politikorange "Farbspiele?"

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»Rote Dame«

»Organisiert?«

»Politik spielen«

Die mächtigste Frau im Haus sorgt für Unruhe. 10

Künstliche Feindbilder: organisiert vs. nicht-organisiert. 17

Alles nur Fassade oder mischen wir wirklich mit? 19

farbspiele? Zeitung zur 2. Deutschen Jugendkonferenz 21. bis 24. März 2002, Weimar

Raus mit den Weißheiten Vier Tage diskutierten 200 Jugendliche über Selbstbestimmung. Offener Raum, offene Ergebnisse, offene Auseinandersetzung. „Tolle Atmosphäre, jede Menge engagierte Leute.“ Der 16-jährige Paul ist begeistert von der Organisation der 2. Deutschen Jugendkonferenz (DJK). Cyrus, der das EU-Weißbuch von Anfang an begleitet hat, sieht‘s anders: „Die Konferenz ist das radikale Ende einer zweijährigen Bewegung, eine durchinszenierte Bespaßungsaktion, die sich parodoxerweise ‚Open Space‘ nennt.“ Die Zweiteilung der Meinungen in vielen Köpfen bringt Steffen auf den Punkt: „Die Konferenz ist eine Chance unsere Meinung zum Weißbuch zu sagen. Aber ich habe das Gefühl, dass man uns nach der DJK ruhig stellen will, niemand will die Bewegung fortführen, sie wird für beendet erklärt.“ Peter, 18-jähriger Landtagskandidat aus Mecklenburg-Vorpommern, fordert als Konsequenz aus der Veranstaltung „gerade jetzt einen massiven Prozess in Kommunen und Ländern“. Bisher habe ein Konsultationsprozess, eine Art Marktforschung stattgefunden, meint Cyrus. „Das Ergebnis der Jugendkonferenz darf nicht heißen: ‚danke, jetzt wissen wir, was die Jugend will und ´tschüß‘.“ Johannes hat den Weißbuchprozess von Anfang an begleitet. Im Abschlussplenum machte er konkrete Vorschläge, wie‘s weitergehen soll. Die Themengruppen, die sich in Weimar gebildet haben, sollen sich in kleinen Konferenzen wieder treffen um ihre Ziele zu verwirklichen. Das Bundesjugendministerium soll die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellen. „Den Leuten, die man hier heißmacht, muss man auch die

Möglichkeit geben, weiterzumachen, damit Visionen Jugendlicher in die Politik einfließen“, fordert Johannes. Regina (16) sieht das ähnlich: „Wir brauchen Nachschub, immer wieder neue Motivation, die Spannung unter den Teilnehmern sind ganz wichtig.“ Aber auch sie formuliert deutlich ihre Sorge, dass nach der 2. Deutschen Jugendkonferenz die Beteiligungsbewegung in einem luftleeren Raum endet. „Wenn Politiker ihre eigenen Ideen mit unseren Papieren legitimieren, nur die Punkte übernehmen, die ihnen in den Kram passen, dann

hat das nichts mehr mit Selbstbestimmung zu tun.“ „Wieso werden wir nicht gefragt was und wie wir in der Schule lernen wollen? Wir wollen Mitbestimmung bei der Unterrichtsgestaltung, bei der Einstellung von neuen Lehrer - was in Schweden zum Beispiel selbstverständlich ist“, meint Dortje, Teilnehmerin der ersten DJK. Neben schulischer Mitbestimmung ist der 18-jährigen die Anerkennung ihres Engagements wichtig. Beteiligung außerhalb der Schule müsse zur Selbstverständlichkeit werden, dafür

müsse Zeit eingeräumt werden. „Wenn wir bei jeder Freistellungsbitte schief angeschaut werden, ist das alles andere als motivierend.“ Die DJK ist Teil der Beteiligungsbewegung. Das Weißbuch ist nicht der Schluss sondern der Anfang - jetzt geht´s los für uns! Anna kündigt an, dass „nach dem Impuls der staatlich verordneten Beteiligungsbewegung Jugendliche selbstbestimmt die Bewegung fortsetzen werden“. Dabei hofft sie auf Unterstützung und Taten von Politikern, damit Demokratie lebendig wird. mk/sk/br


02 wir über uns

farbspiel?

editorial ...leere Kaffeetassen, müde Augen, abgestürzte Rechner, aber volle Konzentration um uns herum. Ganz klar, hier wird eine Zeitung gemacht - eine Tagungszeitung zum informieren und erinnern. Über politikorange, Zensur, unsere Erwartungen, die Erwartungen von euch und Ihnen führte unser Weg. Die Idee, selbstbestimmt eine Kongresszeitung zu machen - von Jugendlichen für Jugendliche - oder auf einem Medienseminar unter Anleitung ein PR-Magazin zu erstellen, wurde diskutiert. Die große Frage war, ob dieses Seminar ganz praktisch die Jugendinitiative politikorange aus der selbsternannten Beteiligungsbewegung unterstützt, oder ob im Auftrag darüber berichtet wird, wie „Neuer Schwung für die Jugend Europas“ aussehen soll. Wir haben ausgiebig diskutiert und einen gangbaren Weg gefunden. „FarbSpiele?“ ist eine Tagungszeitung. Von Jugendlichen gemacht und für Jugendliche geschrieben. Leider nicht mehr. „FarbSpiele?“ stellt jedem, der den Titel liest die Frage, ob auf dieser Konferenz nur mit Farben gespielt wurde, oder ob das Weißbuch jetzt tatsächlich umgesetzt wird. Waren diese vier Tage nur Spielerei und „Eso-kram“ oder glaubt ihr, das ihr etwas bewirkt habt und noch bewirken werdet? Eure Redaktion P.S.: Liebe Grüße von der Deutschlehrerin: „Weissbuch“ wird „Weißbuch“ geschrieben. Viel Spaß beim Korrigieren der tausenden von Flyern, Plakaten, Blöcken, Kugelschreibern, Mappen und Bannern. ;)

jugendliche tragen alles... Karikatur: Jessica Wohlgemuth

impressum Herausgeber: JUGEND für Europa - Deutsche Agentur für das EU-Aktionsprogramm JUGEND Heussallee 30 53113 Bonn gefördert durch das BMFSFJ und die EU-Kommission Verantwortlich: Hans-Georg Wicke

Redaktion: Redaktionsgruppe des Medienseminars während der 2. Deutschen Jugendkonferenz vom 21. bis 24. März 2002 in Weimar: Maria Bossmann (mb) Simone Finkenwirth (fin) Ulf Glöckner (ug) Philipp Guhr (pg) Maximilian Kall (mk) Sina Kaufmann (sk) Victoria Dorothea Kirchhoff (vk) Caroline Ko (ck) Andreas Menn (am)

Florian Möllers (fm) Eva-Lotte Quatuor (elq) Richard Röder (rr) Phil Rusche (dL) Andreas Steyer (as) Sylvère Störmann (ss) Dortje Treiber (dt) Karsten Wenzlaff (kw) Fotos: Sina Kaufmann Jona Hölderle Eva-Lotte Quatuor Jörg Heupel

Layout: Maximilian Kall Eva-Lotte Quatuor Online-Redaktion (unter www.jugendineuropa.de): Frank Peil Sylvère Störmann Andreas Menn


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Der lange Weg zum weißen Buch Zweihundert Jugendliche kommen nach Weimar und wollen etwas erreichen. Aber was? Wozu gibt es die 2. Deutsche Jugendkonferenz? Und was hat es eigentlich mit dem Weißbuch auf sich?

unterwegs zur jugendbeteiligung Fünf Uhr morgens - der Wecker klingelt. Den ersten Schritt zur Zweiten Deutschen Jugendkonferenz setze ich in Richtung Bad... Zwei Stunden später beginnt dann wirklich die lange Reise vom Südwesten gen Nordost, in die Kulturstadt Weimar. Zusammen mit meiner Schwester Gretje fahre ich dem Ungewissen entgegen. Was erwartet mich? Ich denke an die 1. Deutsche Jugendkonferenz, an die Europäische Jugendkonferenz - jedesmal andere Menschen, andere Ideen, Diskussionen, Erlebnisse. Dieses Mal bin ich kein Teilnehmer an der Konferenz, sondern gehöre zu den Berichterstattern. Nach dem Umsteigen in Frankfurt tauchen die ersten bekannten Gesichter auf. Wiedersehensfreude! Gedanken und Erlebnisse werden ausgetauscht - was hat wer in der Zwischenzeit gemacht? Die „Politiktage 2002“ in Berlin, aber schnell auch das Weißbuch und seine Umsetzung werden diskutiert. Als im Zug auch noch andere Teilnehmer des Medienseminars auftauchen, wird der Auftakt von Seminar und Konferenz einfach in den Waggon verlegt. Und schon beginnt Jugendbeteiligung Erwachsene zu stören. Wir „typischen Jugendlichen“ diskutieren „lautstark“, hindern dadurch Erwachsene an „wichtiger Arbeit“, und lassen uns auch durch mehrmaliges Ermahnen nicht wirklich zu ruhigen, braven Kindern umwandeln, die Walkman hören und vor sich hin dämmern. Schrecklich sind sie, diese interessierten, engagierten Jugendlichen, oder etwa nicht? Hoffen wir, dass wir zumindest hier in Weimar zu Wort kommen und sagen können, was wir denken, fordern, ändern wollen, ohne dass die ältere Generation uns als Störenfriede abtut! dt

Vor drei Jahren beschließt die Europäische Kommission, ein „Weißbuch zur Jugendpolitik“ zu erarbeiten. Weil Jugendpolitik Jugendliche betrifft, will sie die Meinung der Jugendlichen in diesen Prozess einfließen lassen. Deshalb findet Pfingsten 2000 die 1. Deutsche Jugendkonferenz statt, bei der Jugendliche aus ganz Deutschland über ihre Wünsche und Forderungen zur europäischen Jugendpolitik diskutieren. Nach einer Woche Workshoparbeit, Erfahrungsaustausch und Diskussionen ist ein ausführlicher Katalog an Forderungen an die Europäische Kommission entstanden: „Das wollen wir im Weißbuch stehen haben!“, so die einhundert Teilnehmer der Konferenz. Auf der Europäischen Jugendkonferenz im Dezember 2000 in Paris werden die Ergebnisse der nationalen Jugendkonferenzen zusammengetragen. 450 Jugendliche formulieren innerhalb von drei Tagen ihre Vorschläge. Außerdem werden lokale Jugendorganisationen, die nationalen Jugendräte und auch ein Team von Jugendforschern zu ihrer Einschätzung der Situation Jugendlicher und ihren Bedürfnissen befragt. Zusammengetragen werden die

Ergebnisse der verschiedenen Gruppen auf einer Konferenz in Umea, Schweden, im März 2001. Die gesammelten Forderungen werden schließlich von der Kommission in das Weißbuch einbezogen. Im Oktober 2001, während der belgischen Präsidentschaft, wird es den Jugendministern und Jugendlichen in Gent vorgestellt. Die große Frage für die Kommission, die Jugendminister der Mitgliedsstaaten und vor allem für uns Jugendliche ist nun, wie die Inhalte des Weißbuches umgesetzt und realisiert werden sollen. Das ist eine Aufgabe der Teilnehmer dieser 2. Deutschen Jugendkonferenz. In „Open-SpaceGruppen“ sollen konkrete Forderungen gestellt werden, die dann an das Bundesjugendministerium weitergeleitet werden können. Es gilt zu zeigen, dass Jugendliche sich beteiligen und damit auch Einfluss auf die Umsetzung des Weißbuches nehmen wollen. „Sinn und Zweck der Konferenz ist Beteiligung“, so auch Robert Helm (28 Jahre), der Projektleiter der 2. Deutschen Jugendkonferenz. Für ihn ist die Konferenz eine Chance für Jugendliche. Was sie daraus machen werden, liegt bei ihnen. dt


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Machtinstrument Weißbuch Wer profitiert vom EU-Weißbuch Jugendpolitik? Hinter der Entstehung des Weißbuchs steckt mehr als reine Jugendliebe.

Einer der am häufigsten erwähnten Begriffe dieses Wochenende ist eindeutig „Weißbuch“. (siehe auch unseren ausführlichen Artikel). Das Weißbuch beschreibt den Anfang eines Weges auf dem Jugendliche in die Politik eingebunden werden sollen. Aber wer hat diesen Weg eigentlich wann, wie und warum eingeschlagen? Wer denn eigentlich die schwere Aufgabe bewältigt, aus all den Daten der Umfrage, die dem Weißbuch zu Grunde liegen, konkrete Empfehlungen für die Europäische Jugendpolitik zu entwickeln? Und, wer hatte eigentlich die Macht, die Daten entsprechend in seinem Sinne auszuwerten und zu verwenden? Nach Aussagen verschiedener Jugendfunktionäre, die an der Entstehung des Weißbuchs mitgearbeitet haben, kam die Idee zur

Entwicklung des Weißbuchs direkt von der Europäischen Kommission (bekannterweise kein „Unter 30-Jährigen“ Gremium...). Vorangegangen waren mehrere, voneinander unabhängige Umfragen zu Jugendpolitik in Europa, die zeigten, wie wenig sich die Jugendlichen Europas mit den Institutionen der EU identifizierten. Unter anderem aus der Angst vor den Gefahren, die durch diese Distanz zur EU kommen könnten (z.B. die politische Radikalisierung der Jugendlichen durch das Gefühl von der normalen Politik ausgeschlossen zu sein,...), entstand die Idee, ein Weißbuch zu entwickeln. Aber das war nicht alles...: Um den kompletten Prozess der Entwicklung verstehen zu können, muss man wissen, dass die Europäische Kommission ein generelles Interesse

daran besitzt, neue Bereiche der europäischen Politik mit ihren Ideen zu besetzen und so die Ministerräte dazu zu bringen, diese auch umzusetzen. Die Jugendpolitik bietet hierfür einen hervorragenden Rahmen, da diese als eigenes Ressort innerhalb der Europäischen Kommission noch überhaupt nicht geführt wird, sondern innerhalb des Ressorts Bildung und Kultur. Auch wurde die Europäische Jugendpolitik in den Verträgen von Amsterdam nicht ausführlich angesprochen, was der Europäischen Kommission viel Handlungsspielraum gibt. Auffällig beim Lesen des Weißbuchs ist auch, wie oft die Ergebnisse der Umfragen die geleistete Arbeit der Europäischen Kommission bestätigen. Darüber hinaus wurde die Meinung der Jugendlichen berücksichtigt, was sich z.B. daran

zeigt, dass die ursprünglichen vier Politikfelder in denen die Europäische Kommission im Weißbuch Vorschläge zur Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Jugendpolitik gemacht hatte (Information, Berufliche Qualifizierung , Integration, Lebenslanges Lernen) später aufgrund der Vorschläge der Jugendlichen auf den Konferenzen, um die Felder Partizipation und Bildung erweitert wurden. Dass die Europäische Kommission zwar ihre Position durch das Weißbuch stärken will und es auch deshalb initiiert wurde, scheint ersichtlich, aber gleichzeitig hatten die Jugendlichen Einflussmöglichkeiten im Prozess und deshalb ist das Weißbuch mehr als eine Profilierungsmöglichkeit der Europäischen Kommission - eine Chance für alle Europäer. rr

begriffsglossar europa Europäische Union (EU) Gemeinschaft von zur Zeit 15 europäischen Staaten zur besseren Zusammenarbeit und Interessenvertretung www.europa.eu.int EU-Kommission Die Kommissare werden von den Mitgliedsstaaten benannt und vom Kommissionspräsidenten berufen. Jeder Kommissar ist für ein Ressort zuständig. Die Kommission ist das Verwaltungsorgan und gilt

als „Motor“ und als „Hüterin der Verträge“ der EU.

Leitlinien fest und treffen Entscheidungen für ihren Bereich.

EU-Rat Im Rat sitzen die 15 Regierungschefs und der Präsident der Kommission. Er ist das höchste Entscheidungsgremium.

EU-Parlament Das Parlament wird von den EUBürgern direkt gewählt. Es hat eine eingeschränkte Kontrollfunktion über die Räte und die Kommission und ist Ideengeber. Allerdings hat das letzte Wort immer der Europäische Rat.

EU-Ministerräte 15 Fachminister aus allen EU-Staaten bilden Politik-/ Themenbezogen diese Räte, z. B. den Jugendministerrat. Sie legen

Ausschuss der Regionen Der Ausschuss der Regionen setzt

sich zusammen aus Vertretern der Länder, Regionen und Gemeinden. Er hat beratende Funktion für die Räte und die Kommission, muss aber bei Zuständigkeit angehört werden. Wirtschafts- und Sozialausschuss Dieser Ausschuss setzt sich aus Vertretern wirtschaftlicher und sozialer Gruppen zusammen. Die Funktionen sind - auf seinen Gebieten - identisch mit denen des Ausschusses der Regionen.


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Meilensteine: Stationen des Weißbuchs Auf nationalen Jugendkonferenzen vorbereitet, mit Politik, Institutionen und Verbänden diskutiert und verwirklicht: das EU-Weißbuch Jugendpolitik zeigt einen langen und schwierigen Prozess. Eine Chronologie. Das Weißbuch ist im November 2001 von der EU-Kommission in seiner jetzigen Form verabschiedet worden und wurde im Februar 2002 von den EU-Jugendministern angenommen. Es ist das Ergebnis eines Prozesses, der durch die Entscheidung der EU-Kommission im November 1999, ein Weißbuch der Jugend zu schreiben, in Gang gesetzt wurde: - 17 nationale Jugendkonferenzen und unzählige Befragungen von organisierten und nicht organisierten Jugendlichen in allen Ländern - Erstellung einer „Studie über die Lage der Jugendlichen und der Jugendpolitik in Europa“ von Jugendforschern aus allen Gebieten Europas - Gespräche der EU-Kommission mit politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen jedes EUStaates - Offizielle Anhörung von Jugendorganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen, der sogenannten „Zivilgesellschaft“ durch den Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU auf Drängen des Europäischen Jugendforums

- Eine europäische Jugendkonferenz in Paris, an der 450 abgesandte Jugendliche aus 30 Ländern teilgenommen haben - Eine Konferenz in Umea (Schweden) auf der sich 140 Menschen (Jugendliche, Politiker, Wissenschaftler), die bisher am Weißbuchprozess teilgenommen hatten, getroffen haben Von Mai 2000 an hat es ein Jahr gedauert, bis alle diese Punkte abgeschlossen waren. Nach der redaktionellen Ausarbeitung durch Mitarbeiter der EU-Kommission war das Buch im November 2001 fertig. Diese Beschreibung hier klingt sehr glatt, als sei alles mit größter Zufriedenheit aller Beteiligten verlaufen. Zwischenzeitlich war aber das ganze Projekt bedroht, weil nicht mehr alle EU-Jugendminister hinter dem Projekt als „Weißbuch“ standen. Ursache des Konflikts war, dass den EU-Jugendministern bzw. den Regierungen ihrer Länder die „Offene Methode der Koordinierung“ zu verbindlich war. Das europäische Jugendforum hat sich eingeschaltet und daraufhin hat sich der EU-Jugendministerrat im Mai 2001 nicht einstimmig für das Weißbuch ausgesprochen. erq

offene methode der koordinierung Die Europäische Kommission hat zur Umsetzung des Weißbuches die „offene Methode der Koordinierung“ gewählt. Die Kommission gibt dabei Themenvorschläge zur europäischen Jugendpolitik an den „Rat der Jugendminister“ weiter. Diese 15 nationalen Jugendminister bestimmen, welche Themen Vorrang haben und wie die gemeinsamen Ziele realisiert werden sollen. Deren Umsetzung wird anschließend von der Kommission überwacht und bewertet. In diesen Prozess sollen zudem das Europäische Parlament, der Wirtschafts- und Sozialausschuss, der Ausschuss der Regionen, sowie Jugendliche einbezogen werden. dt


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Auf einer so großen Veranstaltung wie der 2. Deutschen Jugendkonferenz mit über 200 Teilnehmern, hat man kaum eine Chance mit jedem ins Gespräch zu kommen. Daher haben wir uns für euch im Tagungsort Reithaus auf die Suche nach Jugendlichen gemacht, deren Projekte und Aktivitäten unsere Neugier weckten.

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Die packen‘s an

Lara (18) aus Wuppertal begegnen wir im Reithaus. Sie erzählt uns von den Politiktagen in Berlin, wo sie bei der Organisation mitgewirkt hatte. „Jugendliche haben ein Recht auf Beteiligung. Ich möchte sie zur Partizipation motivieren“, sagt sie. Andreas (22), Berater des Dachverbandes der Jugendgemeinderäte BadenWürttemberg, finden wir kurz danach im „Schneckenraum“ in der zweiten Etage. Er erzählt uns, wie es ihnen gelang, ein günstigeres Schüler-Ticket durchzusetzen. Durch eine gelungene „Schwarzfahraktion“ hatten Jugendliche, zwar mit gültigen Fahrscheinen, aber in T-Shirts mit dem Aufdruck „ Schwarzfahrer“, in öffentlichen Verkehrsmitteln ihrem Ärger Luft gemacht. Andreas war auf der 1. Deutschen Jugendkonferenz.. Er wünscht sich, dass zukünftig alle Jugendliche Politik machen, „egal ob

organisiert oder nicht.“ Ihm geht es in erster Linie ums „Mitentscheiden“. Jonas (23) stellt sein Projekt Futur X - Gesellschaft für Generationengerechtigkeit e.V. vor. Er zieht Parallelen zwischen der, von der UN herausgegebenen, Agenda 21 und dem Weißbuch Nach Jonas treffen wir Anna (20) aus dem Vorstand der „BundesschülerInnenvertretung. Sie findet, dass im Weißbuch noch zu wenig über Schule gesprochen wird und möchte das Thema bei der Umsetzung berücksichtigen. Raphael begegnen wir im schwarzen Kubus. Er ist Gründungsmitglied der Partei „jetztWIR“. Er berichtet von Problemen bei der Gründung. Leider sei die Partei durch zu hoch gesetzte Ziele ein wenig eingeschlafen. Deshalb möchte Raphael sich auf ein Thema konzentrieren. Ihm ist wichtig, dass Europas Jugend sich auch Gedanken um den Rest der

Welt macht. Hier ist ihm die Idee gekommen das Weißbuch als Chance zu nutzen seine Ideen zu untermauern. „ Wenn wir dran bleiben, können wir dies zu was Größerem ausbauen.“, so Raphael. Der Raum leert sich und wir entdecken in einer Ecke Julia (19). Sie ist Gründerin einer Wählergemeinschaft in Lilienthal, Niedersachsen, die in zwei Wahlbezirken auf 14% der Stimmen gekommen ist. Zu viert sitzen Julia und ihre Mitstreiter heute im Gemeinderat. Sie ist hier, um ihre Erfahrungen an andere Jugendliche weiterzugeben. „Man solle nie den Mut verlieren.“, so Julia. In Lilienthal wird sie nach Ende der Konferenz wieder in der Haushalts-Debatte ihrer Gemeinde mitmischen. Wir haben uns gefreut uns mit so vielen Leuten unterhalten zu können - vielleicht nehmt ihr sogar einige Ideen für euer Engagement mit. ck/vk


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Olé! Partizipation auf Spanisch Was macht eine Spanierin auf der 2. Deutschen Jugendkonferenz? Wir sind der Sache nachgegangen und haben das Geheimnis gelüftet. In Spanien ist einiges anders als in Deutschland: Die Sonne steht höher, dort wachsen mehr Orangen als Äpfel und auch die Politik unterscheidet sich von der deutschen. Der letzte Punkt ist besonders spannend für Ida Guillen. Die 50-Jährige ist spanische Beobachterin der EU-Präsidentschaft. weil Spanien zurzeit im EU-Jugendministerrat den Vorsitz hat und dafür konkrete Aktionen für die Umsetzung des Weißbuches vorbereitet. Guillen arbeitet für das „Institut für Jugend“ im spanischen Arbeitsministerium. Sie beschäftigt sich mit Jugendinitiativen aus ihren Land und mit Austauschprogrammen für Drittländer. Nach Weimar kam sie als interessierte Zuhörerin, um sich über die 2. Deutsche Jugendkonferenz zu informieren. „Ich bin neugierig auf die Methoden und Ideen“, sagt die Madrilenin, „wenn interessante Methoden dabei sind, möchte ich sie gerne mit nach Spanien nehmen.“ Außerdem möchte sie von den Jugendlichen lernen und ist auf die Arbeit gespannt. Jugendkonferenzen zum Weißbuch sind für die Beamtin kein Neuland. Vom 9. bis 12. März dieses Jahres hatte sie an der Spanischen Jugendkonferenz zum Weißbuch in Murcia teilgenommen. 85 Jugendliche, vor allem aus EU-Ländern und Beitrittsländern und auch Spanien, hatten sich in vier Gruppen geteilt. Sie haben über die Themen Beteiligung, Bildung,

Unabhängigkeit der Jugendlichen und Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit diskutiert. Dabei sind konkrete Maßnahmen für die europäische Ebene entwickelt worden. Parallel dazu setzten sich die Jugenddirektoren aus den EU-Mitgliedstaaten mit dem Weißbuch auseinander. Beide Seiten präsentierten anschließend ihre Arbeiten. „Die Ergebnisse waren gut“,

aufgeschnappt und angelacht

sagt Guillen. Interessant findet sie das Open Space-Verfahren auf der 2. Deutschen Jugendkonferenz. Die Jugendlichen seien positiv und kreativ, sagt sie. Durch diese Methode hätten die jungen Leute hier mehr Freiheit, ihre Ideen auch umzusetzen „Ich bin gespannt, was am Ende für Ergebnisse herauskommen“, erzählt sie. fin


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„Jeder von euch vertritt 40 000“ Die Teilnehmer der 2. Deutschen Jugendkonferenz sollen repräsentativ für die deutsche Jugend stehen. Ein Gespräch mit dem Konferenzorganisator, Hans-Georg Wicke. Wie die Teilnehmer der 2. Deutschen Jugendkonferenz ausgewählt wurden, die für die gesamte deutsche Jugend sprechen sollen und ob sie einen Querschnitt durch die 14 bis 25-Jährigen repräsentieren können, besprachen wir mit dem Veranstalter Hans-Georg Wicke. Showtime! Um die Atmosphäre der Eröffnungsveranstaltung aufzulockern, betraten sechs Jugendliche nach namentlicher Aufforderung die Bühne. Wahrscheinlich sollten sie verschiedene Gruppierungen von Jugendorganisationen darstellen und das Gefühl der Beteiligung unter den Teilnehmern stärken. Die Fragen an die Sechs bezogen sich auf ihre Kenntnisse zum Weißbuch und ihren Vorstellungen über die Konferenz. Die eine Hälfte glänzte mit Ahnungslosigkeit und naiver Vorfreude, die andere Hälfte wiederholte seriös und wie einstudiert Phrasen der Reden unserer hochrangigen Gäste aus der Politik. Die hier Anwesenden sind für die Umsetzung der Forderung des Weißbuchs auf deutscher Ebene verantwortlich. Wie sehen die Vertreter der deutschen Jugendinteressen aus? Insgesamt gab es 600 Bewerbungen von denen 200 positiv bestätigt wurden, so Veranstalter Hans-Georg Wicke. Er hat die Teilnehmer nach Alter, Bildung, Bundesland, organisiert bzw. nicht-organisiert und Geschlecht mit ausgewählt. Die Frage der „Organisiertheit“ von Jugendlichen bezieht sich auf die Zugehörigkeit zu großen Jugendverbänden mit exotischen Abkürzungen wie DBJR, DSJ und BSV. Von den 200 teilnehmenden Jugendlichen kommen

tatsächlich 100 aus diesen Verbänden. Der Rest setzt sich aus Ausschreibungen im Internet und anderen Bewerbungsbemühungen, die die Teilnahme von Randgruppen beinhaltet, zusammen. Hans-Georg beklagte sich über die Schwierigkeiten, Teilnehmer nicht- deutscher Herkunft und ohne Abitur für die Konferenz zu gewinnen. Mit viel Mühe ist es noch gelungen ein paar diese Kriterien erfüllende Jugendliche nach Weimar zu locken. Dreizehn Jugendliche nichtdeutscher Herkunft nahmen an der Konferenz teil. Ebenso viele kommen von nicht-gymnasialen Bildungszweigen. Dass sich die Teilnehmer aus diesen beiden Gruppen überschneiden, wird wohl in keiner Statistik auftauchen. Auch wenn die Überzeugung nicht-organisierte Jugendliche stärker zu integrieren unter Veranstaltern und Förderern durchaus vorhanden ist, lässt der Blick auf die Teilnehmer nur das Urteil zu, dass in Weimar viele Themen unausgesprochen blieben, weil die Hälfte der Jugendlichen an Verbände gebunden und in festen „Strukturen der Beteiligung“ groß geworden ist. Dieses 50/50-Verhältnis ist wohl in keiner Weise ein realistisches Abbild für die Zusammensetzung der Jugend Deutschlands. Für HansGeorg bleibt das Problem „den Jugendliche von der Straße“ für Politik zu begeistern, aber der beispielhafte Entstehungsprozess des Weißbuchs sollte, so zumindest die Theorie, zu mehr Engagement für die Integration von alternativen Jugendinitiativen verpflichten. pg/mb


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Keine Quotenkinder Mwangi und Mohamad haben‘s schwer in Deutschland, leben in einer Gegend, in der rechtsextreme Übergriffe zum Alltag gehören. Im EU-Weißbuch sehen sie ihre Hoffnungen: auf Chancengleichheit, Offenheit und Toleranz. Fürchterlich bürokratisch verklausuliert klingt‘s, wenn Beamte von Verteilungsschlüsseln reden. Gemeint sind hier Auflagen des Bundesjugendministeriums: verschiedene Regionen, Altersgruppen und gesellschaftlich-soziale Hintergründe müssen sich auf der Konferenz wieder finden. „Es ist schwierig, die ganze Bandbreite der deutschen Jugend einzubinden“, sagt HansGeorg Wicke, Leiter der Bonner Agentur JUGEND für Europa und Organisator der 2. Deutschen Jugendkonferenz. „Wir haben uns bemüht, speziell Minderheitengruppen anzusprechen“, erklärt Wicke. Haupt- und Realschüler oder Jugendliche mit nichtdeutschem Hintergrund seien nicht in den normalen Kontingenten organisiert. Die müsse man gesondert ansprechen. Ergebnis: Von insgesamt rund 200 Konferenzteilnehmern sind 14 Migrantenkinder und etwa 20 Haupt- und Realschüler sind nach Weimar gekommen. Mwangi kommt aus China. Heute lebt er mit seiner Familie in Berlin-Fürstenwalde. Das europäische Weißbuch zur Jugendpolitik hat für den 18-Jährigen eine spezielle Kom-

ponente - die der sozialen Gerechtigkeit. „Ich kann in Deutschland dieselbe Schule besuchen wie ein deutscher Jugendlicher, dieselbe oder möglicherweise eine bessere Ausbildung haben, und wenn ich einen Job suche wird der Deutsche vorgezogen. Erstmal sollen die Deutschen ran“, erklärt der Zehntklässler. „Da gibt es keine Gerechtigkeit.“ Es klingt, als habe er resigniert. Nein, in Deutschland sei er nicht glücklich, sagt Mwangi. Im Umgang mit Ausländern seien die Deutschen die Schlimmsten in Europa. Ein noch fast harmloses Beispiel: „Ich bin mit einem Kumpel unterwegs, möchte von jemandem auf der Straße Feuer und höre mir an ‚Verpiss Dich, Du Penner‘“, erzählt der Gesamtschüler aus Fürstenwalde. Über ein Forum in Strausberg bei Berlin hat der 18-Jährige vom EU-Weißbuch erfahren. „Ein bisschen was hatte ich mitbekommen, hier in Weimar habe ich aber erst verstanden, worum‘s eigentlich geht“, meint Mwangi. Er wolle Kontakt zu jungen Leuten, mit möglichst vielen sprechen, sich informieren über Projekte für Chancengleichheit und gegen Rassismus. Hoffnung zieht Mwangi

aus einem europäischen Dialog zwischen Jugendlichen mit den verschiedensten sozialen Hintergründen und verknüpft sie etwas pathetisch - mit seinem persönlichen Schicksal. „Was wir in Europa schaffen, müssen wir irgendwann auch über Europa hinaus anpacken. Wir sind eine Welt.“ Mohamad ist vor eineinhalb Jahren mit seiner Familie aus Afghanistan geflohen. Der 15-Jährige ist zusammen mit Mwangi nach Weimar gekommen. Er ist mehrfach Opfer von Neonazi-Übergriffen geworden, wurde zusammengeschlagen, ist geflohen. „Rassismus muss endlich raus aus den Köpfen“, sagt Mohamad. Auch er besucht eine Gesamtschule in Fürstenwalde. „Fürstenwalde ist schlimm, wenn ich in Berlin bin, habe ich nicht solche Angst“, meint er. Die Deutsche Jugendkonferenz wecke Hoffnung bei ihm, dass man durch einen Dialog, durchs miteinander in Kontakt kommen, etwas erreichen kann. „Das Weißbuch ist Zukunft“, erklärt Mohamad. Ob es für ihn in Deutschland eine Zukunft gebe? Nein, sagt er. In London habe er einen Onkel: „Da zu leben wäre ein Traum.“ mk


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farbspiel?

bergmann eröffnet jugendkonferenz „Ich wünsche mir, dass nicht immer jeder seine eigene Suppe kocht, sondern dass man auch mal zusammenkippt.“ Offen und jovial leitete Bundesjugendministerin Dr. Christine Bergmann am Donnerstag mit ihrer Eröffnungsrede den 2. Deutschen Jugendkongress (DJK) in Weimar ein. Dabei ging sie auf die Bedeutung des Weißbuchs der EU-Kommission zur Jugendpolitik ein und umriss die Aufgaben der Konferenz für die nächsten Tage. Entscheidend für die Zukunft, so Bergmann, sei die stärkere Integration jugendlicher Aktivitäten und Interessen in das politische Tagesgeschäft, sowohl auf europäischer wie auf nationaler Ebene. Jugendliche Initiativen sollen dabei über stärkere finanzielle Förderungen hinaus Mitspracherechte erhalten, ein Novum in Europa. Partizipation der Jugendlichen sei einer der wesentlichen Forderungen des Weißbuchs. Schon bei der ersten DJK habe es eine rege Beteiligung der Jugendlichen gegeben, was ein „deutliches Signal an Europa“ gesendet habe. Den dabei erzielten Ergebnissen seien eine gravierende Bedeutung beizumessen. Weitere Schritte wurden aber, gestand die Ministerin, „von der Kommission gebremst.“ Deshalb gelte es beim Kongress den ersten Schritt zu gehen, die Richtlinien und Inhalte des Weißbuchs umzusetzen. Wie bereits beim ersten Kongress, deutete Bergmann an, erhoffe sie wieder eine Mischung aus Effizienz und Erbauung. „Die Stimmung war gut, manchmal war es auch ein wenig chaotisch, aber es hat Spaß gemacht.“ Bergmann bekräftigte, sie wünsche sich eine offene Diskussion. Für den weiteren Verlauf des Prozesses sagte sie ihre Unterstützung zu. „Ich bin gespannt, was diese Konferenz herausbringen wird.“ ss

Der Besuch der roten Dame Wenn die Frau Ministerin auf der Deutschen Jugendkonferenz vorbeischaut, werden die Organisatoren nervös. Immer wieder ein interessantes Schauspiel, wenn ein hoher Gast den Saal betritt: Die Leute rücken zusammen, beginnen diskret zu tuscheln. Die Organisatoren werden nervös und laufen bunt umher. Ministerbesuch! Christine Bergmann, Bundesjugendministerin und heute zweifellos die mächtigste Frau im Haus, ist gerade mit der Regierungslimousine vorgefahren. Jetzt betritt sie festen Schrittes den Raum rotblonde Haartracht, lilaroter Dress. Vermutlich ein Zufall, natürlich kein politisches Statement. Kameras blitzen auf, Videokameras zoomen los. Beherzt schreitet die Ministerin nach vorne zur ersten Reihe und sieht sich schon von einer Schar wichtiger Repräsentanten umzingelt, die sie begrüßen. Bergmann nimmt‘s gelassen, sucht den Kontakt, gibt sich offen und leutselig. Jugendkonferenz zum EU-Weißbuch, das ist ein Thema, bei dem die Jugendministerin mehr zuhören muss als vorgeben kann. Schließlich werden hier die Inhalte erarbeitet, die das Rahmenpapier der EU-Kommission mit Leben füllen sollen. Bergmanns Rede zielt dann auch auf das Miteinander, sie duzt das Publikum und erinnert an die erste Konferenz, bei der sie auch schon vor Ort war. „Jugendliche sind nachweislich überproportional an den gesellschaftlichen und politischen Prozessen beteiligt“, sagt sie, und fährt mit einem Augenzwinkern fort: „Merkt Euch das, wenn wieder jemand behauptet, Jugendliche würden sich für nichts engagieren!“ Mut machen und Gemeinsinn stärken, das scheint die Strategie der Ministerin zu sein, die einerseits versichert, mehr jugendliches

Engagement fördern zu wollen, andererseits aber, wie die Zuhörer wissen, auch immer in den politischen Sachzwängen verhaftet bleibt. Auch als nach den anderen Reden die Jugendlichen selber auf die Bühne treten und ihre Standpunkte und Forderungen darlegen, wirkt sie aufmerksam, schaut wachen Blickes Richtung Bühne und schreibt hin und wieder ein paar Worte in ihr kleines Notizbuch. Doch wenn konkrete Fragen kommen, bleibt Bergmann eher allgemein. Auf der Pressekonferenz wiederholt sie die Quintessenz ihrer Rede: Ein guter Schritt sei es gewesen, das Weißbuch, aber jetzt gehe die Arbeit erst richtig los. Man müsse den Rahmen mit Inhalten füllen, und da sei die Jugend gefragt. Das haben die Anwesenden heute schon einmal gehört. Auf die Frage, wann die konkrete Umsetzung beginne, antwortet sie vage, das sei eine Sache der Verständigung zwischen den Institutionen, die Länder und Kommunen müssten sich absprechen und konkrete Zielvorgaben setzen. Das Wort „Zielvorhaben“ ist früher bei der Weißbuch-Diskussion auch schon des öfteren gefallen. Dann ist auch schon Schluss, die Kameras werden eingepackt, das Publikum drängt zum Kuchen-Buffett. Bergmann bleibt noch ein wenig sitzen, diskutiert mit Kathrin und Thies, den Politiker und Veranstalter zu ihrer Linken lässt sie links liegen - schließlich trägt der thüringische Jugendminister einen schwarzen Blazer. Das Gespräch mit der Jugend ist ihr wichtig, das sieht man. Nur die Antwort auf die Frage nach der Umsetzung bleibt sie schuldig... am


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Der Partizipation auf der Spur Bei einem Kongress im Zeichen der Partizipation ist eine Klärung der Begrifflichkeiten von Vorteil.

Schluss mit den Bauernopfern: Wenn wir erst einmal wissen, wovon wir sprechen, können wir euch sagen, was wir wollen.

„Wir müssen ernsthaft über Beteiligung reden“, versprach Bundesjugendministerin Bergmann den 200 Teilnehmern der 2. Deutschen Jugendkonferenz. Und das ist zumindest den ersten Reaktionen auf ihre Rede zu Folge - eine wirklich gute Idee. Denn obwohl sich hier in Weimar eigentlich alles um Beteiligung drehen soll, wussten die wenigsten, wovon der Rest gerade sprach, wenn Mitsprache thematisiert wurde. Einbezogen werden oder eben Partizipation. Und dieser Begriff schien wie geschaffen für den Eröffnungstag, denn die verschiedensten Vorstellungen zu jugendlicher Beteiligung fanden bequem darunter Platz. Berichtet Frau Bergmann voll stolz von Partizipation, erzählt sie meistens von den Politiktagen. Ein gigantischer Kongress,

zu dem über 7000 junge Menschen nach Berlin aufbrachen, um über ihre Wünsche und Anregungen zu sprechen. Sina dagegen stellt sich unter dem „Höhepunkt der Beteiligungsbewegung“ etwas ganz anderes vor. Ein „Bundesjugendparlament“ fordert die 16jährige Schülerin aus Bonn selbstbewusst, „mit Rederecht in allen wichtigen parlamentarischen Ausschüssen und dem Recht, direkt Gesetzesvorlagen in den Bundestag einzubringen.“ So verstehen Politiker und Jugendliche also wenigstens zwei verschiedene Dinge unter Partizipation. Und weil es den Teilnehmern untereinander auch nicht besser geht, fällt niemandem so recht auf, wie die angereiste Politikprominenz an ihnen vorbeiredet, und warum die gemeinsame Forderung nach

mehr Beteiligung eigentlich gar keine ist. Aber was heißt denn nun Beteiligung für die zu Beteiligenden? „Mitentscheiden und Zuhören“ meint Sybille und muss dann selbst über ihr Statement lachen. So vielfältig die Vorstellungen von Partizipation sind, sind auch die Erwartungshaltungen des Publikums. Da gibt es vage und konkrete, aktive und passive, kreative und bierernste. „Manche wollen gleich Aktionen für zu Hause planen, andere lieber eine gemeinsame Resolution verabschieden“, berichtet Sebastian von der Servicestelle Jugendbeteiligung, der auch schon auf der ersten Jugendkonferenz in Berlin teilnahm. Im letzten Moment kommt Sina doch noch auf einen universale Definition: „Partizipation heißt selber machen“. dl

alle sprechen über die jugend Überall, wie auch hier in Weimar, auf der 2. Deutschen Jugendkonferenz, wird in Arbeitsgruppen zum Thema diskutiert, werden Programme durchgeführt, Sachverständige befragt und Forschungsvorhaben gefördert. Verantwortlich für diese Veranstaltungen ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Aber wie werden die Resultate dieser Engagements

umgesetzt? Nicht in erster Linie durch jugendbezogene Gesetze. Die legislative Arbeit beschränkt sich im Großteil auf die federführende Betreuung bestehender Bundesgesetze, wie zum Beispiel das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit. Gesetze, die Interessen von Jugendlichen betreffen, werden also oftmals in anderen Bundesressorts erarbeitet. Die Ergebnisse

der Diskussionen um BaföG oder Studiengebühren muss zum Beispiel das Bildungsministerium aufnehmen. Das Jugendministerium versteht seine Arbeit vor diesem Hintergrund als Querschnittsaufgabe. Der Kontakt zu anderen Bundesressorts, den Ländern und Gemeinden soll gewahrt werden. Das Bundesjugendministerium arbeitet also weniger gesetzgebend, als fördernd und moderierend. ug


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Das Weißbuch in 60 Sekunden Einen Zugang zum „Weißbuch“ zu finden, war die Aufgabe, der sich die 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in elf Workshops stellten. Das Thema war allen gleich: „Vorstellung Die erste Gruppe will gar nicht erst auf des Weißbuchprozesses und die Bühne kommen und bleibt lieber im Publikumsraum. „Was verstehst du unter der Inhalt des Weißbuches“ dem Weißbuchprozess?“ ruft eine Teilnehsollten diskutiert werden. merin in den Raum, ein Anderer ruft „Jugendbeteiligung“, eine Andere versteht In der Präsentation der darunter nichts und eine vierte Teilnehmerin Ergebnisse sind aus diesem sagt, das führe wiederum zu kreativen Ideen. einfachen Ansatz elf indiviSo auch bei den zehn anderen Gruppen. duell gestaltete 60 SekunTrotz der wohl recht trockenen Diskussion in den Arbeitsgruppen, haben die Jugendlichen es geschafft, den geworden, die vom auf kreative und pfiffige Weise die Ergebnisse des Publikum durchaus unterWeißbuchs zur Jugendpolitik - zu dem Jugendliche ja schiedlich wahrgenommen auch beigetragen haben - darzustellen. Dabei prallen auch unterschiedliche Auffassungen wurden. Wie auch von aufeinander. In einer Gruppe ruft Carmen auf der unseren Mitarbeitern FloBühne den Delegierten zu, die Chance doch zu nutzen: „Wahrscheinlich wird das Weißbuch erst realisiert, wenn rian Möllers und Karsten wir schon selbst Kinder haben, aber gerade deswegen Wenzlaff. müssen wir für alle Nachfolgenden das Beste aus der Konferenz machen.“ Die nächste Gruppe sieht das ganze etwas skeptischer. Auf einem großen Plakat wird gefragt, warum denn das Weißbuch Weißbuch heißt. Die Antwort: Weil es im Winter geschrieben worden ist und weil die Leute zuviel Koks nehmen. Und weil keiner weiß, was das Weißbuch ist und viel zwischen

den weißen Zeilen steht.Einige Teilnehmer kommen mit einem fragenden Gesichtsausdruck auf die Bühne, zeigen unbestimmt ins Leere und sagen, wo es lang gehen soll, aber nicht wohin. Anderen Teilnehmer ist das ganze klarer: Sie springen auf die Bühne, malen mit bunten Stiften ein großes Plakat mit der Aufschrift Weißbuch an und rufen laut aus: „Wir geben dem Weißbuch die Farbe“. Die bunten Präsentationen beweisen: Jugendliche können aus jeder Veranstaltung eine spannende, konstruktive und unterhaltsame Sache machen. Auch wenn die Schreckensvisionen der letzten Gruppe Wirklichkeit werden. Denn die befürchtet, dass auch im nächsten Jahr die Kommunen noch nichts umgesetzt, die Länder die Mittel gekürzt haben und der Bund sagt, lasst uns mal langsam machen, jetzt machen wir erst mal die Jugendkonferenz 2004. kw

gnadenlose präsentationen und gruppenspielchen Gruppe 1 - Eine Begriffskette „Was hälst du von ... Nichts?“ - „Was tun“.

Besser selber aktiv werden.

Gruppe 2 - Schlagworte Teil I Partizipation, Eigenverantwortlichkeit, Gleichheit.

Weil es im Winter geschrieben wurde! Weil man es eh schon weiß. Weil man im weißen zwischen den Zeilen lesen muss. Weil die, die es verfasst haben, ganz viel wissen.

Gruppe 3 - Die real-politische Sicht Viele Inhalte, die umgesetzt werden wollen.

Gruppe 5 - Hoffnung Das Weißbuch als Chance zum Verändern.

Gruppe 10 - Stille Post Der Weg durch die Institutionen frisst die Informationen.

Gruppe 4 - Eine Frage Warum heißt das Weißbuch Weißbuch? Weil es von Weißen geschrieben wurde. Weil es so eintönig ist. ... Weil die Leute zuviel Koks nehmen. Weil es lauter leere Seiten hat! Weil ich‘s nicht weiß. Weil es weißer ist als alle anderen.

Gruppe 6 - Schlagworte Teil II Jugendbeteiligung, Lobby für Jugendliche. Gruppe 7 - Pantomime Viel gesucht und überall was gefunden. Gruppe 8 - Zivilcourage Gaffen? Schreien? Die Polizei rufen?

Gruppe 9 - Farbe! Gesagt: „Wir geben dem Weißbuch Farbe“ Getan: mit grün und blau und rot und gelb und orange.

Gruppe 11 - 2004 Kommunen: Wir haben noch nichts getan. Land: Wir prüfen derzeit noch und werden voraussichtlich im nächsten Jahr erste Umsetzungen der Weißbuch Vorschläge in konkreten Pilotprojekten... Bund: Wir haben die DJK 2004 finanziert!


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Note: verbesserungswürdig Falsche Methoden für wichtige Inhalte. Ob die Einführungsworkshops zum EU-Weißbuch ihrem Anspruch gerecht werden konnten, blieb unter den Teilnehmern umstritten.

Ratlose Gesichter: Was machen wir nun mit den Worthülsen aus dem EUWeißbuch? Welche Vorschläge können wir umsetzen?

Im „Gartenhaus gelb“ ist es still. Auf der einen Seite sitzen 15 junge Leute, ihnen gegenüber der Moderator Stefan Groschwitz. Er steht vor drei Pinnwänden und wartet. Ungeduldig tritt Stefan von einem Fuß auf den anderen. Endlich eine Wortmeldung: „Wir sollten versuchen, das Weißbuch auf der lokalen Ebene bekannt zu machen“, sagt Anja Heineke. „Aber wie verbindlich ist die Arbeit überhaupt, die wir jetzt am Wochenende hier betreiben?“ kommt es aus der anderen Ecke. In den Köpfen einiger Teilnehmer wird hart gearbeitet. Die Gesichter sehen angespannt aus. Erst einmal verdauen, was Stefan gerade über das Weißbuch gesagt hat und dann gilt es, eine Antwort auf die Frage zu finden: „Wie lassen sich die Vorschläge aus dem Schriftstück umsetzen?“ Rückblick: Am Donnerstagnachmittag beschäftigten sich auf der 2. Deutschen Jugendkonferenz elf Workshops mit dem

Weißbuch. Sie begannen alle gleich: Zuerst stellten sich die Teilnehmer vor, dann kamen die Moderatoren zu Wort und dann das Weißbuch. Anschließend sollten die Teilnehmer sich einzelne Punkte herauspicken und darüber diskutieren. Doch das ging nicht immer problemlos. „Die meisten Teilnehmer in meinem Seminar kannten das Buch nicht so genau“, sagt Dortje Treiber, die kurzfristig als Moderatorin eingesprungen war. So musste die 18-Jährige eineinhalb Stunden die Inhalte des Konzepts erklären. Deshalb wären keine Diskussionen zustande gekommen, sagt sie. „Es war für uns nicht absehbar, welchen Background die einzelnen Teilnehmer haben“, sagt Katrin Jacob aus dem Organisationsteam. „Unter diesen Bedingungen wäre es besser gewesen, wenn in jedem Workshop zwei Teilnehmer gewesen wären, denen das Buch vertraut ist“, erzählt die 22-Jährige. Die hätten dann

die Moderatoren unterstützen können, die - wie sie selbst einräumten - nicht auf dem Gebiet des Präsentierens geübt waren. Hinzu kam, dass manche Sprecher kurzfristig einsprangen und die Agentur „Jugend für Europa“ die Unterlagen für die Seminare lieferten. Das hatte zur Folge, dass die Moderatoren nicht über alle Inhalte informiert waren. Deshalb ging es auch in dem Workshop für Stefan Groschwitz zunächst um die Frage: „Vielleicht sollten wir uns jetzt erst einmal aus dem Weißbuch wichtige Aspekte herauspicken, die für die Jugendverbände interessant sein könnten?“ Plötzlich wird es laut im Raum und alle wühlen hastig ihre Weißbücher aus den Taschen. Stefan guckt in die Runde und wartet, bis alle ihre Bücher aufgeschlagen haben. Dabei tritt er von einem Fuß auf den anderen und wartet. Endlich kommt die erste Wortmeldung. fin


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farbspiel?

„Jugendliche diktieren Ministerin in den Bleistift“ FarbSpiele?: Warum haben Sie als Veranstalter die Open Space Methode für diese Konferenz gewählt?

Hans-Georg Wicke: Wir legen hier nichts fest, die Inhalte sollen von den Teilnehmern kommen, sie sollen ihre eigenen Vorstellungen einbringen und umsetzen können. Wie kommt es zur Umsetzung, nach den Gesprächen in den offenen Gruppen?

Es gibt doch die Möglichkeit dies als Open Space-Thema einzubringen und sich dann intensiv damit auseinanderzusetzen. Das wird hoffentlich noch passieren. Deshalb bin ich froh, dass wir morgen einen zweiten Tag Open Space haben, dann wird es sich inhaltlich mehr um die Umsetzung und die Weiterverfolgung des Weißbuchprozesses drehen. Wessen Idee war es, die Open SpaceMethode hier auszuprobieren?

In der Lenkungsgruppe, bestehend aus: zwei Teilnehmern der 1. DJK, einem Vertreter des DBJR (Bundesjugendring), einem des BKJ (Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung) und einem weiteren des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten, war ganz schnell klar, wir machen Open Space. Ganz einfach, um es offen zu halten für alle Gedanken der

FarbSpiele? befragte Hans-Georg Wicke, Leiter von „JUGEND für Europa - Deutsche Agentur Jugend“ und verantwortlicher Veranstalter dieser 2. Deutschen Jugendkonferenz zur Open Space Methode und über Schwierigkeiten konkrete Ergebnisse zu erarbeiten und diese umzusetzen.

Teilnehmer. Es ist wichtig, niemanden zu übergehen und jedes Anliegen aufzugreifen, deshalb war für uns Open Space die beste Methode. Mit welchem Ziel sind Sie hierher gekommen?

Ganz wichtig war mir, bei der Vorbereitung und auch jetzt während der Veranstaltung den Jugendlichen den Gestaltungsfreiraum zu lassen. Was genau passiert, entscheidet sich hier. Auf einem bunten Banner stehen drei Schlagworte: Meinungen, Forderungen und Aktionen. Wer füllt diese Schlagworte mit Inhalt?

Viele Leute beschäftigen sich damit, die Ergebnisse festzuhalten, eine Redaktionsgruppe ist dafür zuständig, die gesamten Forderungen zusammenzufassen und auszuformulieren, diese gehen dann an Politiker. Darüber hinaus hält eine Open Space-Redaktion, die in den Gruppen heraus gearbeiteten Inhalte fest.

Wie sollen konkrete Ergebnisse kommuniziert und Forderungen durchgesetzt werden?

Wir haben eine richtig gute Chance. Die Ministerin hat auf der Pressekonferenz gesagt, sie sei gespannt auf die Ergebnisse der Konferenz und möchte diese bei der im Mai stattfindenden Jugendministerkonferenz thematisieren. Das heißt doch, sie nimmt Beteiligung ernst und wartet auf Ergebnisse und Forderungen der Jugendlichen. An wen noch Forderungen gehen werden, hängt vom weiteren Verlauf der Konferenz ab. Forderungen sind ein sehr bedeutender Punkt. Entscheidende Forderungen können im Open Space entstehen, genau wie in der Redaktionsgruppe, vielleicht aber noch wichtiger sind die Aktionen, die am Sonntag konkretisiert werden. Alle Teilnehmer sollten die Motivation mitnehmen, in ihrem Umfeld etwas zu bewegen und die Ergebnisse, zu verbreiten. Es geht jedoch auch darum, sich auszutauschen und selbst neue Projekte ins Leben zu rufen. sk


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Ergebnisse im „offenen Raum“? Ein Bericht über den Verlauf der Open Space-Gruppen Kann „Open Space“ konkrete Ergebnisse zu einem Thema liefern? Sind die Hintergründe der Teilnehmer nicht viel zu verschieden, um damit über endlose und polarisierende Diskussionen hinauszukommen? Die Themen „Jugendräte“, „Drogenpolitik“ und „Senkung des Wahlalters“ sind alle sehr umstritten. Wie verliefen hier die Open SpaceDiskussionen in der Konferenz? In der Gruppe „Jugendräte und Jugendparlamente“ stand der Erfahrungsaustausch ganz klar im Vordergrund. „Alte Hasen“, die Jugendparlamente gegründet haben und „Neulinge“, die Informationen sammeln wollten, um selbst solche Strukturen ins Leben zu rufen, nutzen die Chance. Es war offensichtlich für alle Teilnehmer interessant sich auszutauschen und dazu zulernen, denn die Gruppe beschloss am Ende der Diskussionsrunde aus dem Rahmen des Open Space auszubrechen und am Samstag als feste Arbeitsgruppe weiter zu arbeiten. Auch die Gruppe „Drogenpolitik und Drogenprävention“ will die drei Tage im Workshop arbeiten. Die Initiatoren arbeiten in einem Verein für Drogenpolitik und in einer Jugendinitiative. Deshalb stellten sie im ersten Teil ihr Projekt vor und informierten über das Thema. Obwohl sie damit auf breite Zustimmung in der Gruppe stießen, fühlten sich manche zu sehr bevormundet. „Die wollen uns hier ihr Projekt verkaufen“ kritisierte ein Teilnehmer. Dass zum Thema Absenkung des Wahlalters nur ein Mädchen gekommen war, die als 16jährige direkt von dieser Frage betroffen ist, löste eine langwierige Diskussion aus. „Ab welchem Alter sind junge Menschen fähig, selbständig zu wählen?“ war die Frage, die im Mittelpunkt stand. Da in der Gruppe verschiedene Ansichten

vertreten wurden, blieb es bei einem Austausch der Argumente, ohne dass ein Konsens erreicht wurde. Die drei Beispiele zeigen deutlich, dass die Open Space-Methode viele Möglichkeiten verbirgt. Von Erfahrungsaustausch bis zu der Vorstellung eines Projektes kann alles stattfinden. Grundsätzlich war die Mehrheit der Teilnehmer der Konferenz mit dieser Methode zufrieden. Allerdings stellten sich viele die Frage, ob Open Space sich für die

gesamte Konferenz eignet. Sie hatten Zweifel daran, dass die Umsetzung von Ideen dabei ihren Platz bekommt. Oft tauchte der Wunsch auf, Open Space auf den ersten Tag zu beschränken, um am Samstag und Sonntag in festen Gruppen gezielt arbeiten zu können. Beispiele dafür sind die Gruppen zum Thema „Jugendräte“ und „Drogenprävention“, die die Open SpacePhase als Einstieg genutzt haben, um die folgenden Tage weiter daran zu arbeiten. dc

aus dem leben der schmetterlinge Berichte über die Arbeit der Hummeln werden wir alle zu lesen bekommen, was aber machen die Schmetterlinge? Was haben diejenigen gemacht, die nicht in den Gruppen mit diskutiert haben? Nicht wenige haben sich von den Strapazen des Vorabends erholt und ausgeschlafen. Jenny und Franzi waren in Weimar bummeln und haben den Ampelmännchenshop durchstöbert. Auch Verena war im Stadtzentrum und trägt nun als bleibende Erinnerung neue Ohrringe in frisch gestochenen Löchern. Andere wie Johanna haben die Möglichkeit genutzt,

sich außerhalb der Arbeitsgruppen mit den Teilnehmern zu unterhalten. Das Ziel, auf der Konferenz effektiv zu arbeiten, war aber wichtiger als Freizeit. Keiner der Befragten blieb die ganze Zeit Schmetterling. Alle diskutierten nach einer Pause wieder in den Gruppen mit, erholt, mit neuen Ideen und neuem Schwung. „Ich finde es gut, dass Open Space die Möglichkeit lässt, das kulturelle Angebot zu nutzen“, kommentiert Dennis aus Bochum diese Arbeitsmethode. Manuela verließ ebenfalls ihre Gruppe, um andere Diskussionen mit zu verfolgen. Sie sieht

neben dem Vorteil flexibel zu sein auch Nachteile: „Schmetterlinge sollen Schmetterlinge bleiben“, sagt sie. Ihre Erlebnisse hätten ihr gezeigt, dass Teilnehmer, die neu zu einer Arbeitsgruppe gekommen sind, mit ihren Beiträgen oft Verwirrung stiften. Sie brächten Themen ein, die bereits ausdiskutiert seien und hielten so die anderen Teilnehmer auf. Ihre Bitte an Schmetterlinge, die zu Hummeln werden wollen: „Hört erst mal eine Weile zu, bevor ihr ineffektive Kommentare abgebt.“ dt


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farbspiel?

Freiwilligendienst im Umbruch „Ehemalige“ fordern auf der 2. Deutschen Jugendkonferenz die Qualitätssicherung des EVS Der Europäische Freiwilligendienst, kurz EVS (European Volunteer Service, www.evsinfo.de), soll jungen Menschen die Möglichkeit bieten, sich im Ausland in gemeinnützigen Projekten zu engagieren (www.webforumjugend.de). Dazu muss sich der Jugendliche zuerst um eine „Entsendeorganisation“ kümmern. Diese wiederum, oder der Jugendliche selbst, muss ein passendes Projekt im Ausland finden. Im Weißbuch der Europäischen Kommission „Neuer Schwung für die Jugend Europas“ wird diese Freiwilligenarbeit als Form der Beteiligung an der Gesellschaft und ein als die Integration fördernder Faktor bezeichnet. Was so vielversprechend klingt, hat aber zwei Seiten. Das zeigen auch die Erfahrungen von Laura de Paz (21), die das Jahr 2000/01 in Portugal verbracht hat, um dort in einem Therapiezentrum für Suchtkranke Obdachlose zu arbeiten. Einerseits hatte sie dort eine großartige Zeit und hilft nun sogar ihrem Entsender, dem BDKJ, bei der Auswahl neuer Programmteilnehmer. Sie meint, dass „sich nur so Jugendliche mit der Idee eines gemeinsamen Europas identifizieren können“. Bewusst ist sie sich andererseits auch der Probleme, die bei solchen Programmen vorkommen. Daher hat sie mit Gleichgesinnten im Open Space der 2. Deutschen Jugendkonferenz das Anliegen vorgebracht, über die Schwierigkeiten zu diskutieren. Es fand eine ergebnissreiche Runde zum dem Thema statt: Beispielsweise erscheint es ihnen drängend, die Chance

zu einem solchen Jahr jedem zugänglich zu machen. Das ist ihrer Meinung momentan nicht gewährt. Daher beschäftigt sich ihr Lösungsansatz vor allem mit dem Einsatz von Referenten, für die natürlich weitere Gelder bewilligt werden müssten. Leila Sen (21) war im Jahr 2000/01 in Italien, und wollte eigentlich in einem „Centro Sociale“ Jugendarbeit machen. Dort gab man ihr schnell zu verstehen, dass ihre Hilfe nicht gebraucht werde. Ihr Erlebnis beweist, dass eine Kontrolle der Organisationen notwendig wäre, was eine weitere Forderung der Diskussionsrunde wurde. Leider, so kritisierten sie, ist der EVS als nicht formale Bildungs- und Lernerfahrung noch nicht voll anerkannt. Problematisch sind auch die Unterschiede innerhalb des EVS, zum einen zwischen den Entsendeund Aufnahmeorganisationen, zum anderen zwischen den Nationalstaaten. Manche Freiwillige müssen sich Sponsoren suchen, die sie finanzieren, andere bekommen zwar ein Taschengeld zugesagt, dass dann aber nicht rechtzeitig ausbezahlt wird. Deshalb bleibt auch denen das Programm verschlossen, die sich notfalls nicht selbst finanzieren können. Zudem wurden Probleme mit Sprachkursen diskutiert. Gerade zu Beginn, so wünschen sie sich, sollte ein mehrwöchiger Kurs stattfinden, bevor man überhaupt in einem Projekt zu arbeiten beginnt. Die Länge des EVS und die Finanzmittel sind je nach Land unterschiedlich. Außerdem möchten mehr Deutsche

ins Ausland, als Ausländer umgekehrt nach Deutschland kommen. Sybille von Stocki, Referatsleiterin für internationale Jugendpolitik im BMFSFJ, erklärt, dass bezüglich des Austauschs eine Art Ausgleich zwischen den Staaten angestrebt ist. Sie betont auch, dass der Bund den EVS unterstützt und vor kurzem die Ressourcen für Freiwilligendienste von circa 5 Mio. auf rund 16,5 Mio. Euro aufgestockt hat. Auch wurden erst am 22.03.02 im Deutschen Bundestag Gesetzesänderungen zum Freiwilligendienst verabschiedet. Darin wird unter anderem „die Länge zwischen sechs bis 18 Monaten flexibilisiert“, die Einsatzfelder werden um den kulturellen Bereich erweitert, die Möglichkeiten für Einsätze außerhalb Europas werden ausgedehnt, Kriegsdienstverweigerer können das EVS statt Zivildienst ableisten (Änderung ab August) und Vorraussetzung für die Aufnahme ist nun nicht mehr ein Mindestalter, sondern die Erfüllung der Schulpflicht. Obwohl dem Freiwilligendienst offensichtlich einige Bedeutung zugemessen wird, reichen die Maßnahmen noch nicht aus. Insofern sind die Bemühungen der jungen Frauen hier auf der Konferenz um so höher zu bewerten, da sie aktiv ihre Erfahrungen in einen Prozeß einfließen lassen, der zukünftig der deutschen Jugendpolitik im Rahmen Europas die Richtung geben soll. Bleibt zu hoffen, dass die Kritik Beachtung findet und die Vorschläge auf fruchtbaren Boden fallen. vk


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Künstliche Feindbilder Warum es keinen Unterschied zwischen verbandlich organisierten und nicht organisierten Jugendlichen gibt, es aber trotzdem gut ist, dass beide in Weimar dabei sind... „Ich verlange eine Erklärung!“ Wutschnaubend steht Karsten Dörges im großen Saal des Reithauses vor dem versammelten Plenum der 2. Deutschen Jugendkonferenz (DJK) und schildert eine für ihn ungeheuerliche Begebenheit. Gerade habe er inmitten der ausgehängten Ergebnisse der Open-SpaceArbeitsgruppen Resultate der 1. Deutschen Jugendkonferenz entdeckt. Karsten kommt aus der Evangelischen Jugend, ist Vorsitzender des Bremer Jugendringes und sitzt im Hauptausschuss des Deutschen Bundesjugendringes (DBJR). Außer ihm versteht kaum jemand im Saal den Grund seiner Erregung. Karsten muss ein zweites Mal nach vorne, um den Sachverhalt zu erklären. Endlich kommt eine Reaktion: Andreas Schwarz, Teilnehmer der 1. DJK, hebt seine 2,01 Meter in die Höhe und entgegnet: „Das sind die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Europa.“ Manche lachen Karsten ärgert sich. Aber der Großteil der Teilnehmer schaut verwundert um sich und kann absolut nichts mit der Szene anfangen, die sich gerade vor ihm abgespielt hat. Völlig erklären lässt es sich wohl nicht, was da im Freitagabend-Plenum ist. Sicher ist aber, dass es mit der Diskussion zwischen vermeintlich „verbandlich organisierten“ und

„nicht organisierten“ Jugendlichen zu tun hat. Als Vertretung der verbandlich Organisierten sind der DBJR und andere Verbände in den Weißbuchprozess miteinbezogen worden. Um Jugendliche auch außerhalb der Verbandsstrukturen zu beteiligen, fand die 1. DJK mit breit angelegten Regionalkonferenzen und Internetdiskussionen statt. Auf der Konferenz wurden 35 Vertreter bestimmt wurden, die zur Europäischen Jugendkonferenz fuhren und den Weißbuchprozess weiter begleiteten. Zwischen DBJR und 35ern kam es in den zwei Jahren zwischen 1. und 2. DJK zu diversen Unstimmigkeiten. Beide zweifelten an der Legitimation des anderen, und die Auswirkungen sind auch noch zu spüren, als sich am Samstag etwa 30 Vertreter beider Gruppen zum Open-Space-Workshop „Etablierte Verbände versus Neue Beteiligungsmodelle“ zusammendrängeln. Nach hitziger Eingangsphase ist kaum etwas von den Unterschieden übrig geblieben. „Wir haben keinen Alleinvertretungsanspruch für alle Jugendlichen“, sagt Thies Grothe vom DBJR. „Es gibt keinen Konflikt zwischen uns. Jugendverbände aber auch andere Initiativen müssen gefördert werden.“ Johannes Kimmerle

aus der 35er Gruppe pflichtet ihm bei: „Jedes Engagement verdient Anerkennung. Wo man sich engagiert, ist wurscht.“ Und Stephan Groschwitz, der sowohl dem DBJR als auch den 35ern angehört, hält die Trennung in organisierte und nicht organisierte Jugendliche für einen künstlichen Gegensatz und „einfach blöd“. Dass die Jugendverbände im Weißbuch kaum erwähnt sind, kritisieren alle. So war es wohl nur ein Nachhall aus alten Zeiten, dass Andreas Schwarz Ergebnisse der 1. DJK verbreitete, ohne dass eine Arbeitsgruppe dazu stattgefunden hat, und Karsten Dörges misstrauisch einen Affront witterte. Auf der 2. Deutschen Jugendkonferenz haben sich Jugendliche mit verschiedenen Hintergründen zusammengetan, um der Bundesregierung bei der Umsetzung des Weißbuches in Zukunft genau auf die Finger zu schauen. Und die meisten Teilnehmer denken anscheinend sowieso wie Carmen Bender von der Chorjugend, für die der Unterschied zwischen verbandlich organisierten Jugendlichen und jungen Menschen, die sich außerhalb der klassischen Verbänden engagieren, überhaupt keine Rolle spielt: „Ich bin für eine gesunde Mischung!“ as

begriffsglossar europa DBJR Deutscher Bundesjugendring Interessenvertretung von Jugendverbänden auf Bundesebene www.dbjr.de

jugenden, www.dsj.de ADB Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten Bundesweiter Zusammenschluss von Bildungsstätten, www.adb.de

BSV BundesschülerInnenvertretung Interessenvertretung der Schülerinnen und Schüler auf Bundesebene www.bundes-sv.de

RPJ Ring politischer Jugend Zusammenschluss von politischen Jugendorganisationen

BKJ Bundesvereinigung kulturelle Jugendbildung Interessenvertretung von kulturellen Jugendverbänden (Musik, Theater, Kunst,...) auf Bundesebene www.bkj.de DSJ Deutsche Sportjugend Bundesweiter Zusammenschluss von Sport-

DNK Deutsches Nationalkomitee für internationale Jugendarbeit Internationale Vertretung von RPJ und DBRJ gegenüber internationalen Gremien DJP/BVJ Deutsche Jugendpresse/Bundesverband Jugendpresse - Interessenvertretung von jungen Medienmachern (Schülerzeitungen, Internetdesigner,...) auf Bundesebene

www.jugendpresse.de/www.deutschejugendpresse.de Europäisches Jugendforum Zusammenschluss von allen nationalen Jugendräten und vielen internationalen Jugendorganisationen als Lobby www.youthforum.de SJB Servicestelle Jugendbeteiligung Dient der Weiterentwicklung von Jugendbeteiligung und der Vernetzung von Initiativen www.jugendbeteiligung.info JUGEND für Europa Deutsche Agentur für das EU-Aktionsprogramm JUGEND Nationale Agentur zur Vergabe der Gelder, die durch das EU-Aktionsprogramm JUGEND zur Verfügung stehen www.webforum-jugend.de


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farbspiel?

„Frühzeitig mitgestalten“ Ein Interview mit Sybille von Stocki, der Referatsleiterin für Internationale Jugendpolitik des Bundesjugendministerium. Sie besuchte die Konferenz als Beobachterin. Warum sollen sich Jugendliche an der Politik beteiligen?

von Stocki: Weil sie sollen. Die Erwachsenen möchten, dass diejenigen, die zukünftig unsere Republik leiten, schon frühzeitig Verantwortung übernehmen und mitgestalten. Wir haben das Gefühl, dass wir auf dieser Veranstaltung das Leben der Erwachsenen in klein nachspielen. Auf der einen Seite ein Medienseminar auf der anderen Seite die Teilnehmer, die auf uns schon wie Politiker wirken. Die Strukturen der Erwachsenenwelt werden auf die Jugendlichen übertragen. Ist das der richtige Rahmen wenn Jugendliche etwas bewegen und verändern möchten?

von Stocki: Diese Jugendkonferenz ist nicht dazu geeignet etwas zu verändern. Wir brauchen mehr Jugendliche in Parlamenten. Die Jugendlichen sollen in die demokratischen Strukturen reingehen, die wir haben. Wir haben auch nichts dagegen wenn sie dort Veränderungen mitgestalten und wenn sie die alten Strukturen nicht mögen und diese verändern wollen. Jugendliche, die sich schon lange in Verbänden oder Organisationen engagieren, sagen, dass sich Debatten oft wiederholen und immer wieder die selben Forderungen gestellt werden. An der Umsetzung fehlt es aber oft. Woran liegt das? Sind die Forderungen nicht konkret genug oder einfach unrealistisch?

von Stocki: Wenn ich Forderungen von Jugendlichen bekommen, wie bei der 1. Jugendkonferenz, kommen zuerst die Strukturen. Ich gucke, welche Forderungen betreffen den Bund, das Jugendministerium, das Bildungsministerium, die Länder oder Kommunen. Nach der ersten Konferenz durften Jugendliche die Ergebnisse auf der Jugendministerkonferenz vorstellen. Sie wurden dorthin eingeladen und das ist bemerkenswert und eine sehr positive Entwicklung des Prozesses. Könnten Impulse von dem „normalen“ Jugendlichen ausgehen, der nicht Mitglied einer Organisation ist?

von Stocki: Die haben sich bloß hier nicht gemeldet und das nehmen wir mit in die Auswertung. Man kann keinen zwingen aber man kann Interesse wecken. Wie man die erreichen kann, muss auch mit den Ländern besprochen werden. Was halten sie davon, Kommunikationsstruk-

turen zwischen Politikern und Jugendlichen aufzubauen? Unser Vorschlag wäre eine Sprechstunde mit der Jugendministerin per Telefon oder e-mail.

von Stocki: Das halte ich für ausgeschlossen. Frau Bergmann kann nicht jeden Tag 200 e-mails durchlesen und beantworten. Was halten sie von einer Telefonsprechstunde einmal im Monat für eine Stunde?

von Stocki: Dann würde ich sagen einmal im Quartal, und ich möchte daran erinnern, dass wir bundesweit Kindertelefone haben.

Prozent das gar nicht wollen. Das ist eine Stimme und dann mach ich doch nicht das Telefon um diese eine Stimme zu hören. Es rufen dann welche an, die sich nirgendwo durchsetzen können. Mein Vorschlag wäre, dass die Abgeordneten im Wahlkreis ein Jugendtelefon machen. Was ist mit der Umsetzung der Weiß-buchinhalte?

von Stocki: Das kommt auf die Forderung an. Es ist mindestens eine Forderung dabei mit der wir sogar Politik machen können.

Wäre es nicht ein Ansporn für Jugendliche direkt mit der Ministerin reden zu können?

Welche ist das?

von Stocki: Es ist fraglich, ob die Anrufer repräsentativ sind. Dann ruft zum Beispiel einer an und sagt: Drogen freigeben. Meine Erfahrung ist, dass die Jugendlichen zu 80

von Stocki: Das weiß ich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es bestimmt eine gibt, die wir aufgreifen können. Das sollten wir und das stärkt auch unsere Position. mb/pg/ug


ausblick 19

Wir spielen Politik Für Frau von Stocki ist klar, dass die Jugendkonferenz nicht dazu da ist, etwas zu verändern. Stattdessen gaukelt man Jugendlichen vor, Einfluss zu besitzen und lässt sie Politik spielen. Partizipation ist das Motto, Beteiligung von jungen Menschen am politischen Prozess ist das Ziel der Kampagne „ich mache Politik“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Politiktage, die vom 14. bis 16. März in Berlin stattfanden, und die vom 21. bis 24 März tagende deutsche Jugendkonferenz in Weimar sind der vorläufige Höhepunkt der „Beteiligungsbewegung“. Die jungen Menschen, das wurde sichtbar, sollen mitmachen, sich einmischen, mitentscheiden und vor allen Dingen mitreden. Die große Zahl der Teilnehmer allein, besonders auf den Politiktagen, ist sicher kein Beweis der politischen Motivation einer ganzen Generation. Aber es ist der offensichtliche Versuch vieler junger Menschen, mit dem Vorurteil der „Politikverdrossenheit“ aufzuräumen. So hat die intensive Arbeit in den Workshops in Berlin und den Open-Space-Veranstaltungen in Weimar bemerkenswerte Ergebnisse hervorgebracht: Junge Menschen denken politisch. Die Möglichkeit zum Handeln haben sie dagegen kaum. Die Umsetzung konkreter Forderungen und das Aufnehmen neuer Impulse bleibt Sache der „Erwachsenenpolitik“. Eine echte Einbindung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in die politischen Entscheidungsprozesse findet kaum statt. Die Bedeutung von Jugendparlamenten ist nach wie vor marginal. Das ist auch den Jugendpolitikern bewusst. Frau Sybille von Stocki, Referatsleiterin für Internationale Jugendarbeit des Bundesjugendministeriums, fordert daher mehr junge Erwachsene in den Parlamenten als noch mehr Jugendparlamente. Was wird also aus den konkreten Forderungen der Jugendkonferenz? Dem Bundesjugendministerium fehlen oftmals die Kompetenzen, um aus den Ergebnissen tatsächliche Gesetze zu machen. Zum einen sind häufig andere Ressorts zuständig, zum anderen sind jugendpolititische Fragen in vielen Fällen Ländersache. Forderungen werden zum Beispiel an die Jugendministerkonferenz oder an die Kultusminister weitergeleitet. Dr. Frank Michael Pietzsch, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit in Thüringen

räumt auf die Frage nach der Umsetzung der Forderungen der DJK ein, dass es in den Kommunen natürlich ein finanzielles Problem gebe. Politik sei aber die Kunst Prioritäten zu setzen. Das bedeute, Projekte müssten immer auf ihre Effizienz geprüft werden. Wichtig sei bei der Vermittlung der Ergebnisse die enge Zusammenarbeit der Jugendminister mit den Kultusministern, da man über die Schulen auch die weniger engagierten Jugendlichen erreichen

würde. Die Umsetzung von Forderungen und Ergebnissen der Konferenz ist zweifelhaft. Um was geht es also? Für Frau von Stocki ist klar, dass die Jugendkonferenz nicht dazu geeignet ist etwas zu verändern. Vielmehr gehe es darum, die Politiker von Morgen schon frühzeitig Verantwortung übernehmen und mitgestalten zu lassen. Es wird also für einige Tage die Welt der Erwachsenen im Kleinen nachgespielt werden. ug


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farbspiel?

politik orange

politikorange - farbig geht‘s weiter Veranstaltungsinfos, Mailinglisten, Linksammlung, Projektinfos, Praktikumsinfos, Newsletter, Praxis-Tipps, Literaturliste, Diskussionsforen - wir lernen laufen, rennen, schwimmen, tauchen und das alles selbstbestimmt. Mit Dir? Du suchst konkrete Informationen für Artikel in deiner Schülerzeitung? Du fühlst dich in deiner Schülervertretung als Einzelkämpfer und möchtest wissen, wie andere arbeiten? Du willst mitbestimmen und ein Jugendparlament gründen, weißt aber nicht, wie eines aufgebaut wird? Du hast „das Beste“ schon erlebt oder gemacht und möchtest, dass andere das erfahren? Wir erstellen das erste bundesweite SchülerInnenmagazin für engagierte Jugendliche und bringen Licht ins Dunkel. Im Print- und Online-Format erhaltet ihr Infos und interessante Hintergründe von Jugendlichen für Jugendliche. Nur gemeinsam sind wir stark. Deshalb hat sich das orange-Allstar-Team zusammengefunden, um das Magazin gemeinsam zu erstellen. Es besteht aus den Machern verschiedenster selbstorganisierter Jugendprojekte und -organisationen ...und auch Du kannst dabei sein. Wir haben dich vorgewarnt! Nun brauchen wir nur noch dein Engagement! Wenn du das bundesweite SchülerInnenmagazin mitgestalten möchtest oder einfach am Konzept und dessen Machern interessiert bist, dann melde dich: unter 030.290 468-19 oder zeitung@politikorange.de.

www.politikorange.de

Ein Projekt von: BundesschülerInnenvertretung www.bundes-sv.de | Bundesverband Jugendpresse www.jugendpresse.de | Deutsche Jugendpresse www.deutsche-jugendpresse.de | Hausaufgabenheft häfft www.haefft.de| Servicestelle Jugendbeteiligung www.jugendbeteiligung.info


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