tag komm ich da hin, und dann ist der auf der Intensivstation. Da war der schon im künstlichen Koma. HerzKreislaufstörungen, auch von den ganzen Medikamenten. Dann hat der noch Zucker gekriegt, aber vor allem hatte er schweres Asthma. Das war nicht einfach. War dein Vater auch in einem Pflegeheim? Pflegeheim? Nein, der war zu Hause. Nur die letzten Tage eben im Krankenhaus. Was anderes, also ein Pflegeheim, hätte ich auch gar nicht zugelassen. Nur, wenn ich selbst nicht mehr gekonnt hätte. Ich finde aber, man sollte Menschen immer helfen, egal wer das ist. Wer TagesSatz

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Nein, das habe ich von mir aus gemacht. Jemand muss doch bei ihr sein und ich hatte Zeit. Du sagst das alles so locker, dabei muss es eine schwere Zeit für dich gewesen sein. Das ist schon okay so. Ich bin froh, wenn ich helfen kann. Heute besuche ich auch noch einige Leute im Altenheim. Die freuen sich darüber, wenn man mit denen redet und spazieren geht, auch mal tröstet und ein bisschen ablenkt. Sich ehrenamtlich engagieren ist doch gut. Irgendwas müssen TagesSatz-Leute doch auch machen. Arbeiten kann ich wegen meiner Hüfte nicht mehr, aber anderen ein wenig unter die Arme greifen, das passt schon. Hast du deswegen auch beim TagesSatz angefangen? Ich musste einfach mal wieder auf andere Gedanken kommen, mal raus kommen. Und beim TagesSatz habe

Dann warst du nicht wütend, dass deine Geschwister dich nicht bei der Pflege deines Vaters unterstützt haben? Nein, wieso? Das bringt doch auch nichts, sich aufzuregen. Das ist schon in Ordnung. Ist echt okay, so wie es ist. (Mit Nachdruck) Wollte einfach nur mal sagen, was mit meiner Nichte geschehen ist. Das andere sind alte Familiengeschichten. Meine Nichte – das ist auch Familie, aber darüber musste wirklich mal gesprochen werden. Das wollte ich schon lange mal machen. Es sollte kein Geheimnis bleiben. (Abrupt) So, jetzt hast du aber genug gefragt, oder? Danke, Rocky!

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Malte Schiller

N A C H G E F R AGT

„Irgendwie musst‘de mal irgendwo hin!“*

MALTE SCHILLER IM INTERVIEW MIT OLAF BURHENNE

In der Brust des TagesSatz-Verkäufers Olaf wohnen zwei Seelen. Einerseits hält er es nicht lange an einem Ort aus. Andererseits zieht es ihn immer wieder nach Hause. Über Heimweh und Reiselust spricht er mit dem TagesSatz.

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laf, würdest du über dich selber sagen, dass du eher ein sesshafter oder umhertriebiger Charakter bist?

Ich bin nicht unbedingt ein sesshafter Mensch. Vor vier Jahren kam mir auch die Idee, nach Freiburg im Breisgau umzuziehen. Warum? Die Landschaft dort ist sehr schön. Die Hoffnung auf Arbeit. Du hast sechs Jahre in Stuttgart gelebt. Was hat Dich dorthin verschlagen? (Wolltest Du gehen?) ‚ ‚ Das war von 93 bis 99. Ich hatte dort einen Ausbildungsplatz als Pinsel- und Bürstenmacher bekommen. Mein Arbeitsamtbetreuer hat mir damals erzählt, dass es dort ein Internat für Blinde und Sehbehinderte gibt. Ich kann halt nicht so gut sehen. Wie war für dich das Weggehen aus Göttingen? Du musstest Familie und Freunde zurücklassen. Eigentlich war das ganz gut zu dem Zeitpunkt. Klar, Mutter und Bruder waren weit weg. Aber wir ham regelmäßig telefoniert und Postkarten geschrieben. Außerdem konnte ich während der Ausbildung noch umsonst nach Hause fahren. Das hat damals das Internat bezahlt. Aber eigentlich bin ich auch eher selten gefahren. Wie bist du in der neuen Stadt zurechtgekommen? Wie lange hat es gedauert, bis du dich eingelebt hattest? Ich hatte damals das allerbeste Zimmer. Das hab ich mir mit anderen Jungen zusammen geteilt. Damen und Herren auf einem Zimmer ging leider nicht (lacht). Der erste mit dem ich zusammen gewohnt habe, war mir relativ unsympa10

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NACHGEF R A G T thisch. Allein aus dem Grund, dass er geklaut hat. – Zuerst war das Internat für mich schon eine andere Welt. Unter der Woche gabs zu essen, am Wochenende mussten wir uns dann selbst verpflegen. Meistens gabs dann Pizza. Pro Tag hatten wir damals elf Mark zur Verfügung bekommen – war nicht viel, ist aber gegangen. Kannst du jetzt Schwäbisch schwätzen? Nee, kann ich leider nicht. Aber ich hab das Glück, dass ich alle Dialekte verstehe: Bayrisch, Sächsisch, Thüringisch – nur die Niederbayern nicht, die ham eine andere Sprache. Drei Sachen, die dir total auf die Nerven gingen an der Stadt … Oh, da hab ich dann schon gar nicht mehr in Stuttgart gewohnt, sondern weiter draußen im Einzugsgebiet, „die beste Ecke“ haben wir damals immer gesagt. An einer Seite unserer Wohnung ging die NordSüd-Verbindung der Deutschen Bahn vorbei. Da ist alles langgefahren – sogar der Castor. Auf der anderen Seite verlief eine Industriestraße, und über uns war die Einflugschneise des Stuttgarter Flughafens. „Die beste Ecke“ halt.

Irgendwann hab ich gedacht, jetzt musst du aber auch … – vielleicht auch seinerzeit die ganze Fahrerei. Bis Göttingen waren das schon drei Stunden.

einfach angerufen und gesagt: Ich bin wieder da. Einen Kumpel, den hab ich jetzt 22 Jahre – so lange ich in Göttingen bin. Was macht die Reiselust?

Hast du damals mit jemandem über dein Heimweh reden können? Ja, mit meiner Mutter. Sie sagte auch: „Es wäre besser, wenn du nach Hause kommst.“ Besser wegen meinem Bruder. Wenn dem was passiert, dass ich in der Nähe bin. Mein Bruder war ja krank. Wenn du an deine Stuttgarter Zeit zurückdenkst, ist dir eine Person besonders im Gedächtnis geblieben? Merkwürdigerweise der Bürgermeister. Naja, ich bin da mal lang gegangen, so in der Weihnachtszeit, und da stand eine ganz alte Straßenbahn. Da

Die ist ungebrochen. Wenn ich länger nicht auf Tour war, dann kommt so das Gefühl, Mensch scheiße, hier kennste irgendwie alles, irgendwie musst‘de mal irgendwo hin! – Merkwürdig. (lacht) Berlin ist langsam auch langweilig. Wie du einmal erzählt hast, sind dein Bruder und deine Mutter inzwischen verstorben. Wie kommst du ohne sie zurecht? Anfangs war das alles schwer. Damals war die Trauer auch noch da. Bin mittlerweile auch übern Berg. Da kommen dann so Sachen, wenn die Mutter Geburtstag oder Todestag hat …

„Merkwürdig, wenn man alleine ist und niemand mit einem redet.“

Hat dir die Arbeit dabei geholfen, oder war es am Anfang hart in deinem neuen Job? Der Job hat mir gleich zugesagt. Wir haben da Handfeger, Schrubber und Besen gemacht. (Kratzt sich am Kopf und schaut sich um) Irgendwann hab ich so‘n Ding auch mal mitgebracht. – Naja, mit manchen von den Kollegen habe ich heute noch Kontakt. Im Internat hatte ich auch ein paar Leute. Aufgrund der Kollegen ist es schon traurig, dass ich jetzt wieder in Göttingen bin. Du hast in einem anderen TS-Interview einmal erzählt, dass du aus Heimweh wieder nach Göttingen gegangen bist. Heimweh nach so langer Zeit? Wie kommt das? TagesSatz

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konnte man einen Sekt oder Glühwein kriegen. Der Bürgermeister hat dann dafür gesorgt, dass ich beides umsonst kriege. – Ich war auch mal im Stadion, da ich VfB-Fan bin, eigentlich. Wir haben aber nur noch FC-Karten bekommen. Als Stuttgart gewonnen hatte, war ich der einzige in der Kurve der sich gefreut hat. Das war ganz lustig. Wenn man so lange von zu Hause weg war, ist es bestimmt nicht mehr dasselbe, in die Heimatstadt zu kommen. Was hat sich für dich verändert?

Willst du in Göttingen bleiben?

Eigentlich nicht, aber … Alleine irgendwohin, ich weiß nicht, ob ich da richtig glücklich werden würde. Wo ist der Unterschied zu Stuttgart? Damals bist du doch auch alleine los von zu Hause. Damals hatte ich ja noch jemanden. Irgendwie ist das manchmal abends merkwürdig, wenn man alleine ist und niemand mit einem redet. Hast du Zukunftspläne?

Dadurch, dass wir ganz lange in derselben Wohnung gelebt hatten, hat sich eigentlich gar nichts verändert. In der ersten Zeit war ich einfach froh, wieder zu Hause zu sein. Aber dann irgendwann kam die Langeweile. 2001 habe ich in Rosdorf angefangen zu arbeiten.

Ich such noch nach einem, der mir ne Millionen aufs Konto packt! Nee, im Ernst: Ich will wieder eine Arbeit haben, bei der ich mal wieder richtig Geld verdienen kann. Und dann kann ich auch nach Griechenland. (Schaut in die Notizen auf dem Tisch) Junge! Damit füll ich ja das ganze Heft!

Wie ist es mit Freunden? Ich hatte bevor ich weggegangen bin Freunde und auch danach wieder. Das ging eigentlich relativ schnell. Ich hab

In Ordnung, wir machen an dieser Stelle mal Schluss. Vielen Dank Olaf.

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A U S E R S T E R HAND

Neue Horizonte für Verkäufer Die Wirtschaftsjunioren Göttingen werden demnächst den TagesSatz unterstützen, indem in jeder Ausgabe eine von Verkäufern gestaltete Seite finanziell gefördert wird. Die bezahlte Anzeigenseite wird nicht mit Werbung versehen, sondern bleibt besonderen Projekten der TagesSatz-Verkäufer, die deren Horizont erweitern, vorbehalten.

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Das Projekt wurde vorgeschlagen von Holger Frahnert, Mitglied der Wirtschaftsjunioren, der bereits vor zwei Jahren den TagesSatz unterstützt hat, indem er Kurse an der Volkshochschule Göttingen für die Verkäufer finanzierte. Diesmal werden in jedem Monat zwei Firmen aus der Region die Seite „Tellerrand“ finanzieren. Erste konkrete Projekte sind der Besuch der naturwissenschaftlichen Ausstellung Phaeno in Wolfsburg oder des

Planetariums in Kassel. Unter dem Titel „TagesSatz macht Schule“ wird sich der TagesSatz in Göttinger und Kasseler Schulklassen vorstellen. In der St.-Michael-Gemeinde besteht für Verkäufer die Möglichkeit, am Seminar „Selbstreflexion. Zeitmanagement. Was brauche ich zum Leben?“ teilzunehmen. Wir Verkäufer freuen uns schon auf die zukünftigen Projekte und danken den Wirtschaftsjunioren für die Unterstützung!

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Jörg „Yogi“ Müller

azu werden Verkäufer einzeln, in Gruppen oder alle zusammen Ausflüge zu interessanten Zielen unternehmen oder gemeinsam etwas gestalten. Geplant sind zum Beispiel Besuche der Ausgrabungen des Römerlagers bei Kalefeld oder der Autostadt in Wolfsburg. Verkäufer werden ins Theater gehen und anschließend darüber berichten. Auch ein gemeinsam gestalteter Kalender oder ein Kochbuch mit preiswerten Gerichten wurden vorgeschlagen.

* ANDREAS PRAMANN

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Jörg „Yogi“ Müller

Isabel Winarsch

AUS ERSTER H A N D

Wilde Nacht im Theater Der TagesSatz hat mir angeboten, einen Abend im Deutschen Theater zu verbringen. Rocky und ich fanden uns zur Abendvorstellung am Theater ein. WERNER KOSSMANN

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Isabel Winarsch

as Stück „Die Vermessung der Welt“ wurde leider verschoben. Als stattdessen das Stück „Die Kontrakte des Kaufmanns“ losging – der Saal war riesig – erschien eine Frau auf der Bühne und hielt eine Rede! Über ich weiß nicht was. Hauptsächlich ging es um Geld. Um viel, sehr viel Geld, um wenig, um weniger und um gar nichts. Die Schauspieler, die junge Frau mit dem Gipsfuß, der ältere Herr im Rollstuhl, drei junge Männer, die Frau, die später mit riesig großen Flügeln auftrat. Und nicht zuletzt der Mann an der elektronischen Orgel, der das ganze Stück mit mehr oder weniger harmonischen Klängen begleitet hat. Die zwei Stunden gingen sehr schnell vorbei. Wenn ich aus meiner Sicht zurückschaue, kann ich nur sagen,

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dass die Schauspieler alle ihr Bestes gegeben haben, ja streckenweise großartig waren. Was man auch am Applaus sehen beziehungsweise hören konnte. Das Publikum war die ganze Zeit so ruhig und auf das Stück konzentriert, dass es kaum zu störenden Geräuschen kam. Leider kann ich nicht viel zu dem Inhalt sagen, außer dass der schnöde „Mammon“ die Hauptrolle spielte. Es gab Szenen, die sehr ernst waren, andere heiter oder belustigend. Leider kann ich Ihnen die einzelnen Stücke nicht wörtlich wiedergeben, denn ich besitze zwei Hörgeräte und habe so gut wie kein Wort verstanden. Aber es war ein gelungener Abend. Wann kommt ein TagesSatz-Verkäufer schon in den Genuss einer Theatervorstellung? Danke dafür an das DT, danke dafür an den TagesSatz!

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Nachtleben Wenn’s Nacht wird in Berlin, dann wird noch weiter gefeiert, Wenn’s Nacht wird in Hamburg, dann wird noch weiter gefeiert, Wenn’s Nacht wird in Bremen, dann wird noch weiter gefeiert, Wenn’s Nacht wird in Göttingen, dann wird nicht weiter gefeiert. Wenn’s Nacht ist in Berlin, wird weiter gefeiert. Wenn’s Nacht ist in Hamburg, wird weiter gefeiert. Wenn’s Nacht ist in Bremen, wird weiter gefeiert. Wenn’s Nacht ist in Göttingen, ist Stille, ist Nacht, es wird nichts vollbracht.

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HOLGER TEICHMANN TagesSatz

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A U S E R S T E R HAND

Von der Schwierigkeit, die innere Ruhe und Balance zu finden Mein spiritueller Lehrer in Indien sagte einmal: „Aus dem Enthusiasmus, anderen zu helfen, sollte man sich nicht selbst schädigen, auch nicht nur ein wenig!”

* JÖRG „YOGI“ MÜLLER

Jörg „Yogi“ Müller

powert zu sein? Wie bekommt man den Ausgleich zwischen Alltagsbewältigung und geistiger und körperlicher Erholung hin? Eigentlich sollte meine Vipassana-Meditation mir dabei helfen. Aber seit meiner Qualifikationsmaßnahme bei der Dekra-Akademie und meinem immer größeren Engagement beim TagesSatz habe ich kaum noch meditiert. Vielleicht sollte ich das genau jetzt machen ……..!

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enau dieses habe ich bei mir und auch bei anderen erlebt – vor allem in sozialen Projekten, wie es zum Beispiel beim TagesSatz der Fall ist. Wenn ich sehe, in wie vielen Projekten ich innerhalb des TagesSatz involviert bin, zum Beispiel in der Sozialen Stadtführung, als Fotograf, als Redakteur und als Verkäufer auf der Straße, der fast jeden Tag sehr lange steht, dann wird mir alles manchmal zu viel und ich bin einem “Burn out” nah. Außerdem gibt es natürlich noch das Amt, das heißt die Beschäftigungsförderung, die fordert und fördert, was auch okay ist. Ein Problem, das wohl jeder kennt: Wie bekommt man seine ganzen Verantwortungen in einem 24-Stunden-Tag unter, ohne nicht irgendwann auf dem Zahnfleisch zu gehen und voll ausge-

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So, wieder zurück am Computer und an diesen Text, erholt und ausgeglichen mit frischen Ideen: Wir alle leben hier in einer hochgradig funktionellen Hochleistungsgesellschaft. Und wer aus unterschiedlichen Gründen wie Arbeitslosigkeit, physischen und psychischen Problemen, zum Beispiel körperlichen Verschleißerscheinungen oder Depressionen, herausfällt aus diesem so geschäftigen Getriebe dieser auf Hochleistung und Rationalität getrimmten Gesellschaft, der hat es dann wirklich sehr schwer, am Rande dieser Gesellschaft akzeptiert und toleriert zu werden. Es gibt wie in vielen Städten auch hier in Göttingen verschiedene soziale Einrichtungen, die Hilfe anbieten. Die meisten mit dem großen Ziel, ihre Klienten doch wieder einzugliedern. Die meisten sozialen Einrichtungen bieten Hilfe zur Selbsthilfe an. Auch mir persönlich hat der Verkauf, das Schreiben und das Fotografieren für den TagesSatz und auch die Vorbereitung als Stadtführer für den sozialen Stadtrundgang viel gebracht, mich hier wieder zurecht zu finden. Auch die Stadt hat mich hierbei unterstützt: Sie haben mir eine Qualifikationsmaßnahme als Lagerlogistiker bei der Dekra-Akademie bezahlt, wofür ich sehr dankbar bin. Nur habe ich das TagesSatz

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AUS ERSTER H A N D

Ich möchte einfach noch weiter meine ehrenamtliche und unbezahlte Arbeit als Redakteur, Fotograf und Sozialer Stadtführer für ein halbes oder

dreiviertel Jahr weitermachen, bevor ich irgendwo einen schlecht bezahlten, stressigen Stückgutfahrerjob im Nahverkehr oder in irgendeinem Lager annehmen muss. Doch ich befürchte ich habe da keine Wahl. Ich wünsche mir Verständnis und Anerkennung für meine Situation. Was nützt es, wenn ich zu früh in das Räderwerk dieser Hochleistungsgesellschaft wieder eingegliedert werde und

dann nach kurzer Zeit wieder heraus falle, dann so depressiv werde und keinen anderen Ausweg mehr weiß, als mich vor den Zug zu schmeißen. Dies ist natürlich extrem überspitzt gesagt. Kann dieses Hartz-IV-System, das fördert und fordert, so flexibel reagieren und mir vertrauen, dass ich meine Kraft und Zeit einteilen kann um dann alle Anforderungen dieser Leistungsgesellschaft anzunehmen, wenn ich mich dazu bereit fühle?

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Kalte Füße und heiße Tassen

Uwe Bruhse

Gefühl, dass die Beschäftigungsförderung ungeduldig wird und sagen wird: „Wir haben dich gefördert – jetzt fordern wir auch sofort wieder Leistung und zwar Hochleistung.“ Prinzipiell bin ich auch dazu bereit, doch ich wünsche mir Geduld von der Stadt.

Ich will Ihnen, liebe Leser, heute ein paar Gedanken und Beobachtungen zum Verkauf unseres Straßenmagazins mitteilen.

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er TagesSatz-Verkauf auf dem Göttinger Weihnachtsmarkt, zum Beispiel im Dezember 2008, ist doch immer etwas anders als wenn man alltäglich in der Fußgängerzone seine Exemplare verkauft. Auf dem Weihnachtsmarkt steht Bude an Bude, und alle bieten etwas anderes an, aber ich habe keine Bude und möchte auch etwas verkaufen, nämlich den TagesSatz. Da macht man sich schon so seine Gedanken. Wo genau stelle ich mich hin? Welches ist der beste Platz, wo ich auch gesehen werde? Oder laufe ich nur immer über den Weihnachtsmarkt? Es wäre auch dumm, wenn ich mich neben eine Würstchenbude stellen wür-

de oder bei einem Kinderkarussell stehen bliebe; die Leute dort würden sagen: „Suchen Sie sich bitte einen anderen Platz!“ Mit Geduld und Spucke hatte ich dann einen „Standplatz“ gefunden – und keiner war mir böse, nein im Gegenteil! Jemand brachte mir einmal einen Becher heißen Kaffee vorbei und auch eine Kleinigkeit zum Essen. Dann gibt es auch immer wieder Besucher und Passanten, die meinten, die Zeitung wäre doch zu teuer. Aber nach einer kurzen Erklärung kauften sie mir dann doch eine Zeitung ab. Aber an den Adventswochenenden war es auch nicht so einfach, es waren noch mehr Besucher da und dann wird

* UWE BRUHSE

nur noch geschoben und gedrängelt, und viele der Besucher hatten mich übersehen, weil mein Standplatz am Abend sehr dunkel war. Aber wie auch immer, man sprach mich doch an; und zwar gerade dann, wenn ich Pause machen wollte oder das WC aufsuchte. Gerade dieser Weg dahin war nicht so kurz; ich brauchte mehr Zeit als ich dachte, und so kam das Eine zum Anderen. „Für heute machen Sie Feierabend!“, „Ich lade Sie ein!“, und wie sollte es nicht nicht anders sein, ja zum Glühwein. Aber dann trifft man noch mehr Bekannte und auch Stammkäufer und das mit der Frage: „Heute gut verkauft? Und Frohe Weihnachten wünsch ich dir!“

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a ff e n W ir v e r s c h n z v o ll e I h n e n g la A u ft r it te

TagesSatz

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A U S E R S T E R HAND

Von Wanderbüchern und linken Flebben Privat

Als Ausweispapier für Handwerksgesellen auf Wanderschaft dienten schon im 18. Jahrhundert sogenannte „Kundschaften“. Das waren oft kunstvoll gestaltete Vordrucke, die von den Ortsbehörden ausgestellt wurden und dann als Legitimationspapiere fungierten.

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hne solche „Kundschaft“ durfte kein Handwerksgeselle die Wanderschaft fortsetzen. Aus diesen „Kundschaften“ gingen später die Wanderbücher hervor, in denen nach und nach die gesamte in der Regel dreijährige Wanderschaft eines Gesellen dokumentiert wurde. Dort trugen die Meister ein kurzes Arbeitszeugnis ein (zum Beispiel: „War immer ehrlich und fleißig“). Ein behördlicher Stempel der jeweiligen Stadt durfte selbstverständlich nicht fehlen.

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* WOLFGANG AYASS Gesetzlich wurden Wanderbücher in Bayern 1808 und in Preußen 1831 eingeführt. Aber schon 1845 wurde zumindest in Preußen der Wanderzwang der Handwerker abgeschafft. Die Wanderbücher wurden noch bis 1867 als offizielle Ausweise anerkannt. Aber auch ohne Zwang hielt sich das Gesellenwandern noch lange, in den letzten Resten bis heute. Ab den 1880er Jahren gaben auch die Verbände der neu entstandenen Wohnungslosenhilfe (damals „WandererTagesSatz

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AUS ERSTER H A N D fürsorge“ genannt) „Wanderscheine“ beziehungsweise „Wanderbücher“ heraus, in denen Übernachtungen abgestempelt, aber auch Vorsprachen nach Arbeit und erhaltene Kleidungsstücke oder Schuhe eingetragen wurden. Ausgegeben wurden diese Wanderbücher direkt von den Einrichtungen der Wandererfürsorge wie Verpflegungsstationen, Wanderarbeitsstätten, „Herbergen zur Heimat“ und Arbeiterkolonien. Sie waren also keine amtlichen Dokumente, wenngleich sich Wohnungslose bei Polizeikontrollen (siehe Foto) in der Regel mit den Wanderbüchern auswiesen, denn Personalausweise gibt es erst seit 1938.

den zu unterscheiden. Regelmäßige Stempel von Arbeitsämtern („hat erfolglos um Arbeit nachgesucht“) und Übernachtungsstempel der Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe boten einen gewissen Schutz vor Verhaftung. Bettelei und Landstreicherei waren ja bis 1973 Delikte des Strafgesetzbuchs und konnte mit Haft bis zu sechs Wochen und anschließender Einweisung in ein Arbeitshaus bestraft werden.

Nationalsozialismus wurden die Wanderbücher zum Pflichtausweis für alle Wohnungslosen („geordnete Wanderer“). Gleichzeitig wurden die Wohnungslosen gezwungen, bestimmte „Wanderstraßen“ einzuhalten. Wer ohne Wanderbuch beziehungsweise außerhalb der Wanderstraßen angetroffen wurde, musste in der NS-Zeit mit Haft, Arbeitshauseinweisung und sogar Einweisung in ein Konzentrationslager rechnen.

Eine Frau auf der Landstraße war ein sittlicher Skandal.

Die Wandererfürsorge hätte die von ihr ausgegebenen Wanderbücher gern zum Pflichtausweis für alle Wohnungslosen gemacht. Man wollte die Wohnungslosen umfassend kontrollieren, und die Wanderbücher sollten quasi als mitgeführte Fürsorgeakte fungieren. Aber erst in der Zeit des

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Privat

Die Wanderbücher enthielten nur selten ein – damals teures – Foto. Somit war ein Wanderbuch längst kein fälschungssicheres Dokument, unter fremdem Namen zu reisen, war nicht sonderlich schwierig. Im Jargon der Vagabunden hießen ihre Ausweispapiere „Flebben“, waren sie gefälscht nannte man sie „linke Flebben“. Die Wanderbücher sollten Polizisten und Behörden helfen, ordentliche Wanderarbeiter von arbeitsscheuen Vagabun-

Frauen erhielten übrigens keine Wanderbücher. Eine Frau auf der Landstraße galt als sittlicher Skandal sondergleichen, ihre Wanderschaft war denkbar unerwünscht. Die Wandererfürsorge war daher ganz auf männliche Wanderarbeiter ausgerichtet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden keine Wanderbücher mehr ausgegeben. Während man in den Jahrzehnten zuvor den Wandererstrom in möglichst geordnete Bahnen lenken wollte, sollte nun die Mobilität der Wohnungslosen nicht mehr gefördert werden, wenngleich weiterhin viele Kommunen ortsfremde Wohnungslose spätestens nach ein paar Tagen weiter schickten. Die Wandererfürsorge nannte sich jetzt „Nichtsesshaftenhilfe“, und im Bundessozialhilfegesetz von 1961 war in Paragraph 17 festgelegt, es sei bei einem „Nichtsesshaften“ anzustreben, „dass er auf Dauer sesshaft wird“.

TagesSatz

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Jörg „Yogi“ Müller

A U S E R S T E R HAND

Schrittweise Normalität erreichen

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TagesSatz

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AUS ERSTER H A N D

Alexander Rifel hat sich mittlerweile gut in den DIAkom-Werkstätten in Baunatal eingelebt. Seine Erfahrungen schildert er im Folgenden.

* ALEXANDER RIFEL

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iebe Leserinnen und Leser des TagesSatz, auch im neuen Jahr 2010 möchte ich meinen Beitrag zur Verkäufer-Ausgabe leisten und Ihnen gerne etwas über mich berichten. Zunächst möchte ich mich nochmals bei Ihnen allen sehr herzlich bedanken für die große Hilfe und Unterstützung, die ich in den vergangenen Jahren von Ihnen allen bekommen habe. Dadurch, dass viele von Ihnen bei mir immer den Tagessatz gekauft haben, konnte ich mir etwas Taschengeld hinzuverdienen. Auch für Ihre jahrelange Treue, sowie die Anerkennung, die ich von Ihnen erhalten habe, gilt Ihnen mein Dank. Ebenfalls sehr herzlich bedanken möchte ich mich bei meinen behandelnden Ärztinnen Dr. Puck im Ludwig-Noll-Krankenhaus und meiner Therapeutin Dr. Regina Haas-Siebert. Nicht vergessen möchte ich auch die Diplom-Sozialarbeiterin Frau Born, ebenfalls im Noll-Krankenhaus. Alle drei gemeinsam haben sich für mich eingesetzt und mir eine sehr gute Beschäftigung in der geschützten Einrichtung der DIAkom-Werkstatt der Baunataler Diakonie verschafft.

Arbeitskolleginnen ist auch sehr gut. Zu allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, egal ob Vorgesetzte, Arbeitstherapeuten oder Kollegen, habe ich ein gutes bis sehr gutes Verhältnis. Zu Anfang war ich meist noch etwas zurückhaltend, weil ich noch nicht alle so gut kannte, aber mittlerweile hat sich das entspannt. Mit meiner Arbeitstherapeutin Frau Haese komme ich auch sehr gut zurecht. Daher bin auch sehr froh darüber, dass ich mich bei ihr in der Gruppe befinde. Auch der Umgang mit dem Sozialdienst in der Werkstatt oder mit der zuständigen Sozialarbeiterin, Frau Neuweiler, ist gut. Frau Haese und Frau Neuweiler sind beide sehr nett zu mir, und im Augenblick gibt es keine Probleme. Ich hoffe, dass dies auch in Zukunft so bleibt.

nen bei mir, in denen ich unzufrieden war und eine andere Meinung hatte als meine Arbeitstherapeutin oder die Gruppenleiterin. Aus Angst bin ich vor der Arbeit geflüchtet. Dann, nach einigem Überlegen in Ruhe, habe ich erkannt, dass dies überhaupt keine Lösung ist. Daher habe ich meinen Mut zusammengenommen und meine Arbeitstherapeutin angesprochen. Anfangs habe ich im Gespräch mit ihr auch noch gezittert. Doch sie hat mich beruhigt, und meine Angst verflog mit der Zeit. Mir fiel auf, dass ein Problem oft kleiner wird oder sogar ganz verschwindet, wenn man nur darüber spricht. Ich finde es sehr lobenswert, dass sich meine Gruppenleiterin und auch die Arbeitstherapeutin die Zeit nehmen, mit mir zu sprechen. Das war für mich sehr hilfsreich. und jetzt traue ich mich mehr und mehr, bei Unklarheiten und Problemen auf meine Vorgesetzten zuzugehen. Zu Frau Haese hat sich ein gutes und stabiles Vertrauensverhältnis entwickelt. Sie ist eine sehr nette und erfahrene Gruppenleiterin. Sie kennt sich sehr gut damit aus, wo meine Probleme alle liegen. Wo ich Unterstützung und Hilfe brauche, begleitet sie mich. Daher bin ich sehr froh, in ihrer Gruppe zu sein. Bei den Tätigkeiten, die ich täglich verrichte, handelt es sich überwiegend um Verpackungstätigkeiten für VW und SMA. Hierbei sortiere ich Glühbirnen, Schläuche, Schrauben, Dichtungen und viele andere Teile in Kartons, Schachteln oder in Tüten, um sie später dann an die Kunden zu verschicken. Diese Tätigkeit macht mir sehr viel Spaß. Am Ende eines Arbeitstages sehe ich, was ich geschafft habe. Meine Aufgaben erledige ich zur vollsten Zufriedenheit meiner Arbeitstherapeutin. Ich bin sehr ordentlich, gewissenhaft und trage Sorge um pünktliche Erledigung all meiner Aufgaben. Auch Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Pünktlichkeit sind an meiner Arbeitsstelle wichtig.

Aller Anfang ist schwer

Einige von Ihnen können sich bestimmt noch erinnern, dass ich Ihnen schon im Jahr 2009 in der VerkäuferSommerausgabe über die DIAkomWerkstätten berichtet habe. Mittlerweile bin ich dort seit insgesamt neun Monaten beschäftigt. In der Zwischenzeit habe ich mich in der Werkstatt sehr gut eingelebt und fühle mich dort inzwischen sehr wohl. Auch mit meiner Situation bin ich sehr zufrieden. Der Umgang mit meinen TagesSatz

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Allerdings gibt es noch sehr viele Aufgaben, die ich noch lernen muss. Meinungsverschiedenheiten oder Differenzen mit Kollegen und Vorgesetzten kann ich noch schlecht aushalten und möchte am liebsten weglaufen. Aber das ist auch keine Lösung. In früheren Arbeitsverhältnissen hatte ich das große Problem, dass ich bei kleineren Konflikten zwischen mir und den Kollegen das klärende Gespräch mit ihnen oder meinen Vorgesetzten nicht gesucht habe. Stattdessen habe ich gekündigt und bin auf dem kürzesten Weg geflüchtet. Der Grund hierfür waren Angstzustände. Jetzt habe ich die Möglichkeit, diese Konflikte anzusprechen und auch zu lösen. In den bisherigen neun Monaten gab es zwei- bis dreimal Situatio-

Mittlerweile habe ich begonnen, mit Unterstützung eines Kunsttherapeuten eine Türharfe zu erstellen. Sie ist sehr schön geworden. Darüber freue ich mich, denn ich hatte gedacht, so 19


etwas könne ich gar nicht machen. Ergänzend zu den arbeitstherapeutischen Angeboten gibt es aber noch mehr Sachen, die man machen kann, wie beispielsweise Schwimmen, Rudern, Fußball, Kochen, Seidenmalerei, Entspannungstraining und anderes mehr. Da mir Schwimmen, Entspannungstraining und Hirnleistungstraining am meisten zusagen, habe ich mich für diese Kurse angemeldet. Da ich nicht so gut schwimmen kann, dachte ich mir, es kann nicht schaden, den Kurs zu belegen. Auch bei Rateaufgaben oder Memory spielen merke ich, wie ich zusehends besser werde und Sachen bewältige, die mir früher noch schwerer fielen. Wenn ich irgendeine Aufgabe nicht schaffe, dann bleibe ich in den meisten Fällen einfach locker ohne irgendeine Frustration. Anstatt nun krampfhaft weiter zu machen, nehme ich mir etwas Altbekanntes und Vertrautes vor. In einem erneuten Anlauf, manchmal auch mit Unterstützung von der Arbeitstherapeutin beziehungsweise Gruppenleiterin fällt es mir dann leichter, die schwereren Aufgaben zu lösen.

mal geht es mir gesundheitlich nicht so gut, dann hilft mir oft schon ein Gespräch. Gott sei Dank kann ich jederzeit zu meinen Therapeutinnen kommen. In der Vergangenheit habe ich leider mit männlichen Bezugspersonen schlechte Erfahrungen gemacht. Daher fällt es mir schwer, hier Vertrauen aufzubauen. Hier kann ich meine Probleme besser mit Frauen besprechen.

Jörg „Yogi“ Müller

A U S E R S T E R HAND

Sie können sich vielleicht noch daran erinnern, dass ich in einer der letzten Verkäufer-Ausgaben schrieb, dass ich Bus- oder Berufskraftfahrer werden wollte. Davon habe ich mittlerweile Abstand genommen. Ich glaube, dass ich dem Stress, der heute in vielen Bus-Unternehmen und Speditionen herrscht, nicht gewachsen wäre. Doch das ist im Handwerk oder der Gastronomie auch nicht anders oder gar besser. Daher denke ich, dass eine geschützte Einrichtung momentan der beste Arbeitsplatz für mich ist.

Man wächst an seinen Aufgaben

Nach Abschluss meines Eingangsverfahrens, welches drei Monate dauerte, bin ich nun im Berufsbildungsbereich. Dort bleibe ich im Regelfall drei bis zwölf Monate, kann aber auch auf bis zu zwei Jahre verlängern. Dies hängt auch vom geistigen und körperlichen Gesundheitszustand ab. Danach kann ich in einen neuen Arbeitsbereich wechseln oder auch einen Praktikumsplatz innerhalb der Werkstatt annehmen. Meine Therapeuten haben mir gesagt, dass ich bald in eine andere Gruppe komme. Das freut mich zwar einerseits, doch andererseits habe ich vor der unbekannten Situation und den neuen Kollegen auch ein wenig Angst. Und es kommt noch hinzu, dass ich noch viele Arbeitschritte bei VW und SMA nicht kenne. Hier geht es dann mehr um feinmotorische Aufgaben. Diese und andere Fragen bewegen mich, und ich mache mir Gedanken, ob alles so klappt, wie ich und meine Therapeuten sich das vorstellen. Manch20

Später kann ich immer noch versuchen, im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ich könnte mir beispielsweise auch eine Tätigkeit als Amtsbote oder Briefträger vorstellen. Auch Telefondienst oder Pförtnertätigkeiten würden mich interessieren. Liebe Leserinnen und Leser, ich möchte mich bei Ihnen allen für das entgegengebrachte Vertrauen der vergangenen Jahre bedanken. Sie waren mir immer auch eine große Hilfe und Unterstützung, und ich erinnere mich gern an die vielen nette Gespräche, die wir miteinander geführt haben. Auch den TagesSatz-Kollegen aus Göttingen und Kassel, den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Redaktion, Vertriebsleitung und dem Vorstand gilt mein Dank. Sie haben mich immer begleitet und mir, falls nötig, ihre Hilfe angeboten. Auch bei meiner Familie möchte ich mich für deren Unterstützung bedanken. Ich wünsche allen gute Gesundheit und alles Gute für das Jahr 2010 und die Zukunft!

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TagesSatz

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AUS ERSTER H A N D

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m Jahre 1994 wurde ich wohnungslos und zog einige Jahre in ganz Europa herum. Irgendwann landete ich in Kassel und lernte dort bei Seit 2002 verkaufe ich nun, mit einigen Unterbrechungen, das Strader Heilsarmee den Mitarbeiter ßenmagazin „TagesSatz“. Meine Standplätze sind die Obere KönigsHans Peter Pung kennen, der schon seit Jahren beim Tagesstraße/Ecke Wilhelmstraße, samstags auch die Kasseler Markthalle, Satz engagiert ist. Ich fing dann sowie Bettenhausen. an, das Magazin zu verkauARMINIUS SCHULZE fen. Im Laufe der Zeit wuchs mein Selbstbewusstsein, und ich verfasste auch eigene Phantasiegeschichten, die bei Kunden wie Lesern gleichermaßen gut ankamen. Doch auch „seriöse“ Artikel verfasste ich, indem ich beispielsweise den chinesischen Künstler Ai Weiwei während einer der letzten Documenta-Veranstaltungen interviewte. Ebenso hat es mir das sportliche Engagement unseres Oberbürgermeisters Bertram Hilgen angetan, den ich zu seiner Teilnahme am Kassel-Marathon befragte. Der Rummel um die Harry-Potter-Sonderausgabe im Jahre 2003 machte mir ebenfalls sehr viel Spaß. Nicht zu vergessen das WIRR-klichkeit Projekt des Staatstheaters Kassel. Hier spielte ich im Theaterstück von Tom Ryser und seinem Kollegen Skelt! im Sommer des Jahres 2004 eine tragende Rolle eher skeptisch. Sie entwickelt sich daran, dass die Leute allgemein ihre als Obdachloser. Das Zusammenspiel eben so, wie sie sich entwickelt. Daher Probleme haben. Aber sicher auch der ganzen Beteiligten, hier waren Laimacht es für mich am meisten Sinn, an mangelnder Information von ihenschauspieler aus verschiedenen Bemich den Gegebenheiten bestmögrer Seite aus oder schlichtweg Ignoreichen oder Gruppen, aber auch Belich anzupassen. Eine politische Proranz. Sicher merke auch ich, dass eidienstete der Stadtreinigung und angnose betreffend glaube ich, dass sich nige Tage besser als andere, andedere Personen mehr beteiligt, war der bisherige Kurs von Schwarz-Rot re dagegen schlechter laufen. Dann schon beeindruckend. Inklusive der auch unter schwarz-gelber Führung mache ich zwischendrin eine PauEinbindung des Straßenbahnverkehrs zumindest weiter fortsetzen wird. Dase oder höre, wenn’s ganz knüppelder KVG, der mit in das Theaterstück her fürchte ich auch, wir werden insdick kommt, für diesen Tag eben auf. integriert wurde, machte alles einen gesamt besehen, den Gürtel künftig Dafür läuft es an einem anderen Tag Heidenspaß. Vor allem, weil die Zualle enger schnallen müssen. Leider dann wieder besser. schauer nie wussten, was nun Realiist mein Vertät oder (inszetrauen in die niertes) TheaPolitik in den terstück war. letzten Jahren Insgesamt fällt mir schon auf, dass eher weniger denn mehr geworden. Da ich in der Stadt relativ selbstbedie Gesellschaft sich in manchen BeDie Parteien sind in ihren Machtgefüwusst bin und auch meine Interessen reichen nicht zu ihrem Vorteil entwicgen und -positionen so gefestigt, dass vertrete, habe ich eigentlich keine Prokelt (allgemeine soziale Kälte). Aber positive Veränderungen wohl nicht gebleme mit meinen Kunden oder vorbei anstatt dann zu grübeln und an der wollt sind. Denn dazu müssten Politik gehenden Passanten. Sollte ich trotzSituation zu verzweifeln, gehe ich die und Wirtschaft, wie zuletzt auch bei dem einmal einen dummen Spruch Probleme lieber aktiv an, um dann der Bankenkrise, auch eigene Fehler zu hören bekommen, weiß ich mich vielleicht etwas zu verändern. Allereinräumen. Solange dies unterbleibt, dann schon argumentativ mit denjedings betrachte ich den momentanen habe ich kaum Hoffnung. nigen Personen auseinander zu setZustand der deutschen Gesellschaft zen. Vielleicht liegt das zum Teil auch

Anpassungsfähiger Realist

Jörg „Yogi“ Müller

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„Ich bin ein Beobachter und Skeptiker.“

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TagesSatz

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A U S E R S T E R HAND

Obdachlos und Online Richard Brox ist in der Obdachlosen-Szene etwas Besonderes. Denn trotz der Tatsache, dass er keine Wohnung hat, betreibt er zwei Internet-Seiten für Wohnungslose.

* HARALD WÖRNER

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ass sein Leben nicht so ohne weiteres zu dem geworden ist, was es heute ist, hat natürlich auch eine Vorgeschichte. Bis zu seinem fünften Lebensjahr wuchs Richard Brox bei seinen leiblichen Eltern auf. Die Altersspanne vom sechsten Lebensjahr bis hin zur Volljährigkeit

Hergeschubse ohne feste Bezugspersonen ließ ihn dann zum Alkohol greifen, wie er dies auch bei seinem Vater gesehen hatte. Sein Umfeld, in dem neben Alkohol- auch Drogenprobleme auftraten, war hier eher zusätzlicher Anreiz zur Sucht statt Unterstützung für ein abstinentes Leben. Zwischen der Pubertät und seiner Volljährigkeit war er mehrere Male in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, um zu entgiften. Brox kommt übrigens aus dem Rhein-NeckarKreis und spricht Dialekt. Da sein Vater Alkoholiker war, wurde seine psychisch labile Mutter von der Situation zu Hause völlig überfordert. Sie konnte Richard nicht angemessen erziehen, da sie immer nur mit seinem Vater beschäftigt war. Deshalb kam er zu einer Pflege-

Wenn das Kartenhaus zusammenbricht Jörg „Yogi“ Müller

verbrachte er in verschiedenen Kinder- und Jugendheimen. Zwischenzeitlich war er auch immer wieder einmal in der Obhut seiner Eltern oder einer Pflegefamilie. Dieses ewige Hin- und

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TagesSatz

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AUS ERSTER H A N D familie. Unter deren Obhut blühte er regelrecht auf. „Im Nachhinein betrachtet, wenn ich überwiegend bei meinen Pflegeeltern aufgewachsen wäred, dann hätte sich mein Lebensweg vielleicht anders entwickelt“, so das heutige Fazit von Brox. Sein Pflegevater, zu dem er ein gutes Verhältnis hatte, war in Folge eines ärztlichen Kunstfehlers gelähmt. Seine Pflege forderte seine Pflegmutter derart, dass auch sie sich schließlich nicht mehr angemessen um Richard kümmern konnte. Da inzwischen alle Elternteile verstorben sind, hat Richard keinen Kontakt mehr zu der Herkunfts- wie auch zur Pflegefamilie. Es gibt wohl noch ein paar Geschwister aus beiden Familien, aber sie wollen keinen Kontakt zu Richard, wohl auch weil sie sich nicht an ihre eigene Vergangenheit erinnern wollen. Seine Stiefgeschwister wollen auch deswegen keinen Kontakt, weil sie um seine Lage als Obdachloser wissen. Brox indes kommt sich ein wenig wie der Sündenbock vor, da einige Familienangehörige sich nicht ihrer (teilweise auch leidvollen) Vergangenheit stellen wollen und ihn quasi als Projektionsfläche für eigene Fehler und Unzulänglichkeiten sehen. So überlebte Brox als Heranwachsender mehr schlecht als recht. Er ließ sich völlig treiben, kümmerte sich um gar nichts mehr. Zwischen 1986 und 1989 hatte er daher auch zwei Zwangsräumungen und wurde wohnungslos. Seine gesamte Existenz war wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Im ersten Schrecken über den Wohnungsverlust war er wie gelähmt und konnte zunächst gar nicht reagieren. Die Unterstützung durch die Ämter war in jenen Jahren noch nicht soweit fortgeschritten und perfektioniert wie heute. Die erforderlichen Kenntnisse musste sich Brox daher langwierig selbst erarbeiten. Ungeklärte Zuständigkeiten der Ämter erschwerten sein Leben zusätzlich. In jener Zeit stellte er sich mehrmals die Frage, ob sein Leben überhaupt noch einen Sinn habe. Durch das Hin- und

Hergeschubse zwischen Ursprungsund Pflegefamilie hatte er nie einen verbindlichen Entwurf für ein künftiges Leben mitbekommen, alle Erfahrungen mussten so bruchstückhaft bleiben. Gesellschaftliche Werte bekam er nie richtig vermittelt. Teilweise konnte er aber von Erfahrungen anderer Obdachloser lernen. Das Leben auf der Straße war von den verschiedenartigsten Erlebnissen geprägt. Zu den guten Erfahrungen gehört, dass auch Wohnungslose ihren eigenen Ehrenkodex haben. „Man bestiehlt sich in der Szene nicht, Lügen oder Betrügen ist ebenso verpönt“, so Brox im Gespräch. Doch musste auch er bei seinem Leben auf der Straße einige unliebsame Erlebnisse verkraften. So hat er vor einigen Jahren bei einer Fußball-Weltmeisterschaft in seinem bescheidenen Rahmen gewettet. Einige Kollegen neideten ihm das wohl offensichtlich, er bezog Prügel von ihnen und war seinen Gewinn los. In Hoyerswerda bezog er wohl von Skinheads Prügel, als diese aus Langeweile Jagd auf ihn machten. Dabei ver-

ne adäquaten und vor allem gesammelten Informationen für obdachlose Menschen gab, die speziell deren Bedürfnisse zum Inhalt hatten. Diese brauchen beispielsweise Informationen über Schlafmöglichkeiten und anderes mehr. Gute Übernachtungsmöglichkeiten, sogar nach Bundesländern geordnet, kann man nun auf seiner Wohnungslosen-Seite unter den Rubriken „Wo und wie im Norden“ oder „Wo und wie im Süden“ finden. Auch eine Seite speziell für obdachlose Frauen gibt es dort. Aber auch viele andere Hinweise mehr. Zur Aktualisierung dieser Tipps ist Brox ständig unterwegs. So besucht er pro Woche zwischen zwei bis drei Einrichtungen, um die Daten auf den neuesten Stand zu bringen. Seit 2007 kann er seine Internetauftritte nun auch über Spenden finanzieren. Die langen Jahre auf Wanderschaft haben seiner Gesundheit leider nicht nur gut getan. So hat er immer noch an Spätfolgen zu leiden. Eine teilweise Linderung verschaffen ihm auch orthopädische Fußeinlagen für die Schuhe. Brox nimmt jeden Tag so, wie er kommt, und ist dankbar, wenn er keine großen Schmerzen hat. Verschiedene Ärzte, die er wegen der Beschwerden konsultiert hat, rieten ihm zu einer Operation der Wirbelsäule. Da er aber ohne festen Wohnsitz ist, ist dies unter anderem auch eine versicherungsrechtliche Frage. Bei unserem Interview im November 2009 war er gerade dabei, über eine Anfrage bei der Bundesagentur für Arbeit zu klären, an wen er sich im Hinblick auf eine Operation wenden könne.

Ein Wissensfundus für Wohnungslose

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lor er seine ganze Habe. Einige Bürger bemerkten dies und riefen die Polizei. Die Beamten nahmen den Vorfall auf und schämten sich – stellvertretend – für diese feige Tat. Sie sammelten im Kollegenkreis, so dass Brox eine Übernachtung bezahlen und sich am nächsten Tag einen Großteil der Ausrüstung, wie beispielsweise den Schlafsack wieder besorgen konnte. In Kiel und Celle wurde er 1998 und 2002 von jugendlichen Migranten angegriffen. Sie waren betrunken und suchten jemanden zum Abreagieren. Glücklicherweise sah dies ein Taxifahrer (selber Migrant) und informierte Polizei und Rettungsdienst, so dass das Schlimmste verhindert werden konnte. Die Idee zu seinen Web-Seiten www. ohnewohnung-wasnun.de und www. kurpfaelzerwandersmann.de kam ihm bei einer seiner zahlreichen Reisen. Ihm war aufgefallen, dass es kei-

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MEHR ZUM THEMA: www.ohne wohnung-wasnun.de www.kurpfaelzerwandersmann.de Da Brox auch Aufwendungen hat (Fahrtkosten, Internet) bittet er auf diesem Wege um Spenden, um seine Web-Seiten pflegen zu können. Postbank Hamburg BLZ 201 100 22 Kto-Nummer: 2841221727 Verwendungszweck: Kurpfälzerwandersmann 23


A U S E R S T E R HAND

Netzgeschichten Seit ungefähr zweieinhalb Jahren schreibe ich nun im Internet in einem sogenannten Weblog, die längste Zeit fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Jörg „Yogi“ Müller

* ANDREAS PRAMANN

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or einem Jahr hat sich die Leserzahl zwar verdoppelt auf etwa 20 Besuche pro Tag. Das ist aber nach den Maßstäben des World Wide Web immer noch sehr nahe an der Nulllinie der öffentlichen Wahrnehmung. Eine große Publizität war auch nicht unbedingt mein Ziel. Ich wollte zunächst meinen Schreibstil verbessern und mit der Technik des Publizierens im Internet vertraut werden. Die Zeit war also eine Art Volontariat bei mir selbst. Im Folgenden möchte ich Ihnen drei Themen vorstellen, die mich in letzter Zeit interessiert haben. Eine ständige Gefahr beim Betreiben eines Blogs in Deutschland sind Abmahnungen. Firmen lassen wegen allzu deutlicher Äußerungen über sie abmahnen, Rechteinhaber für die unberechtigte Verwendung ihrer Inhalte wie zum Beispiel Bilder oder Personen wegen angeblich beleidigender Äußerungen. Eine solche Abmahnung kann zwischen sechshundert und mehr als 24

tausend Euro kosten, die der Blogbetreiber entweder bezahlt, oder er muss einen Prozess führen. Der einfache Weg, per E-Mail die beanstandeten Inhalte löschen zu lassen, wird von den Abmahnenden nicht beschritten. Man muss also etwas vorsichtig sein beim Bloggen in Deutschland. Das geschieht sprachlich mit Hilfe des Konjunktivs, der Frageform, dem Verweis auf externe Quellen oder der klaren Kennzeichnung als Meinungsäußerung. Meinungsäußerungen sind weniger angreifbar als Tatsachenbehauptungen. Auch bei der Verwendung fremder Inhalte ist Vorsicht geboten. Ich verwende nur fremde Bilder, die die Urheber ausdrücklich frei gegeben haben, zum Beispiel mittels einer Creative-Commons-Lizenz. Mit einer solchen Lizenz erlaubt ein Urheber zum Beispiel die nicht kommerzielle Verwendung von Bildern und Videos. Auch mein Blog steht unter einer Creative-Commons-Lizenz, der sogenannten CC BY-NC-ND. Das be-

deutet, die nichtkommerzielle Verbreitung meiner Inhalte ist ohne Änderungen daran und bei Nennung des Urhebers erlaubt. Zur Zeit werden Unterschriften gesammelt für eine Petition an den Deutschen Bundestag zur Änderung der Gesetze, die die Abmahnung regeln. Ziel der Petition ist, dass künftig eine kostenfreie Vorstufe vor der eigentlichen Abmahnung eingeführt wird. Der Herausgeber einer Publikation soll die Gelegenheit bekommen, ohne Kosten beanstandete Inhalte zu entfernen, bevor es zu einer Abmahnung kommt. Die Petition kann bis zum fünften Januar im Internet unter der Adresse „bundestag.de“ gezeichnet werden. Das Beispiel der Abmahnung zeigt: Der von Politikern gelegentlich geäußerte Satz, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein, entbehrt jeder Grundlage. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wer ein Blog in TagesSatz

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AUS ERSTER H A N D Deutschland betreibt, unterliegt allen geltenden Gesetzen. Twitter ist ein Angebot im Internet, auf dem man Kurznachrichten mit einer Länge von maximal 140 Zeichen veröffentlichen kann. Es ist gewissermaßen eine Art SMS-Dienst, bei dem jeder die Meldungen aller mitlesen kann. Eine Auswahl aus den vielen Millionen Nutzern trifft man durch Abonnements einzelner Teilnehmer, deren Mitteilungen einem anschließend in einer Liste präsentiert werden. Abonniert man die Meldungen von Teilnehmern, folgt man ihnen im Twitterjargon (engl.: following), während andere Teilnehmer die eigenen Meldungen abonnieren können und dadurch Folgende werden (engl.: follower). Was wird veröffentlicht? Befindlichkeiten, Aktivitäten und Verweise auf interessante Inhalte im Netz. Ich stand dem Ganzen zunächst distanziert gegenüber und konnte keinen rechten Sinn darin sehen. Irgendwann habe ich es ausprobiert und veröffentliche dort nun gelegentlich etwas, zuletzt etwa einen Hinweis auf ein Interview mit Bob Dylan in den deutschsprachigen Straßenzeitungen. Die Euphorie einiger Twitterenthusiasten kann ich aber nicht teilen. Es ist ganz nett, der Welt gelegentlich etwas mitzuteilen. Man erfährt auch Neuigkeiten aus seinem Fachgebiet, wenn man die richtigen Leute beziehungsweise ihre Mitteilungen abonniert. Für mich ist Twitter daher eine

Art Nachrichtenagentur für Meldungen zu wirtschaftlichen und informationstechnischen Themen. Ob sich das Internet beziehungsweise der Teil desselben, der World Wide Web genannt wird, demnächst verändert, wird derzeit in der Medienbranche heftig diskutiert. Verlagsunternehmen, die mit sinkenden Erlösen für ihre gedruckten Zeitungen und Zeitschriften zu kämpfen haben, konnten im Internet nur vereinzelt einen Ausgleich mit werbefinanzierten Onlineauftritten schaffen. Deshalb versuchen Verlage zur Zeit, bisher frei zugängliche Teile ihres Angebotes im Internet in zu bezahlende Inhalte umzuwandeln, die mit dem englischen Fachbegriff paid content bezeichnet werden. Begonnen hat damit in Deutschland vor Kurzem der Axel-Springer-Verlag. Auch hätten die Verlage gern Geld von den Betreibern von Verzeichnissen im Netz wie Google, Microsoft oder Yahoo, obwohl gerade von dort kostenlos Leser auf ihre Seiten geführt werden. Letzteres versucht gerade der amerikanische Medienunternehmer Rupert Murdoch durchzusetzen. Ich bin sehr skeptisch, ob es gelingt, bei der Masse frei zugänglicher Informationen Kassenhäuschen vor Inhalten von Verlagen im Netz aufzustellen. Ich kann mir allenfalls für sehr spezielle Fachinformationen vorstellen, dass Kunden dafür zahlen. Die nächsten zwei Jahre werden zeigen, ob die Verlage Erfolg haben werden.

Die Medienlandschaft ist im Umbruch

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Jörg „Yogi“ Müller

Nächstes Mal FEBRUAR-Ausgabe 2010

Die Februarausgabe des TagesSatz widmet sich ganz dem Thema „Ernährung“. Wie kann man zwischen E416 und Gen-Mais noch gesund Essen? Und was koche ich mir und meiner Familie, wenn ich nur wenig Geld zu Verfügung habe? Der TagesSatz beschäftigt sich außerdem mit der Initiative „Foodwatch“, die den großen Lebensmittelfirmen auf die Finger schaut sowie dem Unternehmen Monsanto und seiner Vision von Lebensmittelpatenten. TagesSatz

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Impressum

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TagesSatz, das Straßenmagazin Herausgeber: TagesSatz e.V. 1. Vorsitzender: Hans Peter Pung Adresse der Redaktion Kassel: Westring 69, 34127 Kassel Telefon: 0561 - 861 58 43 Fax: 0561 - 861 58 61 E-Mail: kassel@tagessatz.de Mo, Di, Do: 10-12 Uhr Mi & Fr: 17-19 Uhr Adresse der Redaktion Göttingen: Obere Karspüle 18, 37073 Gö. Telefon: 0551 - 531 14 62 E-Mail: goettingen@tagessatz.de Mo, Di, Do, Fr: 10-13 Uhr Mi: 14-16 Uhr Homepage: www.tagessatz.de Bankverbindung: Kasseler Sparkasse Kto.: 11 833 79 Blz.: 520 503 53 Sparkasse Göttingen Kto.: 505 815 11 Blz.: 260 500 01 Redaktionsleitung: Jörg Sanders, Malte Schiller (GÖ), Harald Wörner (KS) Pressesprecher: Malte Schiller Vertriebsleitung: Kassel: Christian Piontek Tel.: 0561 - 861 58 18 Göttingen: Juliane Michael Tel./Fax: 0551 - 531 14 62 Anzeigenleitung: Büro Kassel Tel.: 0561 - 861 58 43 Viola Wiegand, Jörg Sanders (GÖ) Tel.: 0151 / 568 10 00 1 Redaktion Kassel: Wolfgang Ayass, Regina Führer, Alexander Rifel, Armin Schulze, Harald Wörner Kultur KS: Fritz Krogmann Redaktion Göttingen: Uwe Bruhse, Werner Koßmann, Julia Krause, Jörg „Yogi“ Müller, Daniele Palu, Andreas Pramann, Malte Schiller, Holger Teichmann News GÖ: Nora Wetzel Kultur GÖ: Kathleen Loock Illustration GÖ: Pilar Garcia Fotografie: Uwe Bruhse, Jörg „Yogi“ Müller, Malte Schiller Coverbild: Holger Teichmann Layout: Dirk Mederer [plazebo.net] 0551-4899074, info@plazebo.net Druck: COLOR-Druck GmbH ViSdP: Harald Wörner TagesSatz erscheint zwölfmal pro Jahr im Straßenverkauf in Kassel und Göttingen Auflage dieser Ausgabe: 3.000

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe in gekürzter Version zu veröffentlichen. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verkaufspreis: 2,00 EUR, davon geht 1,00 EUR direkt an den Verkäufer.

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W O H I N , W E NN Allgemeine Hilfen

EssenSAUSGABEN

Göttingen

Göttingen

Caritasverband Göttingen Allgemeine Lebens- und Sozialberatungsstelle Godehardstr. 18 37081 Göttingen 0551/999590

Die Göttinger Tafel Jakobikirchhof 1 37073 Göttingen Tel. 0551–51030

Opferhilfebüro Göttingen für Opfer von Straftaten Maschmühlenweg 11(Landger.) 37073 Göttingen 0551/5213883 Weißer Ring e.V. Hilfen für Opfer von Straftaten Ansprechpartner: Herr Bayer 0551/6338876 Sozialdienst für Migranten, RABaZ-Beratungs- & Vermittlungsstelle für ausländische Jugendliche Karspüle 16 37073 Göttingen 0551/57739 BONUS Freiwilligenzentrum Godehardstr. 18 37081 Göttingen 0551/9995917 Neue Arbeit Brockensammlung Levinstr.1 37079 Göttingen 0551/5067320 Pro Familia Rote Str.19 37073 Göttingen 0551/58627 Selbsthilfe Körperbehinderte Prinzenstr. 19 37073 Göttingen 0551/54733-0 Selbsthilfegruppe für Mobbing-geschädigte – Rainer Beutler 05602/1860 BürgerInnenberatung Stadt Göttingen Hiroshimaplatz 2 37083 Göttingen Kassel Kasseler Hilfe Opfer- und Zeugenhilfe e.V. Wilhelmshöher Allee 101 34121 Kassel 0561/282070 Weißer Ring e.V. Hilfen für Opfer von Straftaten Ansprechpartner: Hr. Holler 0561/6029458 Pro Familia Kassel Frankfurter Straße 133 a 34121 Kassel 0561/27413 Außenstelle Witzenhausen (Rathaus/EG/Raum 10) Am Mart 1/ Witzenhausen Arbeitslosenhilfe Göttingen Arbeiterwohlfahrt Hospitalstr. 10 37073 Göttingen 0551/50091-0 Mensch & Arbeit - Beratungsstelle für Arbeitnehmer und Arbeitslose Kurze Str. 13a 37073 Göttingen 0551/43373 Verein zur Erschließung neuer Beschäftigungsformen e.V. Lange Geismarstr. 2 37073 Göttingen 0551/485622 Kassel Beratungsstelle für Arbeitslose des DGB Kreis Kassel Spohrstraße 6-8 34117 Kassel 0561/7209536

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Mittagstisch St. Michael Turmstr. 5 37073 Göttingen 0551/5479540 Straßensozialarbeit Rosdorfer Weg 17 37073 Göttingen 0551/517980 Kassel Kasseler Tafel Holländische Straße 141 34127 Kassel 0561/23003 Suppentopf der Heilsarmee jeden Montag von 14-15 Uhr Martinsplatz Gesegnete Mahlzeit Diakonisches Werk Kassel Hermannstraße 6 34117 Kassel weitere Ausgabestellen: Neue Brüderkirche, Johanneskirche, Auferstehungskirche Frauen in Not Göttingen KORE e.V. - Sozialberat. f. Frauen Papendieck 24-26 (Hinterhof, EG) 37073 Göttingen 0551/57453 Frauen-Notruf e.V. Postfach 18 25 37008 Göttingen 0551/44684 Frauenhaus e.V. Göttingen Postfach1911 37009 Göttingen 0551/5211800 Kassel Übergangseinrichtung für wohnungslose Frauen Am Donarbrunnen 32 34132 Kassel 0561/43113 Karla 3 Aufenthalt und Beratung für wohnungslose Frauen Karlsplatz 3 34117 Kassel 0561/15532 Autonomes Frauenhaus 0561/898889 Frauen in Not 0561/9892929 Notruf für vergewaltigte Frauen Frauen gegen Vergewaltigung e.V. 0561/772244 Frauen informieren Frauen e.V. Beratung bei häuslicher Gewalt Westring 67 34127 Kassel 0561/ 89 31 36 Gesundheit Göttingen Gesundheitsamt Sozialpsychiatrischer Dienst Am Reinsgraben 1 37085 Göttingen 0551/4004802 Frauengesundheitszentrum Göttingen e.V. Groner Straße 32/33 37073 Göttingen 0551/484530 Gesundheitszentrum Albanikirchhof 4-5 37073 Göttingen 0551/486766

Kassel Fahrende Ärzte Dr. Giesler/Dr. Moog Mo. von 14.00-15.30 Uhr auf dem Martinsplatz Do. von 20-24 Uhr in der Gießbergstraße

Deutsches Rotes Kreuz Zollstock 17 37081 Göttingen 0551/5096322 Ausgabe: Mo & Do 8.30-11h jeden 3. Mi im Monat 16-18h Kassel

Kabera e.V. Beratung bei Essstörungen Kurt - Schumacher Straße 2 34117 Kassel 0561/780505

Diakonisches Werk Kassel Sprungbrett & Sprungbrett spezial Steinweg 5 34117 Kassel 0561/572090

Gesundheitsamt Region Kassel Wilhelmshöher Allee 19-21 34117 Kassel 0561/10031920

Deutsches Rotes Kreuz Königstor 24 34117 Kassel 0561/7290441

Haftentlassene

Lebenskrisen

Göttingen

Telefonseelsorge für Jugendliche 0800/1110333

KIK – Kontakt in Krisen Königsallee 254 37079 Göttingen 0551/632977 Kassel Beratungsstelle für Haftentlassene Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/787-5061oder 0561/70738-00

Göttingen Telefonseelsorge 0800/1110111 0800/1110222

Kassel Drogenhilfe Nordhessen e.V. Schillerstraße 2 34117 Kassel 0561/103641 Kontaktladen „Nautilus“ Erzberger Straße 45 34117 Kassel 0561/12115 SAM – Substitutionsfachambulanz Wilhelmshöher Allee 124 34119 Kassel 0561/711813 SAM 2 – Substitutionsfachambulanz Schillerstraße 2 34117 Kassel 0561/103878 WohnungslosenHilfe

Kassel

Göttingen

Telefonseelsorge 0800/1110111

Ambulante Hilfe für alleinstehende Wohnungslose Wiesenstr. 7 37073 Göttingen 0551/42300

Hilfe & Selbsthilfe bei AIDS

PSKB Stadt & Landkreis Kassel 0561/1003-0 0561/787-5361

Göttingen

Notschlafstellen

Göttinger AIDS-Hilfe Obere Karspüle 14 37073 Göttingen 0551/43735 werktags: 10-13 Uhr Beratung: 0551/19411

Beratungsstelle für Suchtkranke – Diakonieverband Schillerstr 21 37083 Göttingen 0551/72051

Göttingen Heilsarmee Untere Maschstr. 13b 37073 Göttingen 0551/42484

Diakonische Heime in Kästorf e.V. – Außenstelle Göttingen Wienstraße 4f 37079 Göttingen 0551/5053302 Straßensozialarbeit (Kleiderkammer) Rosdorfer Weg 17 37073 Göttingen 0551/517980

AIDS-Beratungsstelle Gesundheitsamt für die Stadt und den Landkreis Göttingen Theaterplatz 4 37073 Göttingen 0551/4004831

Kassel Soziale Hilfe e.V. / Panama (für alleinstehende Wohnungslose) Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/70738-00

Bahnhofsmission Bahnhof, Gleis 4-5 37073 Göttingen 0551/56190

Kassel

Café Nautilus (f. Drogenabhängige) Erzberger Straße 45 34117 Kassel 0561/12115

Ambulante Hilfe für alleinstehende Wohnungslose Lange Str. 35 34346 Hann. Münden 05541/71034 / Fax: 05541/903210

Aids-Hilfe Kassel Motzstraße 1 34117 Kassel 0561/97975910

Rechtsberatung & Hilfe Stadt Kassel – Gesundheitsamt AIDS-Beratungsstelle Obere Königsstraße 3 34117 Kassel 0561/787–5380 Kinder & Jugendliche in Not Göttingen Omnibus - Beratungsstelle für Jugendliche & junge Erwachsene Goßlarstr. 23 37073 Göttingen 0551/392690 Kassel Deutscher Kinderschutzbund Siemensstraße 1 34127 Kassel 0561/899852

Kassel Schuldnerberatung Gottschalkstraße 51 34127 Kassel 0561/893099 Verbraucherzentrale Hessen e.V. Bahnhofsplatz 1 34117 Kassel 0561/772934 Göttingen Verbraucherzentrale Nds. Papendiek 24 37073 Göttingen 0551/57094 Suchtberatung: Alkohol Kassel

Verein zur Förderung der Erziehungshilfen in Nordhessen e.V. Wilhelmshöher Allee 32 a 0561/78449-0 Stadt Kassel Sozialer Dienst des Jugendamtes Friedrich-Ebert-Straße 1 34117 Kassel 0561/787–5301 Kleiderkammern Göttingen Ev.-ref. Gemeinde – Kleiderkammer Untere Karspüle 12 37073 Göttingen 0551/5473717

Anonyme Alkoholiker 0561/19295 Blaues Kreuz Kassel Landgraf-Karl-Straße 22 34131 Kassel 0561/93545-0 Suchtberatung Diakonisches Werk Goethestraße 96 34119 Kassel 0561/938950 Suchtberatung: Drogen Göttingen DROBZ (Drogenberatungszentrum) Mauerstr.2 37073 Göttingen 0551/45033

Hann. Münden

Kassel Die Heilsarmee / Sozial Center Ks Eisenacher Straße 18 34123 Kassel 0561/570359-0 Beratungsstelle für Nichtsesshafte Sozialamt der Stadt Kassel Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/787-5061 Beratungsstelle für alleinstehende Wohnungslose – Soziale Hilfe e.V. Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/70738–00 Betreutes Wohnen Diakonisches Werk Kassel Hermannstr. 6 34117 Kassel 0561/7128829 Wohnungsprobleme Kassel Zentrale Fachstelle Wohnen Wohnungsamt (Rathaus) Obere Königsstraße 8 34112 Kassel 0561/787-6252 oder -6255 Deutscher Mieterbund Mieterverein Kassel u. U. e.V. Königsplatz 59 34117 Kassel 0561/103861 Wenn Ihre Einrichtung hier nicht enthalten, oder wir eine Korrektur durchführen sollen, schicken Sie bitte eine E-Mail mit den Daten an goettingen@ tagessatz.de!

TagesSatz

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AUS ERSTER HAND

Schreck im Schwimmbad TagesSatz-Verkäuferin Regine Führer war im vergangenen Sommer im Schwimmbad. Was sie dort eines Tages erlebte, schildert sie in dieser kleinen Geschichte.

* REGINA FÜHRER

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iebe Leserinnen und Leser, der letzte Sommer war ja teilweise ganz schön heiß. Manchmal musste ich ziemlich schwitzen, wenn ich beim Verkaufen in der Stadt war. Die schwüle Hitze drückte mir ganz schön aufs Gemüt und mir wurde manchmal ganz schwummrig. Dann habe ich mich ein Weilchen in den Schatten der Bäume auf dem Friedrichsplatz gesetzt. Ein Schluck Wasser aus der mitgebrachten Flasche und eine kleine Pause halfen mir dann wieder auf die Beine. Anschließend konnte ich wieder gut verkaufen.

Jörg „Yogi“ Müller

Es ist wichtig, dass man sich bei so einem Hundewetter richtig, also luftig, anzieht und viel Flüssigkeit zu sich nimmt. So kann man Kreislaufproblemen vorbeugen. Doch an einem Tag war es so heiß, dass es selbst mir zu

mich im Schwimmbecken abzukühlen. Mein Bedürfnis nach Abkühlung war so groß, dass ich gar nicht richtig bemerkte, dass mein Spindschlüssel, den ich mir um das Handgelenk geschnallt hatte, sich beim Drehen im Schlaf wohl gelockert hatte. Als ich nach meiner Abkühlung später an meinen Platz zurückkehrte, bemerkte ich zunächst auch noch nichts Auffälliges. Plötzlich sprach mich eine nette Frau an, die wohl von der Toilette kam. Sich fragte mich, ob ich vielleicht etwas verloren haben könnte. Ich verneinte zuerst, griff dann aber an mein Handgelenk und bemerkte mit Schrecken, dass der Spindschlüssel verschwunden war. „Da muss ich wohl zum Bademeister, damit er mir helfen kann, mit einem Ersatzschlüssel an meine Kleidung zu kommen. Denn darin ist auch mein Wohnungsschlüssel. Sonst kann ich nicht nach Hause gehen.“

viel wurde. In der Stadt waren bei dieser Hitze auch kaum Leute zu sehen, so dass ich mich kurzfristig entschloss, ins Schwimmbad zu gehen. Also fuhr ich mit der Bahn zu mir nach Hause. Meine Badesachen hatte ich schnell gepackt und fuhr wieder in die Stadt zurück. Im Schwimmbad zog ich mich um, verstaute meine Straßenkleidung im Spind und suchte mir ein schönes Plätzchen im Schatten eines Baumes. Hier wollte ich mich zunächst etwas sonnen. Damit mir nicht langweilig wurde, hatte ich mir etwas zu lesen mitgenommen. Nach einigen Seiten meiner Lektüre wurde ich jedoch müde und dachte mir: „ Regine, dann leg dich doch ein wenig hin.“ Gesagt, getan. Leider bin ich dann richtig eingeschlafen. Und zwischenzeitlich war natürlich auch die Sonne weitergewandert, so dass ich durch eine ziemliche Hitze, die auf meine Haut knallte, wieder erwachte. Meine Haut war ganz heiß, so dass ich mich entschloss, TagesSatz

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Die junge Frau lächelte und sagte: „Das wird wohl nicht nötig sein. Als sie vorhin zum Schwimmbecken gingen, habe ich gesehen, wie Ihnen das Armbändchen mitsamt dem Schlüssel vom Handgelenk rutschte. Wahrscheinlich ist es kaputt. Ich habe es an mich genommen, damit es niemand anders in die Finger bekommt. Hier ist es!“ Was glauben Sie, was mir für ein Stein vom Herzen fiel? Hatte ich mich doch schon darauf eingestellt, meine missliche Lage dem Bademeister erklären zu müssen. Zum Dank lud ich dann die junge Frau zu einem Kaffee ein und wir unterhielten uns noch ein wenig. Denn ich hatte schon damit gerechnet, einen Handwerker bemühen zu müssen, um mir meine Wohnung aufzusperren. Und das wäre teuer geworden. So war ich mit einem blauen Auge davon gekommen und passe jetzt doppelt und dreifach auf.

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