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EDITO R I A L Liebe Leserinnen und Leser, die Winter der vergangenen zwei Jahre mit den durch Frost in Mitleidenschaft gezogenen Straßen haben es überdeutlich gezeigt: Deutschland spart sich langsam, aber sicher kaputt. Die Sparprogramme, die Bund und Länder den Gemeinden und Kommunen aufgeben, bedingen, dass die Mittel fehlen, um beispielsweise kaputte Straßen und baufällige Schulen zu sanieren. Die Lokalpresse berichtet über die neuesten Schlaglöcher. Verschiedene Gemeinden und Städte bieten bereits Löcher zur Adoption oder gar zum Kauf an. Auch bei der Deutschen Bundesbahn läuft nicht alles „rund“. Züge haben durch den Wintereinbruch, der auch nicht heftiger war als in den vergangenen Jahren, teilweise erhebliche Verspätung oder fahren gar nicht. „Wir leben in der Infrastruktur von der Substanz“, bemerkte hierzu der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Hendrik Hering. Mit Straßen ist es wie mit Zähnen: Gut gepflegt halten sie jahrzehntelang. Vernachlässigungen aber ziehen teure Folgekosten nach sich. Jährlich sollten die Kommunen laut Berechnung von Straßenverkehrsexperten 1,30 Euro pro Quadratmeter in Instandhaltung und Wartung ihrer Infrastruktur investieren. Viele Städte bringen nicht einmal die Hälfte auf. Sparprogramme, die von Bund und Ländern aufgegeben werden, tun ihr Übriges. Kommunen können keine sinnvollen Investitionen mehr für die Zukunft tätigen, sie sind zu Mängelverwaltern ihrer eigenen Misere verkommen, die so aber nicht von ihnen selbst verursacht wurde. Sehr eindrücklich zeigen dies die Beiträge „Kassel schafft es nicht allein“ (Seiten 8-9) und „Selbst schuld oder in den Ruin getrieben“ (Seiten 10-11). Die Göttinger Kollegen thematisieren, inwieweit der Wegfall von EU-Fördermitteln für Kommunen Probleme nach sich zieht und welche Gestaltungsfreiräume der Deutsche Städtetag überhaupt angesichts einer solch desolaten Lage noch hat (Seiten 12-13). Auch in den Lokalteilen beschäftigen wir uns mit diesem Thema. Nora Mey zeigt in ihrem Beitrag auf, welche Hintergründe und Auswirkungen die vom Land Hessen per Volksabstimmung geforderte Schuldenbremse hätte. Trotz allem Ernstes in dieser Ausgabe wünscht Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre
Harald Wörner (Redaktionsleitung Kassel)
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EINDRÜCKE
Solidarität auf Zelluloid Am 26.01.2011 haben einige TagesSatz-Verkäufer eine seltene Gelegenheit wahrgenommen: Sie hatten das Kino Lumière exklusiv für sich alleine, um schon mal den französischen Dokumentarfilm „Die Kinder von Don Quijote“ anzuschauen.
* JÖRG „YOGI“ MÜLLER
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Im November 2006 geriet die französische Regierung erheblich unter Druck, als hunderte Obdachlose im touristischen Zentrum von Paris eine Zeltstadt errichteten. Auch haben normale Bürger mit warmen Wohnungen einige Nächte mit den Obdachlosen aus Solidarität mit ihnen gezeltet. Der Film hat gute Einblicke gegeben, wie die Presse erst versuchte, die Aktion zu verschweigen, dann Infos der Bewegung zu kürzen und zu verdrehen; wie die verantwortlichen Politiker erst abblockten und beschwichtigten. Dann, als die Bewegung und das öffentliche Interesse zu stark wurden, machten sie Versprechungen. Als dann wieder starke Proteste auf-
flammten, wurden diese rigoros von der Staatsgewalt bekämpft. Die Polizei ging mit Schlagstöcken und Tränengas vor. Und dass nur, weil die Menschen am Rande der Gesellschaft ihr Grundrecht auf Menschenwürde einforderten. Wenn man einmal die Menschlichkeit verliert, kann man sie sehr schwierig zurückgewinnen. Wir sollten aufpassen, dass wir sie nicht nochmal verlieren wie schon mal in der Geschichte. Fazit: ein super Film. Der Film wird im Rahmen des bundesweiten Filmfestival „Uebermut“ am 31.03.2011 um 20 Uhr im Lumière gezeigt wird. Der Film dauert etwa 75 Minuten. Im Anschluss findet eine Podiumsdiskussion statt.
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Detlef „Rocky“ Bernhard
ie Aussage des Films ist einfach: Empört Euch! Der Film dokumentiert Aktivisten in Paris von Herbst 2006 bis Anfang 2008, wie sie mit total verrückten Aktionen auf die Misere der Obdachlosen in Paris aufmerksam gemacht haben. Angefangen hat es mit Augustin Legrand, der mit wehenden Mantel von einer Brücke ins eiskalte Kanalwasser springt. Der spektakuläre Stunt wurde bei YouTube als Video gezeigt mit der Aufforderung, Solidarität mit den Obdachlosen zu zeigen. Es kann doch nicht angehen, dass in einem so reichen und entwickelten Industrieland wie Frankreich oder auch Deutschland Obdachlose eine Lebenserwartung von nur 45 Jahren haben.
Das Projekt Tellerand fördert Aktivitäten der Göttinger TagesSatz-Verkäufer, die deren Horizont erweitern. Die Tellerand-Aktion dieses Monats wurde unterstützt von Firmen der Region und Sponsoren des Straßenmagazins. 4
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HOLPRIGE ZEITEN 8 10 12 14
Kassel schafft es nicht allein von HARALD WÖRNER Selbst schuld oder in den Ruin getrieben? VON Stefan giebel Immer auf die Kleinen von malte schiller „EU-Gelder sind das Sahnehäubchen für kommunale Projekte“ von KHOA ly
tagesklatsch mit kaffeesatz
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Rubriken
mit THOMAS OPPERMANN von JÖRG SANDERS
Göttingen 18 Wird Göttingen abgehängt? von andrea tiedemann 19 Unsichere Zukunft für unabhängige Beratungsstellen
* * Der Waschbär, mein Kater und ich
von jörg „yogi“ müller
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von werner kossmann
Kassel 22 Schuldenbremse – Hände weg von der Verfassung! von NORA MEY 24 Von Abschiebung bedroht von harald wörner
Kultur 28 Ein Lächeln schenken von melanie swiatloch 29 On the Road von trudi kindl
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Editorial Projekt Tellerrand Der Stolperstein Paragraphenreiter Straßengeflüster Winkeladvokat Die Kochnische Kultur-Empfehlungen Hinter den Kulissen Zwischen den Zeilen In der Nahaufnahme Der Ticker Nächstes Mal Impressum Wohin, wenn
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Ort, Datum
Unterschrift
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Christopher Piltz
D A S G E S P R Ä CH
tagesklatsch mit kaffeesatz
„Die Bild kann man schon ordentlich rannehmen!“ Für den Kaffeeklatsch dieser Ausgabe fragten wir bei Thomas Oppermann an – dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Letztendlich wurde der TagesSatz in sein Göttinger Büro zu Kaffee und Himbeertorte eingeladen. Lecker war’s. Gesprochen hat der TagesSatz mit ihm über die Bild-Zeitung und bevorzugtes Essen, aber auch über wichtige Themen wie Politik und Hartz IV.
* JÖRG SANDERS IM GESPRÄCH MIT THOMAS OPPERMANN
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uten Tag Herr Sanders. Wollen wir erst mal ein Stück Kuchen essen?
ist, dass wir größere Anstrengungen unternehmen, auch allen Menschen ohne festen Wohnsitz wieder echte Perspektiven zu geben.
Sehr gerne. Herr Oppermann. Straßenmagazine sind ein Medium für Obdachlose und andere Menschen in sozialer Not. Es gibt wiederholt Stimmen, die insbesondere Obdachlose und Bettler aus den Innenstädten heraus haben wollen, damit die Idylle nicht gestört wird. Kann das die Lösung des Problems sein? Es hat in verschiedenen Städten bereits Verlegungen an den Stadtrand gegeben. Das ist überhaupt keine Lösung und nicht akzeptabel. Viel wichtiger 6
Haben Sie im letzten Jahr den Aufruhr um Göttingens Edelkonditorei Cron & Lanz mitbekommen? Die Geschäftsführerin betitelte die „vielen Bettler“ als „Ungeziefer“. Ja. Die Menschenwürde ist unantastbar, deshalb ist die Bezeichnung von Menschen als Ungeziefer völlig inakzeptabel. Manchmal verfügen Menschen über so wenig politisches Bewusstsein, dass ihnen nicht ganz klar ist, was sie sagen. Sie wollte vermutlich zum Ausdruck bringen, dass die Obdachlosen für die Kundschaft ein
Ärgernis darstellen, wenn sie sich im Eingang platzieren. Ich hoffe nicht, dass sie diese Menschen wirklich absichtlich beleidigen wollte. Sie hat sich vermutlich in ihrem Ärger verrannt. Ich kenne sie als eine nette und freundliche Frau und war sehr überrascht über diese Formulierung. Klug war das sicher nicht. Bevorzugen Sie eher den Burger einer Fastfood-Kette oder das Gourmetessen im entsprechenden Restaurant? Bei Gelegenheit gehe ich gerne mal in ein anspruchsvolles Restaurant. Das mache ich aber nur, wenn ich auch Muße und Zeit habe, um das Essen dort zu genießen. Wenn es eher schnell gehen muss, esse ich auch TagesSatz
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DAS GESP R Ä C H sehr gerne Currywurst. Das ist mein Lieblings-Fastfood.
inzwischen einsam ihren Video-Blog auf YouTube.
Wie sehr leidet Ihr Privat- und Familienleben unter Ihrer Arbeit?
Politik ist für mich ein Mannschaftsspiel. Da ist mal der eine und mal der andere präsenter. Wichtig ist, dass wir als SPD am Ende zusammen gewinnen. Mir macht meine Aufgabe als Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion jedenfalls im Moment sehr viel Spaß.
Ich bin rund 200 Tage im Jahr in Berlin. Daher bleibt leider oft nur wenig Zeit für meine Familie. Das müssen wir zu Hause gut organisieren. Meine Partnerin ist in der Wirtschaft beschäftigt. Die Zeit mit den Kindern muss dann sorgfältig geplant werden. Aber ich habe festgestellt, dass wir die wenige Freizeit sehr intensiv zusammen nutzen. Ich selbst versuche, einmal pro Woche ins Fitnessstudio zu gehen. Im Sommer gehe ich gerne joggen oder wandere durch den Wald, das lenkt gut ab. Am Sonntag sah ich Sie in der Sendung „Anne Will“. Es ging um den „Mythos“ zu Guttenberg. Dort legten Sie sich mit der Bild-Zeitung an. Glauben Sie, dass das klug war und dass man es mit der Bild als Gegner zur Kanzlerschaft schafft?
Streben Sie zumindest einen Ministerposten an? Ich arbeite daran mit, dass die SPD in der nächsten Bundesregierung die Kanzlerin oder den Kanzler stellt. Ich würde dann gerne in der Bundesregierung arbeiten, daraus mache ich keinen Hehl. Betrachten Sie die Agenda 2010, insbesondere die Hartz-Gesetzgebung, als Fortschritt?
köpfige Familie bekommt, wenn man alle Leistungen zusammen rechnet, ungefähr 1.600 Euro pro Monat. Das müssen alle Steuerzahler gemeinsam finanzieren. Wenn Sie eine ähnliche Summe erarbeiten wollen, dann müssen Sie schon über 2.000 Euro brutto im Monat verdienen. Menschen, die knapp über Hartz IV verdienen, leben nicht viel besser als Hartz-IV-Empfänger. Wir dürfen diese Menschen nicht gegeneinander ausspielen. Nach meiner festen Überzeugung müssen die, die arbeiten, anständig davon leben können und mehr Geld im Portemonnaie haben als die, die von Transferleistungen leben. Was aber längst nicht immer der Fall ist in diesem Land. Genau. Deswegen kämpfen wir für einen flächendeckenden Mindestlohn. Wir haben im Augenblick 400.000 Menschen in Deutschland, die Vollzeit arbeiten, aber davon nicht leben können und deshalb mit Hartz IV aufstocken müssen. Ich halte das für eine große soziale Ungerechtigkeit. Das ist nichts anderes als die Subvention von Dumpinglöhnen durch den Staat. Wir wollen eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro. Durch Mindestlöhne werden am Ende dann auch mehr Kaufkraft und damit neue Arbeitsplätze entstehen.
„Wir dürfen Menschen nicht gegeneinander ausspielen.“
Bild kann man schon ordentlich rannehmen. Ich glaube, dass auch die Bild-Zeitung das sportlich sieht. Sie ist sehr mächtig und hat großen politischen Einfluss, kann die Stimmung in Deutschland und sicher auch Wahlkämpfe stark mitprägen. Aber nur weil sie so stark ist, darf man vor ihr keine Angst haben. Meine Präsenz in der Bild-Zeitung hält sich in Grenzen. Ich werde eher in den seriösen Zeitungen zitiert. Wer wird der nächste Kanzlerkandidat der SPD? Das ist tatsächlich völlig offen. Ich freue mich, dass wir da die Qual der Wahl haben. Das könnte Sigmar Gabriel werden, aber etwa auch Hannelore Kraft, Peer Steinbrück, Olaf Scholz oder erneut Frank-Walter Steinmeier kommen in Betracht. Und Sie? Sie sind derzeit sehr präsent in den Medien, wohingegen Gabriel und Steinmeier relativ selten zu sehen sind, und Andrea Nahles betreibt TagesSatz
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Da waren sehr viele Aspekte dabei, die fortschrittlich sind. Dazu gehört insbesondere, dass wir die alte Sozialhilfe abgeschafft haben. Das waren immerhin 400.000 Menschen, die durch die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe wieder eine Job-Vermittlungsperspektive bekommen haben. Die damaligen Sozialhilfeempfänger wurden doch vorher im Grunde genommen nur noch verwaltet. Jetzt haben die Jobcenter Instrumente und Möglichkeiten, sie in den Arbeitsprozess einzugliedern. Das halte ich für einen großen Fortschritt. Die Hartz-IV-Regelsätze, verfassungswidrig, erscheinen mir nicht gerade fortschrittlich. Einem sechsjährigen Kind stehen 2,59 Euro pro Tag für die Ernährung zur Verfügung. Wissenschaftler und Ärzte sind sich einig: Hartz-IV-Kinder leben zwangsweise ungesund. Die Regelsätze sind sicher nicht großzügig bemessen. Dennoch: Eine vier-
Warum gibt es im SPD-Parteivorstand niemanden mit Migrationshintergrund? Selbst Christian Wulff hatte Aygül Özkan in sein Kabinett geholt. In der SPD haben wir viele junge und interessante Migranten mit dem Potential für Führungspositionen. Wir werden in diesem Jahr hoffentlich viele Landtagswahlen gewinnen, und dann werden Sie bald auch SPD-Ministerinnen oder -Minister mit Migrationshintergrund erleben. Vielen Dank für das Gespräch!
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Lesen Sie das vollständige Interview unter www.tagessatz.de
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Jörg „Yogi“ Müller
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Kassel schafft es nicht allein * HARALD WÖRNER Dass Kassels Finanzlage die letzte Zeit nicht rosig war, ist bekannt. Daher interessierte uns der aktuelle Stand der Dinge. Der TagesSatz traf sich mit Dr. Andreas Jürgens (Bündnis 90/Die Grünen), um die momentane Lage der Stadt zu erörtern.
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assel geht es jetzt wieder etwas besser als noch vor einiger Zeit. „So haben wir mit der Grundsteuer eine Rekordhöhe von 160 Millionen Euro erreicht. 2006 betrug diese noch 148 Millionen Euro.“ Einschränkend gibt Jürgens hier zu bedenken, dass bei steigenden Grundsteuern auch der Effekt eintreten könne, dass die Einnahmen Kassels aus dem kommunalen Finanzausgleich sinken. Die fünf hessischen kreisfreien Städte – Darmstadt, Frankfurt, Kassel, Offenbach und Wiesbaden – müssen sich einen Topf mit einem festen Betrag untereinander aufteilen. Da der Landeshaushalt aber auch jährlichen Schwankungen unterworfen ist, können die Zuweisungen hier variieren. Entscheidungskriterium für Mittelzuweisungen ist vor allem die Bedürftigkeit der betroffenen Stadt. Das Land Hessen hat den kommunalen Finanzausgleich zudem um 340 Millionen Euro gekürzt, so dass Kassel dadurch etwa zehn Millionen Euro fehlen. 8
Der Kasseler Haushalt erfüllt zu 92,5 Prozent gesetzliche Aufgaben. Über die restlichen 7,5 Prozent können die Stadtverordneten nach eigenem Ermessen verfügen. Doch ist hier eine gerechte Interessenabwägung nötig. „Die Stadt ist zwar nicht verpflichtet, verschiedene Einrichtungen wie Bibliotheken oder Schwimmbäder im Betrieb zu sichern, aber, die soziale Sicherheit betreffend, fragen wir uns: Was können und was wollen wir uns leisten? Dazu gehören etwa Schulsport, aber auch Gesundheitsvorsorge, mithin allgemein Lebensqualität für alle Bürger.“ Laut Aussage von Jürgens war hier der Haushaltsvollzug von Kassel die letzten Jahre günstiger. In der damals aktuellen Etatplanung hatte man Ausgaben höher angesetzt, als sie dann tatsächlich waren: „Das verschafft dem Budget eine gewisse kaufmännische Sicherheit. Oberstes Ziel sind Abbau und Reduzierung von Schulden, da wir keine Möglichkeit zur Steuererhöhung, etwa durch die Einkommenssteuer, haben“. Den Haushalt kann die Stadt also im re-
gulativen Sinne nur positiv beeinflussen, indem sie Ausgaben im Blick behält. „Gerade in der Jugendhilfe verzeichnen wir seit Jahren einen kontinuierlichen Anstieg. Kassel leidet damit auch unter Kürzungen von Bund und Land.“ Der Solarhersteller SMA (Niestetal) hat Produktionsstätten auf Kasseler Gebiet. So fließen hier nicht nur Steuern, es entstehen auch Arbeitsplätze. „Wichtig wäre hier allerdings auch eine Regionalreform“, so Jürgens. Kassel leistet sich den Luxus zweier Verwaltungszentren – Rathaus/Kreishaus Wilhelmshöher Allee. Die zunächst von Bouffiers Vorgänger Koch hier gegebene Zusage will jener nun nicht erneuern. Als Grund nennt er Wettbewerbsverzerrungen im Vergleich zu anderen hessischen Landkreisen. Laut Jürgens könnte die Verwaltungsreform da „Einsparungen ohne Qualitätsverlust“ herbeiführen. Nimmt man SMA, QVC (Unterneustadt), Marbachshöhe, Waldau oder das Finanz-Zentrum Altmarkt, so ist Kassel, die gewerblichen Ansiedlungen betreffend, gut vertreten. TagesSatz
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TITELTH E M A Verschiedene Verkehrsanbindungen, Kita-Plätze und Schulen sind zudem ein Indiz für die gute Lebensqualität. „Wir sind schon ganz gut aufgestellt, aber es gibt durchaus noch Verbesserungsbedarf. Kassel muss im Vergleich wettbewerbsfähig sein.“ Zu den Aufgaben, die die Stadt zu erfüllen hat, gehört auch die Bereitstellung von Kita-Plätzen für Kinder unter drei Jahren. Hier gibt das Land einen Personalschlüssel von 1,75 statt bisher 1,5 Erziehern pro Gruppe vor, will aber die Kosten hierfür den Kommunen nicht erstatten. Auch hier hält sich das Land nicht an gegebene Zusagen, der Kommune eine Viertelstelle zu bezahlen. Hierzu Jürgens: „Das ist absolut nicht nachvollziehbar. Bildung ist das A und O. Wenn der Start ins Leben gut gelingt, dann ist das doch eine Investition in die Zukunft. Kinder finden leichter ihren Weg ins Leben, es gibt später weniger Probleme, wie etwa mit Drogen oder Schulden. Deutschland ist arm an Bodenschätzen, steht durch die Globalisierung im weltweiten Wettbewerb, so dass es nur durch Können und Wissen punkten kann. Die Wirtschaft beklagt sich über zunehmenden Fachkräftemangel, während die Verantwortlichen hier bereits zu Anfang Chancen verspielen.“
den zu machen, auch wenn man schon welche hat. Denn eine veraltete Technik verursacht auch laufende Kosten.“ Nicht unterschlagen werden sollte jedoch ein Spannungsfeld: Dies ergibt sich daraus, dass die Stadtverordnetenversammlung laut der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) den Haushalt beschließt. Vorarbeit und die Vorlagen hierzu stammen aber aus der Verwaltung. Gesetzesvorlagen und praktische Durchführung miteinander in
stehen, nicht wirklich auffangen. Da sich Mittelzuweisungen zudem jährlich neu ergeben, ist auch keine verlässliche Prognose möglich.“ Im Sinne einer geplanten Haushaltskonsolidierung sieht er hier eine Chance, wenn Kassel vermehrt auf Umwelttechnologien setzt. Die enge Verbindung zur Uni, Kassels Entwicklung zur Kongressstadt und die wachsende Kreativ-Wirtschaft (documenta, Caricatura, freie Künstler) können hier ebenso ihren Beitrag leisten. Andreas Jürgens ist zuversichtlich, dass sich Kassel, seine Finanzlage betreffend, erholen kann: „Doch nur aus eigener Kraft geht das nicht. Wenn Bund und Länder den Rahmen dafür schaffen, dass Kassel in den nächsten zehn Jahren Zeit hat, sich finanziell zu erholen, dann sehe ich durchaus Chancen. Wahrscheinlicher ist leider, dass wir diese Verschnaufpause nicht bekommen.“
Einsparungen ohne Qualitätsverlust
Kürzungen als erster Schritt, Gelder zu sparen, müssen nicht zwingend auch der beste sein. So habe sich am Beispiel von Ampeln gezeigt, dass sich die Umstellung auf LED-Lichttechnik rechnet und auch bewährt. Bund und Länder hatten in der Vergangenheit ein Konjunkturprogramm für Bauwirtschaft und Handwerk aufgelegt, um die Nachfrage hier wieder anzukurbeln. „Profitiert haben da auch Kasseler Schulen. Sie konnten auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden, obwohl sie eigentlich im Sanierungsstau steckten. Bei Investitionen, die künftig Einsparungen versprechen, lohnt sich eine Prüfung allemal. Ist absehbar, dass sich Aufwendungen in Zukunft zum Beispiel durch sinkende Betriebskosten amortisieren, dann ist es durchaus vertretbar, SchulTagesSatz
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Einklang zu bringen, ist nicht immer leicht: „Hier bemüht sich die Stadt, Schulden nach und nach abzubauen. Doch ist auch diese Arbeit nicht einfach, da Betroffene, geraten sie in den Fokus von Sparmaßnahmen, nicht gerade vor Glück aufschreien. Synergieeffekte wie die Zusammenlegung von Bibliotheken oder Bezirksstellen können Kosten zwar dämpfen, die Ausfälle aber, die durch fehlende Mittelzuweisungen von Bund und Land ent-
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Selbst schuld oder in den Ruin getrieben?
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wei Aufgaben standen am Anfang der jetzigen Wahlperiode für die Verantwortlichen aus FWG und CDU (künftig als Bürgerliste vereint) an: Zunächst galt es, die von Bürgern gemeinsam mit der Gemeinde betriebene Gesellschaft zur Vermarktung des Thermalbades zu erhalten. Sie war infolge der allgemeinen Anstrengungen zur Kostenreduzierung unter Druck geraten, weil die Krankenkassen weniger Kuren in Heilbädern genehmigten. Außerdem galt es, das aus den siebziger Jahren stammende Gebäude des Thermalbades zu sanieren und attraktiver zu gestalten. Die Gesellschaft ist inzwischen mangels Stützung durch die Gemeinde insolvent. Zusätzlich zum Verlust des in das Thermalbad investierten Geldes
* STEFAN GIEBEL
Jörg „Yogi“ Müller
Nach vielen Jahren der Mehrheit der Sozialdemokratie in Bad Emstal traute der Bürger 2006 eher der Freien Wählergemeinschaft (FWG) zu, die Verantwortung zu übernehmen.
Dschungel der roten Zahlen drohen einigen Bürgern nun empfindliche Rückzahlungen. Im immer noch investitionsbedürftigen Gebäude des Thermalbades brummt zumindest eine neue Blockheizung. Der einstige jährliche Zuschuss von 200.000 Euro für das Thermalbad hat sich mittlerweile durch Übernahme in einen Eigenbetrieb der Gemeinde vervierfacht. Die Schulden des Haushalts von Bad Emstal belaufen sich auf circa acht Millionen Euro. Zusätzlich wurden zehn Millionen Euro in den von Jahr zu Jahr steigenden Kassenkrediten versteckt (für 2011 geplant: 11,5 Millionen Euro). Die kommunale Pro-Kopf-Verschuldung liegt nun bei 10
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TITELTH E M A 3.000 Euro. Dies angesichts geschönter Arbeitslosenzahlen und der Kinderarmut im Landkreis Kassel. Kritisch zu sehen ist dabei, ob die Verschuldung pro Kopf das richtige Maß ist, die Armut einer Kommune und gerade die Situation von Bad Emstal zu beschreiben. Armut der jeweiligen Kommune ist vor allem eine Frage der Sichtweise und der Fähigkeit, mit den vorhandenen Potentialen umzugehen. Es fehlen oft langfristige Perspektiven und damit auch der Blick auf das Potential der jeweiligen Kommune. Bei allem politischen Streit in der Gemeinde ist festzustellen, dass die Ausrichtung von Bad Emstal auf den Kurbetrieb zu einer attraktiven Infrastruktur geführt hat und trotz des demographischen Wandels Bad Emstals Einwohnerzahl relativ stabil geblieben ist. Darüber hinaus ist trotz momentan rückläufiger Gästezahlen im Vergleich zu steigenden im Landkreis der Tourismus immer noch eine der wichtigsten Einnahmequellen der Gemeinde und wichtiger direkter Arbeitgeber für rund 250 Menschen und deren Familien.
tet und dass in einer Kommune, die auf Fremdenverkehr angewiesen ist. So tappen späte Gäste im Dunkeln ins Hotel und ältere Bürger in die Schlaglöcher. Selbst an sozialen Einrichtungen wie dem Frauenhaus macht dieser Sparwahn nicht Halt. Wenn sich die Politik der „Rasenmäher“-Methode bedient, handelt sie „kopflos“. Sparen in einer solchen Form bringt die Kommunen vermehrt in eine Abwärtsspirale: Je weniger Bürgern und Gästen geboten wird, desto mehr ziehen fort und desto weniger Einnahmen bleiben der Gemeinde. Ein weiterer Sparversuch besteht darin, Aufgaben der Daseinsfürsorge auszulagern. Bad Emstal hat das Management der Kindergärten an das Deutsche Rote Kreuz vergeben. Dabei
aus dem öffentlichen Dienst auf eine mögliche Karriere. Sie schaden all denen ihres Berufsstands, die Fähigkeiten und Talente im Sinne der Gemeinde einsetzen. Bei dem einen oder anderen ist auch der Wunsch Pate, zumindest auf dieser politischen Ebene einmal eine Rolle spielen zu dürfen. Statt persönliche Interessen zu verfolgen sind langfristige Planungen gefragt. Denn um Bad Emstal nach vorne zu bringen, ist es dringender denn je nötig, ein Konzept zu entwickeln. Dabei muss die bestehende Infrastruktur genutzt und entwickelt werden. Wer den Kurpark nicht nutzt für öffentliche Veranstaltungen wie Theater und Musikaufführungen, der wird ihn nicht erhalten können, geschweige denn Bad Emstal eine Zukunft geben. Ein Arbeiten gegen die noch bestehende gute Infrastruktur, die auf das Thermalbad ausgerichtet ist, könnte sich die Gemeinde nur leisten, wenn sie eine Alternative hätte. Bad Emstal hat unterschätztes Potential und muss, wie viele andere Gemeinden im Landkreis, dieses stärker nutzen. Der Kurbetrieb mit weit und breit einzigartigem Heilwasser und mit der guten medizinischen Versorgung im Landkreis könnte die Antwort Bad Emstals auf den demografischen Wandel sein. Gute medizinische Versorgung ist attraktiv für ältere Menschen, diese schaffen wiederum im Rahmen der Pflege und der Gesundheitsvorsorge Arbeitsund Ausbildungsplätze für jüngere Menschen und damit Zukunft für alle Generationen.
Bad Emstal braucht wieder Zukunft
Rein betriebswirtschaftlich werden viele Bereiche der öffentlichen Hand jetzt nur als „Orte des Geldverbrennens“ gesehen: Freibäder, Dorfgemeinschaftshäuser und auch das Gemeindeparlament. Übersehen wird dabei, dass sich in ganz anderen Sektoren Einnahmen aus diesen Bereichen herleiten: Tourismus, Attraktivität für Neubürger und innovative Ideen sowie relativ günstiges ehrenamtliches Engagement in vielen Bereichen der Gemeinde. Im Dschungel der roten Zahlen regiert meist nur der Glaube an eisernes Sparen. Mit der „Rasenmäher“Methode werden alle Bereiche der öffentlichen Daseinsfürsorge heruntergefahren. Man erhöht die Gebühren für eine Freizeitanlage und hofft, dass genauso viele Personen bereit sind, sie zu buchen wie früher. Das Licht wird noch vor dem letzten Bus ausgeschalTagesSatz
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werden dem Bürger Einsparungen von etwa 80.000 Euro als Spareffekt durch externe Vergabe verkauft. In Wahrheit zeigen hier einzig Minderungen durch Schließung einer Gruppe (Miete, Unterhaltung, Planstelle) und neu eingeführte Sommerschließzeiten Wirkung. Der Plan, die kommunale Kläranlage in irgendeiner Form an einen Großkonzern zu verkaufen, konnte zumindest von einigen Parlamentariern verhindert werden. Der Bürger hätte es mit hohen Gebühren bezahlt. Dass Sparen nur Sinn macht, wenn auch klar ist, wohin der Weg für die Kommune gehen soll, ist vielen nicht bewusst. Bei allem durchaus zu erwähnenden Lob für die ehrenamtliche zeitintensive politische Arbeit, ist doch immer wieder festzustellen, dass nicht nur fähige und am Gemeinwohl orientierte Personen sich für ein Amt im Parlament bewerben. Oft lassen sich Parlamentarier auch von eigenen Interessen leiten oder vertrauen der Verwaltung einfach blind anstatt sie zu kontrollieren. In jedem Kommunalparlament finden wir Unternehmer, Landbesitzer und Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes wieder. Einige Fabrikanten hoffen auf Aufträge, Landbesitzer auf Bauland und Personen
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Jörg „Yogi“ Müller
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Immer auf die Kleinen Die Städte und Gemeinden stehen vielerorts am Rande ihrer Belastbarkeit: Schwimmbäder, Schulen, Theater und vor allem Sozialleistungen müssen bezahlt werden, doch die Mittel sind begrenzt. Viele Kommunen reiben sich zwischen immer höheren Schulden und ständig neuen Aufgaben auf. Noch nie waren die Schuldenlasten der Städte so hoch wie heute. Viele Kommunen stehen dieser Situation hilflos gegenüber.
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* MALTE SCHILLER
ie Finanzlage deutscher Städte und Gemeinden ist prekär: 2010 mussten rund 9,8 Milliarden Euro mehr ausgegeben werden als Einnahmen getätigt werden konnten. Damit ist das bisher größte kommunale Defizit in der Nachkriegsgeschichte erreicht. Insgesamt schieben die Kommunen inzwischen einen Berg an kurzfristigen Krediten von gut vierzig Milliarden Euro vor sich her – doppelt so viel wie noch 2004. Der Deutsche Städtetag schlägt daher Alarm und fordert eine Reform der Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Woher aber kommt nun diese Krise? Können die Städte und Gemeinden denn nicht auch vom derzeitigen Aufschwung profitieren? In der föderalen Aufgabenverteilung hat jeder sein Päckchen zu tragen: Der Bund finanziert beispielsweise den Krieg in Afghanistan, die Länder kümmern sich um die Gestaltung ihrer Schulsysteme, und die Kommunen stellen je nach Bedarf die örtlichen Kita- und Friedhofsplätze zur Verfügung. In dieser Aufgabenverteilung gibt es jedoch einen kleinen, aber durchaus bedeutsamen Unterschied: Bund und Länder dürfen ihre Zuständigkeitsbereiche selber planen und durchführen. Alle Aufgaben und Kosten sind – blendet man die EU einmal kurz aus – damit im Prinzip selbst auferlegt. Bei den Kommunen sieht das ein wenig anders aus. Zwar haben auch Gemeinde und Städte Freiheiten in der Finanzplanung, der Großteil der Aufgaben ist jedoch verpflichtend und wird von Bund und Ländern per Gesetz angeordnet. Die Kommunen sind nämlich Teil der exekutiven, also ausführenden Staatsgewalt – genau wie auch die Polizei oder das Finanzamt. Bund und Länder hingegen bilden bekanntermaßen die Legislative, das heißt gesetzgebende Staatsgewalt. So kann ein Landtag etwa bestimmen, dass die Grundsicherung im Alter oder Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger von den Kommunen geleistet werden müssen, und diese haben die Aufgaben dementsprechend durchzuführen – koste es was es wolle.
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Gegen diese Entwicklung wehrt sich insbesondere der Deutsche Städtetag. Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich hierbei nicht um eine jährliche Konferenz mit unverbindlicher Teilnahme, sondern um einen ständigen Interessenzusammenschluss von Städten in Deutschland. Der Städtetag sieht die Notlage der Kommunen nicht als Folge einer schwachen Konjunktur, sondern geht von einem strukturellen Defizit aus. Zwar gingen mit der Gewerbesteuer als Haupteinnahmequelle die Einnahmen stark zurück, aber auch bei gleichbleibenden Einnahmen hätten die höheren Kosten den Saldo ins Minus gedrückt. Insbesondere im Bereich der Sozialausgaben müssen die Kommunen immer mehr Ausgaben tätigen. Seit 2008 haben sich TagesSatz
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TITELTH E M A hier die Kosten um knapp vier Milliarden auf über 42 Milliarden erhöht. Seit Herbst 2010 steigen die Einnahmen durch die Gewerbesteuer wieder leicht an. Der allgemeine Aufschwung macht sich also bemerkbar. Dennoch reicht es bei Weitem nicht, um die enormen Lasten zu schultern. Zudem muss bei der Betrachtung des vergangenen Jahres berücksichtigt werden, dass der Einnahmerückgang der Kommunen noch relativ gering ausfiel. Das lag im Wesentlichen an den Geldern, die den Kommunen aus dem Konjunkturpaket II zugewiesen wurden. 2011 werden diese Mittel größtenteils verbraucht sein und der Rückgang der Einnahmen stärker als bisher zur Geltung kommen. Es ist also kaum zu erwarten, dass der wirtschaftliche Aufschwung den Abwärtstrend der Städte und Gemeinden aufhalten kann.
Abwälzung der Finanzierungslasten nicht geschehen kann, hatte man sich einst das Konnexitätsprinzip ausgedacht. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um ein Verursacherprinzip, bei dem der auftragende Gesetzgeber auch dafür zu sorgen hat, dass die finanzielle Ausstattung bei der Durchführung gegeben ist. Das Prinzip gilt zwar zwischen allen drei Ebenen des föderalen Staates, allerdings oft nur auf dem Papier. Die Kommunen kritisieren, dass Bund und Länder die Durchführung
In Göttingen macht derzeit das „Bündnis Lebenswertes Göttingen“ mobil, um der ständigen Neuverschuldung entgegenzuwirken. Im Fokus des Bündnisses steht vor allem eine gerechtere Besteuerung. Die Finanzlöcher könnten auf keinen Fall mit Einsparungen beseitigt werden. Im Göttinger Appell zu den Kommunalfinanzen heißt es deshalb: „Notwendig ist eine deutliche Korrektur auf der Einnahmenseite.“ Im Groben bedeutet das eine Erhöhung der Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer sowie eine Mehrwertsteuer auf Finanzprodukte. So gerechtfertigt diese Forderungen auch erscheinen mögen, im Grunde ist man mit diesen Forderungen wieder beim Ausgangsproblem angekommen: Die Kommunen haben keine Möglichkeit, an diesen Steuern zu drehen, denn man befindet sich eben in der Exekutiven und kann nur mahnende Appelle nach oben, Richtung Bund und Länder, schicken.
3.500 Euro Schulden pro Einwohner von Verwaltungsaufgaben an Kommunen weitergeben, gerade ohne die entsprechenden finanziellen Mittel dafür zur Verfügung zu stellen.
Geld muss her! In der Not machen die Kommunen daher, was unausweichlich bleibt: Sie nehmen Kredite auf. Rund vierzig Milliarden Euro betragen diese sogenannten kurzfristigen Kassenkredite Ende 2010. Allein im vergangenen Jahr kamen etwa fünf Milliarden Euro neue Kredite hinzu. Eigentlich dürften diese Kredite nur zur Überbrückung kurzfristiger Engpässe genutzt werden. Inzwischen ist es jedoch gängige Praxis geworden, mit den Kassenkrediten laufende Kosten zu bestreiten, die anders nicht bezahlbar wären.
Kassel und Göttingen bilden in dieser Situation keine Ausnahmen: Göttingen steht mit rund 300 Millionen Euro und Kassel mit etwa 680 Millionen Euro in der Kreide. Das sind die Gesamtschulden der beiden Städte. Ein immer größerer Teil davon wird auch hier über die erwähnten Kassenkredite abgewickelt. Für Göttingen bedeutet das eine Pro-Kopf-Verschuldung von etwa 2.400 Euro, in Kassel sind es 3.500 Euro je Einwohner. Zwar konnte Kassel seine Gesamtschuldenlast in den vergangenen zwei Jahren etwas zurückschrauben und Göttingen die Neuverschuldung zumindest ein wenig verringern, ein solider Haushalt aber sieht anders aus.
Auf der anderen Seite stehen die Bundesländer und der Bund unter enormem Druck, ihre Haushalte zu verbessern. 2009 wurde die sogenannte Schuldenbremse gesetzlich verankert, die Bund und Länder zur Konsolidierung ihrer Haushalte zwingt. Damit hat sich der Gesetzgeber aber auch die Möglichkeit gelassen, bei der Konsolidierung ein bisschen zu schummeln, denn die gesetzliche Schuldenbremse gilt nicht für die Kommunen – für Letztere Grund genug, eine Ausweitung der Regelung auch auf ihre Ebene zu fordern. Dabei sollte ein Schutz gegen das Hin- und Herschieben ungeliebter Kosten bereits auf anderem Wege geregelt sein: Damit eine solche
Kassel steht wegen seiner hohen Schulden bereits unter der Finanzaufsicht des hessischen Landesrechnungshofes und konnte seinen Schuldenabbau auch nur auf Kosten der freien Aufgaben durchführen – namentlich auf Kosten der kulturellen Einrichtungen. Viel Spielraum dürfte in diesem Bereich nicht mehr vorhanden sein. Zudem hat Kassel, um sich eine Zinssicherheit zu gewähren, die Kassenkredite gleich mit längerer Laufzeit ausstellen lassen. Im Normalfall beträgt die Laufzeit eines Kassenkredites ein Jahr. Die Stadt Kassel dagegen verfügt derzeit über Restlaufzeiten von über zwanzig Jahren. So werden aus kurzfristigen langfristige Verbindlichkeiten.
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T I T E LT H E M A
„EU-Gelder sind das Sahnehäubchen für kommunale Projekte“ Viele kommunale Projekte, vor allem im sozialen und kulturellen Bereich, werden aus EU-Mittel finanziert. Die Kehrseite der Medaille: Die Gemeinden haben mit mehr Vorschriften zu kämpfen und einen engeren gesetzlichen Handlungsspielraum. Doch den nimmt man billigend in Kauf, wird das Geld doch dringend benötigt.
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s riecht nach alten Akten, nach Staub und versetzt einem zurück in die achtziger Jahre. Der braune Teppichboden ist ausgetreten, das Licht strahlt nur punktuell einige Decken an, und an der ockerfarbenen Holzvertäfelung hängen schwarz-weiße Bilder. Es sind die Konterfeis der Oberbürgermeister der letzten Jahrzehnte. Sie schauen alle griesgrämig und doch ehrenvoll. Am Ende dieser Oberbürgermeisteretage sitzt Peter Rossel. Raum 222. Referent für Europaangelegenheiten. Ein freundlicher Mann macht die Tür auf und freut sich sichtlich auf Besuch. Er versucht seine Arbeit zu beschreiben. „Wir sind quasi das Kanzleramt auf Mikroebene. Der Oberbürgermeister ist quasi der Bundeskanzler und ich, na ja, ich bin im Kanzleramt und bin dann sowas wie Abteilungsleiter.“
„Mein Job ist durchaus etwas exotisch für eine Kommune. Ich habe schon Narrenfreiheit“, sagt er über sich selbst und lächelt. Rossel akquiriert Gelder aus der EU für seine Kollegen in den Bau- oder Jugendausschüssen. „Meine Eltern wissen nicht mal genau, was ich mache. Europa ist sehr schwierig zu verstehen und eine komplexe Gestalt.“ In diesem komplexen Feld ist der EU-Referent aber sehr gut vertraut. Er studierte in Göttingen Sozialwissenschaften und war sieben Jahre lang als Lobbyist für die Arbeiterwohlfahrt in Brüssel tätig. Er weiß, wie man Gelder erhält. Seine Ansprechpartner für die Projekte findet er in Berlin, gelegentlich auch in der Landeshauptstadt Hannover, kaum in Brüssel. Das Geld wird dringend benötigt. Die Stadtteile Grone und Weststadt haben von den Finanzspritzen aus der EU groß profitiert: Nachbarschaftszentren oder Förderprojekte für Langzeitarbeitslose wurden damit gegründet. Die Projekte werden in der Regel teilfinanziert. Ei-
Jörg „Yogi“ Müller
Aber Rossel ist nicht im Kanzleramt in Berlin, sondern im Rathaus in Göttingen. Eine von insgesamt 12.629 Kommunen in Deutschland. Zu den wesentlichen Pflichtaufga-
ben einer solchen Stadt gehört die Instandhaltung von Schulen und Kindergärten, die Einstellung von Beamten oder die Auszahlung der Transferleistungen. Pflichtaufgaben müssen gesetzlich erfüllt werden und nehmen aktuell fast neunzig Prozent des Göttinger Haushalts ein. Dann gibt es die Zusatzleistungen, die eine Stadt attraktiv machen. Ein schönes Stadtbad, nette Aufführungen im Theater oder ein gutausgestattetes Jugendzentrum. Ist die Stadt pleite, muss der Stadtkämmerer Gelder streichen. Gesetzlich darf er seinen Rotstift nur bei den Zusatzleistungen zücken, oder er nutzt die Ermessenspielräume in der Verwaltung aus. Irgendwo in diesem Dilemma taucht dann zusätzlich die Europäische Union auf und verabschiedet weitere Gesetze, die die Kommunen umsetzen müssen. Der deutsche Städte- und Gemeindebund klagt, dass sechzig Prozent der kommunalrelevanten Gesetze aus der EU umgesetzt werden müssen. Die CO2Richtlinien aus der EU sind nur eines der Beispiele.
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TITELTH E M A nen geringen Anteil bezahlt die Kommune oder das Land. „Es wird jedes Jahr darum gekämpft, diese lokalen Gelder zu streichen. Aber damit fallen auch die europäischen Gelder weg. Ich komme heute nicht mehr auf die Idee, ein gutes Projekt zu beantragen, welches dann zu fünfzig Prozent von uns kofinanziert werden müsste“, berichtet er und schaut ein wenig verärgert. „Die Gelder aus Europa dürfen nicht in die Pflichtausgaben fließen. Deshalb sind EUGelder das wichtige Sahnehäubchen für kommunale Projekte“, sagt er. Schränken die EU-Gesetze aber nicht kommunale Entscheidungen und Freiheit ein? „Es gibt sicherlich viel, worüber man klagen kann“, weicht er aus. „Vielleicht typisch für unsere nationale Eitelkeit. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir seit über sechzig Jahren in Frieden leben und heute mit einer gemeinsamen Währung bezahlen. Das haben wir Europa zu verdanken. Wenn man aktuell auf die europäischen Grenzen schaut, warum Menschen zu uns nach Europa kommen wollen, dann sollte man spätestens erkennen, was Europa für einen selber bedeuten soll“, sagt Rossel nachdenklich und senkt dabei seinen Kopf.
on, und weitere zehn Prozent tragen die jeweiligen Träger. Die Kommunen sind innerhalb dieses Projektes finanziell nicht involviert. „Wir arbeiten inhaltlich mit den Landkreisen zusammen und auch mit den Ausländerbehörden, finanziell werden wir von den Kommunen nicht unterstützt“, sagt Hammer. Es ist eben dieser Mehrgewinn, der erlaubt, Menschen im Ayslverfahren oder im Duldungsprozess
herzlich, dann wird es plötzlich ruhig. „Vielleicht will man mit dem Schaffen des Programms auch das Gewissen beruhigen. Es ist ja nun auch nicht einfach, das Gesetz zu ändern, dafür braucht man spezielle Verfahren und das dauert zu lange. Dann hat man vielleicht gesagt, dass man das mit diesem Programm erschaffen möchte“, spekuliert die Frau für Öffentlichkeitsarbeit. „Ohne dieses Programm, hätten die Migranten gar keinen Zugang zu Ressourcen. Dann gebe es halt nur die Migrationserstberatungen, aber die haben nicht die Möglichkeit der Qualifizierung oder der Sprachkursförderung“, schildert die 39-Jährige und ärgert sich.
Fünfzig Prozent des Budgets kommt aus Brüssel
Nicht weit entfernt sitzt Christiana Hammer ruhig am Gästetisch ihres Arbeitsgebers, der Bildungsgenossenschaft Südniedersachen e.G. Die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit Martina Lotsch lauscht dem Gespräch. „Unsere Zielgruppe sind vor allem Bleibeberechtige, Menschen im Duldungsstatus und Asylberechtigte. Primär geht es darum, diesen Menschen Unterstützung zu geben und sie in den Arbeitsmarkt zu vermitteln“, erklärt die Projektleiterin. Konkret heißt das, dass sie Menschen aus ehemaligen Kriegsgebieten oder diejenigen, die wegen ihres Glaubens aus ihrer ehemaligen Heimat geflüchtet sind, durch die Irrgärten der deutschen Behörden, zu Rechtsanwälten oder Sprachkursen begleitet. Das Projekt ist Teil des Bundesprojekt XENOX aus dem Ministerium für Arbeit und Soziales. Das Budget kommt zur Hälfte von der Europäischen UniTagesSatz
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Sprachunterricht kostenlos anbieten zu dürfen. Die Kommunen finanzieren diesen oder andere Integrationsmaßnahmen für diese Gruppe von Menschen nicht. Durchaus eine politische Strategie, um Einwanderung zu verhindern und Abschiebung zu vereinfachen. Aber widersprechen sich nicht die Länderinteressen mit den europäischen Finanzmitteln aus Brüssel? „Genau“, schießt es aus Christian Hammer heraus und lacht. „Genau! Gut erkannt. So ist das System!“ Die beiden anwesenden Frauen lachen
Ob Christina Hammer, Martina Lotsch oder eben Peter Rossel. Sie sind alle Akteure eines großen Ganzen, eines gemeinsamen Europas, das auf den Kommunen der Mitgliedsländer baut und von unten nach oben wirkt. Das sogenannte Subsidiaritätsprinzip, das in der Europäischen Charta der Grundrechte niedergeschrieben ist. Europa ist für die Bürger allgegenwärtig, aber nur wenige kennen seine Vorteile. ANZEIGE
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D E R S T O L P ERSTEIN
Musik in meinen Ohren * GLOSSE VON ANDREA TIEDEMANN
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rekt über einer Kita gewohnt. Wenn 25 Kinder den Frust des Vormittags wie beispielsweise verschnittene Bastelübungen und unappetitliches KitaEssen in die Welt tragen, wissen Sie, wo der Hammer hängt. „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“, sagte einst Horst Köhler und wollte Frauen zum Gebären animieren. Köhler ist weg, das Zitat hängt in der Luft. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hatte bereits im Dezember festgestellt, dass Kinderlärm „sozial adäquat“, also angemessen ist. Die Tatsache, dass man das überhaupt feststellen muss, ist
so typisch deutsch wie albern. Denn wir haben ja überhaupt keine andere Wahl. Oder wir sterben aus. Bis zum Jahr 2013 sollen die Krippenplätze verdreifacht werden. Daher kann ich allen Menschen, die kleine Pressluftbohrer als Nachbarn haben, nur raten: Kaufen Sie sich die neue Kinder-TanzCD und machen Sie mit! Am Ende des Tages werden Sie so erschöpft ins Bett fallen, dass Ihnen auch das Babygebrüll nichts mehr anhaben kann. Als Alternative bleibt sonst nur der atmosphärenlose Mond, auf dem absolute Stille herrscht.
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Andrea Tiedemann
unte Welt, Regenbogengruppe, Arche, Oase – das sind nicht etwa esoterische Selbsthilfegruppen, sondern Namen regionaler Kindertagesstätten. Zugegeben, aus Sicht der Nachbarn klingen Namen wie Flitzebogen, Kinderbewegungshaus oder Rotznasen ehrlicher. Aber irgendwo müssen die Zwerge ja den Tag verbringen, während Mama und Papa die Kohle verdienen. Doch es gibt eine wachsende Fraktion von Menschen, für die Kinderlärm keine Zukunftsmusik ist. Quer durch die Republik klagen sich ruheliebende Bürger ihre Stille ein. Besonders Kindergärten sind ihnen ein Greuel. In Hamburg wurden die „Marienkäfer“ verscheucht, später dann noch mit einer Lärmschutzwand abgeschirmt. Doch so geht es nicht weiter. Politiker haben erkannt, dass Kinder dabei sind, auszusterben. Deshalb muss eine Gesetzesänderung her. Kinderlärm soll künftig nicht mehr als normale Lärmbelästigung gelten. Während es für Autos, Kreissägen und Rasenmäher Schallobergrenzen gibt, sollen Kinder demnächst nach Herzenslust schreien können. Das finden insbesondere Deutschlands Rentner nicht witzig. Leonhardt Kuckart von der Senioren-Union verglich einst Kindergeschrei mit dem „Hämmern eines Pressluftbohrers“. Dass auch Pressluftbohrer schon in modernen Zukunftsmusiken einen eigenen Part besetzen, sei nur am Rande angemerkt. Kinderlärm fängt bei etwa achtzig Dezibel an und liegt damit zwanzig Dezibel über der Stressgrenze. Ab 65 Dezibel droht bereits eine Schädigung des vegetativen Nervensystems und eine erhöhte Gefahr fürs Herz-Kreislauf-System. Das werden Ihnen alle Eltern bestätigen können. Und wenn sich ein paar Dutzend „Pressluftbohrer“ in einer Kita zusammenfinden, ist das eben ein ganz schöner Krach. Ich weiß, wovon ich spreche. Lange Zeit habe ich di-
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misterQM (photocase.com)
PARAGRAPHENR E I T E R
Im Namen des Volkes
Ein notwendiges Übel? Im Februar 2010 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Hartz-IV-Regelungen nicht verfassungskonform sind. Die Richter monierten, dass die Berechnung der Regelsätze zu intransparent seien. Bis Ende 2010 bekam die Politik Zeit, eine neue verfassungskonforme Regelung zu finden. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen stellte im Herbst daraufhin ihren Neuentwurf vor. Im Bundesrat scheiterte die Reform der Reform an der Rot-Grünen Mehrheit. Seitdem wird in einem Vermittlungsausschuss gestritten.
* HANS PETER PUNG
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n den letzten Monaten haben wir versucht, einen Einblick in die Reform der Sozialministerin zu geben. Derzeit ist es jedoch schwer, eine Prognose abzugeben. Eines kann man jedoch erkennen: Eine wesentliche Verbesserung für Hartz-IV-Empfänger wird nicht eintreten. In der allgemeinen Presse wird die Reform gerne als Erhöhung des Hilfesatzes angesehen. Dies stimmt auch, wenn man sich auf die nackten Zahlen konzentriert. Schaut man sich jedoch die Details der Reform an, kommt man zu einer anderen Entscheidung. 364 Euro soll ein allein stehender Hilfeempfänger in Zukunft erhalten. Das sind fünf Euro mehr als bisher. Aber in Wirklichkeit ist es weniger, als die Zahlen des statistischen Bundesamtes hergeben. Das Sozialministerium hat einen Trick angewandt. Man hat einfach bestimmte Leistungen aus dem Katalog gestrichen: Rund 18 Euro, die laut Statistik pro Monat für Alkohol und Tabak ausgegeben werden, wurden einfach nicht mehr berücksichtigt. Die Erklärung dafür war, man könne der Bevölkerung nicht plausibel erklären, dass man für diese Leistung zahle. Uns stellt sich hier die Frage, ob der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer
jetzt tatsächlich der Meinung ist, dass Hilfeempfänger keinen Alkohol mehr trinken und das Rauchen aufgegeben haben. Denn sie empfangen ja weiterhin staatliche Leistungen. Die Berechnung des Regelsatzes beruht auf der Einkommens- und Verbraucherstudie (EVS) des Statistischen Bundesamtes. Die Statistik ergab, dass in der Bevölkerungsgruppe mit geringem Einkommen (Empfänger von staatlichen Leistungen wurden hier nicht berücksichtigt) im Durchschnitt etwas mehr als 18 Euro in Monat für Alkohol und Tabak ausgegeben werden. Streicht man diesen Betrag, werden Hartz-IV-Empfänger benachteiligt. Deshalb die Frage: Was soll das?
beitender Mensch mehr Geld haben muss als ein Empfänger von staatlichen Leistungen. Bezogen wird dies auf eine alleinstehende Person. Es gibt aber einen weiteren Punkt, den wir noch gerne erklärt haben möchten. Warum soll das ehrenamtliche Engagement von Arbeitslosen in Zukunft weniger wert sein als bisher? Blieben Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Mitarbeiter in Vereinen bisher unberücksichtigt, sollen sie zukünftig auf die Leistungen angerechnet werden. Auch dann, wenn es sich bei dem Verein um eine gemeinnützige oder mildtätige Institution handelt. In Zukunft sollen nur noch Einkommen anrechnungsfrei bleiben, die ausdrücklich nicht dazu bestimmt sind, den Lebensunterhalt des Leistungsempfängers abzudecken, wie dies im Leistungskatalog zum ALG II geregelt ist. Da das ALG II aber die Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben absichern soll, wird sich eine solche Leistung nur schwer finden lassen. Folge dieser Regelung ist eine weitere Benachteiligung von Hartz-IV-Beziehern, und zudem wird die Absicht von Betroffenen, sich ehrenamtlich zu betätigen, nicht gerade gestärkt. Deshalb auch hier die Frage: Was soll das?
Hartz IV bleibt ungerecht
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Wenn man tiefer in die Materie einsteigt, wird einem immer deutlicher bewusst, dass die Erhöhung der Regelsätze politisch nicht gewollt ist. Eine Erhöhung ist vor allem in der Wirtschaft nicht erwünscht. Hätte sie doch zur Folge, dass die Löhne steigen müssten. Dies ist einfach zu erklären: Der Grund hierfür liegt im Lohnabstandsgebot. Einfach ausgedrückt bedeutet dieses Gebot, dass ein ar-
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GÖTTINGEN
Wird Göttingen abgehängt? In zwanzig Minuten in Kassel, in einer halben Stunde in Hannover, in knapp zwei Stunden in der Hauptstadt. Das ist für Göttinger dank ICE selbstverständlich.
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öttingen ist klein. So klein, dass man es schon mal übersehen kann. Bereits mehrfach in den letzten Jahren wurde schlichtweg vergessen, in Göttingen zu halten. Die ICE-Lokführer fuhren einfach durch, zuletzt im August 2010. Was zunächst lustig klingt, führte bei etlichen Fahrgästen zur Verärgerung. Denn viele Göttinger sind auf den Schnellzug angewiesen.
Andrea Tiedemann
Seit Einführung des ICE-Systemhalts ist dieser umstritten. Bereits in den Neunzigerjahren gab es heftige Diskussionen um das Thema. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2010 hatte
* ANDREA TIEDEMANN
die Bahn nun drei ICE-Stopps in Göttingen gestrichen. Zwei morgendliche Züge und ein abendlicher Halt wurden ersatzlos aus dem Plan genommen. Die Bahn hatte durch den starken Winter einige ICE-Loks im Hamburger Bahnhof als Reserve zurückgehalten, sodass die regulären Züge mit IC-Loks fahren mussten. Da diese langsamer als die ICE-Loks sind, musste Zeit gespart werden, indem der Göttinger Halt ausgelassen wurde. Doch es gab starken Widerstand in Göttingen. – sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Nach einem Kreistagsbeschluss wand-
te sich der Göttinger Landrat an die Deutsche Bahn. Auch Europa-, Bundes- und Landtagsabgeordnete setzten sich für den ICE-Halt in Göttingen ein. Zudem machte der Fahrgastverband Pro Bahn Süd-Niedersachsen mobil und führte Gespräche mit der Deutschen Bahn. „Uns geht es darum, den sicherlich hohen Standard zu halten und eine Salamitaktik zu verhindern“, äußert sich Gerd Aschoff vom Fahrgastverband. Deutschland habe eine andere Infrastruktur als beispielsweise Frankreich, wo alles auf das Zentrum Paris ausgerichtet sei. „Bei uns gibt es viele Zentren und viele wichtige Standorte auch in der Fläche“, erklärt er. Nach Schätzungen des Fahrgastverbands sind etwa 25.000 Fahrgäste täglich in Göttingen mit dem Zug unterwegs, knapp die Hälfte davon nutzt Fernverkehrszüge. Das sind etwa zehn Prozent aller Göttinger. „Die Erreichbarkeit auf der Schiene ist ein wichtiger Faktor für Kongresse und Tagungen in unserer Region“, meint Aschoff. Im Vergleich zu anderen Städten wie Braunschweig seien die Göttinger mehr mit der Bahn unterwegs als andere. Die ICE-Infrastruktur ist sehr gut ausgebildet. Laut Statistik der Stadt Göttingen hielten im Jahr 2009 täglich über 150 ICEZüge. Doch wann immer es zeitliche Engpässe bei der Bahn gibt, ist der Göttinger ICE-Halt in Gefahr. Der Widerstand gegen die jüngsten Streichungen hatte jedoch Erfolg. Die Deutsche Bahn teilte Ende Januar mit, dass sie die zwei morgendlichen Züge ab August wieder in den Fahrplan aufnehmen werde. Der abendliche ICE-Halt bleibt jedoch gestrichen. Hintergrund ist, dass Anschlusszüge an anderen Bahnhöfen erreicht und daher Zeit gespart werden müsse. Der ICE-Halt in der Wissenschaftsstadt bleibt wohl weiterhin ein Wackelkandidat der Deutschen Bahn. Bleibt nur zu hoffen, dass der Widerstand gegen die Streichungen so stark bleibt, wie er ist.
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MEHR ZUM THEMA: Fahrgastverband PRO BAHN Regionalverband Süd-Niedersachsen Kurt-Schumacher-Weg 16a 37075 Göttingen Telefon/Fax: 0551 / 24834 TagesSatz
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GÖTTI N G E N
Unsichere Zukunft für unabhängige Beratungsstellen 2010 haben Stadt und Landkreis Göttingen die Beratungsstelle der „Bildungsvereinigung Arbeit und Leben“ für ALG-II-Empfänger in der Langen Geismar Straße noch zu gleichen Anteilen gefördert. Die Beratungsstelle hat mit ihren vier Mitarbeitern wertvolle Arbeit geleistet. JÖRG „YOGI“ MÜLLER
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und 80.000 Euro werden dieses Jahre benötigt, um die vier qualifizierten Mitarbeiter bezahlen zu können. Bei Erstanträgen wird ausführlich und korrekt geholfen. Bescheide, deren komplizierte Zahlenkolonnen und Paragraphen ich aus eigener Erfahrung kenne, werden dort so erklärt, dass sie auch Menschen ohne Hochschulabschluss oder Migranten mit Sprachdefiziten verständlich werden. Dadurch werden Sachbearbeiter von Stadt und Kreises entlastet, da es weniger Rückfragen gibt. Auch können Widersprüche und Klagen vermieden werden. Wenn Sozialdezernent Franz Wucherpfennig im Göttinger Tageblatt vom 31. Januar 2011 behauptet, „es gebe im Kreis Göttingen im ALG II Bereich eine optimale Organisation, die eine individuelle und präzise Beratung ermögliche“, ist das eine Schönrederei ersten Ranges seiner Behörde, die an der Wirklichkeit völlig vorbeigeht. Auch bei dem Leiter der Beratungsstelle löste diese Aussage nur ein müdes Lächeln aus, denn seine Erfahrungen und die seiner Mitarbeiter sind ganz andere. Die gestiegenen Beratungszahlen zeigen einerseits den Bedarf und andererseits den Bekanntheitsgrad der Beratungsstellen. In einem Offenen Brief vom „Runder Tisch Armes Göttingen“ und „Bündnis Lebenswertes Göttingen“ wird darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die ALG-II-Berater weiter bezahlen zu können. Denn die Vielzahl der Erfolge bei Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide zeigt das – fast jede zweite Klage ist laut dpa-Meldung vom 12. Januar 2011 zumindest teilweise erfolgreich. Wenn schon im Vorfeld Missverständnisse und fehlerhafte Bescheide durch TagesSatz
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Beratung oder Vermittlung zwischen Antragstellern und Behörden auf ein Minimum begrenzt werden, spart das der Stadt Göttingen Personaleinsatz und somit Kosten – und es rechnet sich. Auch die Akzeptanz der öffentlichen Verwaltung wird gesteigert. Jetzt sagt die Stadt, sie habe ein Haushaltsicherungsgesetz. Der Kreis will 60.000 Euro zahlen, die Stadt nichts. Der Hinweis der Stadt Göttingen: „Es gäbe neue Zuständigkeiten.“ Auch die Beratungsstellen Kore e.V. (Beratung für Frauen), BBA e.V. TU WAS und die Beratungsstellen in Duderstadt und Hann. Münden sind akut gefährdet. Die Ländliche Erwachsenenbildung
(LEB) ist schon gestrichen. Dagegen gibt es eine andere Meldung: Die Sparkasse Göttingen hat im Jahr 2010 einen Rekordgewinn von 37 Millionen Euro vor Steuern gemacht. Die Stadt und der Kreis Göttingen als Träger der Sparkasse geben sich aber mit ein paar Hunderttausend Euro zufrieden. Als ich dies dem Stadtrat am 07. Februar 2011 im Ratssaal vorgetragen habe, wurde mir geantwortet, dass die Sparkasse Rücklagen schaffen müsse, um konkurrenzfähig zu bleiben. Wenn es um Bankenrettungen geht, fließt das Geld schnell. Wenn es darum geht, wichtige soziale Einrichtungen am Leben zu erhalten, ist jedoch kein Geld mehr da.
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GÖTTINGEN GEDANKEN EINER TAGESSATZ-VERKÄUFERIN
Jörg „Yogi“ Müller
Der Waschbär, mein Kater und ich * WERNER KOSSMANN
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ch bin jetzt 54 Jahre alt, verheiratet mit einer wundervollen Frau und habe einen zu dicken Kater. Letzterer muss anderthalb Kilo abnehmen, damit er den nächsten Tierarztbesuch ohne Beanstandung übersteht. Doch der Termin ist schon Anfang März. Ob er es bis dahin schafft, ist fraglich.
Detlef „Rocky“ Bernhard
Zudem kam er vor vier Wochen mit einem rot-braun unterlaufenen Auge nach Hause. Vermutlich hat er sich mit dem Waschbären angelegt, der seit einiger Zeit in der Gegend sein Unwesen treibt. Jetzt hatte „Mietze“ zu dem Übergewicht auch noch‘n blaues Auge. Damit ist sie noch gut davon-
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gekommen, denn für so manch andere Katze ging es böse aus. Wer da die Kosten für den Tierarzt übernehmen sollte, war unklar. Mit etwas Geduld, ein Paar Taschentüchern und etwas Wasser hat sich aber – Gott sei Dank – zumindest letzteres Problem innerhalb von vier Wochen in Wohlgefallen aufgelöst. Doch eigentlich wollte ich statt von meinem Kater etwas über mich erzählen. Ich frage mich, ob ich in zehn Jahren immer noch in der Fußgängerzone stehe und den TagesSatz anbieten kann. Ich mache dies jetzt schon seit geraumer Zeit. Abgese-
hen davon, dass es mir Spaß macht – schließlich kommen nur nette und freundliche Kunden vorbei – verdiene ich ja auch an jedem verkauften Magazin meinen Euro. Dafür stehe ich jeden Tag (außer sonntags) zwei bis drei Stunden in der Fußgängerzone bei Wind und Wetter. Und obwohl es öfter sehr kalt, nass und windig ist – besonders in diesen Tagen – ist das mit der richtigen Bekleidung kein Problem. Das darf es auch nicht sein, denn erst, wenn ich die letzte Zeitung verkauft habe, beginnt mein Feierabend. Dann gehe ich Privatangelegenheiten nach, freue mich auf zu Hause, meine wundervolle Frau und meinen dicken Kater.
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Jörg „Yogi“ Müller
GÖTTIN G E N
Straßengeflüster
Winkeladvokat
Göttingen und Kassel haben eines, Hamburg und München sowieso und Berlin sogar gleich mehrere: Ein eigenes Straßenmagazin findet man heute in nahezu jeder deutschen Großstadt. Allein Bremen bildete bislang eine Ausnahme. Verkauft wurden hier zwar der Berliner Straßenfeger und Asphalt aus Hannover, jedoch fehlte ein eigenes Magazin mit lokalem Bezug. Eigentlich unbegreiflich bei einer Stadt dieser Größe – dieser Ansicht waren auch Studierende der Hochschulen Bremen und Bremerhaven. Um Abhilfe zu schaffen, initiierten sie ein Projekt, welches Anfang dieses Jahres gemeinsam mit Menschen in sozialer Not realisiert werden konnte. Seit dem 2. Februar können diese nun ihre Zeitschrift der Straße verkaufen, die ihrem Titel dabei gleich im doppelten Sinne gerecht wird.
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„Manche Geschichten sollten nie erzählt werden“ Mit diesem Spruch warb die Produktionsfirma Atlantic Streamline für den 2009 angelaufenen Kinofilm „Der Kannibale von Rothenburg“. Erzählt wurde die Geschichte dann doch. Alles begann vor zehn Jahren im hessischen Rothenburg. Armin Meiwes, Bankangestellter mit traumatischer Kindheit, suchte im Internet nach Menschen, die sich von ihm töten lassen wollen. Im März 2001 traf er Bernd Brandes, der bei der Siemens-AG leitend tätig war. Meiwes entmannte Brandes und tötete ihn. Drehbuchautor T.S. Faull witterte viel Geld hinter dieser Geschichte. Bereits 2006 sollte der Kinofilm „Der Kannibale von Rothenburg“ in den deutschen Kinos anlaufen. Doch Armin Meiwes klagte dagegen. Da sein Gerichtsprozess noch nicht abgeschlossen war, befürchtete er eine Vorverurteilung durch Medien und Gesellschaft. Ob es ihm tatsächlich um den Schutz seiner Persönlichkeitsrechte oder um finanzielle Interessen ging,
* WIBKE STEINKRAUSS Dieser spielt nämlich nicht nur auf den Verkaufsort, sondern auch auf den thematischen Leitfaden des Magazins an: Jede Ausgabe widmet sich einer einzelnen Straße Bremens oder Bremerhavens und beleuchtet diese auf Grundlage aufmerksamer und oft unkonventioneller Beobachtungen. Mit einer geplanten Auflage von 22.000 Exemplaren sollen auf Dauer siebzig Verkäufer die Möglichkeit erhalten, durch eine sinnvolle Tätigkeit ein kleines Einkommen zu erwerben – wie auch beim TagesSatz dürfen sie die Hälfte des Verkaufspreises von zwei Euro behalten.
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MEHR ZUM THEMA: www.zeitschrift-der-strasse.de www.strassenfeger.org www.asphalt-magazin.de
* ANDREA TIEDEMANN blieb offen. Meiwes hatte seinen Fall bereits an eine Hamburger Produktionsfirma verkauft, die einen Dokumentarfilm geplant hatte. Das Oberlandesgericht Frankfurt stoppte den Kinostart per einstweiliger Verfügung. Doch die Atlantic-Streamline-Produktion klagte sich weiter durch die Instanzen. Sie sahen sich in ihrer Kunstfreiheit beschränkt. Zudem hatten sie bereits viel Geld investiert. Drei Jahre später hob der Bundesgerichtshof dann die Filmsperre mit der Begründung auf, die Kunstfreiheit werde beschränkt. Zudem bestünde ein öffentliches Interesse an der Tat. Ob acht Jahre nach der Tat ein Real-HorrorFilm jedoch dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerecht wird, darüber mag sich jeder selbst ein Urteil machen.
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KASSEL
Jörg „Yogi“ Müller
Hessische Bürgerinnen und Bürger sollen am 27. März zusammen mit der Kommunalwahl über die Einführung eines Paragraphen zur „Schuldenbremse“ in die Hessische Verfassung entscheiden.
Schuldenbremse
Hände weg von der Verfassung! * NORA MEY
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ugegeben, mir ist es heute noch peinlich, wenn ich als Stammkunde in einem Laden mein Portemonnaie zu Hause vergessen habe und „anschreiben“ lassen muss. Schulden macht man nicht, so ein verinnerlichter Erziehungsgrundsatz. Schon beim zweiten Gedanken in diese Richtung merkt man, dass es natürlich nicht stimmt. Denn wer eine Wohnung kaufen oder ein Haus bauen will, der kalkuliert bereits: Was spare ich dafür an Miete und wie viel muss ich verdienen, damit sich der Erwerb von Eigentum rechnet? Schulden machen wird plötzlich ganz normal. Und natürlich wird kein Unternehmen gegründet, das nicht Kredite benötigt. Je technologisch entwickelter die Branche ist, desto mehr Geld wird der Unternehmer leihen müssen. Richtig dabei ist: Die Schulden müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen der Investitionen und den zu erwartenden Einnahmen stehen. Ansonsten droht die Pleite – auch dem Staatswesen, das sich überschuldet. Deshalb gibt es jetzt die „Schuldenbremse“. Auf Bundesebene ist sie bereits verankert und bedeutet, dass der Bund nicht mehr als 0,35 Prozent des BIP als Neuschulden aufnehmen 22
darf, lediglich bei Naturkatastrophen und schweren Wirtschaftskrisen sind Abweichungen möglich. Dies gilt ab 2011 bis 2016, von da ab sollen ausgeglichene Haushalte ohne zusätzliche Neuverschuldung auskommen. Für die Länder gilt, dass sie ab 2020 grundsätzlich keine Ausgaben über Kreditaufnahme tätigen dürfen. In der Hessischen Landesverfassung soll jetzt verankert werden: „Der Haushalt ist ungeachtet der Einnahmen- und Ausgabenverantwortung des Landtages und der Landesregierung grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen“. Dazu werden die Ausnahmeregelungsmöglichkeiten (Naturkatastrophen und schwere Wirtschaftskrisen) eingeräumt. Will man die Notwendigkeit dieser „Schuldenbremse“ beurteilen, sollte vorrangig betrachtet werden: Wie sieht es tatsächlich mit der Höhe der Verschuldung aus, woher rühren die Schulden und welche Wirkung hat die geplante Verfassungsänderung? Zunächst kann man feststellen, dass sich die Gesamtverschuldung Deutschlands bezogen auf das BIP innerhalb der Eurozone und innerhalb der Euro-
päischen Union noch knapp unterhalb des jeweiligen Durchschnitts bewegt. Gleichzeitig hat Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern zwischen 1998 und 2008 massive Einsparungen im öffentlichen Sektor getätigt. Während fast überall die Anzahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten anstieg, in den USA und Großbritannien zum Beispiel um etwa 13 Prozent, wurden in Deutschland 15,3 Prozent der Stellen abgebaut! Über die Entwicklung der Schulden heißt es in einer Dokumentation der GEW Hessen: „Die Ausgabenentwicklung der öffentlichen Hand von 1998 bis 2008 fällt extrem zurückhaltend aus: Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Ausgaben beträgt gerade einmal 1,4 Prozent (Hessen 2,3 Prozent). Der Durchschnitt der alten EU-Länder liegt knapp dreimal so hoch. Preisbereinigt sind die deutschen Staatsausgaben im Jahresdurchschnitt sogar um 0,2 Prozent gesunken!“ Wie passen Sparen im öffentlichen Sektor, Senkung der Staatsausgaben insgesamt mit wachsender VerschulTagesSatz
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KA S S E L dung zusammen? Dass die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer, hat sich vielleicht schon herumgesprochen. Für gewöhnlich macht man die Macht der Banken und Konzerne dafür verantwortlich, schiebt die Tatsache in den unbeeinflussbaren Bereich der privaten Wirtschaft ab. Und vergisst, dass es sehr aktivem staatlichem Handeln geschuldet ist: nämlich den verschiedensten Steuersenkungsaktivitäten der Regierungen von RotGrün bis Schwarz-Gelb. Konkret gab es die Senkung des Spitzensteuersatzes von 56 auf 42 Prozent, die Abschaffung der Vermögenssteuer, eine großzügige Entlastung von der Erbschaftssteuer und – was gerade erst spürbar zu werden beginnt – die Einführung der Abgeltungssteuer von 25 Prozent. Letztere bedeutet, dass Kapitalbesitzern nur noch ein Satz in dieser Höhe direkt von den Banken abgezogen und dieser direkt an den Staat abgeführt wird. Damit zahlen große und sehr große Kapitalien nicht einmal mehr den Spitzensteuersatz von 42 Prozent, weil sie nicht etwa eine spätere Gesamtveranlagung ihres Vermögens gewärtigen müssen.
scher Blankoscheck für weiteren Bildungs- und Sozialabbau dienen. Privatisierung auf Kosten des Gemeinwohls wird weiter vorangetrieben.“ Konkret darf man sich das so vorstellen, dass es beispielsweise nicht ohne Studiengebühren mehr geht. Außerdem werden die Universitäten und Verwaltungsgebäude von privaten Unternehmen gebaut oder instand gehalten und vom
Dass ein Sparen bei Bildungseinrichtungen in besonderem Maße zu befürchten sein wird, erscheint sehr wahrscheinlich. Und hier erweist sich auch die These von der „Generationengerechtigkeit“, die mit der Schuldenbremse hergestellt werden soll, als total hohle Phrase, wenn man bedenkt, dass heutige Bildungsinvestitionen der heranwachsenden Generation in besonderem Maße zugute kommen. Für ihre Lebensqualität später sind sie heute geradezu ein Muss. Was Politiker, die sich mit der Schuldenbremse ihre eigene Macht und Gestaltungskraft beschneiden, noch so im Sinne haben, verrät vielleicht ein Ausspruch des ehemaligen Finanzministers Weimar: „Mit der Schuldenbremse in der Verfassung werde es einen heilsamen Zwang zu schmerzhaften Einschnitten geben.“ Einschnitte für wen?
Politiker entmachten sich selbst Staat wird Miete für die Gebäude bezahlt. Wie dies bereits praktiziert wird. So wurde das Regierungspräsidium in Kassel verkauft und anschließend mit langjährigen Verträgen zurückgemietet. Oder das neue Hessische Finanzamt an der Fulda haben private Investoren geplant und gebaut – nebenbei: die Stadt Kassel hatte keinen Einfluss auf die Gestaltung – und das Land hat die Räume gemietet. Statt Schulden also jetzt über Jahre unabwendbare Mieten?
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Die Einnahmeausfälle durch diese Steuergeschenke summieren sich ab 2010 auf etwa fünfzig Milliarden jährlich, dass sind von 2000 bis 2013 insgesamt knapp 500 Milliarden Euro. Die gleichen Politiker von FDP, CDU/ CSU, SPD und Grünen, die mit ihrer Steuergesetzgebung für die soziale Schieflage und die anwachsenden Schulden verantwortlich sind, wollen jetzt ein Instrument beschließen, dass ihnen die Rechtfertigung für weitere künftige Sparprogramme erleichtert. Die GEW formuliert das folgendermaßen: „Brandstifter sind die Lobbyisten und ihre willfährigen Politiker“, die „dem Staat systematisch eine gesunde Einnahmebasis entzogen und damit den Anstieg der Verschuldung verursacht“ haben, „den sie heute mit großem Getöse öffentlich anprangern. Sollte das Volk wirklich zustimmen, wird dies in Zukunft als politiTagesSatz
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Jörg „Yogi“ Müller
KASSEL
Von Abschiebung bedroht
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aut Auskunft des Sozialarbeiters, der sich um John kümmert, ist die Lage aktuell, dass Johns Duldung immer nur für ein Jahr befristet ausgesprochen wird. Er lebt in Deutschland, macht gerade Fachabitur und möchte später hier studieren. Seinen Unterhalt bestreitet er aus eigener Kraft. Trotzdem verlangt die Ausländerbehörde für die kommenden fünf Jahre eine zusätzliche Bürgschaft von 900 Euro pro Monat. Nigeria wird als Bürgerkriegsgebiet inzwischen nicht mehr zu hundert Prozent anerkannt. Es wird aber bis heute von innenpolitischen Unruhen erschüttert. Uns hat diese Schilderung bewegt. Wir möchten Öffentlichkeit herstellen, und eventuell findet sich hier jemand, der die nötige Bürgschaft übernähme (menschliche Schicksale, so berührend sie auch sein mögen, sind wohl nicht in jedem Fall justiziabel). Statt sich hinter Paragrafen zu verschanzen, sollten die Behörden hier einfach eine humane Entscheidung treffen.
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UNTERSTÜTZEN: Wenn Sie für Michael John bürgen wollen, schicken Sie bitte eine Mail oder rufen Sie an: Hubert Ostendorf fiftyfifty – Straßenmagazin & Galerie Jägerstr. 15 40231 Düsseldorf Tel.: 0211 / 9216284 oder 0152 / 21529077 eMail: info@fiftyfifty-galerie.de www.fiftyfifty-galerie.de www.fiftyfifty-underdog.de
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Über Kollegen des Magazins „fifty-fifty“ erreichte den TagesSatz eine Bitte der Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative „stay!“. Es geht darum, die Abschiebung des in Nigeria geborenen Michael John zu verhindern. HARALD WÖRNER
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Liebe Unterstützer/-innen von fiftyfify, heute wende ich mich persönlich mit einer dringenden Bitte an Sie. Viele von Ihnen wissen, dass wir die Flüchtlingsinitiative „stay!“ mitgegründet haben, nachdem die Abschiebung einer unserer Praktikantinnen in ein Elendsdorf (Nähe Albanien) unter anderem durch Kirchenasyl verhindert werden konnte. In diesem Appell geht es um eine drohende Abschiebung. Ganz direkt: Wir suchen Personen, die eine Bürgschaft für den zwanzigjährigen Flüchtling Michael John aus Nigeria übernehmen können. Michael ist Christ, macht gerade Fachabitur – wenn er nicht abgeschoben wird – und würde gerne in Deutschland studieren. Er ernährt sich aus eigener Kraft durch diverse Jobs. Die Behörde verlangt nun, dass Michaels Lebensunterhalt außerdem durch Bürgschaften abgesichert wird: Es geht um circa 900 Euro pro Monat (drei Mal 300 Euro). Nachstehend einige Passagen aus seinem Petitionsantrag: Mein Name ist Michael John, und ich wende mich an Sie, weil ich von Abschiebung bedroht bin. Ich komme aus Nigeria und bin 2005, im Alter von 15 Jahren, als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Meine Eltern starben in Nigeria bei einem Überfall, den Kontakt zu anderen Verwandten habe ich verloren. Aktuell bin ich in drei verschiedenen Musikgruppen: In Neuss singe ich und spiele Schlagzeug. In Düsseldorf und Mönchengladbach-Rheydt bin ich ebenfalls als Sänger aktiv. Ich wundere mich über die Ausländerbehörde. Die kennen mich und wissen, dass ich mir hier eine Zukunft aufbauen will. Aber das ist für sie scheinbar nicht wichtig. Der Druck von den Behörden ist schlimm für mich. Ich fühle mich als Mensch nicht mehr frei. Ich schlafe schlecht aus Angst vor der Ausreise. Sie sagten mir, sie setzen mich einfach in Lagos ab, ich muss zusehen, wie ich weiterkomme. Nigeria ist aber ein großer Staat, und es ist niemand mehr da, den ich kenne und der sich dort um mich kümmern kann. Ich bitte Sie um Unterstützung, damit ich in Deutschland bleiben kann. Mit freundlichen Grüßen, Michael John TagesSatz
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DIE KOCHNI S C H E
Kochen mit dem TagesSatz * HANS PETER PUNG & TEAM
Andre Günther (photocase.com)
Leckere Gerichte für Sie entdeckt
Geschnetzeltes Geschnetzeltes erfreut sich einer immer größeren Beliebtheit. Im Gegensatz zum Gulasch muss ein Geschnetzeltes nur kurz gebraten werden, ist zudem preiswert und variabel. Wie immer möchten wir mit unserer Rezeptauswahl ihre Fantasie anregen. Viel Spaß beim Nachkochen.
mals mit den Gewürzen abschmecken. Hitze reduzieren, so dass die Soße nur noch leicht köchelt, Fleisch zugeben und in der Soße erhitzen. Heiß servieren! Tipp: Dazu passt Reis und ein frischer Salat. Wenn sie es feuriger mögen, können sie noch eine kleine Chilischote zufügen.
Geschnetzeltes vom Rind
Geschnetzeltes vom Geflügel
(4 Personen / circa 2,50 Euro pro Person)
(4 Portionen / circa 2 Euro pro Portion)
600g Geschnetzeltes vom Rind, 100g durchwachsener Speck, 500ml heiße Fleischbrühe, 1 kl. Packung passierte Tomaten, 2 Frühlingszwiebeln, Öl, Salz, Pfeffer, Paprikapulver, Speisestärke
600g Putenbrust geschnetzelt, 2 Zwiebeln, 2 EL Tomatenmark, Curry, 500ml heiße Hühnerbrühe, 150g Crème fraîche, Salz, Pfeffer, Mehl zum Binden, Öl zum Anbraten
Speck entschwarten und in kleine Würfel schneiden. Frühlingszwiebeln putzen, in feine Ringe schneiden. Öl in einer Pfanne erhitzen, Fleisch darin von allen Seiten anbraten. Aus der Pfanne nehmen und warm stellen. Speckwürfel in die Pfanne geben und glasig anbraten. Zwiebelringe dazu geben, ebenfalls glasig dünsten. Passierte Tomaten zugeben und kurz anschwitzen. Fleischbrühe angießen, köcheln lassen bis die Flüssigkeit um die Hälfte reduziert ist. Jetzt nach Geschmack mit Salz, Pfeffer und Paprikapulver abschmecken. Bei Bedarf die Soße mit Speisestärke binden. NochTagesSatz
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Zwiebel schälen, in kleine Würfel schneiden. Öl in der Pfanne erhitzen, das Geschnetzelte darin anbraten. Aus der Pfanne nehmen, warm stellen. Zwiebelwürfel in die Pfanne geben und glasig dünsten. Tomatenmark zufügen, kurz mit anschwitzen. Alles mit circa 2 EL Curry bestäuben und anschwitzen, mit der Hühnerbrühe ablöschen. Flüssigkeit um die Hälfte reduzieren lassen, mit Salz und Pfeffer würzen. Temperatur reduzieren, Crème fraîche einrühren. Bei Bedarf die Soße mit Mehl binden und nochmals abschmecken. Fleisch wieder in die Pfanne geben und in der Soße erhitzen. Heiß servieren!
Tipp: Reichen Sie dazu Spätzle oder Reis, sowie einen Salat.
Geschnetzeltes vegetarisch (4 Portionen / circa 3 Euro pro Portion)
750g Champignons, 200g Schmand, 200ml Gemüsebrühe heiß, 1 große rote Paprikaschote, 2 kleine Zwiebeln, Pfeffer, Salz, Curry, Öl, ½ Bund Schnittlauch, ½ Bund Blattpetersilie, 100g Käse gerieben nach Wahl Champignons putzen, in Scheiben schneiden. Paprika waschen, halbieren, entkernen, würfeln. Zwiebeln schälen, würfeln. Kräuter waschen, trocknen, fein hacken. Öl in einer Pfanne erhitzen, Zwiebelwürfel darin glasig dünsten. Paprikawürfel zufügen und ebenfalls glasig dünsten. Champignons zufügen, anbraten bis diese etwas weich werden. Mit der Gemüsebrühe ablöschen und Salz, Pfeffer und Curry würzen. Flüssigkeit um die Hälfte reduzieren lassen. Hitze reduzieren, Schmand einrühren. Nochmals mit den Gewürzen abschmecken. Den Käse darüber streuen und für circa fünf Minuten abgedeckt ziehen lassen, so dass der Käse schmelzen kann. Vor dem Servieren mit Schnittlauch und Petersilie bestreuen. Tipp: Dazu reichen Sie Reis (Vollkornreis) und einen frischen grünen Salat.
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K U LT U RT I P PS
Die Empfehlung
GÖTTINGEN
* JULIA SCHOENEN
Varlag
mit dem Magazin „in goettingen“ ab diesem Jahr zweimal in der Saison Bücher vor, die das Thema Alter in all seinen Facetten näher beleuchten. Zu Beginn liest der 2005 mit dem Buchpreis ausgezeichnete österreichische Schriftsteller Arno Geiger im Alten Rathaus. In seinem aktuellen Buch von 2011 schildert er wirklichkeitsgetreue Erfahrungen mit seinem demenzkranken Vater.
Frieden schließen mit dem Gedächtnisverlust „Der alte König in seinem Exil“ von Arno Geiger im Alten Rathaus In der Reihe „Das Alter in der Literatur“ stellt das Literarische Zentrum Göttingen gemeinsam
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MEHR ZUR EMPFEHLUNG: Arno Geiger Der alte König in seinem Exil Altes Rathaus Do 31.03. / 20.00 Uhr Eintritt: VVK 9,50 Euro, erm. 7,50 Euro; AK 10,50 Euro, erm. 8,50 Euro
bis 29.05.: Caricatura, Kulturbahnhof, Ks
Sa 05.03. / 19.00 Uhr Kulturzentrum Schlachthof, Ks
Guido Sieber: Rock‘n’Roll Fever: Portraits aus der hundertjährigen Geschichte der Rockmusik. Weitere Infos: 0561 / 776499, www. caricatura.de Eintritt: 3 Euro
Lange Lesenacht mit Anselm Neft u.a. Eintritt: 10 Euro
Mi 02.03. / 20.00 Uhr Gleis 1, Kulturbahnhof, Ks Maren Kroymann: Lesung, Film und Gespräch. Eintritt: 7 Euro Do 03.03. / 20.00 Uhr Caricatura, Kulturbahnhof, Ks Rock‘n‘Roll Fever: Franz Dobler liest und legt auf, Dobler begleitet die gleichnamige Ausstellung des Malers Guido Sieber Eintritt: 7 Euro Fr 04.03. / 20.00 Uhr Kulturhaus Dock 4, Ks stadTheater e.V.: Irrungen – Wirrungen: Theodor Fontane‘s Klassiker auf die heutige Zeit bezogen Eintritt 12 Euro, erm. 8 Euro 26
So 06.03. / 11.00 Uhr Junges Theater, Gö New Orleans Syncopators – Jazz und Häppchen. Im Rahmen der Benefizreihe des Fördervereins „Freunde des Jungen Theaters“ für den Neustart des JT. Eintritt: 15 Euro Mo 07.03. / 20.00 Uhr Literarisches Zentrum, Gö Rosemarie Tietze – sie hat Tolstois „Anna Karenina“ 2009 neu übersetzt und liest aus diesem zeitlosen Klassiker der Weltliteratur. Eintritt: VVK 7,50 Euro, erm. 5,50 Euro; AK 8,50 Euro, erm. 6,50 Euro Mo 07.03. / 20.00 Uhr Kulturhaus Dock 4, Ks Fo(u)r Alto: vier Alto-Saxophone als einheitlicher Klangkörper Eintritt: 12 Euro, erm. 6 Euro (freier Eintritt für ALG-2-Bezieher, Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren)
Di 08.03. / 17.00 Uhr Kulturzentrum Schlachthof, Ks Stadtforum: Vor Ort: Gottschalk und Kohlen-Koch war gestern. Die Uni-Erweiterung nach Norden. Diskussion mit Klaus Sausmikat, Annette Spielmeyer, Monika Sprafke u.a. Fr 11.03. / 21.00 Uhr Kulturzentrum Schlachthof, Ks Gregor Meyle: Singer/Songwriter VVK: 15 Euro, AK 18 Euro So 13.03. / 20.00 Uhr Komödie, Ks Jackpot: Unerwarteter Lottogewinn stellt Ehe von Hartz-IV-Empfängern auf harte Probe (u.a. mit Ingrid Steeger) Eintritt: ab 16,50 Euro Mo 14.03. / 20.00 Uhr Junges Theater, Gö Jan Weiler – „Mein Leben als Mensch“. Lesung. Eintritt: VVK 12 Euro, AK 15 Euro Di 15.03. / 20. 00 Uhr Caricatura, Kulturbahnhof, Ks Kirsten Fuchs liest aus „Heile, heile..“ und anderen Romanen. Eintritt: 3 Euro Mi 16.03./ 19.30 Uhr Ev. Forum (Lutherplatz), Ks Familien zwischen Ausgrenzung, Druck und Ratlosigkeit: Podiumsgespräch. Eintritt: 4 Euro Do 17.03. / 20.30 Uhr Kulturzentrum Schlachthof, Ks Frühlingskonzert: Groove Juice Eintritt: 11,50 Euro Fr 18.03. / 20.00 Uhr Lokhalle, Gö Dieter Nuhr – „Nuhr die Ruhe“ Eintritt: 29,20 Euro Sa 19.03. / 14.00 Uhr Deutsches Theater, Gö expeDTion – öffentliche Theaterführung. Treffpunkt an der Theaterkasse. Eintritt: 2 Euro TagesSatz
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KULTURT I P P S
Die Comedy-Company – Wir machen doch nur Spaß! Improvisationstheater. Eintritt: VVK 12 Euro, erm. 9 Euro; AK 12,50 Euro, erm. 9,50 Euro
Die Empfehlung
Sa 19.03. / ab 21.00 Uhr Musa, Gö World Beat Party – neu aufgelegtes Party-Format mit altbekannten Musa-DJs. „Heiße Beats aus aller Welt“. So 20.03. / 15.00 Uhr Nörgelbuff, Gö Ukulelen-Spielkreis – freies Ukulelespielen mit El Adrenalid / L’Uke. Eintritt frei Di 22.03. / 20.00-21.30 Uhr Mutter, Bunsenstraße, Ks Gibt es sie doch – die neue Kasseler Punkschule? Mit Dr. Wolfram Boder. Eintritt: 4 Euro
* HARALD WÖRNER
Kassel
Agentur
Sa 19.03. / 20.00 Uhr Lumière, Gö
Authentische Musiker als Vorbilder Gregor Meyle spielt im Kasseler Schlachthof Gregor Meyle hat schon seit vielen Jahren mit Musik zu tun. Bevor er sich als Songwriter versuchte, arbeitete er im erlernten Beruf als Tontechniker. Bekannt wurde er dann aber doch über eine von Stefan Raab´s Casting-Shows. Anstatt andere Künstler zu interpretieren, ging er mit eigenen Songs an den
Start. Meyles Stärke sind die persönlich gefärbten Texte: „Klar sind meine Songs autobiografisch und es gab auch Bezüge. Was ich mir wünsche und was auch manchmal passiert, ist, dass jeder das für sich persönlich interpretiert. Ich schreibe niemandem vor, wie er zu empfinden hat. Jeder soll zur Musik hören und fühlen, was er denkt.“ Meyle punktet, ähnlich wie sein Vorgänger Max Mutzke, vor allem mit seiner unkomplizierten Art.
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MEHR ZUR EMPFEHLUNG: Gregor Meyle: meylenweit Kulturzentrum Schlachthof Fr 11.03. / 21.00 Uhr VVK 15 Euro, AK 18 Euro www.schlachthof-kassel.de www.gregor-meyle.de
Mi 23.03. / 18.00 Uhr Freie Altenarbeit, Goldgraben 14, Gö
Fr 25.03. - So 27.03. Lokhalle, Gö
Mi 30.03. / 19.30 Uhr Ev. Forum Lutherplatz, Ks
Spurensuche: „Was war er in der Wehrmacht?“ – Workshop mit Dr. Martin Heinzelmann. Eintritt frei
Klasse! Wir singen – Das Schulprojekt. Eintritt: 8,90 Euro
Mi 23.03. / 19.00 Uhr Kulturhaus Dock 4 (Halle), Ks
Mi 30.03. / 17.00 Uhr Gemeindesaal St. Godehard, Godehardstr. 22, Gö
Quo vadis, Gymnasium – kann das Gymnasium zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen? Podiumsgespräch Eintritt: 4 Euro
Premiere: Theater Chaosium: Der geheime Garten. Eintritt: 12 Euro, erm. 7 Euro Fr 25.03. / 21.30 Uhr Nörgelbuff, Gö
Stadtteil-Erzählcafé: Gesundheit geht uns alle an… Gesundheit in verschiedenen Kulturen – mit interkulturellen Gesundheitsmediatoren aus Göttingen. Eintritt frei
Do 31.03. / 20.00 Uhr Stadthalle, Gö Bodo Wartke – „König Ödipus“: die griechische Tragödie, bearbeitet und in neunzig Minuten gepackt von dem beliebten Klavierkabarettisten. Eintritt: 28,20 Euro
Telesushi & Nördliche Gärten – Indie-Pop und -Rock. Konzert. ANZEIGE
a ff e n W ir v e r s c h n z v o ll e I h n e n g la A u ft r it te
TagesSatz
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D
ie Kult(o)ur im Klinikum gibt es immer sonntagabends um 19.05 Uhr in der Osthalle des Klinikums – und das bereits seit 1996. Kommen kann wer will, vom Patienten bis hin zum Besucher. Die Sitzreihen vor der kleinen Bühne sind dabei meist mehr als gut gefüllt. Bei dem Auftritt der Band Front Porch Picking am 6. Februar nahmen die Besucher auch das Stehen in Kauf, um einer Mischung aus Western-Swing, Blues und Rag zu lauschen. Doch es geht noch besser: Rainer Brietzke, Organisator und Initiator der Kult(o)ur im Klinikum, erinnert sich an einen Abend, an dem sich mehr als sechshundert Menschen in der Osthalle tummelten, um Kabarett von Peter Grande und Glenn Walbaum mit „Hier, höre zu…!“ zu sehen; neben dem Göttinger Symphonie Orchester „eines der Highlights“, wie er betont. Aber wie fing alles an? „Das ist eigentlich eine seltsame Geschichte“, so Brietzke. Es waren zwei Ursachen, die die Idee zur Kult(o)ur anregten. Brietzke erzählt von einer Schulklasse der Brüder-Grimm Schule, die für eine ganze Station und deren Patienten Blumen gebastelt hatten. Soviel Engagement sollte belohnt werden, doch als die Kinder ein weiteres Mal kamen, um ein Dankeschön in Form eines Sommerfestes zu erhalten, wäre nichts organisiert gewesen. Brietzke entschied sich daher, als Kulturbeauftragter des Klinikums zu fungieren und lud die Kinder zu einer Zirkusvorstellung in der Eiswiese ein. Zum Zweiten hatte er selbst einige Zeit im Klinikum als Patient verbracht und gemerkt, dass dort eigentlich nicht viel los sei. „Wenn ich wieder fit bin, ändere ich das“, dachte er sich damals. Und so war die Idee für ein regelmäßiges Kulturprogramm geboren.
Privat
K U LT U R G Ö TTINGEN
Ein Lächeln schenken Seit 15 Jahren bietet die Universitätsmedizin Göttingen jeden Sonntag ein buntes Programm aus Musik, Theater und Kabarett. Dieses Jahr könnte allerdings die letzte Vorstellung stattfinden.
* MELANIE SWIATLOCH 18 Uhr war jedoch zu früh, 20 Uhr zu spät. Brietzke erklärt dies mit den Eckpunkten Abendessen und Tatort schauen. 19 Uhr war daher realistischer, doch da wollten viele der Patienten die Nachrichten nicht verpassen. So entschied man sich eben für 19.05 Uhr. Nicht alle, aber doch ein großer Teil der Patienten, können nämlich auf ihren Zimmern die Kult(o)ur per Live-Übertragung verfolgen. Es ist aber auch jeder willkommen, sein Zimmer zu verlassen, um der Veranstaltung in der Osthalle beizuwohnen – egal ob mit Tropfständer oder dem ganzen Bett. Für Brietzke ist die Arbeit erledigt, „sobald sich ein Patient gefreut hat.“ Ende des Jahres wird Brietzke in Rente gehen. Da derzeit noch kein Nachfolger für ihn in Sicht ist, gibt es die vorerst letzte Veranstaltung der Kult(o)ur voraussichtlich am 27. No-
vember. „Ich hoffe aber, dass es nach meinem Ausscheiden weitergeht.“ Denn Brietzke hat sichtlich Spaß an dem Programm und ist selbst jeden Sonntag dabei. Zum Abschluss sagt er noch: „Die Mediziner helfen, dass man gesund wird. Ich sorge dafür, dass der Rest nicht auch noch krank wird.“
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MEHR ZUM THEMA: Seit Februar 2011 gibt es zudem die Reihe „Klassik in der Klinik.“ Informationen gibt es unter www.med.uni-goettingen.de Termine für Kult(o)ur März: 06.03.: Peter Funk & Herbert Wegener 13.03.: „Gleichen Musikanten“ aus Rheinhausen 20.03.: „Sweet Charlotte“ (SchnurZ Theater) 27.03.: „Moonlight and Lovesongs“ (Bigband „Combeau“). ANZEIGE
Brietzke – selbst Musiker und Bandmitglied bei Front Porch Picking – konnte Künstler aus den verschiedensten Bereichen für ein Bühnenprogramm gewinnen, eben „alles was man zeigen kann.“ Dass die Kult(o) ur immer um 19.05 Uhr beginnt, ist ebenfalls eine originelle Geschichte. Sonntags sollte es sein, der Vormittag schied jedoch aus, also abends. 28
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KULTUR KA S S E L
Privat / picasaweb
On the Road: Eine neue Sendung im Freien Radio Kassel
Andreas Werner Gerner sprach mit dem TagesSatz darüber, wie er überhaupt zum Radio kam und was seine aktuellen Pläne sind.
I
n der Zeitung las Andreas Werner Gerner, dass das Freie Radio Kassel ehrenamtliche Mitarbeiter zur Produktion von eigenständigen Sendungen suchte. Diese Meldung interessierte ihn, und so nahm er Kontakt zum Freien Radio auf. Am 18. August 1998 startete er mit seiner ersten Sendung: Im „Kennwort Kino“ beleuchtete er kritisch aktuelle Kinofilme. Als er nicht mehr so oft ins Kino ging, setzte er 2001 diese Sendung ab und begann stattdessen mit „Gern, gerner am gernsten“. Dabei handelt es sich um eine Unterhaltungssendung, in der DVDs und CDs auch kritisch besprochen werden. Interessante Konzerttipps finden in seiner Sendung auch ihren Platz. Gerner verfügt über ein breites Wissensspektrum und gibt dieses mit viel Engagement an seine Hörer weiter. Am meisten Spaß macht ihm dabei, dass er selbständig arbeiten und spielen kann, was er will. Man spürt in seinen Sendungen, dass seine Hobbys Musik und Film einen positiven Einfluss haben. Mit den Jahren merkte er, dass er in „Gern, gerner am gernsten“ zu wenig Zeit und Raum hatte, um all seine Interessen und Bedürfnisse dort ausreichend unterzubringen. Deshalb beschloss er, mit einer weiteren Sendung mit neuem Konzept zu starten: Am 29. Januar 2011 hatte „On the Road“ Premiere. Die Sendung richtet sich an Menschen, die mit LKW
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oder Krankenwagen, beruflich oder privat, mit ihrem Auto auf der Straße unterwegs sind. Um die Stimmung einzufangen, wird die passende Musik aus den Bereichen Classic Rock und Country gespielt: Von Kansas bis Reo Speedwagon, von der Little River Band bis Johnny Cash ist hier alles möglich. Auch deutschsprachige Titel, beispielsweise von Achim Reichel oder Gunther Gabriel, gehören zu jeder Sendung. Neben den ausdruckstarken musikalischen Beispielen stellt er interessante Road-Movies vor. So war in seiner ersten Sendung ein Ausschnitt aus dem Klassiker „Ein ausgekochtes Schlitzohr“ aus den siebziger Jahren zu hören. Als dritten Schwerpunkt las er einen Ausschnitt aus einer Kurzgeschichte vor, an der er gerade arbeitet und mit der er Ende des Jahres Lesungen durchführen möchte. Inhaltlich geht es hier um einen jungen Mann und ein junges Mädchen, die sich ursprünglich umbringen wollen, es aber aufgrund ihrer Bekanntschaft nicht schaffen. Auf einer staubigen Straße kommen sie im Auto miteinander ins Gespräch und denken über ihr eigenes Leben nach. Dabei spielen aber auch gesellschaftliche Probleme, die ihnen den Lebensmut genommen haben, eine wichtige Rolle. Es handelt sich um eine Liebesgeschichte mit dramatischen Momenten. Sie spielt in einer Zeit, in der es weder Handy noch Internet gibt und wo man sich auf dem Dorf abends am La-
* TRUDI KINDL gerfeuer schöne Geschichten erzählt. „Erst dann ist es möglich, wieder erfolgreich mit etwas Neuem zu beginnen“, betont er. Man darf also über die weitere Entwicklung der Sendung „On The Road“ gespannt sein. Ich jedenfalls freue mich schon jetzt auf seine nächste Sendung, die alle 14 Tage über den Äther geht.
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MEHR ZUM THEMA: Sendetermine im März „On the Road“: 12.03. und 26.03. um 19.00 Uhr und in der Wiederholung am 13.03. oder 27.03. vormittags. „Gern, gerner am gernsten“: Jeden Montag um 19.00 Uhr oder jeden Dienstag um 11.00 Uhr in der Wiederholung. Sendefrequenzen des Freien Radio Kassel: 105,8 Mhz über Antenne oder 97,8 Mhz im Kabel.
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Clemens Eulig
H I N T E R D E N KULISSEN
Der gescheiterte amerikanische Traum *
„Tod eines Handlungsreisenden“ im Jungen Theater Göttingen REZENSIERT VON KATHARINA KRETSCHMER
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eit mehr als dreißig Jahren arbeitet Willy Loman für dieselbe Firma als Handelsvertreter. Was einst ein lukratives Geschäft und ein gutes Auskommen versprach, reicht mittlerweile nicht mehr aus, um die Lebenshaltungkosten und die letzte fällige Rate für das Haus zu decken. Als zu alt und ineffizient wird er schließlich gefeuert. Willy, der stets an die Maxime des „American Dreams“ glaubte, dass harte Arbeit sich auszahlt, ist mit dieser Situation überfordert und verliert sich immer mehr in Tagträumen und Selbstmordgedanken. Weder seine Frau Linda, die ihn bis zur Selbstaufgabe stützt, noch die zwei erwachsenen Söhne Biff und Happy, die mit ihren eigenen Schwierigkeiten innerhalb und außerhalb der Familie zu kämpfen haben, vermögen es, Willys Zusammenbruch aufzuhalten. Die Szenerie spiegelt die depressive Grundstimmung des Stückes wieder und unterstreicht die scheinbare Ausweglosigkeit der Protagonisten. Die Fassade eines kleinen Hauses, gut an die Räumlichkeiten des Jungen Theaters angepasst, die darin zu sehenden Räume, eine Garage und ein Vorplatz mit Wäscheleine dienen als Bühnenbild. Geschickt arrangiert werden vor
Isabel Winarsch
Schall und Wahn
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uf der Rückkehr vom Schlachtfeld wird dem schottischen Feldherr Macbeth von drei Hexen weisgesagt, dass er zunächst den Titel „Than von Cawdor“ erhalten wird und schließlich sogar König von England werden soll. Macbeth will diese Prophezeiung noch verspotten, da treffen schon Boten des Königs ein, die ihn mit „Than von Cawdor“ begrüßen. Von nun an beginnt Macbeth, langsam an die Verheißungen zu glauben. Er zieht seine Frau, Lady Macbeth, ins Vertrauen, die ihn zu einer finsteren Tat ermutigt: Macbeth soll den König töten, um selbst Herrscher zu werden.
Auf einer kargen weißen Bühne inszeniert Intendant Mark Zurmühle diesen Klassiker mit reduziertem Personal. Statt Bühnenbild wird der Raum von zahlreichen Klang-Collagen gefüllt, die mittels Laptop und Mikrofonen von den Schauspielern noch auf der Bühne zusammengeschnipselt werden. Das einzige Requisit: des Königs Krone. Minimalistische Ausstattung und Sound-Ästhetik überzeugen, machen sogar 30
allem die zwei Räume im Inneren des Hauses bespielt, was dem Zuschauer einen voyeuristischen Blick auf das Gefangensein Willys in der Vorstellung eines gutbürgerlichen Lebens verschafft. Döring kreiert ein insgesamt solides Theatererlebnis, dem es jedoch teilweise an Tiefe fehlt. Die Zeichnung der Figuren bleibt oft oberflächlich und bietet dem Zuschauer wenig echte Anteilnahme am Schicksal der Charaktere. Das Spiel der Schauspieler ist ebenfalls durchweg solide, geht jedoch selten darüber hinaus. Verwirrend ist zudem die Besetzung einiger Akteure für gleich mehrere Rollen. Nichtsdestotrotz erreicht Dörings Inszenierung ein Maß der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, dass der Vorlage Arthur Millers durchaus gerecht wird.
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TERMINE IM MÄRZ: 03.03., 08.03., 09.02. & 19.03.
„Macbeth“ im Deutschen Theater Göttingen
* REZENSIERT VON MALTE SCHILLER richtig Spaß. Die Geschichte allerdings bekommt keinen eigenen Schliff. Das versprochene „Psychogramm eines Paares“ bleibt aus. Gerade die Szenen des Dialogs zwischen Macbeth (Alois Reinhardt) und seiner Lady (Katharina Heyer) versacken zu oft in Wahnsinnsepilepsie und katatonem Schielen. Dafür darf sich der Zuschauer über vielerlei kleine schelmische Slapstick-Einlagen à la Shakespeare freuen, die das Psychodrama des Königspaares immer wieder durchbrechen. Der Kern des Stückes bleibt aber ein wenig vernachlässigt. Eine Albtraumgarantie für alle Machtfixierten und Geltungssüchtigen bietet dieser Theaterabend leider nicht.
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TERMINE IM MÄRZ: 03.03., 08.03., 11.03. & 15.03. TagesSatz
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ZWISCHEN DEN ZE I L E N
Kommunalpolitik – das stille Sterben Das Finanzloch der Kommunen hat einen Rekordwert erreicht. Experten sprechen vom höchsten Defizit in der Geschichte unseres Landes. Was das für das Leben in den Kommunen bedeutet und inwieweit die Kommunalpolitik daran etwas ändern kann – damit befassen sich die Buchvorstellungen dieses Monats.
* DANIELE PALU Nichts wie weg
Do-it-yourself
Yes, we can
Nein, so hatte sich Axel Brüggemann das nicht vorgestellt, als er von Berlin zurück in sein norddeutsches Heimatdorf zog. Er hatte mit einer intakten Nachbarschaft und einem ruhigen Leben im Einklang mit der Natur gerechnet. Stattdessen schließen reihenweise Schulen und Betriebe, und junge Menschen fliehen in die Städte. Entsprechend ernüchternd fällt sein Zwischenfazit aus: „Die deutsche Provinz muss sich zu Tode sparen, um zu überleben.“ Brüggemanns Betrachtungen gipfeln im letzten Kapitel: „Das stille Sterben – Warum die Provinz am Ende und nicht einmal der Tod mehr heilig ist“. Darin erzählt er von den über 20.000 Bauern in Deutschland, denen jedes Jahr der Bankrott droht. Wir erfahren, dass Suizid auf dem Lande gerade unter Bauern weit verbreitet ist. „Der stolze eigenbrötlerische Landwirt, der an der globalisierten Agrarpolitik scheitert und sich das Leben nimmt, ist kein Klischee aus einem ‚Tatort’, sondern bundesdeutsche Realität.“ Ist die Provinz also völlig am Ende? Vielen entmutigenden Anmerkungen lässt der Autor liebevolle Anekdoten folgen. Denn Brüggemann ist überzeugt: Das Leben auf dem Land ist lebenswert – trotz allem! Ein schonungsloser und höchst unterhaltsamer Blick in die deutsche Provinz. Das Buch kommt am 11. März in die Buchläden.
Mit dem kommunalen Haushalt werden zentrale Weichen für die Entwicklung vor Ort festgelegt. Hier entscheidet sich, welche Spielräume kommunalen Entscheidungsträgern während eines Jahres verbleiben und in welche Richtung sich die Kommune entwickelt. Die schlichte Masse der Haushaltsentwürfe droht aber bereits viel kommunalpolitisches Engagement zu zerschlagen. Neben der Fülle an Informationen sind die Angaben oft nicht transparent und für ehrenamtliche Kommunalpolitiker nicht nachvollziehbar. Gerade aber weil sich fortschrittliche Politik häufig dem Vorwurf fehlender Finanzierung ausgesetzt sieht, sollte das lokale Haushaltsrecht beherrscht werden. Mit diesem Buch aus der Reihe „Crashkurs Kommune“ wird anschaulich dargestellt, welche Haushaltsmodelle in den Bundesländern Anwendung finden und wie man am besten die Spielräume für eine andere Politik in den Haushaltsberatungen ausschöpft.
Sie wollen bauen? Heiraten? Haben ein Knöllchen bekommen? Der Personalausweis wurde geklaut? Egal, was Ihnen täglich widerfährt – in so ziemlich jeder Lebenslage kommen Sie mit der Kommune in Kontakt. „Wenn Kommunen so wichtig sind, warum ist dann aber das Interesse der Bürger an der Kommunalpolitik so gering“, fragen die Autoren dieses kleinen Bandes in zahlreichen kurzen Beiträgen. Eine Antwort könnte lauten: Wozu engagieren, wenn man doch nichts entscheiden kann, wenn fast alles durch Recht festgelegt ist? Hinzu kommt, dass die Kommunen finanziell schlecht ausgestattet sind. Die Autoren zeigen – aller Einwände zum Trotz – wie spannend Kommunalpolitik sein kann und wie vielseitig die Handlungsmöglichkeiten. Ein faktenreiches Handbuch, das die zahlreichen Aspekte des Themas aufgreift.
Michael Faber: Kein Buch mit sieben Siegeln. VSA, 7,50 Euro. Taschenbuch, 102 Seiten
Stefan Schieren (Hg.): Probleme und Potentiale der „Wiege der Demokratie“. Wochenschauverlag, 9,80 Euro. Taschenbuch, 160 Seiten
Axel Brüggemann: Landfrust. Rowohlt, 14,95 Euro. Gebunden, 272 Seiten
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I N D E R N A H AUFNAHME Diesen Monat präsentieren wir Vincent Cassel im Doppelpack – im mit Lorbeeren überhäuften „Black Swan“ und in einer seiner besten Rollen in unserem Thementipp „Hass“. Für leichte Unterhaltung sorgt (wieder) Til Schweiger.
DVD-Tipp
Filmagenturen
* CLIFFORD SPENCER
Black Swan
Kokowääh
Hass
R.: Darren Aronofsky USA 2010, FSK 16
R.: Til Schweiger D 2011, FSK 6
R.: Mathieu Kassowitz F 1995, FSK 12
Nina (Natalie Portman) erhält die Chance, die Hauptrolle in einer Neuinterpretation des Schwanensees zu spielen. Der Regisseur Leroy (�Vincent Cassel) ist beeindruckt von ihrem Perfektionismus, aber er braucht mehr: Leidenschaft. Die hat die neue Ballerina Lily (Mila Kunis) im Überfluss. Nina steigert sich in ein Konkurrenzdenken hinein und droht am Lesitungsdruck zu zerbrechen. „Black Swan“ tarnt sich anfangs als Charakterstudie einer zerrissenen Persönlichkeit. Zusammen mit der Entwicklung seiner Hauptfigur wandelt sich der Film immer mehr zu einem Psychound Horrorschocker, inklusive Anleihen an Genregrößen wie Hitchcocks „Psycho“ oder Cronenbergs „Die Fliege“. An Einfühlungsvermögen mangelt es „Black Swan“ trotzdem nicht. Das liegt einerseits an Natalie Portman, die hier die beste Darstellung ihrer beachtlichen Karriere abliefert, aber auch an der eindringlichen Inzenierung Aronofskys. Die ausgefeilte Handkamera zwingt den Zuschauer aus seiner Komfortzone für verstörend intensiven Horror. Wen das nicht abschreckt, sollte „Black Swan“ auf keinen Fall verpassen.
Henry (Til Schweiger) ist ein erfolgreicher Schwerenöter, aber ein erfolgloser Drehbuchautor. Ärgerlich, dass seine Ex Katharina (Jasmin Gerat) durch eine seiner Ideen steinreich geworden ist. Als ihr Bestseller verfilmt werden soll, wendet sie sich an ihn – eine riesige Chance, würde da nicht plötzlich die kleine Magdalena (Emma Schweiger) vor der Tür stehen. Sie ist das Ergebnis eines Seitensprungs vor acht Jahren und muss vorübergehend in seine Obhut. Henry hat weder Lust noch die Erfahrung, plötzlich den Vater zu spielen. Die Geschichte vom überzeugten Single, der sich plötzlich mit wahrer Liebe und Verantwortung auseinandersetzen muss, kennt man zur Genüge. „Kokowääh“ glänzt aber in den vielen zwischenmenschlichen Momenten zwischen Schweiger und seiner herrlich frechen Tochter. Auch das komödiantische Timing sitzt perfekt. Schade nur, dass der halbe Film in seichter Popmusik ertränkt wird und in eine Kitschorgie mündet. „Kokowääh“ ist wie eine Überdosis Zuckerwatte: Von dem süßlich-klebrigen Zeugs wird einem gelegentlich schlecht, aber man genießt es irgendwie trotzdem.
Die Jugendlichen in einem Pariser Vorort fühlen sich im Stich gelassen. Ein Plattenbau reiht sich an den nächsten, Arbeitslosigkeit und Enttäuschung sind hoch. Sie werden von einer völlig überforderten Polizei tyrannisiert. Es kommt zu Krawallen, als ein junger Araber durch Polizeigewalt in Lebensgefahr schwebt. Er ist ein Freund von Said (Said Taghmaoui), Vinz (Vincent Cassel) und Hubert (Hubert Koundé). Vinz hat den verlorenen Revolver eines Polizisten gefunden und will Vergeltung, falls sein Freund die Nacht nicht überlebt. „Hass“ beobachtet die Drei über knapp 24 Stunden und ist dabei absolut schonungslos. Sie werden nicht zu Ghettohelden stilisiert, sondern werden als Produkt und Opfer ihrer Umgebung gezeigt. Selten war ein Milieudrama so realitätsnah, was vor allem seinen natürlich aufspielenden Hauptdarstellern zu verdanken ist. Zu Recht folgten daraus internationale Karrieren, insbesondere für Vincent Cassel. „Hass“ zeigt was passiert, wenn soziale Miseren jahrelang ignoriert werden und eine fehlgeleitete Politik stigmatisiert statt zu helfen.
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DAS LE T Z T E
DER TiCKER NACHRICHTEN AUF DEN LETZTEN DRÜCKER Impressum Tour d‘Energie auch für Kinder GÖTTINGEN – Die „Tour d‘Energie von den Terassen“ wird in diesem Jahr, neben der Tour für Erwachsene, das erste Mal ein Radrennen für Kinder veranstalten. Taggi-Tour nennt sich die Veranstaltung. Auf einem 2,5 Kilometer langen Rundkurs dürfen die sechs- bis elfjährigen Nachwuchsfahrer gegeneinander antreten. Bei der Mini-Taggi-Tour können sich sogar die drei- bis fünjährigen auf hundert Meter messen. Die Tour d‘Energie findet zum siebten Mal statt. Die Teilnahme steht für jeden offen. (jag)
Mehrgenerationenhaus vorerst gerettet GÖTTINGEN – Das Mehrgenerationenhaus in Adelebsen wird bis Ende 2012 bestehen bleiben. Die Finanzierung der Einrichtung war fragwürdig geworden, da ein Förderprogramm des Bundes ausgelaufen war. Nun erhält das Projekt Gelder aus dem Europäischen Sozialfond. 2011 ist die Förderung bereits bewilligt. Für das nächste Jahr muss noch ein Folgeantrag gestellt werden. (jag)
Tausende sind trotz Arbeit arm Kassel/Berlin – Der deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schlägt Alarm: Trotz Vollzeitstellen rutschen immer mehr Beschäftigte in die Armut. Grund ist die zunehmende Zahl von Zeitarbeitern, die im Schnitt nur
vierzig bis fünfzig Prozent dessen verdienen, was fest Beschäftigte für genau dieselbe Arbeit bekommen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der DGB jetzt vorgelegte. Mit ihr soll der Druck auf die Bundesregierung erhöht werden, im Rahmen der Verhandlungen zu den Hartz-IV-Regelsätzen auch Zugeständnisse beim Thema Zeitarbeit zu machen. Denn während DGB, SPD und Grüne „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ bereits nach vier Wochen im selben Betrieb fordern, will die FDP eine finanzielle Gleichbehandlung erst nach neun Monaten. Viel zu lange, meinen Kritiker unter Hinweis auf Verweilzeiten von wenigen Wochen oder Monaten im selben Unternehmen. Laut DGB-Studie verdienen nur knapp zwanzig Prozent der Zeitarbeiter mehr als 2.000 Euro. Festangestellte schafften dies in siebzig Prozent der Fälle. Im Schnitt lag das Bruttoarbeitsentgelt von Leiharbeitern 2009 bei 1.456 Euro. Das mittlere Einkommen von Stammarbeitern hingegen betrug 2.805 Euro. Knapp zen Prozent verdienten um die 1.000 Euro brutto, bei vierzig Prozent pendelte sich der Lohn zwischen 1.000 bis 1.400 Euro ein. Die Folge: 92.000 der 793.000 Zeitarbeiter mussten im vergangenen Jahr trotz Vollzeitstelle Hartz IV in Anspruch nehmen. (hw)
Gesucht & gefunden Unsere Verkäuferin Regine in Kassel sucht eine 1-Zimmer-Wohnung in Kassel-Stadt. Die Miete kann bis 230 Euro warm betragen. Wer von solch einer Wohnung weiß oder selbst eine vermietet, kann uns gerne unter 0561/8615818 anrufen oder eine E-Mail an kassel@tagessatz.de schreiben. Wir leiten die Nachricht dann an Regine weiter.
Tatjana Pfennig
Nächstes Mal APRIL-Ausgabe 2011
Die April-Ausgabe des TagesSatz steht unter dem Arbeitstitel „Körperkultur“. Selbstverständlich gehören Tätowierungen dazu, aber auch mit einem alternativen Sportverein werden uns beschäftigen. Zum Kaffeeklatsch eingeladen haben wir dieses Mal Aygül Özkan – Niedersachsens Sozialministerin und zugleich erste türkischstämmige Ministerin Deutschlands. Und natürlich noch vieles mehr…
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TagesSatz, das Straßenmagazin Herausgeber: TagesSatz e.V. 1. Vorsitzender: Hans Peter Pung Adresse der Redaktion Kassel: Westring 69, 34127 Kassel Telefon: 0561 / 861 58 43 Fax: 0561 / 861 58 61 E-Mail: kassel@tagessatz.de Mo, Di, Do: 10-12 Uhr Mi & Fr: 17-19 Uhr Adresse der Redaktion Göttingen: Obere Karspüle 18, 37073 Gö. Telefon: 0551 / 531 14 62 E-Mail: goettingen@tagessatz.de Mo, Di, Do, Fr: 10-13 Uhr Mi: 14-16 Uhr Homepage: www.tagessatz.de Bankverbindung: Kasseler Sparkasse Kto.: 11 833 79 Blz.: 520 503 53 Sparkasse Göttingen Kto.: 505 815 11 Blz.: 260 500 01 Redaktionsleitung: Jörg Sanders, Christopher Piltz (GÖ), Harald Wörner (KS) Pressesprecher: Malte Schiller Vertriebsleitung: Kassel: Christian Piontek Tel.: 0561 / 861 58 18 Göttingen: Juliane Michael Tel./Fax: 0551 / 531 14 62 Anzeigenleitung: Ronald Naumann Tel.: 05605 / 911 88 E-Mail: rr.naumann@web.de Redaktion Kassel: Stefan Giebel, Trudi Kindl, Stephanie Kommor, Fritz Krogmann, Bianca Kuchenbrod, Nora Mey, Hans Peter Pung Kultur KS: Fritz Krogmann Redaktion Göttingen: Werner Koßmann, Katharina Kretschmer, Khoa Ly, Jörg „Yogi“ Müller, Daniele Palu, Jörg Sanders, Malte Schiller, Julia Schoenen, Clifford Spencer, Wibke Steinkrauss, Melanie Swiatloch, Andrea Tiedemann News GÖ: Jascha Grewe (jag) Illustration GÖ: Pilar Garcia Fotografie: Detlef „Rocky“ Bernhard, Khoa Ly, Jörg „Yogi“ Müller, Andrea Tiedemann, photocase.com u.a. Umschlag: Christopher Piltz Layout: Dirk Mederer PLAZEBO Werbeagentur für Gesundheit, Kultur & Soziales E-Mail: info@plazebo.net www.plazebo.net Druck: COLOR-Druck GmbH ViSdP: Jörg Sander, Christopher Piltz TagesSatz erscheint zwölfmal im Jahr im Straßenverkauf in Kassel und Göttingen. Auflage dieser Ausgabe: 2.500
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe in gekürzter Version zu veröffentlichen. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.
Verkaufspreis: 2,00 EUR, davon geht 1,00 EUR direkt an den Verkäufer.
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W O H I N , W E NN Allgemeine Hilfen
EssenSAUSGABEN
Göttingen
Göttingen
Caritasverband Göttingen Allgemeine Lebens- und Sozialberatungsstelle Godehardstr. 18 37081 Göttingen 0551/999590
Die Göttinger Tafel Jakobikirchhof 1 37073 Göttingen Tel. 0551–51030
Opferhilfebüro Göttingen für Opfer von Straftaten Maschmühlenweg 11(Landger.) 37073 Göttingen 0551/5213883 Weißer Ring e.V. Hilfen für Opfer von Straftaten Ansprechpartner: Herr Bayer 0551/6338876 Sozialdienst für Migranten, RABaZ-Beratungs- & Vermittlungsstelle für ausländische Jugendliche Karspüle 16 37073 Göttingen 0551/57739 BONUS Freiwilligenzentrum Godehardstr. 18 37081 Göttingen 0551/9995917 Neue Arbeit Brockensammlung Levinstr.1 37079 Göttingen 0551/5067320 Pro Familia Rote Str.19 37073 Göttingen 0551/58627 Selbsthilfe Körperbehinderte Prinzenstr. 19 37073 Göttingen 0551/54733-0 Selbsthilfegruppe für Mobbing-geschädigte – Rainer Beutler 05602/1860 BürgerInnenberatung Stadt Göttingen Hiroshimaplatz 2 37083 Göttingen Kassel Kasseler Hilfe Opfer- und Zeugenhilfe e.V. Wilhelmshöher Allee 101 34121 Kassel 0561/282070 Weißer Ring e.V. Hilfen für Opfer von Straftaten Ansprechpartner: Hr. Holler 0561/6029458 Pro Familia Kassel Frankfurter Straße 133 a 34121 Kassel 0561/27413 Außenstelle Witzenhausen (Rathaus/EG/Raum 10) Am Mart 1/ Witzenhausen Arbeitslosenhilfe Göttingen Arbeiterwohlfahrt Hospitalstr. 10 37073 Göttingen 0551/50091-0 Mensch & Arbeit - Beratungsstelle für Arbeitnehmer und Arbeitslose Kurze Str. 13a 37073 Göttingen 0551/43373 Verein zur Erschließung neuer Beschäftigungsformen e.V. Lange Geismarstr. 2 37073 Göttingen 0551/485622 Kassel Beratungsstelle für Arbeitslose des DGB Kreis Kassel Spohrstraße 6-8 34117 Kassel 0561/7209536
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Mittagstisch St. Michael Turmstr. 5 37073 Göttingen 0551/5479540 Straßensozialarbeit Rosdorfer Weg 17 37073 Göttingen 0551/517980 Kassel Kasseler Tafel Holländische Straße 141 34127 Kassel 0561/23003 Suppentopf der Heilsarmee jeden Montag von 14-15 Uhr Martinsplatz Gesegnete Mahlzeit Diakonisches Werk Kassel Hermannstraße 6 34117 Kassel weitere Ausgabestellen: Neue Brüderkirche, Johanneskirche, Auferstehungskirche
Kassel Fahrende Ärzte Dr. Giesler/Dr. Moog Mo 14-15.30 Uhr auf dem Martinsplatz Do 20-24 Uhr in der Gießbergstraße
Deutsches Rotes Kreuz Zollstock 17 37081 Göttingen 0551/5096322 Ausgabe: Mo & Do 8.30-11 Uhr jeden 3. Mi im Monat 16-18 Uhr Kassel
Kabera e.V. Beratung bei Essstörungen Kurt - Schumacher Straße 2 34117 Kassel 0561/780505
Diakonisches Werk Kassel Sprungbrett & Sprungbrett spezial Steinweg 5 34117 Kassel 0561/572090
Gesundheitsamt Region Kassel Wilhelmshöher Allee 19-21 34117 Kassel 0561/10031920
Deutsches Rotes Kreuz Königstor 24 34117 Kassel 0561/7290441
Haftentlassene
Lebenskrisen
Göttingen
Telefonseelsorge für Jugendliche 0800/1110333
Anlaufstelle – Kontakt in Krisen e.V. Rosmarinweg 24 37081 Göttingen 0551/632977 Kassel Beratungsstelle für Haftentlassene Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/787-5061 oder 0561/70738-00
Göttingen Telefonseelsorge 0800/1110111 & 0800/1110222 Kassel Telefonseelsorge 0800/1110111 PSKB Stadt & Landkreis Kassel 0561/1003-0 & 0561/787-5361
Hilfe & Selbsthilfe bei AIDS
Notschlafstellen
Frauen in Not
Göttingen
Göttingen
Göttingen
Göttinger AIDS-Hilfe Obere Karspüle 14 37073 Göttingen 0551/43735 werktags: 10-13 Uhr Beratung: 0551/19411
Heilsarmee Untere Maschstr. 13b 37073 Göttingen 0551/42484
AIDS-Beratungsstelle Theaterplatz 4 37073 Göttingen 0551/4004831
Soziale Hilfe e.V. / Panama (für alleinstehende Wohnungslose) Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/70738-00
KORE e.V. - Sozialberat. f. Frauen Papendieck 24-26 (Hinterhof, EG) 37073 Göttingen 0551/57453 Frauen-Notruf e.V. Postfach 18 25 37008 Göttingen 0551/44684 Frauenhaus e.V. Göttingen Postfach1911 37009 Göttingen 0551/5211800 Kassel Übergangseinrichtung für wohnungslose Frauen Am Donarbrunnen 32 34132 Kassel 0561/43113 Karla 3 Aufenthalt und Beratung für wohnungslose Frauen Karlsplatz 3 34117 Kassel 0561/15532 Autonomes Frauenhaus 0561/898889 Frauen in Not 0561/9892929 Notruf für vergewaltigte Frauen Frauen gegen Vergewaltigung e.V. 0561/772244 Frauen informieren Frauen e.V. Beratung bei häuslicher Gewalt Westring 67 34127 Kassel 0561/ 89 31 36 Gesundheit Göttingen
Kassel Aids-Hilfe Kassel Motzstraße 1 34117 Kassel 0561/97975910
Café Nautilus (für Drogenabhängige) Erzberger Straße 45 34117 Kassel 0561/12115
Stadt Kassel – Gesundheitsamt AIDS-Beratungsstelle Obere Königsstraße 3 34117 Kassel 0561/787–5380
Rechtsberatung & Hilfe
Kinder & Jugendliche in Not Göttingen Deutscher Kinderschutzbund Nikolaistraße 11 37073 Göttingen 0551/7709844
Kassel Schuldnerberatung Gottschalkstraße 51 34127 Kassel 0561/893099 Verbraucherzentrale Hessen e.V. Bahnhofsplatz 1 34117 Kassel 0561/772934 Göttingen
Omnibus - Beratungsstelle für Jugendliche & junge Erwachsene Goßlarstr. 23 37073 Göttingen 0551/392690
AWO Schulden- & Insolvenzberatung, Kreisverband Göttingen e.V. Hospitalstraße 10 37073 Göttingen 0551/50091-0
Kassel
Verbraucherzentrale Niedersachen Papendiek 24 37073 Göttingen 0551/57094
Deutscher Kinderschutzbund Siemensstraße 1 34127 Kassel 0561/899852 Verein zur Förderung der Erziehungshilfen in Nordhessen e.V. Wilhelmshöher Allee 32a 0561/78449-0
Gesundheitsamt Sozialpsychiatrischer Dienst Am Reinsgraben 1 37085 Göttingen 0551/4004802
Stadt Kassel Sozialer Dienst des Jugendamtes Friedrich-Ebert-Straße 1 34117 Kassel 0561/787–5301
Frauengesundheitszentrum Göttingen e.V. Groner Straße 32/33 37073 Göttingen 0551/484530
Kleiderkammern
Gesundheitszentrum Albanikirchhof 4-5 37073 Göttingen 0551/486766
Kassel
Göttingen Ev.-ref. Gemeinde – Kleiderkammer Untere Karspüle 11 37073 Göttingen Kleiderladen Ausgabe: Do 9-12 Uhr 0551/5473717
Suchtberatung: Alkohol Kassel Anonyme Alkoholiker 0561/5108806 Blaues Kreuz Kassel Landgraf-Karl-Straße 22 34131 Kassel 0561/93545-0 Suchtberatung Diakonisches Werk Goethestraße 96 34119 Kassel 0561/938950 Suchtberatung: Drogen Göttingen DROBZ (Drogenberatungszentrum) Mauerstr.2 37073 Göttingen 0551/45033
Beratungsstelle für Suchtkranke – Diakonieverband Schillerstr 21 37083 Göttingen 0551/72051 Kassel Drogenhilfe Nordhessen e.V. Schillerstraße 2 34117 Kassel 0561/103641 Kontaktladen „Nautilus“ Erzberger Straße 45 34117 Kassel 0561/12115 SAM – Substitutionsfachambulanz Wilhelmshöher Allee 124 34119 Kassel 0561/711813 SAM 2 – Substitutionsfachambulanz Schillerstraße 2 34117 Kassel 0561/103878 WohnungslosenHilfe Göttingen Ambulante Hilfe für alleinstehende Wohnungslose Wiesenstr. 7 37073 Göttingen 0551/42300 Diakonische Heime in Kästorf e.V. – Außenstelle Göttingen Wienstraße 4f 37079 Göttingen 0551/5053302 Straßensozialarbeit (Kleiderkammer) Rosdorfer Weg 17 37073 Göttingen 0551/517980 Bahnhofsmission Bahnhof, Gleis 4-5 37073 Göttingen 0551/56190 Hann. Münden Ambulante Hilfe für alleinstehende Wohnungslose Lange Str. 35 34346 Hann. Münden 05541/71034 / Fax: 05541/903210 Kassel Die Heilsarmee / Sozial Center Ks Eisenacher Straße 18 34123 Kassel 0561/570359-0 Beratungsstelle für Nichtsesshafte Sozialamt der Stadt Kassel Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/787-5061 Beratungsstelle für alleinstehende Wohnungslose – Soziale Hilfe e.V. Kölnische Straße 35 34117 Kassel 0561/70738–00 Betreutes Wohnen Diakonisches Werk Kassel Hermannstr. 6 34117 Kassel 0561/7128829 Wohnungsprobleme Kassel Zentrale Fachstelle Wohnen Wohnungsamt (Rathaus) Obere Königsstraße 8 34112 Kassel 0561/787-6252 oder -6255 Deutscher Mieterbund Mieterverein Kassel u. U. e.V. Königsplatz 59 34117 Kassel 0561/103861 Wenn Ihre Einrichtung hier nicht enthalten, oder wir eine Korrektur durchführen sollen, schicken Sie bitte eine E-Mail mit den Daten an goettingen@ tagessatz.de!
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