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EDITO R I A L Liebe Leserinnen und Leser, die Gesundheitsreform 2011 wird, wieder einmal, auf dem Rücken der Versicherten ausgetragen. Denn damit ist die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung weitgehend beendet. Kosten werden auf die Versicherten abgewälzt, das heißt, alle Ausgabensteigerungen werden künftig über Zusatzbeiträge aufgefangen. Denn der allgemeine Beitragssatz wird nun, nach einer vorübergehenden Senkung auf 14,9% doch wieder auf 15,5% angehoben. Kernstück der Reform ist der Zusatzbeitrag. Den hatten im vergangenen Jahr schon einige Kassen eingeführt. Er wird zusätzlich zum allgemeinen Beitragssatz erhoben. Der Arbeitgeberanteil wurde bei 7,3% eingefroren. Das heißt, dass die Versicherten den Zusatzbetrag letztendlich alleine schultern müssen. Ab 2011 dürfen die Kassen Zusatzbeiträge unabhängig vom Einkommen erheben (bisher maximal 1% des Bruttoeinkommens). Übersteigt dieser Betrag zwei Prozent des Bruttoeinkommens, soll es einen Sozialausgleich geben. Der Knackpunkt dabei ist aber: Dieser „Ausgleich“ greift erst bei Bruttogehältern über 3.000 Euro. Und soviel verdienen unser Verkäufer durch ihre Tätigkeit nicht. Nicht wenige von ihnen haben aber mit dem einen oder anderen gesundheitlichen Problem zu kämpfen, sind daher auf Arztbesuche angewiesen. Die Praxis- und Rezeptgebühren bezahlen sie unter anderem von dem Verdienst, den sie durch den TagesSatz-Verkauf erwirtschaften. Durch den Kauf eines Magazins erfahren die Verkäuferinnen und Verkäufer daher im direkten Kontakt eine unmittelbare Wertschätzung ihrer Tätigkeit – gerade jetzt in den kalten Wintermonaten. Durch Ihre Unterstützung ist es ihnen daher zum Beispiel auch leichter möglich, notwendige Untersuchungen zu bezahlen. Diese hätten sie sonst aus finanziellen Gründen nach hinten gestellt oder gar nicht wahrgenommen. In diesem Sinne ist jeder Kauf eines TagesSatz auch ein Stück gelebte Solidarität. Hierfür möchte ich mich im Namen des Vereins und natürlich aller Verkäuferinnen und Verkäufer bei Ihnen, liebe Kunden, bedanken. Die Bandbreite des Inhalts reicht diesmal von den amüsanten Geschichten von Arminius über die eher sachlichen Reportagen von Thomas S. Und auch die ersten lyrischen Versuche von Heinz Bechlars sind vertreten. Daher hoffe ich, dass für jeden von Ihnen etwas dabei ist. Eine erholsame Feiertagslektüre wünscht Ihnen
Harald Wörner (Redaktionsleitung Kassel) PS: Wenn Ihnen ein Beitrag besonders gefallen hat, gehen sie ruhig auf den jeweiligen Verkäufer zu, denn sie freuen sich über jede Rückmeldung.
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TagesSatz. Hilft sofort.
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Der TagesSatz wird von Menschen in sozialen Schwierigkeiten auf der Straße verkauft. Vom Verkaufspreis der Zeitung (2,00 Euro) behalten die VerkäuferInnen 1,00 Euro. Sie können damit ihre finanzielle Situation verbessern und sind nicht mehr auf Almosen angewiesen.
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Die Mitarbeit in Redaktion und Vertrieb des TagesSatz bietet arbeits- und wohnungslosen Menschen eine Aufgabe und die Möglichkeit, neue soziale Kontakte zu knüpfen und ermöglicht langfristig gesehen den Wiedereinstieg ins Berufsleben.
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Der TagesSatz finanziert sich ausschließlich durch Verkaufserlöse, Anzeigen und Spenden. Das Straßenmagazin erhält keine regelmäßigen Fördermittel.
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Wenn Sie den TagesSatz über den Kauf hinaus unterstützen wollen, können Sie auf folgendes Konto eine Spende überweisen: TagesSatz e.V. Kassler Sparkasse Kto.: 1183379 Blz.: 52050353 TagesSatz e.V. Sparkasse Göttingen Kto.: 50581511 Blz.: 26050001 Bitte geben Sie Ihre Adresse im Feld Verwendungszweck an, damit wir Ihnen eine Spendenbescheinigung zusenden können.
Der TagesSatz ist Mitglied von:
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EINDRÜCKE
Öffnet Augen, wo andere sie verschließen.
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AUS ERSTER HAND Verkäufer schreiben 8 9 10 12 14 15 16 17 18 20 21 22 23 24
Das Wasser, das Leben und die Demokratie von THOMAS SCHWAB Das Leben ändert sich von REGINA führer Der Lust-Thrill von Iussui Der ewige Kreislauf HARALD WÖRNER PRÄSENTIERT LYRIK VON HELMUT PAMMLER „Halliii Halloo“ LYRIK Von HEINZ BECHLARS Unerwarteter Abschied von THOMAS Mettke Der vermaledeite USB-Stick (Finale) von ARMINIUS Rußland, erste Reise von thomas schwab Alltägliches besser fotografieren Von Jörg „yogi“ müller Die Hoffnung stirbt zuletzt von sabine schweer Ein Tag eines TagesSatz-Verkäufers von werner kossmann Die Suche nach dem heiligen Kelch Von holger teichmann Streitpunkt Google Streetview von andreas pramann Erfahrungen und Gedanken von olaf burhenne
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Ort, Datum
Unterschrift
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V O R G E S T E L LT Werner KoSSmann / Alter: 54 / Standplatz: Sparkasse Innenstadt [GÖ] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? von Anfang an, also seit 1994 Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? über die Straßensozialarbeit Was hast Du davor gemacht? Märchen verkauft Was wünscht Du Dir? sechs Richtige im Lotto, ein langes Leben mit meiner Frau
Andreas Pramann / Alter: 50 / Standplatz: Bahnhof [GÖ] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? 2004 Was gefällt Dir am Verkauf? Kontakt mit Menschen, Zuverdienstmöglichkeit Was war dabei Dein besonderes Erlebnis? Lob für meine Artikel Was wünscht Du Dir? Eine bezahlte Arbeit, von der ich auch leben kann.
Holger Teichmann / Alter: 47 / Standplatz: Post am Bahnhof [GÖ] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? seit 2004 Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? erst als Redakteur, dann als Verkäufer Was hast Du davor gemacht? studiert und gearbeitet Was wünscht Du Dir? viel Glück bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle
Olaf Burhenne / Alter: 38 / Standplatz: Karstadt Sport [GÖ] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? seit 2008 Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? über einen ehemaligen Kollegen Was hast Du davor gemacht? in einer Bioküche gearbeitet (wurde aufgelöst wegen Krankheit der Chefin). Für mich bestand damals der Wunsch mit meiner Mutter nach Freiburg zu ziehen. Was wünscht Du Dir? ein sozialpflichtiges Arbeitsverhältnis Jörg „Yogi“ Müller / Alter: 47 / Standplatz: Vor der Jakobikirche [GÖ] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? August 2008 Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? Durch die Ambulante Hilfe Was hast Du vorher gemacht? Fahrradtouren im Himalaja organisiert, 17 Jahre in Indien gelebt Was wünschst Du Dir? Freiheit, Glück, Harmonie und Frieden für alle Lebewesen
DETLef „Rocky“ Bernhard / Alter: 52 / Standplatz: Karstadt (Hintereingang) [GÖ] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? 2009 Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? durch Werner Was hast Du davor gemacht? --Was wünscht Du Dir? Dass es allen Leuten besser geht und die Menschen mehr zusammen halten Bruno F. Spotted Bear / Alter: 56 / Standplatz: Post (Innenstadt) [GÖ] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? seit etwa sieben Jahren, mit Unterbrechungen Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? durch eine Bekannte Was hast Du davor gemacht? viel: gelebt, gearbeitet und umhergezogen Was wünscht Du Dir? Gesundheit und viel Ruhe
SABINE SCHWEER / Alter: 43 / Standplatz: Vor der Zentralmensa der Uni [GÖ] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? seit Ende August dieses Jahres Wie bist Du zum TagesSatz gekommen? Ich probiere gerne mal einfach alles aus Was hast Du davor gemacht? ehrenamtliche Arbeit in der Bahnhofsmission Was wünscht Du Dir? Liebe und Frieden auf Erden
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VORGEST E L LT Angelika Sommer / Alter: 60 / Standplatz: Alter Kasseler Hauptbahnhof, Bahnhof Wilhelmshöhe, Geschäfte Wilhelmshöhe und Kneipen [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? seit mindestens zwölf Jahren Was gefällt Dir beim Verkaufen am besten? Der Kontakt zu den Kunden, der bei uns sehr gut ist. Was war Dein besonderes Erlebnis beim Verkauf? Dass die Kunden freundlich zu uns sind. Was wünschst Du Dir? Dass der TagesSatz gut läuft und dass wir weiter gut verkaufen können. Armin Schulze / Alter: 57 / Standplatz: Tegut Bettenhausen, Markthalle, Wilhelmstraße [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? seit 2002 Was gefällt Dir beim Verkaufen am besten? das Gespräch mit den Menschen Was war Dein besonderes Erlebnis beim Verkauf? Einladung von einer Kundin plus zwei wunderschöne Wochen inkl. Sex, Drugs an Rock´n´Roll Was wünschst Du Dir? Auswandern nach Bora-Bora Thomas Mettke / Alter: 50 / Standplatz: Drogeriemarkt Müller (KS), Kamps (Königsplatz) Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? seit November 2009 Was gefällt Dir am Verkauf am besten? der Kundenkontakt Was war Dein besonderes Erlebnis beim Verkauf? Panini-Bildertausch im Sommer 2010 Was wünschst Du Dir? mehr Akzeptanz für den TagesSatz
Regine Führer / Alter: 49 / Standplatz: Obere Königsstraße und Treppenstraße, Wilhelmstraße/Wolfschlucht [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? seit 1995 Was gefällt Dir beim Verkaufen am besten? wenn nette Leute kommen Was war Dein besonderes Erlebnis beim Verkauf? Ich verhinderte, dass eine Frau bestohlen wird. Was wünschst Du Dir? mehr finanzielle Freiräume, um mal ausspannen zu können. Thomas Schwab / Alter : 57 / Standplatz: REWE am Kirchweg [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? seit Juli dieses Jahres Was gefällt Dir beim Verkaufen am besten? – Was war Dein besonderes Erlebnis beim Verkauf? – Was wünschst Du Dir? –
Jürgen Engelhardt / Alter: 66 / Standplatz: Gaststätten [KS] Seit wann verkaufst du den TagesSatz? seit November 2006 Was gefällt Dir beim Verkaufen am besten? der Kundenkontakt Was war Dein besonderes Erlebnis beim Verkauf? die positive Rückmeldung der Kunden und Gäste; manchmal bekommen wir etwas zu Essen oder ein Getränk spendiert. Was wünschst Du Dir? viele „Fische an der Angel“ und dass es mit Angelika so weitergeht. Heinz Bechlars / Alter: 66 / Standplatz: Gesundheitszentrum Willi-Allee und Kohlenstraße [KS] Seit wann verkaufst Du den TagesSatz? seit Januar 1999 Was gefällt Dir beim Verkaufen am besten? wenn die Leute gut drauf sind Was war Dein besonderes Erlebnis beim Verkauf? gibt nichts Besonderes Was wünschst Du Dir? gute Gesundheit
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Jörg „Yogi“ Müller
A U S E R S T E R HAND
Das Wasser, das Leben und die Demokratie Der Vernetzungskünstler Andrzej Dzierzbicki wurde bereits im Heft 11/2010 des TagesSatz (Ein Stadtteil und ein Schiff) vorgestellt. Um eine genauere und vor allem vollständige Veranschaulichung der Idee des Schiffbaus als soziales Kunstwerk zu vermitteln, bedürfe es einer näheren Erläuterung, so der Künstler.
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zierzbicki plant, ab März 2011 ein Vernetzungsprojekt auf lokaler, landesund bundesweiter und schließlich europäischer Ebene zu initiieren. Ausgehend vom ältesten Stadtteil Kassels, Wolfsanger, und im Rahmen des zwölfhundertsten Jubiläums dieses Stadtteils, sollen immer mehr Städte, Länder und Staaten an das Event (siehe Kasten) anknüpfen. Grundgedanke ist, so der Künstler, durch das Projekt das historische Bewußtsein weiterzuentwickeln und dadurch das Demokratieverständnis zu vertiefen und zu erweitern. Das vorangegangene Projekt „European Culture Independent“, welches im Juli 2010 im nordenglischen Leeds mit dem Titel „The Water, The Life & Democracy“ erste Anfänge fand, inspirierte Dzierzbicki zu seiner Schaffung des sozialen Kunstwerkes.
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Dzierzbickis Aktion beginnt am 1. März 2011 mit dem gemeinsamen Schneiden der Weide zum Bootsbau unter Beteiligung der Gemeinde Wolfsanger. Darauffolgend finden mehrere Aktivitäten zunächst im Rahmen des Jubiläums Wolfsanger 1200 statt, die das erste soziale Kunstwerk der weitläufigeren Vernetzungsidee entstehen lassen. Das erste Boot im Stil einer Arche wird am 12. März 2011 auf der Fulda zu Wasser gelassen und markiert die historische Jubiläumsfeier des Stadtteils. Dies wird der erste von insgesamt fünf Anlässen zum Thema „Schiff der Geschichte“ an der Fulda sein. Des Künstlers Sorge sind die finanziellen Mittel, die für sein Projekt erforderlich sind. Er beklagt, dass das Mäzenatentum in Deutschland nur spärlich entwickelt und schwer zu gewinnen ist. Zur Zeit leben in Deutschland wenige bekannte Mäzene. Dzierzbickis Aufgabe wird
* THOMAS SCHWAB nun darin bestehen, mögliche Interessenten zu kontaktieren und sie von der Bedeutung seines geplanten Werkes zu überzeugen. Auch ein Internetportal wird ab dem Beginn dieses Jahres über den Stand der Aktion informieren und Mäzene und auch private Spender zu interessieren suchen. Die Adresse des Portals wird unter www.kunstsozialesundgeschichte.wordpress.com verlinkt werden. Dort wird es auch Informationen zum Projekt geben. Sponsoring lehnt der Künstler grundsätzlich ab: Er arbeite ausschließlich für die Verwirklichung seiner Idee und unterstütze keine Kommunikationsoder Marketingziele eines eventuellen Sponsors: „Mir geht es darum, einen Entwicklungsaspekt der menschlichen Gesellschaft aufzuzeigen. Es ist für mich undenkbar, damit Werbung betreiben zu wollen“.
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MEHR ZUM THEMA: “Schiff der Geschichte” für Wolfsanger 1200 01. März 2011: Weidenernten 06 -12. März 2011: gemeinsamer Schiffsbau 12. März 2011: Einweihung des Schiffs
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AUS ERSTER H A N D
Heute dagegen sind viele arbeitslos, es lebt mehr oder minder jeder von ihnen so vor sich hin. Macht, was ihm gerade in den Sinn kommt. Einige putzen nachts die Wohnung, oder hören laute Musik. Ein anderer will dann aber schlafen, weil er am nächsten Morgen früh aufstehen muss, und schon ist Krach vorprogrammiert. So nach dem Motto: Jeder macht, was er will, keiner macht was er soll, aber alle machen mit. Es gibt auch Leute, die haben ein einnehmendes Wesen und geben nichts von ihrem Geld wieder aus. Sie behalten ihr Geld lieber im Sparstrumpf. Ein Notgroschen ist ja in Ordnung, aber total geizig sein ist nicht schön.
Das Leben ändert sich Früher gingen die meisten Menschen einer geregelten Arbeit nach. Sie waren zufrieden, da sie sich etwas leisten konnten, wie ein Auto, Urlaub oder einen Fernseher.
* REGINA FÜHRER
ter Luftzüge in der Gesellschaft immer noch einige gibt, denen andere nicht komplett egal sind. Im September 2010 war ich auf einer Veranstaltung mit dem Namen „Geschlossene Gesellschaft – Integration statt Ausgrenzung“. Die gefiel mir gut. In der kombinierten Lesung und Ausstellung haben sich Mieter, die alle bei der Evangelischen Wohnraumhilfe (Diakonisches Werk Kassel) wohnen, als Künstler und Autoren präsentiert. Das Diakonische Werk bietet hierzu eine Malund Schreibwerkstatt an. Unter der Anleitung der Diplom-Sozialwissenschaftlerin Sarah Möller (Schreibwerkstatt) und dem Sozialarbeiter Michael Fichtelmann (Malwerkstatt) können sich hier Interessierte betätigen. Beispielsweise könnte jemand unter Anleitung seine komplette Lebensgeschichte aufschreiben, um vielleicht mit einem Verlust oder einem traurigen Ereignis abzuschließen. In einer größeren und geselligen Gruppe von Gleichgesinnten sollen die Teilnehmer zudem die Möglichkeit haben, gemeinsam künstlerisch zu arbeiten und dabei Kontakte zu knüpfen.
Zusammenhalt nein danke?
So kann es nicht weitergehen. Auch Arbeit muss auf alle Menschen gerecht verteilt werden. Und das Geld, also die Löhne, auch. (Das PreisLeistungs-Verhältnis muss wieder stimmen). So werden die Leute insgesamt wieder zufriedener sein. Aber leider scheint sich heute nur noch alles ums liebe Geld zu drehen. Jeder kümmert sich anscheinend nur um sich selbst und interessiert sich nicht die Bohne für den Nachbarn. Diese Gleichgültigkeit finde ich schon ziemlich traurig. In früheren schlechten Zeiten haben die Leute doch einander auch geholfen. Selbst eine arme alte Oma hat einem Bettler noch etwas gegeben. Heutzutage scheint das aus der Mode zu sein. Doch Gott sei Dank denken und handeln nicht alle so egoistisch. Das macht mich zuversichtlich, dass es trotz einiger kalTagesSatz
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MEHR ZUM THEMA: Diakonisches Werk Kassel Betreutes Wohnen Hermannstraße 6 34117 Kassel Tel.: 0561/7128825 Fax: 0561/71288-88 E-Mail: betreuteswohnen@dw-kassel.de www.dw-kassel.de
Jörg „Yogi“ Müller
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uch die ganzen Verhältnisse untereinander waren geregelt. So zum Beispiel, dass man abends ab 22 Uhr nur in Zimmerlautstärke Musik hören darf. Staubsaugen von morgens 8 Uhr bis mittags um 12 Uhr. Dann wieder von 15 Uhr bis 20 Uhr. Die Menschen kamen besser miteinander aus, weil sich alle daran gehalten haben.
Bei den Künstlern, die sich im September im Dock 4 vorgestellt haben, waren einige dabei, deren Lebensweg manche Haken geschlagen hat. Alle haben sich aus ihren Schwierigkeiten wieder herausgearbeitet und können zufrieden auf einen steinigen Weg zurückblicken, den sie hinter sich gelassen haben. Sie alle schauen positiv in ihre Zukunft. Das haben sie sich selbst und der Unterstützung durch das Angebot der Diakonie zu verdanken. 9
Jörg „Yogi“ Müller
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Der Lust-Thrill Doch! Schon wieder ein Abenteuer. Ich fühle mich süchtig danach, denn ich bin das Glück, mit sechs Jahren knapp am Tode vorbei gesprungen. Tatort war die rauschende Breitachklamm.
* IUSSUI
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ja, und jetzt im Hier und Heute erlebe ich Ruhe, exzellente Lebensqualität. Ich schreibe Wichtiges auf, nebenbei verwöhnt mich Eva Cassidy auf meinem Tonträger, zu Hause im Paradies an der Losse. Ihr Gesang versüßte meine Gehörgänge, so dass ich eintauchte in die Historie der Menschheit, um mir vorzustellen, ich wäre Napoleon Bonaparte gewesen. Bei einem meiner unzähligen Streifzüge durch diesen berühmten Ort Kassel erkundete ich mal wieder die Markthalle. Yes, yes, yes, da sah ich sie! Der Schock kam urplötzlich. Eine Gänsehaut, so mächtig, wie eine Monsterwelle auf Hawai, überspülte meinen Rücken. Das Gefühl, ich wüchse in unermessliche Höhen, kannte ich bis dahin noch gar nicht. Aber jetzt – einhundertachtundsiebzig Zentimeter. Auch das noch, einen halben hinzu. Sie erschien mir als Reinkarnation der Göttin Aphrodite. Blond, groß, langbeinig, ein makelloTagesSatz
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NACHGEF R A G T ser Körper, das schönste Gesicht, was ein jeder sich vielleicht vorzustellen im Stande ist. Die Sensation hier in Kassel im dritten Jahrtausend. Mich beeindruckte vor allem ihr nach vorn zugeknöpftes buntes Baumwollkleid. Ein Traum, so etwas zu sehen. Dazu schmückt eine Pink-Brille ihr zauberhaftes Aussehen. Sie strahlte und sah dabei aus, wie aus Ebenholz geschnitzt. Wann begegnet einem Menschen wie mir schon einmal so eine weibliche Grazie? Einfach famos. Ich erschrak zugleich, denn unzählige Hitzewellen stiegen in mir hoch, sie traktierten meinen Körper ohne Hemmungen. War ich wirklich hier in Kassel? Oder in New York, Miami oder sogar Rio De Janeiro? Unfassbar, dieser Augenblick durfte niemals enden. Es war ein Laufen, Atmen, Fließen, Sehen, Schlucken, Stauen, erotisch, das komplette Hoch meines Lebens. Sie hieß mit Namen Aerdna, ein seltener Name, doch er passte zu so einer nach Göttin aussehenden Frau. Wahrscheinlich zählte sie beim Verweilen in meiner Nähe meine Millionen von Atomen, um zu eruieren, ob ich wichtig bin. Diese genialen Fantasien veranlassten mich, sie nicht anzusprechen oder gar ihre Unberührbarkeit zu stören. Ich stellte mich lautlos vor. Schrieb ihr meinen Namen auf! „Ius“, sie lächelte und genoss ihre Bewegungen und harmonischen Gesten. Ich wollte den perfekten Moment erhaschen, als wäre er der letzte meines Lebens. Neugier, Lust, Frivolität, Liebe, Anbetung – all die Worte und noch viel mehr fuhren Rennen auf meinen Denkautobahnen. Himmelkruzifix, just in this moment wurde ich aus all diesen Träumen heraus gekickt. Eine ältere Dame, goldbehangen wie ein Weihnachtsbaum, umfasste meinen Rücken: „Sie, junger Mann, versperren Sie älteren Herrschaften immer den Weg? Sie sollten sich schämen! Sie sind neugieriger als der Teufel! Wo gibt‘s denn so was! Dazu schauen sie diesen jungen Dingern hinterher! Sie stehen hier maulTagesSatz
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affenfeil herum, als wäre hier der Jahrmarkt der Eitelkeiten. Ich beobachte sie schon eine ganze Weile. Das muss aufhören, oder gehen Sie doch ins Kino! Halten Sie mal meine Einkaufstasche, die ist schwer, da sind fünf Pfund Kartoffeln drin. Sagen Sie mal, ich kenne Sie doch! Sind Sie nicht dieser Boule-Virtuose von der Orangerie? Mir dämmert was: Da sind Sie auch umgeben von vielen Mädels, jung und alt! Suchen Sie sich eine anständige Frau und gründen Sie eine Familie, dann haben Sie was Sinnvolles vollbracht! Ich war auch mal jung, das können Sie mir glauben. Jetzt mal Butter bei die Fische! Sie machen das gut, sehr gut. In Augenblicken, in denen so etwas passiert, die müssen Sie genießen. Das Leben ist bald vorbei. Es funktioniert wie im Zeitraffer. Mein Johannes, mein Ehemann, ist schon seit zwanzig Jahren tot, aber er war lieb und eine ehrliche Haut. Manchmal war er auch so ein Hallodri, kaum drehte ich ihm den Rücken zu. Aber zu Hause habe ich ihm den Marsch geblasen, also die Meinung gegeigt, das können Sie ruhig glauben.
Geistige Ejakulation Trotzdem: Er fehlt mir sehr. Bald, so hoffe ich, sehe ich ihn wieder, wir sind wieder vereint, denn es gibt viel zu erzählen.“ In meiner Fantasie entstofflichte ich gerade, das bedeutet, ich löste mich auf, gänzlich! Nicht, weil ich mich schämte, sondern weil ich in diesem Moment geistiger Erregung während des Gesprächs verpasste, was mit Aphrodite vor sich ging. Doch: Keine Angst, sie schien mich voll im Visier zu haben. Ich stand im Fadenkreuz der Geschichte. „Du Mensch des Augenblicks, gefällt Dir, was Du siehst, musterst Du, oder gibt‘s was auszusetzen?“ Ich geriet ins Schwitzen, fing an zu stottern: „I-I-us ist mein Name, ich finde Sie bezaubernd.“ Beim Betrachten ihrer Figur entdeckte ich zu ihren Füßen einen Baumwollfaden. Und das brachte mich auf die Idee des Jahrhunderts, gar Jahrtausends. Trotz aller Begleiterinnen in meinem Leben mit Namen: Felicitas, Dörte, Suzanna, Chantal, Marie-Elaine, Lea-Bernadette oder
auch Shannice-Sophie, jetzt wollte ich diese Göttin Aerdna genauer unter die Lupe nehmen. Da kam mir dieses lose herunterhängendes Baumwollband gerade recht. Alle meine Verflossenen waren klasse und auch schön, aber eben niemals gleichgestellt, wie bei Aerdna vom blauen Planeten, einer Göttin gleich! Schwupps, sie schien sich meinem Dunstkreis entziehen zu wollen. Wir verabschiedeten uns sehr nett. Natürlich auf französisch! Küsschen rechts, Küsschen links. Und vor allem: Ich hatte blitzschnell den Baumwollfaden aufgenommen, ohne dass sie es gemerkt hatte. Mit gehörigem Abstand verfolgte ich sie, immer auf den Faden achtend, er war vielleicht ein bis eineinhalb Millimeter dick. Ich wickelte ihn bei der Verfolgung um meine Hand. Was kam denn da bloß für ein lustiges Abenteuer auf mich zu? Ein Gedicht: In der Bedeutung eines Augenblicks erreicht der Mensch stets das höchste Glück. Das ist Leben, pur, ohne Wenn und Aber. Ich fühlte mich wie im Rausch. Zwischen zehn und fünfzehn Metern hielt ich beim Verfolgen den Abstand in Grenzen. Sie sollte ja nichts merken. Ich wickelte wie besessen, darauf aufpassend, dass nichts und niemand mir in die Quere lief oder kam. Es musste klappen! Weder ein Auto, noch ein Fußgänger, noch irgendein Störfaktor. Ich wollte jetzt zum ersten Mal im Leben kompromisslos sein, egal was passierte. Das alles wegen einer Göttin mit Namen Aerdna. Können Sie sich das vorstellen? Mensch, auf einmal – wir waren mittendrin in irgendeinem Stadtteil, den ich nicht kannte – drehte sich diese außergewöhnliche Frau um, lachte mir ins Gesicht und fragte keck: „Sag mal, Du Mann unloser Phantasien, lieb mich doch, küss mich, streichle meine Seele, doch wickle meinen Unterrock nicht auf, sonst stehe ich bald ohne da! Bon voyage, Kassel ist wundervoll! Ihr Iussui
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Der ewige Kreislauf
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„Seit ich zehn Jahre alt bin, lebe ich in Institutionen. Dass ich draußen nicht klar kam, lag wohl daran, dass ich über keinen Lebensplan verfügte, nie gelernt hatte, auf eigenen Beinen zu stehen.“ Helmut Pammler
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Jörg „Yogi“ Müller
nfang des Jahres meldete sich eine Dame bei uns, die sich in der Gefangenen- Resozialisierung engagiert. Sie bat um den Abdruck einiger Gedichte des JVA-Insassen Helmut Pammler, der auch unter dem Pseudonym Harald Poschner seine Texte veröffentlicht. Da wir gerade intern mit den Vorbereitungen zur alljährlichen Mitgliederversammlung beschäftigt waren, geriet das wichtige Thema bei mir in Vergessenheit. Frau Orth, so heißt die Dame aus Kaufungen, meldete sich nun erneut und hakte bezüglich der Angelegenheit nach. Unser Magazin hat ja im Titel die Formulierung „Selbsthilfe für Menschen in sozialer Not“ stehen. Daher denke ich, ist es absolut kein Problem für uns, wenn wir auch Menschen Gelegenheit geben, gehört zu werden, die sonst nicht so im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, wie etwa Prominente oder Politiker. Sicher denkt der eine oder andere von Ihnen: „Recht so! Selber schuld. Wer Mist baut, geht eben in den Knast!“ Poschner sitzt seine Strafe in der JVA Diez ab. Aber machen wir es uns hier auch nicht allzu einfach? Die Rechtssysteme der westlichen Welt kennen hier oft nur entweder Gut oder Böse. Raum für Nu-
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ancen dazwischen bleibt nicht. Nicht jede/r fragt nach, ob überhaupt und wie etwa eine Straftat im Affekt hätte verhindert werden können, wenn man alles viel früher gewusst hätte. So gesehen stiehlt sich unsere Gesamtheit doch auch ein wenig aus der Verantwortung. Denn eine Gesellschaft lebt auch von dem, was die Einzelnen dazu beitragen und vor allem wie sie mit Minderheiten umgehen, die ihre Interessen nicht selbst vertreten können. Um Missverständnissen gleich von vornherein vorzubeugen: Es geht hier nicht darum, die Straftaten, die der Haftinsasse begangen hat, zu entschuldigen oder gar zu rechtfertigen. Doch eine Urteilssprechung sollte sich jeder von uns verkneifen. Die Qualität der Gedichtszeilen liegt meines Erachtens in der Darstellung individuellen Versagens. Daher möchte ich Sie sehr herzlich bitten, die Gedichte von Helmut Pammler vorurteilsfrei auf sich wirken zu lassen.
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MEHR ZUM THEMA: Harald Poschner Türen ohne Klinke… Verlag: Schwarzkopf und Schwarzkopf ISBN: 978-3-89602-756-6
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AUS ERSTER H A N D Wer weiß ... Ich weiß etwas, habe alles gesehen, hab mich nun entschlossen, auszupacken. Ich will alles sagen, lasse alles hinter mir, fange neu an, mache mich von dem ganzen Ballast frei ... Jetzt reicht es mir, das war einfach zuviel, das lohnt sich auch nicht, das ist die Sache nicht wert. Eigentlich war ich ja schon immer dagegen ich fand das noch nie gut ... Allerdings – allzu viel habe ich nicht mitbekommen, ich war halt nur ab und zu dabei, eher beiläufig. Das ist auch schon länger her, ich kann mich nicht sehr gut erinnern, Ja, gehört habe ich davon allerdings – wissen wäre zuviel gesagt, kennen tue ich die eigentlich nicht ... Ob ich etwas weiß? Nein, woher auch. Helmut Pammler
Die Handschellen angedrückt Die Haftstrafe aufgedrückt In die Zelle reingedrückt Um das auszuhalten zugedrückt Helmut Pammler
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Jörg „Yogi“ Müller
A U S E R S T E R HAND
„Hallii Halloo“ oder miau, miau, Mäuse machen mich froh… die ersten Zeilen, zaghaft in Form gepresst.
* HEINZ BECHLARS Hat heute schon ein Engel Deinen Weg gekreuzt? Wenn Du das leise Wispern der lächelnden Schmetterlinge erahnst, sei gewiss, dass Engel reisen.
Dunkle Schatten senken sich über das Land, der Winter naht. Eisig wird es in mir, leidet meine Seele?
Meine sturmgepeitschte Seele windet sich im Leben.
Nach Mühen, Plagen und Pein, was hält das Leben noch parat für mich?
Einkehr des Winters, Kahlschlag in Wald und Flur, wie in mir, hab Seelenschmerz!
Zum Friedwald zieht‘s mich hin, will einst begraben werden in der Natur, mein Grab wird namenlos bleiben, keiner trauert! Möchte meiner Seele Freiheit gewähren, über den Wipfeln der Bäume wandern, ihre Ungebundenheit genießen, bis ein anderer sie zu sich ruft, sie erneut in ein Korsett presst.
Wird meine Seele Schaden nehmen?
Der Winter heulte ums Haus, Schneekristalle peitschen gegen die Fenster, fühle mich einsam, allein, mich fröstelt, ist es Seelenschmerz, der mich durch die Kälte leitet?
Raureif liegt über den Feldern, Nebelschwaden wabern über das Land, wie wandernde Seelen (weiß man es?)
Der Himmel weit, mir stockt das Blut, in der Ferne ein grelles Licht. Kommt meine Seele jetzt zur Ruh?
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AUS ERSTER H A N D
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Eine weitere schöne Erfahrung hatte ich, als ich im letzten Sommer an meinem Standplatz bei Müller meinen Tisch aufbauen durfte. Dort habe ich, neben dem Verkauf des TagesSatz, meine Panini-Fußballbilder-Tauschbörse zur Fußballweltmeisterschaft eingerichtet. Es hat mich schon erstaunt, welch breite Nachfrage zu diesen bunten kleinen Bildchen bestand. Überrascht war ich auch, dass viele Kinder und Jugendliche an meinen Stand kamen. Doch leider machte ich auch einige nicht so schöne Erfahrungen. Im Februar dieses Jahres spielte ja der bekannte Cellist Thomas Beckmann in der Kasseler Karlskirche. Gedacht war der Auftritt (also indirekt auch unser Stand) zu Gunsten des Vereins „Gemeinsam gegen Kälte“. Wir hatten Magazine zu verschiedenen Themen eingepackt, auch unseren Bildband „Einwegleben“ hatten wir dabei. Zwar sollte das Konzert im Vordergrund stehen, und das tat es ja auch, doch die mehr als spärliche Resonanz auf unseren Stand hat mich doch ein wenig enttäuscht. Ich hätte mir da mehr Akzeptanz für unseren Verein und auch das Magazin gewünscht. Doch Schwamm drüber, ein gewisses
Unerwarteter Abschied Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kundinnen und Kunden, ich habe lange mit mir gerungen und mir die Entscheidung nicht gerade einfach gemacht.
* THOMAS METTKE
TagesSatz Kassel
or etwas über einem Jahr habe ich beim TagesSatz mit dem Verkauf des Magazins in der Kasseler Innenstadt begonnen. Zu Anfang dauerte es ein wenig, bis ich mir einen festen Kundenstamm aufgebaut hatte. Doch mit der Zeit wurden mir ihre Gesichter immer vertrauter, und es kamen auch viele Kunden wieder. Das hat mich sehr gefreut.
Auf und Ab im Leben ist ja normal, das ist auch mir bewusst.
besten, so dass mich derartige Erlebnisse zusätzlich noch beeinträchtigen.
Die Dinge, die weit schwerer wiegen und mich dann am Schluss dazu bewegt haben, mit dem Verkauf aufzuhören, liegen mehr im persönlichen Bereich. Ich möchte hier nicht in die Tiefe gehen. Daher nur soviel: Mehrere Male musste ich leider einige unschöne Erlebnisse hinnehmen. Dabei kam es vor, dass meine Mitmenschen sich nicht korrekt an Absprachen oder Vereinbarungen gehalten haben. Das hat mich schwer enttäuscht, da ich auf die Zusagen eigentlich gehofft und mein Leben danach ausgerichtet hatte. Nun musste ich meine Pläne über den Haufen werfen und alles neu von vorne überlegen. Leider steht es mit meiner Gesundheit nicht zum Aller-
Daher habe ich mich entschieden, den Verkauf zum Jahreswechsel 2010/11 ausklingen zu lassen. Nun brauche ich zuallererst eine Phase, in der ich wieder zur Ruhe kommen und neue Kräfte sammeln kann. Was ich künftig machen werde, kann ich noch nicht genau sagen. Bei Ihnen, liebe Kundinnen und Kunden, möchte ich mich ganz herzlich für das entgegengebrachte Vertrauen und ihren Zuspruch bedanken. Diese Erinnerungen werde ich mir auf jeden Fall bewahren. Ihr Verkäufer Thomas Mettke
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a ff e n W ir v e r s c h n z v o ll e I h n e n g la A u ft r it te
TagesSatz
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Color-Druck GmbH Lindenallee 19 · 37603 Holzminden Fon (0 5531) 93 20-0 · Fax 93 20-50 e-mail: info@color-druck.net
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Jörg „Yogi“ Müller
A U S E R S T E R HAND
Der vermaledeite USB-Stick (Finale) Salute, ich grüße von Burg Falkenstein. Viele Grüße an die atemberaubende Annina und last, but not least Holger-Josef, meinen genialen Lebensretter. Falkenstein, auf der man mir Zuflucht gewährte, war ein toller Ort in den Hügeln von Appenzell. Mir stand die Sonne, gutes Essen, ein sagenhaftes Panorama, Dienstboten, vor allem Ruhe und Behaglichkeit pur zur Verfügung. Auf der Flucht so auszuruhen, war einfach genial.
* ARMINIUS
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r. E oder vielleicht auch Mr. X erschien mir auf einmal im Traum. Ich denke, er schien wie besessen, mich zerstören zu wollen. Egal wie. Es ging noch immer um den verlorenen USB-Stick. Diese grünen Mönche ohne Kreuz waren eiskalt. Obwohl sie keine Beweise hatten, mich nur aufgrund von Indizien verdächtigten, war ich auf der Flucht. Nach meinen Nachforschungen existierte die Swisspass-Sekte Coma 555555. Ich lag noch im Bett, ein brauner Mastino leckte meine Füße. Ab und zu warf ich ihm einen Schokokeks zu, damit er im Ernstfalle nicht mit mir vorlieb nehmen musste. Klong, mein Laptop signalisierte eine E-Mail. Ich stand auf, um sie zu lesen. Es war Holger-Josef: „Sui, das Grauen ist aufgewacht. Die sind dir auf der Spur. Du musst fix nach Barbados. Hau ab. Annina haben sie schon aus dem Zürcher Schauspielhaus gekidnappt. Ich konnte gerade noch stiften gehen. Auf Barbados bist Du sicher. Meine Clique dort sind alles Insulaner. Sie arbeiten nur mit Voodoo. Mr. X und seine B-Sekte können Dir dort nichts anhaben, vertrau mir. Salute, Dein Holger-Josef!“
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Schon wieder Koffer packen, merde, merde. Wegen eines gefundenen USB-Sticks musste ich um die halbe Welt reisen, das Versteck ist niemals sicher, da könnt ihr sicher sein. Die Geldhaie haben viele Möglichkeiten. Aber jetzt kämpfe ich. Diese Coma 555555 war das mieseste Zünglein an der Waage, welches ich je recherchierte hatte. Die Aufzeichnung mit Millionen von Daten war Gold wert. Doch ich wollte Köpfe rollen sehen. So böse wurde ich auf einmal in Gedanken. Doch Kopf hoch, es gab noch Auswege, und die Erde ist rund. Das Lachen war mir nicht abhanden gekommen. Nur der Zorn wuchs stetig. Jetzt begann die absolute Flucht nach Barbados. Diese Coma schreckte vor nichts zurück. Entführung, Bankkonten sperren, Wohnungen auflösen. Sie waren mächtig. Doch noch hatte ich Verbündete. Mein Leben schien in Gefahr. Doch Scheiß drauf, ob durch Gift oder Flugzeugabsturz, gedungene Killer, dieser Mr. X oder Mr. E konnten mir im Mondschein begegnen. Er hatte eine süße hübsche Tochter, die das Imperium übernehmen sollte. Diese Felicitas-Ariana hatte in Frankfurt am Main studiert. Das hatte ich schon
herausgefunden. Doch ob sie genauso kalt und herzlos war, musste sich noch herausstellen. Also Schach dem König. Ich wollte nach Barbados, um von dort aus mit Experten auszutüfteln, wie wir Coma 555555 zerschlagen konnten, ohne selbst dabei gekillt zu werden. Die Daten auf diesem ominösen USB-Stick waren so wertvoll wie das verschwundene Bernsteinzimmer. Billionen von Euro flossen um den Globus. Ein sehr guter Börsenprofi, ich nenne ihn mal Mr. Goodman, der wollte die Daten vom vermaledeiten USB-Stick auswerten und einen Virus um den Globus schicken. „Dann, lieber Sui, brechen die Kartenhäuser der Rothschilds, Oasis und die der Mr. X oder Mr. E zusammen wie Ameisenhaufen, wenn das große Feuer kommt.“ Der Urknall sollte sicht- und hörbar sein für alle Multis. Auf einmal trank ich Lumumba on the Rocks und fühlte mich wie der Retter der Welt. Fin. Mit brillanter Phantasie werden Menschen zum Genie. Euer Arminius. TagesSatz
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ein Kollege Werner und ich landeten an einem Dezembertag 1976 auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo. Tags darauf flogen wir mit einer IL 62 weiter. Das Ziel war Orsk, eine Industriestadt am Südural. Orsk gehörte zu Kasachstan. Doch wir landeten zuerst in Jekaterinburg, um flugs ein klappriges Flugzeug zu besteigen. Die Kiste sah aus, als bestehe sie aus alten Kühlschränken und klapperte furchtbar. „Das ist hier normal“, so Werner. Er hatte schon Russlanderfahrung.
Ich arbeitete bereits zwei Jahre als Physiker (Entwickler) in der Abteilung Sonderanlagenbau eines Dresdner Institutes, als man mir anbot, ein halbes Jahr in der damaligen Sowjetunion zu arbeiten. Meine erste Russlandreise, weitere sollten folgen. Ich war immer wieder gern in der grenzenlosen Weite, die sich so angenehm vom zersiedelten Deutschland unterscheidet.
* THOMAS SCHWAB teil, oft wurden wir zu Feiern eingeladen, und gerade die Ärmsten waren sehr gastfreundlich. Viele staunten verlegen, weil wir keine deutschen Lieder kannten. Sie indes hatten einen Bestand vom „Chaideresslain“ (Heideröslein) bis hin zum russischen „Stenka Rasin“. Sie sangen oft und gern. Ich konnte nur das Lied vom Tannenbaum, und trotz meiner Reibeisenstimme wurde mein Beitrag höflich bejubelt. Mit dem Arbeitsfortschritt stieg die Laune der russischen Chefs, und es gab noch mehr Feiern. Einmal lud mich Vorarbeiter Viktor zu sich ein. Von der Familie sehr bewundert, weil er aus dem ewig knapp sortierten Lebensmittelladen einen Schweinebraten mitbrachte, verschwieg er aber, dass er vom Werkzeugbestand eine Zange geklaut hatte, die ihm als Tauschobjekt hierfür diente. Ich wusste es, gönnte aber der Familie den seltenen Genuss. Die Zange war entbehrlich.
Eines Morgens kam Viktor mit einer heftigen Alkoholfahne und klagte, er sei krank. Er lernte zwar deutsch, doch zur Darstellung des Leidens reichte das Wissen nicht: „Thomas Christianowitsch (ich nannte mich nach russischer Sitte mit Vor- und Vatersnamen so, um das übliche Towarischtsch – Genosse – zu vermeiden)“, begann er. „Mein Arsch krank. Bumbum in Arsch, ganze Nacht ssst, bum, ssst, bum, ich tot, ich sterben“. So eine Beschreibung von Durchfall war mir unbekannt. Viktor ging nach Hause, wo er in Ruhe weitertrinken konnte. Unsere Anlage wurde im Mai fertig, und ich genoß es, die blühende Kasachensteppe zum Frühlingsbeginn zu sehen. Ein Meer wilder Tulpen erstreckte sich bis zum Horizont, und in der Nähe rauschte der Fluss Ural. Ich legte mich auf den Rücken, sah den in Russland so niedrigen weiten Himmel, hörte die Zieselmäuse im Steppengras rascheln und verliebte mich für immer in dieses Land.
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Jörg „Yogi“ Müller
In der Industrieansiedlung im Süden der Stadt sahen wir den sechzig Meter hohen Turm des Vakuumkessels. Es handelte ich um ein Riesen-Stahlwerk. Das wäre in der Welt einmalig gewesen, hätten die Russen es zum Laufen gebracht. Doch sie besannen sich auf die Deutschen und forderten Spezialisten an. Unsere Entwicklungen, sechs je zwei Tonnen schwere Geräte, waren bereits vor Ort. Die Russen hatten sie begutachtet und vergnügt wichtige Teile geklaut. Wir hatten also zu tun. Die Arbeiter, die an der Anlage ausgebildet werden sollten, halfen uns. Man musste ihnen aber wirklich jeden Griff erklären und sie auffordern, es nachzumachen. Allein machten sie keinen Handschlag. Das war eine Eigenart des großartigen Volkes. Ich meine das wirklich so, Russen sind wunderbar, ursprünglich und kraftvoll wie ihr Land. Von Deutschen-Hass, wie man vielleicht nach den Kriegsereignissen erwarten könnte, nichts zu spüren. Im Gegen-
Russland, erste Reise
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Alltägliches besser fotografieren
Vom 25. bis 27.08. habe ich an einem Fotoworkshop an der Journalistenschule Klara in Berlin teilgenommen. Der Workshop hieß „Alltägliches besser fotografieren“. Der Direktor von Klara, Herr Steiner, den ich letzten April auf dem Straßenmagazin-Workshop in Berlin kennen lernte, bot uns Straßenmagazinredakteuren freundlicherweise an, an seinem Workshops kostenlos teilzunehmen.
gereist war, aber es gab noch einige andere, die einen relativ billigen Fotoapparat dabei hatten. Ich habe natürlich schnell herausgefunden, dass meine Kamera in ihren Anwendungen beschränkt ist, kann mir aber derzeit keine bessere Kamera leisten.
* JÖRG „YOGI“ MÜLLER
Bei dem Workshop wurden erst mal einige Wichtige Basics über die Kameratechnik gelehrt, zum Beispiel über die Belichtung, die aus Blende und Zeit besteht. Bei einer kleinen Blendenzahl gibt es eine geringe Tiefenschärfe, wenn nur das Hauptmotiv scharf sein soll.
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nser Dozent war Herr Weber aus München. Er ist freiberuflicher „Spiegel“-Fotograf. Die Teilnehmerrunde war bunt gemischt: ein Pressefotograf aus dem Landschaftsministerium von Frau Aigner, jemand von der Stuttgarter Börse, jemand, der die Website von iMac gestaltete, eine Frau vom Bertelsmann-Verlag, einige angehende Journalisten von kleineren Tageszeitungen sowie ein Kollege vom Berliner Straßenmagazin Straßenfeger. Ich dachte schon, ich wäre der einzige, der mit einer billigen Kamera an18
Bei einer hohen Blendenzahl mit großer Tiefenschärfe wird alles von vorne bis hinten scharf. Die Belichtungszeit bestimmt, wie lange das Licht auf den Film beziehungsweise Chip kommt. Ein Radfahrer zum Beispiel lässt sich bei 1/250 Sekunde „einfrieren“. Ein Porträt ist bereits bei einer zehntel Sekunde in Ordnung. Wenn man Sportfotos machen möchte, sollte man das Mitziehen der Kamera üben. Dadurch TagesSatz
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wirkt der Hintergrund verschwommen. Bei langer Belichtungszeit besteht Verwacklungsgefahr, die man durch ein Stativ oder einen festen ruhigen Untergrund unterbinden kann.
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Bei den praktischen Übungen haben wir die Aufgabe bekommen, Menschen im Beruf zu dokumentieren. Ich habe einen Futon-Verkäufer fotografiert. Aber auf dem Weg zurück zur Journalistenschule habe ich zwei Jongleure auf einer Straßenkreuzung im Herzen von Kreuzberg fotografiert, deren Berufung es war, die Autofahrer bei einer roten Ampel mit einer kurzen Jonglier-Show zu unterhalten. Sie konnten natürlich mit dem Hut nur die erste Reihe der Autos „abkassieren“. Dadurch, dass es schnell wieder grün wurde, musste ich mich auch bei der fotografischen Dokumentation beeilen und mich schnell auf die Verkehrsinsel retten. Da dieser „Beruf“ so außergewöhnlich war und noch nie fotografisch dokumentiert wurde, habe ich später ein Extralob vom Dozenten bekommen. Ein gutes Pressefoto macht aus, dass es den Leser in die Seite und in das Geschehen hineinzieht, indem es sich auf die Hauptaussage konzentriert. Und es sollte etwas Neues, Überraschendes, Originelles zeigen. Am Ende des Fotoworkshops gab es noch ein paar Tipps, wie man ein gutes Gruppenfoto macht: Je kleiner eine Gruppe, desto besser. Damit alle in der Gruppe die Augen auf dem Foto offen und ein Lächeln auf den Lippen haben: Der Fotograf gibt die Anweisung, dass alle die Augen schließen und bei drei öffnen. Wenn man dann bei zwei blitzt, stellen sich alle in der Gruppe vor, wie es ist, wenn alle die Augen geschlossen haben, und bei vielen in der Gruppe wird ein Schmunzeln sichtbar. Wenn man dann bei Drei abdrückt, haben alle ein Schmunzeln im Gesicht und die Augen offen. Perfekt! Ich hoffe es waren auch einige gute Tipps für Sie, liebe Leser, dabei. Mit den besten „Clicks“ und Wünschen, Ihr Yogi Müller.
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Die Hoffnung stirbt zuletzt Das alte Jahr ist ausgeklungen. Neues kündigt sich an. Doch bevor wir neu beginnen können, brauchen wir Platz – wir müssen Altes loslassen.
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icherlich haben viele Menschen gute Vorsätze für die Zukunft. Sei es, das Rauchen aufzugeben, Umwelt bewusster zu leben, ein besserer Mensch zu werden, jeden Tag eine gute Tat zu tun etc. Wie schön wäre es, wenn Frieden auf Erden sein würde und die Menschen sich besser verstehen würden!? Ich bin auf der Suche nach geistig-seelischen Werten wie Liebe, Mitgefühl, Toleranz und Vergebung und ihrer Umsetzung im täglichen Miteinander. Sollten wir nicht alle danach streben? „Du musst sterben, bevor du lebst, damit du lebst, bevor du stirbst.“ H.P. Royer Lasst uns umwandeln das Negative zum Positiven, Dunkelheit zum Licht, Tod zum Leben, Hass zur Liebe, Verzweiflung zur Freude, Furcht wird zu Glaube – Gefangenschaft wird zur Freiheit, Hölle wird Himmel. Manchmal kommt es im Leben anders als man denkt: Probleme, Krankheit et cetera werfen uns aus der Bahn, oder wir geraten auf die falschen Gleise. Dann brauchen wir Hilfe! Jemanden, der uns hilft zur Umkehr, jemanden, der uns neue Horizonte eröffnet, damit wir nicht weiter ziellos umherirren. Das sind die Momente, bei denen wir uns plötzlich an Gott erinnern. Denn ganz tief im Inneren wissen viele, dass es eine höhere Macht gibt. Wenn wir Gott um seine Hilfe bitten, zapfen wir buchstäblich die göttlichen Reserven an. Diese sind einfach unerschöpflich. Mit diesem Glauben wird unser ganzes Leben, unsere Art zu handeln, zu denken und zu fühlen, verändert werden. Ursprünglich ist der Mensch in seinem innersten Kern gut. Bevor wir 20
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* SABINE SCHWEER das Gute verlernten, waren wir eins mit der göttlichen Energie. Diese verlorene Beziehung brauchen wir wieder! Überprüfen wir doch mal unser Leben und machen Inventur. Ändern wir unseren Sinn und werden wieder menschlicher! Helfen wir unseren Nächsten und lieben den anderen so wie uns selbst. Man kann sich Gedanken aneignen, die das Gehirn auf Gelassenheit programmieren, eine Art zu denken, die jeder lernen kann. Credo: Ändere deine Gedanken, und dein Leben ändert sich. Gute Gedanken beruhigen die Gehirnfunktion – die Stress-Zentrale im Vorderhirn. Der Charakterzug Gelassenheit ist wie ein Muskel, der von Natur aus schwach oder stark sein kann. Je länger wir den Muskel trainieren, desto stärker wird er. Ärgert man sich zu viel über sich und andere, macht es einen krank. Nur wer verzeihen kann, beendet den „Krieg“ im Kopf, der größte „Feind“ der Gelassenheit. Lächele doch öfter mal, auch wenn dir gar nicht danach ist! So werden im Gehirn Endorphine und Serotonin freigesetzt, was glücklich macht! Dazu noch eine gute Nachricht: Lachen verbrennt Kalorien (lach dich schlank, statt krank). Wenn das kein Grund zur Freude ist. „Lache und die ganze Welt lacht mit dir, weine und du weinst allein!“ … „Ein Lächeln ist die kürzeste Entfernung zwischen zwei Menschen.“ (Victor Borge) Wenn du mehr über Nächstenliebe wissen möchtest, hier noch ein BuchTipp: die Bibel. Dies wäre meine Botschaft für alle, die ihre Hoffnung und das Lachen verlernt haben.
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Ein Tag eines TagesSatzVerkäufers * WERNER KOSSMANN
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orgens um 9 Uhr oder 9.30 Uhr bin ich in der Fußgängerzone. Hier treffe einen, manchmal zwei Bekannte, mit denen ich Kaffee trinke. Meist kommt ein weiterer TagesSatz-Verkäufer dazu. Wir erzählen, machen Witze. Es geht aber auch um ernste Angelegenheiten. Um kurz vor 10 Uhr gehen wir dann ins TagesSatz-Büro und warten, bis unsere Vertriebsleiterin kommt. Noch einen Kaffee, noch eine Zigarette, dann ein paar Zeitungen kaufen – und los. Ich gehe dann zu meinem Standplatz vor der Sparkasse, begrüße meinen Bekannten mit seinem Hund, der da sammelt. Oder eben den Musikanten mit der Ziehharmonika. Nach fünf bis zehn Minuten kommt dann meistens der erste Kunde. Manchmal aber auch erst nach zwei Stunden, Gott sein Dank aber selten. So stehe ich täglich zwei bis drei Stunden in der Stadt – mit mehr oder weniger Erfolg. Aber es kommen viele Freunde vorbei, die ich fast täglich sehe. Meine Zeitungen biete ich an, indem ich die Passanten anspreche: „Der neue TagesSatz, bitteschön?! Und noch einen schönen Tag.“ Vielleicht sechzig bis siebzig Mal sage ich das am Tag. Einige bleiben dann stehen und kaufen mir einen TagesSatz ab. Andere nicken oder lächeln. Andere wechseln die Seite, das aber nur selten.
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Um 13 Uhr, manchmal 13.30 Uhr, mache ich dann Feierabend. Ich erledige dann meine anderen Termine und gehe meinen Privatangelegenheiten nach. Vielen Dank möchte ich meine Kunden sagen. Ihr Werner Koßmann TagesSatz
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Die Suche nach dem heiligen Kelch Es ist endlich Zeit, die Wahrheit zu bekennen!
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a, ich kannte Ritter Useding. Er war der letzte, der auszog, um den heiligen Kelch auf seine Art zu entdecken. Er war als Sohn des verarmten Landadels geboren, und vielleicht wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, eine solch waghalsige Reise zu wagen, wie er sie dann, als er alt genug war, wirklich unternahm, wenn da nicht der alte Pater gewesen wäre, welcher ihn in sehr weit reichende Geheimnisse einweihte. Was sich dieser Richard Useding am Besten merkte, war, dass es angeblich noch niemand geschafft hätte, den heiligen Kelch zu finden, in welchem das Blut des Herrn Jesu Christi aufgefangen wurde.
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Er wuchs wohl behütet bei seinen Eltern auf, und der Pater Ignazius Biber erteilte ihm nach seiner Kommunion täglich eine Stunde Privatunterricht, weil er bei dem Jungen eine große Begabung spürte. Richard lernte fleißig und schnell die alten Sprachen und wurde dann aufgefordert, aus sehr al-
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ten Büchern die ihm am wichtigsten erscheinenden Wahrheiten heraus zu schreiben. Er war durch seine Erziehung begeistert von den Wundern der Natur und spürte einen starken Wunsch, die Welt zu erobern. Als er zum Manne wurde, gaben ihm seine Eltern ein Pferd und die Erlaubnis, sein Glück zu suchen. Er sollte aber, wenn er nicht wieder käme, einen Boten schicken, welcher Nachricht brächte. So zog er denn hinaus in die Welt. Er studierte noch zwei Jahre die Weisheiten der Philosophie und Musik, dann wurde er Anhänger einer Gruppe, welche in das Morgenland reiste. Sie kämpften für die Befreiung des einen Tempels der obersten Gottheit ihres Glaubens. Sie blieben dort im Lande und nährten sich von Fremden. Schließlich, als Richard zu altern be-
* HOLGER TEICHMANN
gann, erwachte in ihm der Wunsch, in das Land zurück zu kehren, in dem er geboren war. Als er dort ankam, konnte er von dem sterbenden Pater nur noch die Frage vernehmen, ob er denn den Kelch gefunden hätte. Er machte sich einige Wochen lang ernstliche Gedanken und wurde, als er über einen Dorfplatz eines nahe gelegenen Dorfes ging, plötzlich erleuchtet. Er traf dort eine Frau wieder, welche er als Jüngling geliebt hatte. Ihm wurde schlagartig klar, dass seine Liebe zu ihr nie erloschen war. Er nahm sofort Kontakt zu ihr auf und erkannte nach kurzer Zeit, dass es bei ihr genauso war. Kurze Zeit später heirateten sie, und die beiden hatten am Ende einer langen Reise noch das Glück, zwei gesunde muntere Kinder in die Welt zu setzen. Sie lebten lange glücklich und zufrieden mit ihren Kindern, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
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Streitpunkt Google Streetview Die Firma Google hat mit ihrem Internetdienst Streetview in den letzten Monaten Diskussionen in Deutschland ausgelöst.
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* ANDREAS PRAMANN
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ür Streetview hat Google Fotoaufnahmen von sämtlichen Gebäuden in deutschen Städten gemacht, die für jede Stadt zu einer Gesamtansicht montiert werden und damit begonnen, diese nach und nach ins Internet zu stellen. Dort kann man sich per Mausklick durch diese virtuellen Städte bewegen. Die Fotos wurden mit einer Kamera erstellt, die auf einem Auto montiert ist, das sämtliche Straßen durchfährt und den Gebäudebestand vollständig aufnimmt. Vor einigen Monaten wurde Kritik an diesem Vorgehen laut. Insbesondere die Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner kritisierte die Verletzung der Privatsphäre von Hausbesitzern und Mietern. Google versprach daraufhin, auf Antrag von Bewohnern und Eigentümern Gebäude in Streetview unkenntlich zu machen, wofür
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sich der Begriff „Verpixeln“ eingebürgert hat. Nachdem jetzt die Bilder von zunächst zwanzig Städten veröffentlicht worden sind, sind die verpixelten Gebäude tatsächlich hinter einer Art Milchglasscheibe verschwunden. Es hat über 200.000 derartige Anträge gegeben. Berücksichtigt man, dass in einem Gebäude mit mehreren Wohnungen ein einziger Antrag zur kompletten Verpixelung des Gebäudes ausreicht, ist ein Vielfaches an Wohnungen unkenntlich gemacht worden. Übrigens können weiterhin Anträge gestellt werden. Die Entscheidung für eine Verpixelung ist endgültig. Man kann es sich hinterher nicht anders überlegen, da Google nach eigenen Angaben keine unverpixelten Fotos nach einem Antrag speichert. Die ursprünglichen Rohdaten von den Kamerawagen scheinen tatsächlich gelöscht worden zu sein.
Nachdem Google aufgrund von Protesten Gebäudeaufnahmen unkenntlich gemacht hatte, erhob sich nun auch dagegen wieder Protest. Eine kleine Gruppe im Internet wollte sich mit den Lücken in Streetview nicht abfinden. Man argumentierte, eine Hausfassade sei kein Teil der Privatsphäre. Die Veröffentlichung sei durch die sogenannte Panoramafreiheit gedeckt. Eine Gruppe selbst ernannter Internetaktivisten rief dazu auf, verpixelte Fassaden ausfindig zu machen, zu fotografieren und ins Netz zu stellen. Die Fotos sollten auf der Seite Panoramio abgelegt werden. Panoramio ist ebenfalls ein Dienst von Google, bei dem die Nutzer selbst gemachte Fotos auf einer Landkarte einstellen können. Die Verpixelungsgegner wollten also die Lücken von Streetview auf Panoramio schließen und forderten Hobbyfotografen auf, die erforderlichen Bilder zu machen. Bei über 200.000 Verpixelungsanträgen wird das aber schwierig. Außerdem ist es juristisch durchaus umstritten, ob eine solche Aktion durch die schon erwähnte Panoramafreiheit gedeckt ist. Die Panoramafreiheit wurde im 19. Jahrhundert geschaffen, um es Malern zu gestatten, Gemälde von Fassaden zu schaffen. Die Frage, ob das massenhafte Ablichten von Häusern, deren Besitzer einer Veröffentlichung bei Google widersprochen haben, auch unter dieses Recht fällt, werden wohl erst Gerichte klären. Streetview war mir zunächst relativ egal. Ein großes Problem für meine Privatsphäre sah ich darin nicht. Ich meine aber, dass gegen den Willen von Bewohnern und Hausbesitzern Abbildungen von Häusern nicht ins Internet gestellt werden sollten. Insofern begrüße ich Googles Bereitschaft, Gebäude auf Streetview zu verpixeln. Selbst wenn die Ablehnung auf irrationalen Ängsten beruhen sollte, ist diese zu respektieren. Die Aktion, die Bilder von verpixelten Häusern an anderer Stelle ins Netz stellt, halte ich daher für eine Art von Zwangsbeglückung, die ich ablehne und die zum Teil auch auf heftige Kritik gestoßen ist.
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EINDRÜCKE
TEICHMANN *AuchHOLGER in diesem Winter hat der kreative TagesSatz-Verkäufer von der Göttinger Bahnhofspost die Verkäuferausgabe mit Ergebnissen seiner Arbeit beehrt. Sehen Sie selbst!
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Erfahrungen und Gedanken
Impressum
* OLAF BURHENNE
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artz-IV-Empfänger haben Anspruch auf Bezahlung von Nachzahlungen auf Mietneben- und Heizkosten. Das besagt der Paragraph 22, Abs. 1, SGB 2. Und ist das Urteil vom 22.03.2010 des Bundessozialgerichtes, das wir Ihnen bereits in der Septemberausgabe beschrieben haben. Dieser Paragraph wurde dem Sozialamt offenbar noch nicht mitgeteilt; denn das Sozialamt ist da in meinem Fall leider anderer Meinung, so dass sie nur einen Teil meiner Heizkosten übernommen haben und ich den Rest selber tragen muss. In Absprache mit meinem Vermieter muss ich den Differenzbetrag nun selbst abstottern. Mir bleibt damit wieder weniger vom ohnehin knappen Hartz-IV-Satz. Aber so ist das eben: Das Sozialamt stellt sich sehr oft quer und arbeitet nur das ab, was sie wollen, denken nur an Vater Staat, aber nicht an die Leute, denen es ohne Arbeit und – wie in meinem Fall ohne Eltern – wirklich schlecht geht. Dann sind sie auch noch ziemlich schlecht gelaunt, wenn man mal eine Frage hat oder nur den Antrag abgeben muss. Gute Laune habe ich bei meinem Sachbearbeiter noch nicht erlebt. Auf der anderen Seite machen sie so ab und zu auch mal das, wofür
sie bezahlt werden – also ihre Arbeit. Aber so ist es nun mal, wenn das Amt etwas von uns will: Dann haben wir das zu machen, und das am besten vorgestern. Wollen wir etwas vom Amt, dann bekommen wir vom Amt zu hören: „Da müssen Sie sich zwei bis drei Wochen oder auch länger gedulden“, um dann doch wieder eine Absage zu erhalten. Die sollen lieber mal an uns arme Menschen denken. Das gilt auch für eine bestimmte Adresse in Berlin, die den Leuten auch das Geld aus der Tasche ziehen, die sowieso kein Geld haben, oder an bestimmte Firmenchefs, die nach ihrem Ausscheiden (Rauswurf) aus ihrem Betrieb eine Abfindung in Millionenhöhe erhalten und obendrein auch noch Rentenansprüche haben. Gegen die Rente habe ich nichts einzuwenden, schließlich bekommen wir sie – früher oder später – einmal. Es geht um die Abfindung, die der Chef bekommt. Man könnte es so machen, wie bei uns allen. Wir bekommen sechzig Prozent des letzten Gehaltes, ein Jahr lang. Danach folgt dann eben Hartz IV. So könnte man das bei den Bossen und Beamten auch machen. So, nun habe ich genug über die Ämter und Chefs hierzulande gemeckert. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel. Bis bald mal wieder an meinem Platz bei Karstadt Sport, Ihr TagesSatz-Verkäufer Nr. 50, Olaf
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Jörg „Yogi“ Müller
Nächstes Mal FEBRUAR-Ausgabe 2011
In der Februarausgabe beschäftigen wir uns mit dem Thema „Selbständigkeit“. Ein Kasseler Redakteur führte hierzu ein Interview mit einem Selbständigen, der uns Einblicke in die Vor- und Nachteile der Selbständigkeit gewährt. Wir werfen ferner einen kritischen Blick auf erzwungene Selbständigkeit von in Deutschland Geduldeten, um auf diese Weise der drohenden Abschiebung zu entgehen. Und für unseren Kaffeeklatsch stand dieses Mal „Mister Tagesthemen“ Tom Buhrow Rede und Antwort. Und natürlich vieles mehr... TagesSatz
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TagesSatz, das Straßenmagazin Herausgeber: TagesSatz e.V. 1. Vorsitzender: Hans Peter Pung Adresse der Redaktion Kassel: Westring 69, 34127 Kassel Telefon: 0561 / 861 58 43 Fax: 0561 / 861 58 61 E-Mail: kassel@tagessatz.de Mo, Di, Do: 10-12 Uhr Mi & Fr: 17-19 Uhr Adresse der Redaktion Göttingen: Obere Karspüle 18, 37073 Gö. Telefon: 0551 / 531 14 62 E-Mail: goettingen@tagessatz.de Mo, Di, Do, Fr: 10-13 Uhr Mi: 14-16 Uhr Homepage: www.tagessatz.de Bankverbindung: Kasseler Sparkasse Kto.: 11 833 79 Blz.: 520 503 53 Sparkasse Göttingen Kto.: 505 815 11 Blz.: 260 500 01 Redaktionsleitung: Christopher Piltz, Jörg Sanders (GÖ), Harald Wörner (KS) Pressesprecher: Malte Schiller Vertriebsleitung: Kassel: Christian Piontek Tel.: 0561 / 861 58 18 Göttingen: Juliane Michael Tel.: 0551 / 531 14 62 Anzeigenleitung: Ronald Naumann Tel.: 05605 / 911 88 E-Mail: rr.naumann@web.de Redaktion Kassel: Heinz Bechlars, Regina Führer, Thomas Mettke, Helmut Pammler, Armin Schulze, Thomas Schwab, Harald Wörner Kultur KS: Fritz Krogmann Redaktion Göttingen: Olaf Burhenne, Werner Koßmann, Jörg „Yogi“ Müller, Daniele Palu, Andreas Pramann, Sabine Schweer, Holger Teichmann Fotografie: Jörg „Yogi“ Müller Malereien: Holger Teichmann Umschlag: Holger Teichmann Layout: Dirk Mederer Sozio-Kultur-Werbeagentur Plazebo www.plazebo.net Tel.: 0551 / 489 90 74 E-Mail: info@plazebo.net Druck: COLOR-Druck GmbH ViSdP: Harald Wörner TagesSatz erscheint zwölfmal im Jahr im Straßenverkauf in Kassel und Göttingen. Auflage dieser Ausgabe: 2.250
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe in gekürzter Version zu veröffentlichen. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.
Verkaufspreis: 2,00 EUR, davon geht 1,00 EUR direkt an den Verkäufer.
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Z W I S C H E N DEN ZEILEN
Literatur für kalte Tage Der Winter ist der ideale Zeitpunkt, um es sich mit einem spannenden, lustigen oder temporeichen Buch gemütlich zu machen und den kalten Temperaturen zu entfliehen. Wir haben eine kleine Vorauswahl für Sie getroffen.
* DANIELE PALU
Spannungsschraube
On Tour
Alltags-Dramen
Deutschland, vereintes Krimi-Land. Die Bestseller-Listen sind gepflastert mit spannungsgeladener Literatur. Aber die Erfolgsautorinnen Elizabeth George und Donna Leon könnten bald Gesellschaft im Krimi-Olymp bekommen: Im Manesse-Verlag ist jetzt gewissermaßen die Mutter der gepflegten Spannung neu aufgelegt worden. Der Engländer Henry James schrieb 1898 mit „Die Drehung der Schraube“ eine der gruseligsten Geistergeschichten der Weltliteratur. Sprachlich und psychologisch brillant, erzählt er die Geschichte einer jungen Erzieherin, die sich auf einem abgeschiedenen Landgut um die Pflegekinder eines Londoner Lebemannes kümmern soll. Auf das anfängliche Idyll fallen im Laufe der Erzählung immer suspektere Schatten: Warum wird der junge, herzensgute Miles ohne Angaben von Gründen von der Schule verwiesen? Warum verließ die Vorgängerin der Erzieherin fluchtartig das Landgut und starb kurz darauf? James kommt ohne Zombies aus, ohne Mord – ja nicht einmal Blut wird vergossen. Seite für Seite folgt der Roman seinem Titel und dreht an der Spannungsschraube – und ignoriert dabei bewusst die Lesererwartung. Henry James überlässt den Leser vielmehr seinen eigenen Ängsten. Ein Meisterwerk des Genres.
Maik ist 14 und stammt aus BerlinMarzahn. In seiner Klasse hieß er vorübergehend „Psycho“, weil er in einem Aufsatz über seine Mutter deren wiederholte Ausflüge in die „Beautyfarm“ schilderte, die in Wirklichkeit Entziehungskuren sind. Da er aber in der Schule als eher langweilig gilt oder sich zumindest so fühlt, blieb auch dieser Spitzname nicht an ihm haften. Erst als der Russe „Tschick“ in der Klasse auftaucht – mit Alkoholfahne und demonstrativem Desinteresse – verändert sich Maiks Situation. Denn Tschick steht zu Ferienbeginn in einem gestohlenen Lada bei Maik vor der Tür, um ihn aus seiner Einsamkeit zu erlösen. Was folgt, ist ein unfassbar rasanter Road-Roman, der in der deutschen Literatur seinesgleichen sucht. „Tschick“ ist grotesk, intelligent, zugleich traurig und zum Brüllen komisch, aber auch temporeich, abenteuerlich und einfach grandios – Wolfgang Herrndorf, einst Zeichner für das Satiremagazin „Titanic“, schreibt Unterhaltungsliteratur vom Feinsten!
Frauenroman ist gleich Frauenroman? Erfreulicherweise nicht immer: Matt Beaumonts neuestes Werk „Der normale Wahnsinn“ setzt sich wohltuend von Büchern des Genres ab. Darin verkettet der ehemalige Londoner Werbetexter die Lebensgeschichten von 18 Personen. Es geht um unerfüllten Kinderwunsch, um Sprachlosigkeit in Beziehungen, um Mord – eben um die kleinen und großen Dramen des Alltags. Das Besondere dabei: Die Erzählperspektive wechselt immer zu der Person, die der Autor gerade ins Zentrum seiner Geschichte stellt. Das ist ungewöhnlich und anfangs eher unübersichtlich – doch ist man erst mit den Personen und ihrem jeweiligen Erzählstil vertraut, nimmt die Geschichte an Fahrt auf und man mag das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Bemerkenswert, dass das Buch neben aller Komik und leichtfüßigem Erzählstil nicht nur an der Oberfläche kratzt, sondern mitunter auch ans Eingemachte geht.
Wolfgang Herrndorf: Tschick. Rowohlt, 16,95 Euro. Hardcover, 256 Seiten
Matt Beaumont: Der normale Wahnsinn. Lübbe, 8,99 Euro. Taschenbuch, 398 Seiten
Henry James: Die Drehung der Schraube. Manesse, 19,95 Euro. Hardcover, 304 Seiten
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WOHIN, WENN Allgemeine Hilfen
EssenSAUSGABEN
Göttingen
Göttingen
Caritasverband Göttingen Allgemeine Lebens- und Sozialberatungsstelle Godehardstr. 18 37081 Göttingen 0551/999590
Die Göttinger Tafel Jakobikirchhof 1 37073 Göttingen Tel. 0551–51030
Opferhilfebüro Göttingen für Opfer von Straftaten Maschmühlenweg 11(Landger.) 37073 Göttingen 0551/5213883 Weißer Ring e.V. Hilfen für Opfer von Straftaten Ansprechpartner: Herr Bayer 0551/6338876 Sozialdienst für Migranten, RABaZ-Beratungs- & Vermittlungsstelle für ausländische Jugendliche Karspüle 16 37073 Göttingen 0551/57739 BONUS Freiwilligenzentrum Godehardstr. 18 37081 Göttingen 0551/9995917 Neue Arbeit Brockensammlung Levinstr.1 37079 Göttingen 0551/5067320 Pro Familia Rote Str.19 37073 Göttingen 0551/58627 Selbsthilfe Körperbehinderte Prinzenstr. 19 37073 Göttingen 0551/54733-0 Selbsthilfegruppe für Mobbing-geschädigte – Rainer Beutler 05602/1860 BürgerInnenberatung Stadt Göttingen Hiroshimaplatz 2 37083 Göttingen Kassel Kasseler Hilfe Opfer- und Zeugenhilfe e.V. Wilhelmshöher Allee 101 34121 Kassel 0561/282070 Weißer Ring e.V. Hilfen für Opfer von Straftaten Ansprechpartner: Hr. Holler 0561/6029458 Pro Familia Kassel Frankfurter Straße 133 a 34121 Kassel 0561/27413 Außenstelle Witzenhausen (Rathaus/EG/Raum 10) Am Mart 1/ Witzenhausen Arbeitslosenhilfe Göttingen Arbeiterwohlfahrt Hospitalstr. 10 37073 Göttingen 0551/50091-0 Mensch & Arbeit - Beratungsstelle für Arbeitnehmer und Arbeitslose Kurze Str. 13a 37073 Göttingen 0551/43373 Verein zur Erschließung neuer Beschäftigungsformen e.V. Lange Geismarstr. 2 37073 Göttingen 0551/485622 Kassel Beratungsstelle für Arbeitslose des DGB Kreis Kassel Spohrstraße 6-8 34117 Kassel 0561/7209536
TagesSatz
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Mittagstisch St. Michael Turmstr. 5 37073 Göttingen 0551/5479540 Straßensozialarbeit Rosdorfer Weg 17 37073 Göttingen 0551/517980 Kassel Kasseler Tafel Holländische Straße 141 34127 Kassel 0561/23003 Suppentopf der Heilsarmee jeden Montag von 14-15 Uhr Martinsplatz Gesegnete Mahlzeit Diakonisches Werk Kassel Hermannstraße 6 34117 Kassel weitere Ausgabestellen: Neue Brüderkirche, Johanneskirche, Auferstehungskirche
Kassel Fahrende Ärzte Dr. Giesler/Dr. Moog Mo 14-15.30 Uhr auf dem Martinsplatz Do 20-24 Uhr in der Gießbergstraße
Deutsches Rotes Kreuz Zollstock 17 37081 Göttingen 0551/5096322 Ausgabe: Mo & Do 8.30-11 Uhr jeden 3. Mi im Monat 16-18 Uhr Kassel
Kabera e.V. Beratung bei Essstörungen Kurt - Schumacher Straße 2 34117 Kassel 0561/780505
Diakonisches Werk Kassel Sprungbrett & Sprungbrett spezial Steinweg 5 34117 Kassel 0561/572090
Gesundheitsamt Region Kassel Wilhelmshöher Allee 19-21 34117 Kassel 0561/10031920
Deutsches Rotes Kreuz Königstor 24 34117 Kassel 0561/7290441
Haftentlassene
Lebenskrisen
Göttingen
Telefonseelsorge für Jugendliche 0800/1110333
Anlaufstelle – Kontakt in Krisen e.V. Rosmarinweg 24 37081 Göttingen 0551/632977 Kassel Beratungsstelle für Haftentlassene Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/787-5061 oder 0561/70738-00
Göttingen Telefonseelsorge 0800/1110111 & 0800/1110222 Kassel Telefonseelsorge 0800/1110111 PSKB Stadt & Landkreis Kassel 0561/1003-0 & 0561/787-5361
Hilfe & Selbsthilfe bei AIDS
Notschlafstellen
Frauen in Not
Göttingen
Göttingen
Göttingen
Göttinger AIDS-Hilfe Obere Karspüle 14 37073 Göttingen 0551/43735 werktags: 10-13 Uhr Beratung: 0551/19411
Heilsarmee Untere Maschstr. 13b 37073 Göttingen 0551/42484
AIDS-Beratungsstelle Gesundheitsamt Göttingen Theaterplatz 4 37073 Göttingen 0551/4004831
Soziale Hilfe e.V. / Panama (für alleinstehende Wohnungslose) Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/70738-00
Kassel
Café Nautilus (für Drogenabhängige) Erzberger Straße 45 34117 Kassel 0561/12115
KORE e.V. - Sozialberat. f. Frauen Papendieck 24-26 (Hinterhof, EG) 37073 Göttingen 0551/57453 Frauen-Notruf e.V. Postfach 18 25 37008 Göttingen 0551/44684 Frauenhaus e.V. Göttingen Postfach1911 37009 Göttingen 0551/5211800 Kassel Übergangseinrichtung für wohnungslose Frauen Am Donarbrunnen 32 34132 Kassel 0561/43113 Karla 3 Aufenthalt und Beratung für wohnungslose Frauen Karlsplatz 3 34117 Kassel 0561/15532 Autonomes Frauenhaus 0561/898889 Frauen in Not 0561/9892929 Notruf für vergewaltigte Frauen Frauen gegen Vergewaltigung e.V. 0561/772244 Frauen informieren Frauen e.V. Beratung bei häuslicher Gewalt Westring 67 34127 Kassel 0561/ 89 31 36 Gesundheit Göttingen Gesundheitsamt Sozialpsychiatrischer Dienst Am Reinsgraben 1 37085 Göttingen 0551/4004802 Frauengesundheitszentrum Göttingen e.V. Groner Straße 32/33 37073 Göttingen 0551/484530 Gesundheitszentrum Albanikirchhof 4-5 37073 Göttingen 0551/486766
Aids-Hilfe Kassel Motzstraße 1 34117 Kassel 0561/97975910 Stadt Kassel – Gesundheitsamt AIDS-Beratungsstelle Obere Königsstraße 3 34117 Kassel 0561/787–5380 Kinder & Jugendliche in Not Göttingen Omnibus - Beratungsstelle für Jugendliche & junge Erwachsene Goßlarstr. 23 37073 Göttingen 0551/392690 Kassel Deutscher Kinderschutzbund Siemensstraße 1 34127 Kassel 0561/899852 Verein zur Förderung der Erziehungshilfen in Nordhessen e.V. Wilhelmshöher Allee 32a 0561/78449-0 Stadt Kassel Sozialer Dienst des Jugendamtes Friedrich-Ebert-Straße 1 34117 Kassel 0561/787–5301 Kleiderkammern Göttingen Ev.-ref. Gemeinde – Kleiderkammer Untere Karspüle 11 37073 Göttingen Kleiderladen Ausgabe: Do 9-12 Uhr Eingang über Jüdenstraße, Zufahrt Tiefgaragen der BBS III 0551/5473717
Kassel
Rechtsberatung & Hilfe Kassel Schuldnerberatung Gottschalkstraße 51 34127 Kassel 0561/893099 Verbraucherzentrale Hessen e.V. Bahnhofsplatz 1 34117 Kassel 0561/772934 Göttingen AWO Schulden- & Insolvenzberatung, Kreisverband Göttingen e.V. Hospitalstraße 10 37073 Göttingen 0551/50091-0 Verbraucherzentrale Niedersachen Papendiek 24 37073 Göttingen 0551/57094 Suchtberatung: Alkohol Kassel Anonyme Alkoholiker 0561/5108806 Blaues Kreuz Kassel Landgraf-Karl-Straße 22 34131 Kassel 0561/93545-0 Suchtberatung Diakonisches Werk Goethestraße 96 34119 Kassel 0561/938950 Suchtberatung: Drogen Göttingen DROBZ (Drogenberatungszentrum) Mauerstr.2 37073 Göttingen 0551/45033
Beratungsstelle für Suchtkranke – Diakonieverband Schillerstr 21 37083 Göttingen 0551/72051 Kassel Drogenhilfe Nordhessen e.V. Schillerstraße 2 34117 Kassel 0561/103641 Kontaktladen „Nautilus“ Erzberger Straße 45 34117 Kassel 0561/12115 SAM – Substitutionsfachambulanz Wilhelmshöher Allee 124 34119 Kassel 0561/711813 SAM 2 – Substitutionsfachambulanz Schillerstraße 2 34117 Kassel 0561/103878 WohnungslosenHilfe Göttingen Ambulante Hilfe für alleinstehende Wohnungslose Wiesenstr. 7 37073 Göttingen 0551/42300 Diakonische Heime in Kästorf e.V. – Außenstelle Göttingen Wienstraße 4f 37079 Göttingen 0551/5053302 Straßensozialarbeit (Kleiderkammer) Rosdorfer Weg 17 37073 Göttingen 0551/517980 Bahnhofsmission Bahnhof, Gleis 4-5 37073 Göttingen 0551/56190 Hann. Münden Ambulante Hilfe für alleinstehende Wohnungslose Lange Str. 35 34346 Hann. Münden 05541/71034 / Fax: 05541/903210 Kassel Die Heilsarmee / Sozial Center Ks Eisenacher Straße 18 34123 Kassel 0561/570359-0 Beratungsstelle für Nichtsesshafte Sozialamt der Stadt Kassel Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/787-5061 Beratungsstelle für alleinstehende Wohnungslose – Soziale Hilfe e.V. Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/70738–00 Betreutes Wohnen Diakonisches Werk Kassel Hermannstr. 6 34117 Kassel 0561/7128829 Wohnungsprobleme Kassel Zentrale Fachstelle Wohnen Wohnungsamt (Rathaus) Obere Königsstraße 8 34112 Kassel 0561/787-6252 oder -6255 Deutscher Mieterbund Mieterverein Kassel u. U. e.V. Königsplatz 59 34117 Kassel 0561/103861 Wenn Ihre Einrichtung hier nicht enthalten, oder wir eine Korrektur durchführen sollen, schicken Sie bitte eine E-Mail mit den Daten an goettingen@tagessatz.de!
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