politikorange Klimaspiele

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KLIMASPIELE JUNI 2016

UNABHÄNGIGES MAGAZIN ZUM BDEW KONGRESS 2016 HERAUSGEGEBEN VON DER JUGENDPRESSE DEUTSCHLAND E.V.


Foto, Titelfoto: Johannes Kolb

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DIE WELT NACH PARIS

EDI TOR I A L Liebe Leserinnen und Leser,

IM VERGANGENEN DEZEMBER HAT SICH DIE WELT EIN NEUES WELTKLIMAABKOMMEN GEGEBEN. JETZT MUSS DEUTSCHLAND DRINGEND SEINE WIRTSCHAFT KLIMAFREUNDLICH GESTALTEN – SONST GEHT DIE KLIMAPOLITISCHE GLAUBWÜRDIGKEIT DER BUNDESREGIERUNG FLÖTEN. VON FLANDRA JAKUPI

VERSCHÄRFUNG DER KLIMAZIELE: IN PARIS WURDE EIN 1,5 GRAD ZIEL GESETZT

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ir haben heute alle zusammen Ge- Viele UN-Staaten haben wie vom UNschichte geschrieben“, sagte Bun- Klimasekretariat eingefordert vor dem desumweltministerin Barbara Hendricks Weltklimagipfel in Paris ihre geplanten (SPD), als der neue Weltklimavertrag im Klimaschutz-Beiträge eingereicht. Diese vergangenen Dezember in Paris nach jah- Klimaziele sollen das Klimaabkommen relanger diplomatischer Arbeit endlich sozusagen mit Leben füllen. Das Klimafertig wurde. UN-Generalsekretär Ban Ki sekretariat, aber auch Institute wie das Moon nannte das sogar einen „monu- Grantham Institute for Climate Change mentalen Erfolg für die Völker des Pla- am Imperial College London, haben alneten“. Politik und Umweltverbände ha- lerdings schon festgestellt, dass die Vorben mehrheitlich das Pariser Abkommen haben nicht ausreichen werden, um das als einen Durchbruch für die Klimapolitik Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen. eingestuft. Um den Fortschritt der genannten Aber was steht drin? Die Welt- Ziele beim Klimaschutz feststellen zu gemeinschaft möchte die Erwärmung können wird alle fünf Jahre eine Über„deutlich unter zwei Grad“ halten. Es soll prüfung stattfinden – und auch eine Ansogar versucht werden, die Erhöhung der passung, um die Ambitionen zu steigern. bodennahen Temperatur auf 1,5 Grad zu „Die Berichterstattung zu Emissionsminbegrenzen. Den Höhepunkt der weltwei- derungen soll an den wissenschaftlichen ten Kohlendioxid-Emissionen will man Standards des Weltklimarats ausgerichtet so schnell wie möglich erreichen, heißt werden. So kann überprüft werden, ines im Vertrag. In der zweiten Hälfte des wieweit Länder ihre zugesagten VerpflichJahrhunderts soll ein „Gleichgewicht tungen einhalten. Diese Regeln müssen zwischen Emissionen und Senken“ er- nun ausdifferenziert werden“, schlägt der reicht werden, also zwischen dem Aus- WWF vor. stoß von Treibhausgasen und deren AbKritiker und Kritikerinnen bewerten sorption. Kohlendioxid binden können das Fehlen eines rechtlichen Instruments beispielsweise Meere und Wälder, aber zur Durchsetzung der Ziele als einen großauch technische Mittel wie Carbon Cap- en Schwachpunkt der Verhandlungen. Ein ture and Storage oder Climate Engenee- Abkommen müsse eher gemeinschaftlich ring. Die Formulierung lässt Spielräume, als durch Strafen erreicht werden – wenn weiterhin durch die Verbrennung Kohle, es überhaupt zustande kommen soll, sagt Öl und Gas auszustoßen - man müsste UN-Klimachefin Christina Figueres. Allersie nur neutralisieren. Allerdings: Zu dings gibt es nun keine Strafe für Länder, Ende entwickelt sind die Technologien die ihre im Klimavertrag genannten Klizur Kohlendioxid-Bindung noch nicht. maziele nicht einhalten.

Foto: Johannes Kolb

Das sollte Deutschland allerdings nicht aufhalten, seine Wirtschaft zu dekarbonisieren. Vielleicht droht ansonsten keine Strafe – allerdings der Verlust der Glaubwürdigkeit. Schließlich hat Deutschland in Paris massiv dazu beigetragen, dass das 1,5-Grad-Ziel überhaupt im Abkommen erwähnt wird. Damit sind alle Sektoren in der Pflicht, zum Beispiel der Verkehr, die Landwirtschaft, die Wärme – und natürlich auch der Strom.

sie ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit: die Energiewende. Und nur schwer kann man sich dem Eindruck verwehren, dass es auch eine der größten Herausforderungen ist, die es zu lösen gilt. Ob es gelingen wird? Es ist unmöglich, diese Frage zu beantworten: Schließlich muss neben dem Aufbau einer modernen, klimafreundlichen Energiewirtschaft auch die alte, konventionelle Stromproduktion abgewickelt werden. Unser Team aus 14 jungen Medienschaffenden aus ganz Deutschland hatte vier Tage Zeit, sich mit der Energiewende und ihren Folgen auseinanderzusetzen, sich auf dem Kongress des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft mit Experten und Expertinnen auszutauschen und schließlich Worte zu finden, um ihre Geschichten entstehen zu lassen – und das alles in einer gläsernen Redaktion mitten im Trubel des Kongresses eines des größten Interessenverbände Deutschlands. Es ist der Nachwuchsredaktion gut gelungen, die 16 Seiten der politikorange zu füllen und dem großen Thema einen eigenen Anstrich zu geben. Denn eines ist klar: Das Thema wird sich nicht so schnell wieder von der politischen Agenda streichen lassen und dazu braucht es Menschen, die sich mit dem Thema auskennen. Das Ergebnis dieser Arbeit ist nicht nur diese nun vorliegende Zeitung, sondern auch 14 neue Expertinnen und Erperten – vielleicht die neuen Energiejournalisten und -journalistinnen von morgen?

Nora Jakob und Susanne Schwarz (Chefredaktion)

I NHA LT

»Blackout« Versorgungsengpässe durch Kohleausstieg? Seite 5

»Fahrplan« Interview mit Patrick Graicher von „Angora Energiewende“. Seite 6

»Elektroautos« Flandra Jakupi 24, Gütersloh

Das Elektrofahrzeug als „rollender Speicher“ in Zeiten überlasteter Netze. Seite 12

… findet, dass die Umsetzung nur im gemeinsamen und vernünftigen Handeln gelingen kann.

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VON BIG PLAYERN UND UMBRÜCHEN

EIN KLASSISCHER KONZERN IN DER ENERGIEWIRTSCHAFT IST MÖGLICHST GROSS, MÖGLICHST ZENTRAL UND MACHT MÖGLICHST VIEL PROFIT. ABER FUNKTIONIERT DAS NOCH IN EINER BRANCHE, IN DER SICH IMMER DEUTLICHER EIN WANDEL ABZEICHNET? SOPHIE GODDING WIRFT EINEN BLICK AUF DIE STROMKONZERNE DER ZUKUNFT.

Foto: Anna Rakhmanko

UMBRUCHSSTIMMUNG: DIE ENERGIEWENDE ZWINGT UNTERNEHMEN ZUR UMSTRUKTURIERUNG.

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ekarbonisierung, Dezentralisie- integrieren. rung, Digitalisierung – das sind „EIN BUNTER ENERGIEMARKT“ drei zentrale Aspekte, die den Wandel der Energiebranche vom Erzeugenden bis zum Verbrauchenden betreffen Die Marktstruktur hat sich verändert. und vorantreiben sollen. Aspekte, die Investoren sind viel heterogener als früvor allem aber auch die klassischen her und so scheint ein breitgefächertes Großkonzerne vor schwierige Entschei- Geschäftsmodell, das von allem - über dungen stellen. Braunkohle bis Atomkraft - etwas zu bieten hatte, nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr müssen Unternehmen auf klare Profile „KEINE KOHLE FÜR KOHLE“ setzen, um unterschiedliche Unterstützer Mit den Beschlüssen des Erneuerbare- zu überzeugen. Eon hat bereits reagiert Energien-Gesetz (EEG) und der Kli- und sein Unternehmen gespalten. Ab somakonferenz in Paris steht es fest: fort ist Eon für erneuerbare Energien und Erneuerbare Energien werden die kon- Atomkraft zuständig, sein Ableger „Univentionellen nach und nach ablösen. per“ für die konventionelle Stromerzeu2050 sollen 80 Prozent unseres Stroms gung. RWE hat die Erneuerbaren in ein aus regenerativen Energiequellen stam- Tochterunternehmen ausgelagert. men. Das hat die Bundesregierung Unterschiedliche Schwerpunkte beschon 2011 formuliert. Was sich daraus deuten unterschiedliche Märkte mit andefür die ableitet, deren Hauptgeschäft ren Akteure und Akteurinnen, Strategien bisher bei konventionellen Energie- und Zielen. Durch die Spaltung können trägern lag, ist klar: Geschäftsmodelle Konzepte erarbeitet werden, die auf diese müssen an neue Vorgaben angepasst, Unterschiede zugeschnitten sind. KomKonzerne umstrukturiert werden. petenzen, wie Kraftwerke betrieben werDoch wie leicht ist dieser Umstieg? den, haben die Großkonzerne über Jahre Konventionelle Energien versprachen gesammelt. Jetzt gilt es, diese Erfahrung bisher stabile und hohe Gewinnsum- in neue Modelle und Geschäftsstrukturen men und bildeten damit das Standbein umzusetzen. großer Energiekonzerne. Während viele Komplett verschwinden die konvenStadtwerke und junge, kleinere Unter- tionellen Energien aber erst einmal nicht. nehmen den Trend „Erneuerbaren En- Noch sollen sie in hochflexiblen Kraftergien“ aufgriffen, kam die Umstellung werken genutzt werden, die im Standfür die „Big Player“ bislang nur in Frage, by-Modus Engpässe in der regenerativen wenn die Konkurrenz mitzog. Mit dem Stromversorgung überbrücken sollen. neuen EEG haben die Konzerne nun Hier herrscht Innovationsbedarf: Einmal nicht mehr die Wahl: Wenn sie zukünf- ausgeschaltet, brauchen sie je nach Typ tig auf dem Energiemarkt mitmischen mehrere Stunden, um wieder vollständig wollen, müssen sie die Erneuerbaren hochzufahren.

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SMARTE NUTZENDE, SMARTE UNTERNEHMEN? Früher gab es große, zentrale Energieriesen. Heute sollen Stromversorger kleiner, dezentraler und flexibler werden. Stichwort ist hier auch die „Bürgerenergie“: Nahezu jeder kann mit privaten Photovoltaikanlagen eigenen Strom erzeugen und einspeisen. Die Kundschaft ist vom passiven „Consumer“ zum „Prosumer“ geworden, zum aktiven Spielenden auf dem Energiemarkt. „Das klassische Verständnis einer Erzeugungssituation und des Stromabnehmers gibt es so nicht mehr. Es geht vielmehr um Interaktion und Vernetzung von verschiedenen Erzeugern.“, so BDEW-Geschäftsführer Stefan Kapferer. Die neue Generation der Stromkundschaft ist anders als ihre Vorgänger: Statt bei einem der klassischen Großkonzerne einen Vertrag abzuschließen, wünscht sich der moderne Stromabnehmende Flexibilität. Er vergleicht und hinterfragt: Wo bekomme ich den günstigsten Strom, gleichzeitig aber auch den zuverlässigsten? Wo und wie wurde mein Strom erzeugt? Eigenständigkeit steht hoch im Kurs. Die Fokussierung auf Stromerzeugung und Vertrieb wird den Großkonzernen zum Überleben nicht mehr reichen. Was tun? Die Revolution der Erzeuger-Verbraucherverhältnisse wird vor allem auch durch die Digitalisierung vorangetrieben. Intelligente, interaktive Technologien und smarte Geräte halten Einzug

in die Energiebranche. Kundschaft und Energiemarkt sollen damit permanent analysiert werden um flexible, individuelle und effiziente Angebote erstellen zu können. Hier ergibt sich eine Chance für die Konzerne. Was die Kundschaft nun benötigen, sind Dienstleistungen, die neue Technologien vervollständigen: Neue Betriebsfelder müssen in Konzernstrukturen etabliert werden: Datenerfassung und -verarbeitung, Kundenberatung oder der Ausbau digitaler Netze. Kooperationen mit jungen, innovativen Unternehmen und Start-ups bieten dafür Potential. Kapferer sieht dort ein gegenseitiges Interesse: „Natürlich sind die großen Unternehmen neugierig nach neuen, interessanten Zukunftsmodellen und schauen, wie sie davon profitieren können.“ In der Energiewende wird es also auf politische Vorgaben, Entscheidungen und die Reaktion auf diese ankommen. Für die Großkonzerne ist sie nicht zwangsläufig ein Verhängnis, sondern kann auch als Chance begriffen werden. Dafür braucht es die Offenheit für Veränderungen und den Mut, sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen.

Sophie Godding 21, Lüneburg … ist der Meinung, dass die Begriffe „Anzug“ und „Glaubwürdigkeit“ nicht als Synonyme verwendet werden sollten.


DIE ANGST VOR DEM BLACKOUT

DIE KONVENTIONELLE ENERGIEWIRTSCHAFT STRÄUBT SICH VOR DEM KOHLEAUSSTIEG UND ARGUMENTIERT, ES KÖNNE ZU VERSORGUNGSENGPÄSSEN KOMMEN. DAS SEHEN NICHT ALLE SO. VON FLANDRA JAKUPI ben im Moment keine Speichermöglichkeiten, die diese Herausforderung bewältigen könnten“, sagt Kempmann.

DEUTSCHLAND PRODUZIERT REKORDMENGEN STROM

KOHLEAUSSTIEG: WEG DAMIT!

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Foto: Johannes Kolb, Anna Rakhmanko

ie Forderung nach dem baldigen Kohleausstieg kommt längst nicht mehr nur aus den Reihen der Umweltaktivisten – und aktivistinnen: In 20 oder 25 Jahren müsse das letzte der derzeit acht Kohlekraftwerke vom Netz gehen, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) im vergangenen Herbst kurz vor der Weltklimakonferenz in Paris. Was im Klimaschutzplan 2050 letztendlich stehen wird, an dem das Bundesumweltministerium derzeit tüftelt, ist noch unklar. In einem Entwurf vom April, der politikorange vorliegt, ist vom Kohleausstieg „deutlich vor 2050“ die Rede. Gegner und Gegnerinnen befürchten indes, dass in

Deutschland dann die Lichter ausgehen. Das Grundproblem sind die wetterbedingten Schwankungen vieler erneuerbarer Energien. Wind und Sonne gibt es schließlich nicht immer. „Zu manchen Tageszeiten könnten sie dafür vielleicht so viel Strom produzieren, wie über das Stromnetz gar nicht abtransportiert werden kann. „Wenn wir aus der Kohle aussteigen, werden wir auf Gas ausweichen müssen, das führt zu steigenden Strompreisen“ sagt Johannes Kempmann, Chef des Bundesverbands der Energieund Wasserwirtschaft (BDEW). Nur mit Windrädern und Solarmodulen werde die Stromversorgung nicht klappen. „Wir ha-

Ohne Gaskraftwerke will auch der Thinktank Agora Energiewende keinen Kohleausstieg. Genau den schlägt er allerdings bis 2040 vor. Aber: Viel teurer würde Strom dadurch gar nicht werden, heißt es dort. Die Experten und Expertinnen haben das schon durchgerechnet: Ihr Plan würde die Strompreise im Großhandel um 0,3 Cent steigen lassen. Das sei „für die Wirtschaft insgesamt gut verkraftbar“. Auch die Umweltökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist der Meinung, dass der Kohleausstieg nach und nach zu schaffen ist. „Durch vielfältige Speicher und intelligente Netze können wir die Schwankungen der erneuerbaren Energien ausgleichen“, sagt Kemfert. „Erneuerbare Energie sind zwar bei extremen Wetterbedingungen anfälliger für Stromausfall, man kann damit aber gut umgehen“, ergänzt sie. „Wenn wir heute einen Kohleausstieg einleiten und gleichzeitig erneuerbare Energien ausbauen, werden wir keinen Versorgungsengpass haben“, sagt Kemfert. Deutschland leide schließlich nicht gerade an Strommangel. „Deutsch-

land produziert jedes Jahr riesige Stromüberschüsse“, erklärt sie. Im vergangenen Jahr wurden 647 Terawattstunden Strom erzeugt – mehr als je zuvor in der Geschichte Deutschlands. Mehr als 60 Terawattstunden wurden exportiert, ebenfalls ein Rekord. Seit 2014 ist die Stromerzeugung um etwa drei Prozent angestiegen, vor allem weil die Kohlekraftwerke ihre Stromproduktion trotz der gestiegenen Anteile eneuerbarer Energien kaum gedrosselt haben.

Flandra Jakupi 24, Gütersloh … findet, dass man immer wieder den Blickwinkel ändern muss um Grenzen zu überwinden.

FRUCHTFLEISCH GEHT IHNEN SCHON DIE KOHLE AUS? »GAS STATT KOHLE«

Fotos: Anna Rakhmanko

»WIRD ENG«

»ÜBERFLUSS«

STEFAN MÜLLER (23) STUDENT, KNIPSOMAT

ANKE DOERR (49) UNTERNEHMENSKOMMUNIKATION WINGAS

WERNER SCHULZE (69) FEUERWACHE

MEISTENS ZUM MONATSENDE.

WIESO KOHLE? ICH HAB DOCH GAS.

KOHLE HAT MAN NIE GENUG.

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Z UR PERS O N PAT RICK G RA I C HEN (44) ist Direktor des Thinktanks „Agora Energiewende“, das 2012 gegründet wurde. Ziel der Köpfe hinter Agora ist das konstruktive Zusammenarbeiten mit energiepolitischen Akteuren und Akteurinnen, um die Energiewende zum Erfolg zu führen. Graichen selbst hat bereits im Bundesumweltministerium gearbeitet und ökonomische Aspekte des Kyoto-Protokolls maßgeblich mitentwickelt.

Foto: Anna Rakhmanko

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»DIE BUNDESREGIERUNG VERSCHWENDET ZEIT!« DER FAHRPLAN FÜR DEN KOHLEAUSSTIEG

ZUR SCHÖNEN, ERNEUERBAREN ENERGIEWELT GEHÖRT AUCH DER ABSCHIED VON DER ALTEN: NOCH BETREIBEN DIE GROSSEN ENERGIEUNTERNEHMEN ALLERDINGS KOHLETAGEBAUE UND -KRAFTWERKE. KAJA KRÖGER SPRACH MIT PATRICK GRAICHEN VOM THINKTANK „AGORA ENERGIEWENDE“ DARÜBER, BIS WANN DER KOHLEAUSSTIEG FERTIG SEIN KANN UND MUSS. HERR GRAICHEN, AUF DEM BDEWKONGRESS WIRD HAUPTSÄCHLICH ÜBER INNOVATIONEN UND DIGITALISIERUNG IM ENERGIESEKTOR DISKUTIERT. IST DER KOHLEAUSSTIEG UNSEXY? Er ist anstrengend, er ist schwierig. Er ist das Abwickeln der alten Energiewelt. Und das Neue ist natürlich sexier als das Alte.

MIT DEM PARISER WELTKLIMAVERTRAG HABEN DIE UN-STAATEN IM DEZEMBER VERSPROCHEN, DIE ERDERWÄRMUNG „DEUTLICH UNTER ZWEI GRAD“ GEGENÜBER VORINDUSTRIELLEN ZEITEN ZU HALTEN. DAMIT IST DER KOHLEAUSSTIEG DOCH SCHON FAST BESIEGELT, ODER? Grundsätzlich ist das so, ja. Jetzt muss Deutschland – wie jedes andere Land weltweit – eine Strategie entwickeln, wie eine Energiewirtschaft ohne fossile Energieträger aussehen kann. „Paris“ ist insofern eher ein Auftrag. Jetzt muss es erst richtig losgehen.

AB WANN DARF KEINE KOHLE MEHR VERSTROMT WERDEN? Wir haben errechnet, dass der Kohleausstieg bis 2040 abgeschlossen sein muss, wenn Deutschland seine Klimaziele einhalten will. Bis 2025 muss aber schon mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt sein.

IM JAHR 2022 GEHT VORAUSSICHTLICH DAS LETZTE DEUTSCHE ATOMKRAFTWERK VOM NETZ. DIE KONVENTIONELLE ENERGIEWIRTSCHAFT ARGUMENTIERT GERNE, DASS WIR UNS JETZT NICHT AUCH NOCH VON DER KOHLEKRAFT VERABSCHIEDEN KÖNNEN. Wir wissen sehr wohl, dass das bis 2040 problemlos möglich ist. Wir haben ja neben den erneuerbaren Energien auch viele Gaskraftwerke in unserem Stromsystem.

DIE WERDEN ZWAR AUCH MIT EINEM FOSSILEN TREIBSTOFF BETRIEBEN, HABEN FÜR DEN ÜBERGANG ABER ZWEI VORTEILE GEGENÜBER KOHLEKRAFTWERKEN: SIE VERURSACHEN WENIGER TREIBHAUSGASEMISSIONEN ALS KOHLEKRAFTWERKE UND LASSEN SICH

FLEXIBEL HOCH- UND HERUNTERFAHREN. Gaskraftwerke könnten damit gezielt Strom liefern, wenn nur wenig Wind und Sonne da ist. Derzeit stehen sie aber still, weil die Kohlekraftwerke sie aus dem Markt drängen.

DIE ANSTEHENDE REFORM DES ERNEUERBARE-ENERGIEN-GESETZ (EEG) WIRD DEN AUSBAU DER ERNEUERBAREN ENERGIEN AUSBREMSEN. ATOMKRAFTWERKE WEG, WENIGER NEUE SONNENUND WINDSTROMANLAGEN UND DANN AUCH NOCH EIN KOHLEAUSSTIEG – IST IHR VORSCHLAG DAMIT IMMER NOCH UMZUSETZEN? Das EEG sieht vor, dass der Energiemix bis 2025 zu 40 bis 45 Prozent aus erneuerbaren Energien besteht. Den oberen Rand werden wir aller Voraussicht nach sicher erreichen. Aber: Die Zubaumengen im EEG sind mit Blick auf das Erneuerbaren-Ziel für 2035 deutlich zu niedrig und sollten schon bald korrigiert werden. Erstens müssen wir alte Erneuerbare-Energien-Anlagen ersetzen und zweitens werden wir durch Elektroautos und Stromheizungen insgesamt mehr Strom brauchen. Dieser zusätzliche Strom muss natürlich komplett erneuerbar erzeugt werden, sonst bringt das dem Klima nichts.

IM VERGANGENEN JAHR WURDE EINE SOGENANNTE KRAFTWERKSRESERVE BESCHLOSSEN. DEMNACH BEKOMMEN DIE KOHLEKONZERNE MILLIARDEN­ SUMMEN AUS STEUERGELDERN DAFÜR, DASS SIE 15 PROZENT DER BRAUNKOHLEKRAFTWERKE BIS 2020 ABSCHALTEN, SIE ALLERDINGS FÜR DEN NOTFALL BEREITHALTEN. SIND SIE ZUFRIEDEN? Die Reserve ist der Einstieg in den Ausstieg. Was jetzt fehlt, ist ein klarer Fahrplan, wie und wann die restlichen Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Ich schlage vor, dass wir das wie beim Atomausstieg machen und von jetzt an bis zum Jahr 2040 nach und nach die jeweils ältesten Kraftwerke abschalten.

WAS PASSIERT NACH DEM KOHLE­ AUSSTIEG MIT DEN TAGEBAUEN UND DEN MENSCHEN, DIE ZURÜCKBLEIBEN? Die Betreiber der Braunkohletagebaue sind verpflichtet, die Flächen zu rekultivieren. Für die betroffenen Regionen ist es natürlich auch wichtig, dass sich vor Ort

neue Wirtschaftszweige entwickeln, mit denen neue Arbeitsplätze entstehen. Am besten würde das durch einen Strukturwandelfonds anlaufen – der Bund würde den betroffenen Regionen für eine Weile Geld zahlen, damit sie Neues aufbauen können. Ich kann mir gut vorstellen, dass man die Lausitz und das Rheinland als Energiestandorte weiterentwickelt und zum Beispiel dort die neuen Batteriefabriken entstehen lässt, die wir für die Energiewende dort brauchen werden.

HABEN SIE DAS GEFÜHL, DASS IHRE IDEEN UND VORSCHLÄGE AUF FRUCHTBAREN BODEN FALLEN? Ich nehme ein großes Interesse wahr. Allerdings verschenkt die Bundesregierung wertvolle Zeit, wenn sie das Thema vor der Bundestagswahl nächstes Jahr nicht angeht. Am besten sollte man direkt nach der Sommerpause zu Kohlekonsensgesprächen einladen, um alle Beteiligten an einen Tisch zu holen. Solch eine Runde braucht sicher ein halbes Jahr.

DEN KLIMAAKTIVISTEN UND -AKTIVIS­ TINNEN DES NETZWERKS „ENDE GELÄNDE“ DAUERT DAS ALLES ZU LANGE – SIE HABEN ZU PFINGSTEN DESHALB KURZUM EINEN BRAUNKOHLETAGEBAU SOWIE EIN KRAFTWERK DES SCHWEDISCHEN STAATSKONZERNS VATTENFALL BESETZT. BEKOMMEN SIE AUCH MANCHMAL LUST, DURCH ZIVILEN UNGEHORSAM AUF DEN KOHLEAUSSTIEG ZU DRINGEN? Nein. Wir liefern die Ideen, aber entscheiden müssen dann Regierung und Parlament. Nur die Politik hat dafür die Legitimation und das ist auch gut so.

Kaja Kröger 19, Hamburg ... findet, dass man für den Klimaschutz eben auch mal eine Stromleitung im eigenen Vorgarten akzeptieren muss.

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FE H L E ND E N E UTR A L ITÄT Bei so einer Veranstaltung können bis zu 200 Tonnen Kohlenstoffdioxid erreicht werden. Für 2016 gibt es noch keine Berechnung, zum ersten Mal wurde eine neue Location ausgesucht. Der Kongress bezeichnet sich allerdings als Kohlendioxid-neutral. Wie man das macht? Vermutlich mit dem Kauf von Emissionswertpapieren. Ob das die Lösung ist? Neutralität hin oder her: Eines ist dabei aber offensichtlich nicht vorgesehen: die Anreise mit dem Fahrrad. Die Stellplätze sind Mangelware.

Fotos: Johannes Kolb, Anna Rakhmanko Texte: Caroline Ellenberger

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W O HL G EN ÄHRT Auf dem BDEW-Kongress können die Teilnehmenden eine „Straße“ mit Essenständen entlangschlendern oder sich etwas von den Tabletten der Bedienenden nehmen. Ein Stand ist komplett mit Salatpflanzen ausgekleidet. Trotz des markanten Äußeren ist er eher wenig besucht. Auffällig hingegen ist, dass der Fleischanteil beim Essen relativ hoch ist. Und das obwohl man sich redlich bemüht hat, den Berliner Lifestyle nachzuahmen – es gibt sogar veganes Eis.


FÖ RDERUN G M Ö G LICH Um dem Nachwuchsmangel entgegenzuwirken, organisiert der BDEW eine Nachwuchsinitiative. Die Bewerbenden können sich mit Lebenslauf und Motivation auf einen der 52 Plätze bewerben – den Teilnahmebetrag von 850 Euro übernehmen dann die Unternehmen oder Sponsoren.

PO LIT IS CH B ESTI MMT Jedes Mal, wenn Angela Merkel in ihrer Rede auf das Thema Leitungen und Elektrizität kommt, merkt man ihr an, dass sie Physik studiert hat. Da kennt sie sich aus. Die von der Europäischen Kommission gestellte Forderung, erneuerbare Energie mit der Digitalisierung zu synchronisieren, findet sie hingegen schwierig. Und damit die Botschaft auch wirklich ankommt, unterstreicht sie das mit ausgleichenden und symmetrischen Handbewegungen. Ihre Rede verbrauchte - Energiemanagern zufolge – übrigens etwa 26 kWh. Ihr Kollege von der Europäischen Kommission hat da deutlich mehr verbraucht.

F ÜR S K L IM A Der Kongress des BDEW steht im Zeichen des Energiewandels. Auch Angela Merkel sieht da das zentrale Thema. Die Regierung möchte in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Emissionsneutralität erreichen. Den Anfang müssten die Industriestaaten machen, sagte die Kanzlerin in ihrer Rede.

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TAUSCHE: KOHLENDIOXID GEGEN BAUM

DER BDEW VERANSTALTET SEINEN KONGRESS NACH EIGENEN ANGABEN „KLIMANEUTRAL“. WAS DAS BEDEUTET, HAT SHARI PROFE RECHERCHIERT.

Foto: Johannes Kolb

VON WEGEN SCHWARZ-WEISS: PROJEKTE ZUR KLIMAKOMPENSATION SIND NICHT LEICHT EINZUSCHÄTZEN

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iskussionsrunden, Networking, Themensessions und Gespräche: Auf dem Kongress des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft in Berlin haben sich etwa 1 400 Vertreter und Vertreterinnen der konventionellen Energiewirtschaft versammelt, um über ihre Zukunft zu debattieren. In jedem Handgepäck dabei: Der individuelle Anteil an den rund 200 Tonnen Kohlendioxid, die im Zuge des BDEW-Kongresses als Emission durch Anreise, Unterkunft, Verpflegung und Weiteres entstehen. Das heißt: Noch steht der Kohlendioxid-Ausstoß natürlich nicht fest, 200 Tonnen Kohlendioxid sind ein Erfahrungswert aus den vergangenen Jahren. „Der BDEW-Kongress ist klimaneutral!“, verspricht eine Randnotiz im Programm. Das bedeutet: Wer Kohlendioxid ausstößt, steckt Geld in anderswo stattfindende Klimaschutzprojekte. Im Falle des BDEW-Kongresses ist das in Colniza inmitten der Amazonasregion in Brasilien, wo Wald erhalten werden soll. Es werden

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entsprechende Kohlendioxid-Zertifikate pro Tonne Kohlendioxid gekauft, die der Kongress freisetzt. Normalerweise würden das die „Verschmutzenden“ zahlen. In diesem Fall zahlt Entega als Sponsoring für den Kongress. „Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind für den BDEW ein wesentlicher Pfeiler der Verbandsarbeit“, gibt ein Sprecher des Verbands auf Anfrage Auskunft. Klimakompensation, so nennt man einen derartigen Ausgleich von Emissionen, ist vor allem sinnvoll, wenn zuvor alles getan wurde, um den KohlendioxidAusstoß möglichst gering zu halten: Im Idealfall hätte der Kongress also zum Beispiel mit Ökostrom stattgefunden. Das sei derzeit nicht der Fall, heißt es beim BDEW.

EIN DSCHUNGEL DES WALDSCHUTZES Auch bei den Klimaschutzprojekten, die gefördert werden, lohnt es sich, genau

hinzugucken. Gerade bei Waldprojekten ist es schwierig, eine langfristige Kompensation zu garantieren: Man zahlt für den Aufbau eines Waldes – aber wie wird sicher gestellt, dass die Bäume nicht in zwanzig Jahren gefällt werden, wenn das Kohlendioxid noch 80 Jahre in der Atmosphäre wirkt? Noch komplizierter wird es bei Projekten über das Waldschutzprogramm REDD. Hier wird dafür gezahlt, dass bestehender Wald stehen bleibt. Die Idee: Gerade in Entwicklungsländern wird gesunder Wald häufig gerodet, um Äcker zu erschließen oder aber Holz zu verkaufen. Wenn die Menschen vor Ort das aus Klimaschutzgründen nicht machen sollen, soll ihnen durch REDD eine andere Einnahmequelle ermöglicht werden. Allerdings müsste eigentlich nachgewiesen werden, dass der lobenswerte Bau einer Schule nun wirklich dafür gesorgt hat, dass eine bestimmte Waldfläche stehen geblieben ist.

In vielen afrikanischen und südamerikanischen Ländern berichten Beobachter zudem von der Vertreibung von Kleinbauern und -bäuerinnen aus den zu schützenden Wäldern. Aber: Das muss natürlich nicht bei jedem Projekt der Fall sein. Das Fazit: Der Dschungel aus Waldschutzprojekten ist undurchsichtig – eigentlich müsste man die Projekte vor Ort besuchen, um die Umsetzung zu überprüfen. Sicherer fährt man mit der Kompensation über Projekte, die erneuerbare Energien in armen Ländern unterstützen.

Shari Yarmina Profe 21, Dörentrup … hat beim Baumkuscheln immer eine Hand frei zum Schreiben – am liebsten über Spannendes unter der Rinde.


ABSTAND GUT, ALLES GUT?!

WINDRÄDER SOLLEN ERNEUERBAREN STROM EINE KLIMAFREUNDLICHE WELT LIEFERN, DOCH VIELE MENSCHEN WOLLEN DIE ANLAGEN NICHT IN DER NACHBARSCHAFT HABEN. EIN STUDIE DER UNI HALLE ZEIGT, WO EIGENTLICH DAS PROBLEM LIEGT. VON VIKTORIA SOCHOR

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ür die einen Energieträger der Zukunft, für die anderen ein lauter Stahlkoloss mit Rotorblättern: Viele Anwohnende sehen Windräder nicht als willkommene Dekoration beim Blick in den Garten. In Bayern gibt es deshalb die sogenannte 10-H-Regelung, nach der Windräder zehnmal so weit von der nächsten Wohnsiedlung entfernt stehen, wie sie hoch sind. Etwa zwei Kilometer wären das für ein modernes Windrad. Auch in anderen Bundesländern ist das im Gespräch. Klimabewegung und Ökostrom-Unternehmen befürchten: Damit wird es viel zu wenig Stellplätze für die Anlagen geben, um die Energiewende durchzuziehen. Ob die Klagenden wirklich glücklicher werden, wenn die Windräder weiter weg stehen, ist indes unklar – zumindest, wenn man einer Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg glaubt. Zwischen 2009 und 2013 hat ein Forschungsteam der Uni 1.300 Personen befragt, die in der Nähe von Windrädern wohnen. Das Ergebnis: Wer mindestens zwei Kilometer weit weg lebt, spricht häufiger von einer allgemeinen „Bedrohung“ durch die Windräder als nähere Nachbarn. Die Belastung scheint demnach erst wieder zuzunehmen, wenn Windräder quasi unmittelbar hinter dem Gartenzaun stehen und die Rotorblätter einem förmlich zuwinken.

Foto: Johannes Kolb

WINDKRAFT: DIE LÖSUNG FÜR VIELE PROBLEME?

Das Problem, schlossen die Forschenden, sei keineswegs, dass Windräder hässlich oder laut seien – auch wenn einige Befragte auch diese Probleme angesprochen haben. Ein anderer Aspekt belastet das Gros viel mehr. Das Image der Windenergie leide, so heißt es, wenn die Bürger oder Bürgerinnen das Gefühl hätten, an den Entscheidungsprozessen nicht beteiligt zu sein. „Die Menschen dürfen nicht einfach von Windparkprojekten überrollt werden“, sagt Gundula Hübner, Professorin an der Uni und Ko-Autorin der Studie. Ressentiments seien schnell geschürt und entstünden vor allem, wenn sich die Leute ausgeschlossen fühlten.

Einige deutsche Bundesländer haben bereits reagiert. In Mecklenburg-Vorpommern etwa müssen Anwohnende von Windrädern künftig die Möglichkeit der finanziellen Beteiligung bekommen – entweder per Unternehmensanteil oder etwa per günstigem Stromtarif. In Thüringen will man Bürger und Bürgerinnen sowie Kommunen jetzt durch das bisher bundesweit einzigartige Label „Faire Windenergie“ an Bord holen. Damit zeichnet die Thüringer Energie- und Greentech-Agentur (Thega) die Windradbauer aus, die die Menschen vor Ort an den Vorteilen der windbasierten Energiewende teilhaben lassen und sie besonders gut in den Planungsprozess einbinden.

Die meisten Anwohnenden zeigen sich laut der Studie positiv gestimmt, wenn sie über Baumaßnahmen informiert worden sind und in den Planungsprozess einbezogen wurden. „Eine Garantie für einen problemlosen Verlauf gibt es nicht, aber mit Partizipation dürften sich die großen öffentlichen Konflikte eher begrenzen lassen als ohne“, so Hübner. Sie empfiehlt daher, die Umgebung in Projekte einzubeziehen, um Vertrauen aufzubauen. Es ergebe sich eine Win-Win-Situation: Die Unternehmen profitierten auch durch das Wissen der Anwohnenden, die entscheidende Tipps zum Standort der Windräder geben können.

Viktoria Sochor 17, Hannover … hat sich in Berlin bisher nicht verlaufen. Wenn sie nicht gerade schreibt, arbeitet sie auf Klima-Baustellen.

FRUCHTFLEISCH WIE SMART SIND SIE?

Fotos: Johannes Kolb

»TECHNOLOGIEN«

»GENERATION Y«

»VERNETZT«

KARSTEN RICHARD (40) CHEF RITTERRICHARD-CATERING

SIMONE ANGSTER (31 ) EW MEDIEN UND KONGRESSE, AUTORIN

STEFAN KAPFERER (50) BDEW-VORSITZENDER, POLITIKER

WIR HABEN EINEN HEISSLUFTOFEN, DER NICHT NUR BACKEN KANN. ICH KANN REZEPTE PROGRAMMIEREN.

AUF EINER SKALA VON EINS BIS ZEHN GEBE ICH MIR EINE FÜNF. ICH GEHÖRE ZU DEN DIGITAL NATIVES.

WIR HABEN HEUTE MORGEN DIE VORBEREITUNGEN IN DER WHATSAPPCHATGRUPPE GETROFFEN. ICH VERSUCHE SCHRITT ZU HALTEN.

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GRÜNE STÄDTE: GELADENE AUTOS FÜR ÜBERLASTETE NETZE

WIE DAS ELEKTROFAHRZEUG ALS „ROLLENDER SPEICHER“ FUNKTIONIERT. WO DAS AM BESTEN KLAPPT? IN DER STADT! VON VERENA NIEPEL

GRÜN LADEN, NACHHALTIG FAHREN: HIER IST RESERVIERT FÜR CARSHARING UND CO

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er schon einmal in Berlin-Mitte einen Parkplatz gesucht hat, kennt das Problem. Und ist umso glücklicher, wenn dann eine Lücke zwischen zwei Autos auftaucht. Doch was bedeuten eigentlich die gelbe Markierung und die silberne Box auf dem Gehweg? Für die meisten Autofahrerinnen und -fahrer ist das dann aber gar kein Glück: Hier dürfen nur Elektroautos stehen, um die nebenstehende Ladestation zu nutzen. Und deshalb bleibt diese Parklücke oft leer. Auf der anderen Seite von Deutschland, in Bonn, rauchen die Köpfe bei der Bundesnetzagentur. Das Stichwort heißt „Netzüberlastung“. Michael Reifenberg aus der Abteilung „Energie und Netzausbau“ erläutert, was damit gemeint ist: „Von einer Überlastung der Stromnetze wird gesprochen, wenn mehr elektrische Energie zur Verfügung steht, als durch die vorhandenen Stromnetze transportiert werden kann.“ Es muss nämlich immer genauso viel Strom eingespeist werden, wie auch verbraucht wird. Wenn die Rechnung nicht automatisch aufgeht, müssen Kraftwerke ihre Leistung drosseln. Speichern kann so eine Stromleitung den Strom nicht. Das ist vor allem ein Problem, da die Erzeugung von erneuerbaren Energien mit dem Wetter schwankt. Manchmal ist sehr viel

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Strom auf einmal da, manchmal fehlt er. Deutschland will deshalb sein Stromnetz ausbauen. So soll beispielsweise Windstrom, der zu besonders windigen Zeiten in Norddeutschland produziert wird, aber nicht sofort an Ort und Stelle verbraucht werden kann, leichter in den Süden transportiert werden können.

E-AUTOS ALS STROMSPEICHER AUF RÄDERN Zurück in Berlin-Mitte: Jetzt parkt doch ein Fahrzeug auf dem E-Auto-Parkplatz. Zack, Stecker drin. Das Auto wird geladen. Das Zauberwort heißt Sektorkopplung. Das heißt: Sektoren _ wie Strom, Wärme und Verkehr werden nicht mehr getrennt voneinander betrachtet. Wenn gerade zu viel Strom da ist, könnte man doch zum Beispiel den strombetriebenen Verkehr versorgen, zu dem übrigens nicht nur E-Autos, sondern etwa auch Züge gehören. Besonders für die Großstadt könnten E-Autos ohnehin ein gutes Modell sein, um ihre benzin- oder dieselbetriebenen Äquivalente zu ersetzen und den öffentlichen Verkehr bei Bedarf zu ergänzen. Auf dem Land fehlt manchmal noch die Flexibilität, denn es gibt zu wenig Ladestationen, um die E-Autos mit ihrer Reich-

Foto: Anna Rakhmanko

weite von etwa 190 bis 250 Kilometern rechtzeitig zu laden.

NOCH FEHLT DIE INFRASTRUKTUR In der Stadt hingegen gibt es auch Einsatz für Autoflotten, wie etwa beim Carsharing. Ohnehin kaufen sich immer weniger Städter ein eigenes Auto. Wie das statistische Bundesamt zum „Europäischen Tag des Fahrrads“ mitteilte, besitzen rund 30 Prozent der Haushalte in Großstädten nur noch Fahrräder. Auch wenn man EAutos als rollende Stromspeicher sieht, sind Flotten gut – die können schließlich besser koordiniert werden als ganz viele einzelne Fahrzeuge von unterschiedlichen Besitzern. Es gibt bereits zahlreiche Carsharing Dienste wie Drivenow, Car2go, Cambio oder Flinkster, die mit E-Autos arbeiten. Elektrisch aufladbare Taxis nehmen in deutschen Städten schon seit Jahren zu. Auch in Metropolen im Ausland, wie in London oder Madrid, wurde der Taxibetrieb erst vor Kurzem mit Elektroautos aufgerüstet. Dennoch werden E-Autos das Netz in naher Zukunft nicht retten. Dafür sind es schlicht zu wenige. Von den mehr als 60 Millionen PKW in Deutsch-

land sind nur etwa 25.000 rein strombetrieben. Hinzu kommen 130.000 sogenannte Hybrid-Modelle, die mit Strom aufgeladen, aber auch mit Benzin betankt werden können. Ein bisschen mehr Netzausbau wäre auch noch nötig. Zurzeit müssten Elektroautos ihren Strom in Norddeutschland zapfen, wo viel Windstrom produziert wird. Irgendwann fallen die E-Auto-Parkplätze in Berlin-Mitte dann vielleicht nicht mehr als leer auf, sondern als wichtige Ergänzung für das Stromnetz.

Verena Niepel 23, Berlin … ist schon immer neugierig. Schon immer suchend. Aber immer noch grün hinter den Ohren.


SCHLARAFFENLAND 2.0

SMART IST DIE ZUKUNFT DER ENERGIEWIRTSCHAFT UND SOMIT EINE MÖGLICHKEIT FÜR UNTERNEHMEN AUF DIESEN ZUG AUFZUSPRINGEN UND SICH WEITERZUENTWICKELN. VON MAXI UNGER

Foto: Anna Rakhmanko

DER RICHTIGE TOUCH: DER WEG IN EINE WELT DER UNGEAHNTEN MÖGLICHKEITEN

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ine Kaffeemaschine, die schon das heiße Getränk aufbrüht, wenn die frühen Vögel noch im Bett liegen – und auf das Klingeln des Weckers warten. Die Heizung, die das Haus zu einem bestimmten Zeitpunkt schon mal vorwärmt: Früher gab es dafür Butler, heute sorgen dafür smarte Technologien. Sie sollen unser Leben noch einfacher machen und uns dem Schlaraffenland – in dem wir nichts mehr selbst machen müssen - ein Stückchen näherbringen. Besser, schneller und heute auch smarter. Dinge, die eigentlich nur eine Funktion haben, werden plötzlich lebendig und wachsen über ihre eigene Funktion hinaus – und leisten dabei noch einen Beitrag zur Energieeffizienz.

VORTEILE FÜR ALLE Aber nicht nur die menschliche Bequemlichkeit steht im Fokus dieser Überlegungen, damit lässt sich auch richtig Geld sparen: Strom, um die Waschmaschine zu betreiben, wird dann gekauft, wenn er im Überfluss vorhanden ist. Möglich gemacht wird das durch sogenannte „Smart Meter“, die detaillierte Daten über den Energieverbrauch eines Haushalts erheben und diese automatisch an Versorgungsunternehmen weitergeben. So kann der Stromverbrauch individuell an den momentanen Strompreis angepasst werden. Die Digitalisierung macht es möglich, und jeder kann mitmischen – nicht nur Großkonzerne. Diese Botschaft ist inzwischen angekommen und immer mehr neuartige Ideen sowie Dienstleister, die sich mit dem Drumherum beschäftigen, werden ins Leben gerufen.

INNOVATION UND PLATZ FÜR IDEEN So werden zum Beispiel Gateway Administrator und Messdaten Manager für den Transport der Daten benötigt. Die dafür benötigten Daten bestehen aus Zählerständen. Je nach Häufigkeit der Erhebung ist dann eine detaillierte Analyse und Interpretation der Daten möglich. Was letztendlich mit den Daten passiert, bleibt noch der Kreativität der Lösungsanbieter überlassen. Mithilfe dieser Daten können auch Haushalte gesteuert werden, wenn der Kunde dies gestattet und man dem Datenschutz gerecht wird. Dies kann für Energieversorger interessant sein, die Produkte maßschneidern und den Bedürfnissen der Kunden anpassen. Diese Art von Unternehmen steht also ganz am Anfang dieser Kette, sie transportieren die letztendlich nötigen Daten aus den Smart Metern für die Weiterverarbeitung. Komfort und finanzielle Entlastung verspricht das Start-up „Tado“, das durch ein neuartiges Raumthermostat die Heizung automatisch und per App steuerbar macht. Dieses ist lernfähig und bezieht dabei Daten aus dem Wetterbericht mit ein. Genauso gibt es auch Ansätze, die sich nicht auf direkt auf die Smart Meter berufen, sondern den Nutzern und Nutzerinnen helfen, ihren eigenen Energieverbrauch unter die Lupe zu nehmen und effizienter zu machen. Max Bohm ist Mitgründer von „Enffi“, einer App, die „den Leuten hilft weniger Energie zu verbrauchen“. „Die Idee dahinter ist Energie zu emotionalisieren, damit die Leute einen anderen Zugang dazu bekommen. Man gibt ihnen damit auch eine Möglichkeit an der Energiewende teilzunehmen.“

Dazu müssen User und Userinnen ihre Stromzähler abfotografieren und kann mithilfe der daraus gewonnen Daten seinen Haushalt einschätzen und wird motiviert noch weniger zu verbrauchen. Das Besondere daran ist die Möglichkeit des Vergleichs mit Bekannten, der die Nutzenden weiter anspornen soll.

NICHT OHNE DATENSCHUTZ Obwohl die Digitalisierung uns sicherlich hilft, unseren Umgang mit Energie effizienter und innovativer zu machen, stellt sich unweigerlich die Frage, was eigentlich mit den Daten passiert. So weist Julia Verlinden, energiepolitische Sprecherin und Bundestagsabgeordnete der Grünen darauf hin, dass man sich im Klaren sein soll, welche Informationen man freigibt und wer was damit machen kann. Sie fordert eine bewusste Entscheidung für die Nutzenden, ob diese ihre Daten weitergeben wollen oder nicht.

NOCH ARBEITSBEDARF Aber auch in Hinblick auf die Einführung der Smart Meter, die die Grundlage der Bewegung darstellen, gibt es noch viel Arbeitsbedarf. Thomas Engelke vom Bundesverband der Verbraucherzentrale betont: „Die Smart Meter rechnen sich in Haushalten noch nicht, nur bei einer Speicherheizung ergeben sich finanzielle Vorteile.“ Verlinden unterstützt diese Aussage: „Für Haushalte ist bei Smart Metern bisher kein günstiges Kosten-NutzenVerhältnis nachweisbar. Auch aus Datenschutzgründen sollte es keinen Zwang zum Smart-Meter-Einbau für private Verbraucher geben.“ Deutlich wird dabei auch, dass es oft nicht der direkte Nutzen dieser Technolo-

gien ist, der uns zur Nutzung verleiten, sondern der Reiz des Neuen. Andererseits ist keine Entwicklung sofort perfekt und erfordert Mut, wie es auch Bernd Westpahl, Bundestagsabgeordneter der SPD und Sprecher der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Energie betont: „Wir sollten eine gesellschaftliche Debatte führen über mehr Offenheit gegenüber Technologien und Fortschritt. Neben dem Umstieg auf erneuerbare Energien ist auch Effizienz der schlafende Tiger der Energiewende.“ Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel betont das in ihrer Rede beim BDEW Kongress: „Man sollte Smart Meter nicht als Neuste Attacke des Staates auf den Kunden verstehen.“

MORGEN SMART? Bis unser Zuhause wirklich smart wird, braucht es noch eine Menge Arbeit: Die derzeit verfügbaren Lösungen sind zu kleinteilig und nur schwer flächendeckend einsetzbar. Es sind vielmehr Spielereien, die negative Konnotation dieses Wortes überhaupt nicht verdient haben. Denn in ihnen steckt auch eine Chance – hin zur mehr Effizienz.

Maxi Unger 19, Elstra … reist am liebsten um die Welt, auf der Suche nach gutem Essen und neuen Freunden und Freundinnen.

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DEB AT T E

SCHÖNE NEUE ENERGIEWELT

DIE DIGITALISIERUNG HAT LÄNGST AUCH DIE ENERGIEWIRTSCHAFT ERREICHT. EINE CHANCE ODER EIN GRUSELIGES ÜBERWACHUNGSINSTRUMENT? TOBIAS BAYER UND SOPHIE GODDING SIND DA GANZ UNTERSCHIEDLICHER MEINUNG.

Foto: Johannes Kolb

STROMZÄHLER ODER SMART METER?: DAS IST HIER DIE FRAGE

PRO

Es ist wohl unsere letzte Chance, sie ist alternativlos. Um unsere Klimaziele noch erreichen zu können, brauchen wir die Digitalisierung. Nur mit ihrer Hilfe wird die Energiewende gelingen. Und ja klar, sie wird Veränderungen mit sich bringen, doch Angst brauchen wir davor nicht zu haben. Die digitale Vernetzung bietet viele Möglichkeiten für Stromerzeuger sowie Kundinnen und Kunden, sie ermöglicht Fortschritt und Entwicklung. Ein Beispiel sind Smart Meter. Die intelligenten Stromzähler geben die Daten zum Stromverbrauch direkt an den Netzbetreiber weiter. Sie sollen sich automatisch mit elektrischen Haushaltsgeräten verbinden und sie effizient steuern und zum Beispiel selbstverständlich anschalten, wenn gerade viel Strom da ist – damit die Energie in „schlechten“ Phasen nicht knapp wird. Weiterhin punktet diese Steuerung durch ihren Komfort für den Nutzer und die Nutzerin. Lediglich eine Überwachung der Vorgänge durch die Energieunternehmen ist noch erforderlich. Dies birgt zwei Vorteile: die Entschärfung der Folgen des demografischen Wandels durch Automatisierung und die Schaffung hochqualifizierter Arbeitsplätze im DienstleistungsBereich zur Kontrolle der Abläufe. Außerdem wird an das Bewusstsein der Stromverbraucher und -verbraucherinnen appelliert. Wer sich bisher keine Gedanken um seinen Stromverbrauch gemacht hat, der sollte jetzt hellhörig werden: Alleine durch bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema lässt er sich erheblich senken. Die Begeisterung hierfür können neue technische Möglichkeiten – etwa Smartphone-Apps – auf spielerische Weise wecken. Vorstellbar wäre ein Alarm, der losgeht, wenn die Nutzerin oder der Nutzer den durchschnittlichen Stromverbrauch überschreitet. Die Digitalisierung wird auch die Kosten auf der Stromrechnung senken.

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Flexible Stromtarife, die sich am Börsenpreis orientieren, könnten dafür sorgen. Ausschlaggebend für den Preis? Der aktuell produzierte Strom, sowie die eigentlich benötigte Menge. Wenn also gerade besonders viel Strom vorhanden ist und der Smart Meter zukünftig unsere Energiespeicher auflädt und die Leistung von Haushaltsgeräten reguliert, könnte die Verbraucherin und der Verbraucher auch noch von einem niedrigen Strompreis profitieren. Auch auf höheren Ebenen brauchen wir die Digitalisierung: Sektorenkopplung heißt das Ziel. Verkehrs-, Wärme- und Stromsektor müssen zusammen gedacht werden. Die gesamte Energielandschaft ist im Umbruch, die Dezentralisierung im vollen Gange: Konzerne und Großanlagen werden seltener, kleine Energieerzeuger häufiger. Wie sollte man da denn bitte ohne digitale Infrastruktur den Überblick behalten? Die Digitalisierung ist eine große Chance. Vieles ist technisch schon möglich. Welche Innovationen noch folgen? Wissen wir nicht. Doch wir sollten mit Optimismus und Mut in die Zukunft blicken.

Tobi Bayer 18, Aschaffenburg … hat in der Energiewirtschaft eine neue Leidenschaft entdeckt.

CONTRA

Fa c e b o o k , Google und Amazon bekommen bald Verstärkung. Mit der Digitalisierung in der Energie­ branche wird ein weiterer Schritt hin zur hundertprozentigen Dauerkontrolle getan: der Mensch als Analyseobjekt. Was passiert aber mit den Daten, die von Technologien wie dem „Smart Meter“ erfasst werden? Hier fehlt für den Nutzer die nötige Transparenz. Wer sich kritisch mit der Sammlung und Nutzung der eigenen Daten befasst, dem dürfte es nicht genügen, wenn die Befürworterinnen und Befürworter der Technologie versichern, die Datenschutzregelungen seien ausreichend. Dokumentieren Smart Meter und Apps bald, wann wir das Haus betreten und verlassen, essen, schlafen oder vor dem Fernseher hängen? Wenn‘s beliebt, dann sogar, welche Sendung wir schauen? Der Verdacht drängt sich auf, dass neben einem angepassten Stromverbrauch auch etwas anderes im Fokus steht. Wir spielen damit den Stromkonzernen bereitwillig Informationen zu, die daraus Strategien ableiten können, um mit individuell zugeschnittenen Angeboten mehr Profit zu machen. Kundenanalyse – auf die man gut verzichten kann. Ständiger Vergleich, ständige Optimierung. Das finden wir zunächst genauso spannend wie ein neues Spiel aus dem Appstore. Aber wie lange? Und schlagen sich die gesparten Stromkosten letztlich so stark in einer niedrigeren Stromrechnung nieder, dass wir Teile unserer Privatsphäre einbüßen oder uns vorschreiben lassen wollen, wann wir unser Spiegelei braten? Bei einzelnen Stromfressern im Haushalt macht das vielleicht noch Sinn, den Ladevorgang an Verfügbarkeit und Preis des Stromes zu koppeln – etwa beim Laden des Elektroautos über Nacht. Meistens brauchen wir den Strom aber sofort und können nicht warten: Das schnelle Bügeln meiner Bluse verschiebe ich nicht

zwei Stunden nach hinten, nur weil der Strompreis dann eventuell den Bruchteil eines Cents günstiger ist. Außerdem: Flexible Stromtarife gibt es für Verbraucher und Verbraucherinnen noch nicht einmal. Ein Smart Meter kostet zwischen 20 und 100 Euro im Jahr. Bisher beweist keine Studie ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis für private Haushalte. Hinzu kommen Kosten für smarte Haushaltsgeräte. Wer kauft eine intelligente Waschmaschine, wenn diese doppelt so teuer wie eine herkömmliche ist und die alte noch funktioniert? Da müsste die Stromrechnung damit schon extrem überschaubar ausfallen. Ja, wir müssen Strom effizient nutzen, um die Energiewende realisieren zu können. Diese Einstellung muss aber auch von uns selbst kommen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Strom und Energie ist angesichts des drängenden Klimawandels einfach notwendig. Da sind smarte Menschen viel wichtiger als smarte Meter. Natürlich brauchen wir auch technische Lösungen für die Energiewende. Statt auf Datenwust sollten wir aber auf die Entwicklung von Speichertechnologien setzen. Auch so könnten Überschüsse flexibel eingespeist werden, wenn sie wirklich gebraucht werden – und das ganz ohne uns zu wandelnden Statistiken zu machen.

Sophie Godding 21, Lüneburg … findet, dass man mit Ironie besser durchs Leben kommt.


F R I S CH , F R UC HTIG, S E L BS TGE P R ES S T – M IT M ACHEN @PO LIT IK O RAN G E.DE

I MPR ESSUM Diese Ausgabe der politikorange wurde mit einem zweitägigen Medienworkshop im Vorfeld vom 05. bis 07. Juni 2016 vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. unterstützt und entstand auf dem BDEW Kongress 2014 vom 08. bis 09. Juni 2016 in Berlin. Herausgeber und Redaktion: politikorange c/o Jugendpresse Deutschland e.V., Alt-Moabit 89, 10559 Berlin, www.politikorange.de

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rintmagazine, Blog und Videos: politikorange erreicht sein Publikum über viele Kanäle und steht neuen Wegen offen gegenüber. Junge, kreative Köpfe berichten in wechselnden Redaktionsteams aus einer frischen Perspektive. Ob aktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft oder die kritische Begleitung von Veranstaltungen – politikorange ist mittendrin.

POLITIKORANGE – DAS MULTIMEDIUM politikorange wurde 2002 als Veranstaltungszeitung ins Leben gerufen. Rund 130 Ausgaben wurden seither produziert. Seit Anfang an gehören Kongresse, Festivals, Parteitage und andere Events zum Programm. 2004 kamen Themenhefte hinzu, die aktuelle Fragen aus einer jugendlichen Sichtweise betrachten. 2009 nahm politikorange Video und Blog ins Portfolio auf und präsentiert spannende Beiträge unter den Labels politikorange TV und blog.politikorange.de.

WO KANN ICH POLITIKORANGE LESEN? Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen und über die Landesverbände der Jugendpresse Deutschland e.V. verteilt. Im Online-Archiv auf politikorange.de können digitalisierte Magazine durchgeblättert und Videos aufgerufen werden. Printausgaben können kostenlos nachbestellt werden – natürlich nur, solange der Vorrat reicht. Für das Stöbern auf dem Blog genügt der Aufruf von blog.politikorange.de.

WARUM EIGENTLICH POLITIKORANGE? Welchen Blick haben Jugendliche auf Politik und gesellschaftliche Veränderungen? politikorange bietet jungen Menschen zwischen 16 und 26 Jahren eine Plattform für Meinungsaustausch und den Ausbau eigener Fähigkeiten. Engagement und Begeisterung sind die Grundpfeiler für journalistisch an-

spruchsvolle Ergebnisse aus jugendlicher Perspektive. Frei nach dem Motto: frisch, fruchtig, selbstgepresst.

WER MACHT POLITIKORANGE? Junge Journalistinnen und Journalisten – sie recherchieren, berichten und kommentieren. Wer neugierig und engagiert in Richtung Journalismus gehen will, ist bei politikorange an der richtigen Adresse. Genauso willkommen sind begeisterte Fotografinnen und Fotografen, Videoredakteurinnen und Videoredakteure sowie kreative Köpfe fürs Layout. politikorange funktioniert als Lehrredaktion: Die Teilnahme ist kostenlos und wird für jede Ausgabe neu ausgeschrieben – der Einstieg ist damit ganz einfach. Den Rahmen für Organisation und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Du willst dabei sein? Infos zum Mitmachen gibt es unter politikorange.de­, in unserem Newsletter und via Facebook und Twitter. mitmachen@politikorange.de

Chefredaktion (V.i.S.d.P.): Nora Jakob (Online) Susanne Schwarz (Print) Bildredaktion: Johannes Kolb Anna Rakhmanko Redaktion: Dilara Acik, Tobias Bayer, Caroline Ellenberger, Sophie Godding, Flandra Jakupi, Kaja Kröger, Verena Niepel, Shari-Yarmina Profe, Viktoria Sochor, Maximilian Stande, Maxi Unger Layout: Henri Maiworm Betreuender Vorstand: Julian Kugoth Projektreferent: Jens Moggert Projektleitung: Inga Dreyer Druck: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH Auflage: 19.000 Exemplare

Diese Lehrredaktion fand mit freundlicher Unterstützung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) statt.

MEHR AUF…

IM ZEICHEN DES WANDELS: DIE POLITIKORANGE-REDAKTION BEIM BDEW-KONGRESS 2016

Foto: Johannes Kolb

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Die Energieversorgung ist im Umbruch. Was kommt? Wer macht mit? Streitfragen nimmt sich die Zukunft vor. Seien Sie dabei mit einem kostenlosen Printabo. Diskutieren und analysieren Sie mit. Online und auf Twitter. www.streitfragen.de | streitfragen@bdew.de |

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