Jugend und parlament Juni 2011
Unabhängiges magazin zu »Jugend und Parlament 2011« Herausgegeben von der Jugendpresse DEUTSCHLAND
Foto: Johannes Herbel
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel Die Planung eines Planspiels – Jugend und Parlament von A bis Z. Von Kristin Ullrich.
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Abgeordnete, 12 Ausschüsse, fünf Fraktionen, vier Gesetzesentwürfe, vier Tage in Berlin. Es könnte nach einer fast normalen Sitzungswoche im Bundestag klingen. Doch sind es 312 Jugendliche, die Ende letzter Woche nach Berlin anreisten. 312 Jugendliche, 624 Namen. Ihr selbstgewählter Spielname wird sie die kommenden Tage begleiten. Ihre Mission: Jugend und Parlament. Sie schlüpfen in die Rolle fiktiver Abgeordneter, organisieren sich in Fraktionen, beraten über Gesetzesvorhaben und verabschieden nach der Plenardebatte ihr eigenes Gesetz. Bundestag im Kleinformat sozusagen. „Aber so realistisch wie möglich“, sagt Kay Wahlen, der das Projekt für den Besucherdienst des Deutschen Bundestags verantwortet. CVP (Christliche Volkspartei), APD (Arbeiterpartei Deutschlands), LRP (Liberale Reformpartei), PSG (Partei der sozialen Gerechtigkeit) und ÖSP (Ökologisch-soziale Partei) sind die im jungen Parlament vertretenen Fraktionen. Ihren großen realen Vorbildern nacheifernd beziehen die Jugendlichen entsprechende politische Positionen. Die Sitzverteilung im Plenum entspricht ebenso den aktuellen Verhältnissen im Bundestag. Trotz Simulation ist der Realitätsbezug somit immens, „manchmal sogar erschreckend hoch“, so Heidi Ness von der Agentur x3, die im Auftrag des Bundestages für die inhaltliche Vorbereitung und Anleitung des Planspiels verantwortlich ist. „Manche Dinge lassen sich wie unter einer Lupe beobachten“, ergänzt ihr Kollege Frank Burgdörfer, „im Prinzip ist es wie der reale Bundestag in einer Petrischale.“ Oftmals kommen die Jugendlichen dem realen Bundestagsalltag sogar näher als sie sich dessen bewusst sind. „Wenn wir zugleich auch Karikierungen des politischen Treibens und politischer Personen beobachten“, erzählt Frank Burgdörfer aus seiner langjährigen Erfahrung mit der Veranstaltung. In Form einer Simulation durchgeführt wird Jugend und Parlament seit 2004. Damals entwickelten Frank Burgdörfer und Heidi Ness das Planspiel als Pionierprojekt, das sich auf den Erfahrungen mit einer Simulation des parlamentarischen Arbeitens in weitaus kleinerem Rahmen gründete. Bei der zirca vierstündigen Simulation „Parlamentarische Demokratie spielerisch erfahren“ verabschieden 18-40 Teilnehmer ein fiktives Gesetz. Jährlich nehmen hieran im Bundestag rund 120 Gruppen teil. Jugend und Parlament erweitert diesen Ansatz des parlamentarischen Planspiels um eine Dimension. Es geht nicht nur darum, den Weg eines Gesetzesbeschlusses zu verstehen, sondern parlamentarisches Arbeiten so, wie es hinter den Kulissen stattfindet, zu erleben und zu begreifen. Hierzu gehört weitaus mehr. Es gilt interne Personaldebatten in den Fraktionen zu führen, Positionen zu finden, Mehrheiten für sich zu gewinnen und so mit Strategie aber auch Spaß am Spiel zum Ergebnis zu kommen. Der „Originalschauplatz“ des Reichstagsgebäudes wird
somit für vier Tage zur Spielwiese für die Jungabgeordneten. Auch wenn ein Großteil der Teilnehmer selbst politisch aktiv ist – sei es in den Jugendorganisationen der FDP, der SPD, der Linken, bei der Jungen Union oder den Jungen Grünen – und sich politisch positioniert, geht es nicht darum, dass die Jugendlichen ihre eigene politische Meinung vertreten. Vielmehr geht es darum, dass die 16- bis 20-Jährigen nicht nur die Biographie eines fiktiven Abgeordneten und damit eine andere Identität, sondern auch die ihnen zugeteilte politische Meinung annehmen und glaubwürdig vertreten. „So kommt es durchaus einmal vor, dass ein JU-Mitglied als Mitglied der APD bei Jugend und Parlament die Internationale anstimmt“, erinnert sich Heidi Ness. Die Jugendlichen entwickeln so auch ein Verständnis für ganz andere Perspektiven und Standpunkte. Sie lernen den vermeintlichen „Gegner“ zu verstehen und etablieren neue Koalitionen, um in ihrem Streben voranzukommen. „In einem demokratischen Parlament geht es um Konkurrenz, nicht um Gegnerschaft“, fasst Frank Burgdörfer ein wesentliches Ziel zusammen. In diesem Jahr stehen ein Gesetzesentwurf zur Einführung eines Schüler-BAföGs sowie die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre zur Debatte im Plenarsaal. Für heiße Diskussionen wird sicher auch das brandaktuelle Thema des Atomausstiegs sorgen. Darüber hinaus wird über eine Empfehlung zur Stärkung der internationalen Pressefreiheit beraten. Mit jener werden die Abgeordneten dieses Jahr zudem in Form der „Spielpresse“ auf eine weitere Art konfrontiert. So werden sie von Journalisten in ihrem Alter begleitet, welche über Live-Ticker und tägliche Printausgaben über die neuesten Vorkommnisse berichten. Im ersten Jahr war die Vorbereitung vor allem von Improvisation und Ausprobieren geprägt, wie Kay Wahlen rückblickend feststellt. Über die Jahre wurde die Vorbereitungsarbeit, in welche neben dem Besucherdienst eine Reihe weiterer Referate der Bundestagsverwaltung involviert sind, immer komplexer. Das Anliegen aller, die hierzu lange im Vorfeld in einem großen Team zusammenwirken, ist es, das politische Geschehen in den Mauern des Reichstages während der vier Tage für die Jugendlichen erlebbar zu machen. „Das Format ist aus unserer Sicht eher Öffentlichkeitsarbeit für Parlamentarismus und den Deutschen Bundestag als Bildungsarbeit im klassischen Sinne. Es geht in erster Linie darum, dass die parlamentarische Arbeit als solche für Teilnehmer und Beobachter klar, transparent und nachvollziehbar wird“, so Kay Wahlen. „Die Jugendlichen sollen die Möglichkeit haben, auf spielerische Art und Weise in das parlamentarische Arbeiten einzutauchen. Wenn sie von Jugend und Parlament mit neuen Bekanntschaften, Erfahrungen und der Erkenntnis zurückkehren, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt, dann hat die Veranstaltung ihr Ziel erreicht.“
Edit o rial Liebe Leserinnen und Leser, vier Tage lang wurde argumentiert, diskutiert und beraten, abgestimmt und beschlossen. Wie auch schon in den letzten Jahren öffnete der Bundestag wieder seine Türen für insgesamt 312 Jung-Parlamentarier und politikorange war mitten drin. Während die Teilnehmer über Energiewende, Schüler-BAföG, Pressefreiheit und Wahlalter diskutierten, ging es in der Redaktion heiß her. Trotzdem und trotz Sommerhitze fielen wir in kein Sommerloch und bewahrten einen kühlen Kopf. Viel Spaß beim Lesen! Kristin Ullrich Chefredakteurin
In halt
»Schusswechsel im Ausschuss« Bericht aus dem Inneren einer Ausschuss-Sitzung Seite 06
»Ich bin nervös« Wie es ist, eine Rede vor dem Deutschen Bundestag zu halten. Seite 07
»Quereinsteiger« Über Umwege zum Arbeitsplatz im Deutschen Bundestag. Seite 10
»Im Verborgenen« Was man als Besucher im Bundestag nicht zu sehen bekommt, zeigen wir euch hier! Seite 11
»Interview« Ein Doppelinterview mit einem Abgeordneten und seinem Spiel-Pendant. Seite 16
»Ergebnisse« Alle Ergebnisse vom Planspiel in einer Zusammenfassung. Seite 18
Dafür stehe ich mit meinem Namen!
Foto: Johannes Herbel
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Die Bahn macht mobil.
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Die Fraktionsvorsitzenden (von links nach rechts): Frank Reich alias Patric Waesch (PSG), Michael Meyer alias Felix Schuster und Devrim Dösen alias Duygu Söyler (ÖSP), Otto Marx alias Eric Friedrich(APD), Kurt Luxemburg alias Nikola Marinkovic (CVP) und Alexander Frei alias Leslie Pumm (LRP)
„Ich beziehe Ökostrom, natürlich“
„Wir sind nah am Wähler“
Dass beim Planspiel sein Lieblingsthema Energiewende zur Diskussion steht, ist für Nicolas Winkler aus Karlsruhe ein echter Glückstreffer. Jetzt kann er vier Tage lang als Philip Famos für die Fraktion der PSG (Partei der sozialen Gerechtigkeit) sein Wissen und Können beweisen. Nicolas ist froh in einer der kleineren Fraktionen gelandet zu sein. Er nimmt es ganz locker, dass diese nicht seiner eigentlichen politischen Gesinnung entspricht: „Das sind ja alles demokratische Parteien“. Vor wenigen Tagen noch war der 20-jährige mit der dicken Hornbrille und den dunklen Locken Zivi in einem Krankenhaus, jetzt sitzt er bei „Jugend und Parlament“. In seiner Freizeit pendelt Nicolas zwischen der eigenen Band im Kellerraum und dem Cockpit seines Segelflugzeugs. Sonst ist er aber ganz auf dem Boden geblieben und bringt auch schon politische Erfahrung mit. Seit zwei Jahren ist er bei der Grünen Jugend aktiv, in seiner Heimat ist er Beisitzer im Vorstand. Da weiß man eben schon, dass es in der Politik auf Zusammenarbeit ankommt: „Sonst hat man keine Chance“. Deshalb hofft er auf eine konstruktive Zusammenarbeit der PSG mit den anderen Oppositionsparteien. „Ich wünsche mir, dass nicht alle das Spiel zu ernst nehmen, um die innerfraktionären Schlammschlachten im Hintergrund zu halten“.
„Der Name Hector stammt aus der griechischen Mythologie, er klingt schön und stark. Beverburg ist der Name meiner Großeltern. Ich möchte ihm Ehre bringen“, so der 19-jährige Jesaja Brinkmann über seine eigene Namensgebung für das Planspiel. Als Hector Beverburg schlüpft er in die Rolle eines 51-jährigen APD-Abgeordneten aus Kiel. Er will die Rechte von Arbeitern stärken und Familien schützen. Stolz erklärt er: „Im Gegensatz zu den anderen Parteien sind wir nicht abgehoben, sondern nah am Wähler“. Im wahren Leben stammt der Abiturient aus Münster. Er ist parteilos, kann sich aber durchaus vorstellen, später in die Politik zu gehen. Doch das hat noch Zeit. „Ich möchte erst mal etwas vom Leben sehen. Vielen Politikern, die eine Bilderbuchkarriere hingelegt haben, mangelt es an eigener Erfahrung. Auch um authentisch zu wirken, ist es immer besser, wenn man selbst tätig war und ein bisschen Lebenserfahrung sammeln konnte.“ Deshalb ist der ehemalige Schulsprecher bei JuP. Er möchte Leute treffen, die parlamentarische Arbeit kennen lernen und „ein Bundestags-Feeling“ bekommen. Doch Jesaja betont: „Wenn ich ein besonderes Anliegen habe, wenn ich etwas bemerke, das ich verändern möchte, dann engagiere ich mich. Aber ich will nicht Politiker sein, um einfach nur Politiker zu sein. Ich sehe immer noch ein Ideal, das dahinter steckt.“
„Die LRP – Partei der Reformen und der Freiheit“
„Medien erfüllen nur ihren Sinn, wenn sie unverfälscht präsentiert werden.“
„Mit der Energiepolitik werde ich meine Par- Katja Seydewitz ist 18 und strebt eine Ausbiltei an die Spitze bringen“, verkündet der dung zur Erzieherin an. Einen Büro-Job kann 16-jährige Ludwig Schnur aus Landshut. Im sie sich partout nicht vorstellen. Im Planspiel Planspiel schlüpft er in die Haut des liberalen ist Katja in der Bundesfraktion der ÖSP (ÖkoAbgeordneten Josef Altinger aus Thüringen. Er logisch-Soziale Partei) und arbeitet in der räumt ein: „In den vergangen Jahren sind viele Arbeitsgruppe, die sich mit JournalistenverfolFehler vor allem zur Unzufriedenheit der Bür- gung beschäftigt. Dabei geht es nicht um einen ger gemacht worden“. Gerade nach Fukushima Gesetzesentwurf, sondern um eine Empfehlung. sei es an der Zeit, Positionen zu überdenken. Im Rollenspiel ist sie 51, geschieden und „Meinungen kann man revidieren“, meint der hat eine 22 Jahre alte Tochter, mit der sie in Abgeordnete der LRP (Liberale Reform Partei). Cochem, Rheinland-Pfalz lebt. Wie sie zum Die jetzige konservativ-liberale Koalition sei obersten Gebot des Planspiels steht, nicht nach die ideale, um liberale Werte durchzusetzen: der eigenen politischen Ansicht zu handeln? „Diese Werte haben ihre Wurzel bereits in der „Für mich ist es sehr interessant, innerlich links französischen Revolution“. zu sein, aber hier für grün zu kämpfen, weil Der 16-Jährige sieht Politik als Mittel auch in meinem Landkreis Saale-Holzland die zur Mitgestaltung und Mitbestimmung des Grünen und die Linken eine Fraktion bilden.“ Ihr politisches Vorbild ist Bodo Rammelow. Lebens. „Demokratie gibt hierzu jedem die Möglichkeit“, so der Jungabgeordnete, der „An ihm lässt sich zeigen, dass man auch als sonst die zehnte Klasse des Gymnasiums be- Christ in der Linken akzeptiert werden kann.“ sucht. Im wahren Leben ist er selbst politisch Persönlich ist sie sehr medienaffin: „Ich veraktiv. Als Mitglied der CSU und des Kreis- folge die Medien täglich, soweit Schule und vorstands der JU Landshut zeigt er Engage- Freizeit, Hobbys es zulassen.“ Warum? „Die 1. ment. Der Abgeordnete seines Wahlkreises bis 3. Gewalt funktioniert nicht ohne die Vierte.“ Dr. Wolfgang Götzer schlug ihn so für Jugend Außerdem war sie bereits in Amerika und hat und Parlament vor. Der Hobby-Sportschütze daher ein allgemeines Interesse an der Weltpomöchte im Planspiel das interne Bundestags- litik. „Ich lebe in einem kleinen Dorf, daher ist geschehen kennenlernen und mit neuge- es interessant zu sehen, was weltweit so los ist.“ Ob sie später allerdings politisch aktiv wonnen Informationen nach Hause kehren. Erleichtert fügt er hinzu: „ Klar, bin ich froh, werde, weiß sie noch nicht. „Ich war bisher in hier als „Liberaler“ Positionen zu vertreten, Thüringen im Jugendparlament. Ralph Lenkert, die eher meinen wirklichen entsprechen, als der Abgeordnete meines Wahlkreises, hat mich eine ganz andere Meinung annehmen zu daher direkt angesprochen und zur Simulation des Bundestages eingeladen.“ müssen.“
„Mein Vorbild ist eine Mischung aus Schmidt, Adenauer und Kohl“ „Es gibt keine falsche Partei“, sagt Jan Hermann. Trotzdem entschied er sich für die Junge Union und zeigt Engagement im Bezirksvorstand der JU in Frankfurt am Main. Im Planspiel gehört er der Landesgruppe Bayern der CVP an und nennt sich dort „Jakob Mierscheid“. Dieser Name, so sagt er, habe Bedeutung: „Er basiert auf einer kuriosen Geschichte.“ Zwei SPD Mitglieder erfanden eine fiktive Person, Jakob Mierscheid. Unter diesem Namen konnten sie anonym Schriften veröffentlichen und Kritik üben. „Die Politik hat sich seitdem stark gewandelt“, so der 19–Jährige, der von sich selbst behauptet, kein politisches Vorbild mehr zu haben. Er meint: „Die charismatischen Politiker sind längst ausgestorben. Man müsste eine Mischung aus Schmidt, Adenauer und Kohl finden – das waren Menschen mit Vorbildcharakter“. Auch an der aktuellen Politik übt er Kritik. Vor Allem die Subventionierung von Agrargütern durch die Europäische Union, sei, laut Jan, ungerecht: „Dadurch, dass der Preis von Agrargütern aus der EU künstlich niedrig gehalten wird, ruinieren wir Bauern auf anderen Kontinenten.“ Im Widerspruch zu seiner eigenen Vorstellung von Agrarpolitik, steht diese seines fiktiven Kandidaten. Als Mitglied der CVP Landesgruppe Bayern möchte er als „Jakob Mierscheid“ die Landwirtschaft Bayerns stärken. Das junge Unionsmitglied identifiziert sich allerdings trotz Meinungsdifferenzen gut mit seinem fiktiven Ich: „Wir Beide, wir sind ein Team“.
FruchtflEisch Drei Dinge, die Du mitgebracht hast… „Softskills“
„Anzug“
Fotos: Johannes Herbel
„Kuchen“
Quynh Anh Tran Thi
Sophia Thimian
Firat-Volkan Akdogan
17 Jahre, Dresden
17 Jahre, Berlin
17 Jahre, Ludwigshafen
„Kuchen zur Geburtstagsfeier. Ein
„Mut, Coolness –
„Anzug, Notizblock und
Dauergrinsen. Meine Facharbeit.“
und fundiertes Wissen.“
Wunsch nach Aufklärung in Sachen groSSer Reformer.“
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„Schusswechsel“ im Ausschuss
Wählen schon mit 16 – ein Grundrecht oder eher ein Waffenschein? Von Kristin Ullrich.
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Foto: Johannes Herbel
ewaffnet mit Argumenten und Fakten, die Aktenmappe mit der letzten Shell-Studie unter dem Arm marschieren sie ins Innere des Saals des Innenausschusses. Am Morgen wurde die Gesetzesvorlage ohne Debatte in die Ausschüsse überwiesen. Nun nehmen sie Abgeordnete aller Fraktionen auseinander. Gewappnet für scharfe Diskussionen nehmen die Jungpolitiker Platz, knöpfen den Sakko-Knopf auf und nehmen einen Schluck Wasser, ehe sie sich ins Wortgefecht stürzen.
„One man, one vote“ Ist die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 bzw. ein Wahlrecht von Geburt an, das bis zum 16. Lebensjahr treuhänderisch von den Eltern ausgeübt wird, ein Plus für die deutsche Demokratie? Ein klares „Nein“ kommt von der konservativen CVP. „One man, one vote“. Von einer Stärkung der Demokratie könne nicht die Rede sein, eher von der Stärkung extremistischer Parteien. Die Opposition kontert: „Die Gewalt geht vom Volke aus und zwar nicht vom volljährigen Volke.“ Wie könne man gut 20% der Bevölkerung einfach ignorieren?
Rhetorische Scharfschützen
Der Ring, in dem die stärkeren Argumente siegen.
Dass letzteres und insbesondere die treuhänAnders sieht es im federführenden Die Liberalen werfen der PSG verblendete Mei- derische Ausübung des Wahlrechts durch die Innenausschuss aus. Hier redet sich ein Mitnungen vor. Der Ausschussvorsitzende ruft zur Eltern, das heißt eine Art Familienwahlrecht, glied der LRP in Rage, dass sich seine Stimme Ordnung. „Der Regierung wäre es am liebsten, nicht verfassungskonform sei, konstatiert regelrecht überschlägt. Das Mikro der Linken dass nur alle Bayern zwischen 70 und 80 Jahren der Rechtsausschuss mit eindeutiger Mehr- gibt bei der lautstarken Gegenrede gar ein wahlberechtigt wären“, schießt Johannes Art- heit. Schließlich würde die Unmittelbarkeit Fiepen von sich. Um kein Argument ausmann von der Linken zurück. Im realen Leben der Wahl gefährdet. Neben dem Familien- zulassen, schieben sich die Abgeordneten ist der Gymnasiast, dessen eigentlicher Name ausschuss ist der Rechtsausschuss in der Frage Zettel hin und her. Die Fraktionen sind ein Jan Wiefhoff ist, JU-Mitglied, wie das Logo auf um die Wahlberechtigung beratend tätig. In der eingespieltes Team. Geschlossen kämpfen seinem Notizblock schon verrät. Im Planspiel Sitzungspause treffen die CVP-Abgeordneten sie für ihr Ziel, formieren sich. Die Front der wird er zum Vollblut-Sozialisten. „Dass für Sie strategische Absprachen. Klare Linie oder Regierung ist nicht zu durchbrechen. „Wir von der LRP die Wahlmündigkeit mit der Ge- Wille zum Kompromiss zeigen? Fronten in haben bereits vorher versucht uns in unsere schäftsfähigkeit zusammenhängt, ist ja klar. Für den Fraktionen wie auch über deren Grenzen „politischen Gegner“ hineinzuversetzen und Sie ist der Mensch ja erst mit seiner Geschäfts- hinweg werden geklärt. „Das haben jetzt auch haben zu ihren wahrscheinlichen Argufähigkeit vollwertig.“ Nach einer weiteren Rüge die von der anderen Fraktion gecheckt.“ In menten direkt Gegenargumente formuliert“, kehrt man zu sachlichen Argumenten zurück. der heißen Diskussionsphase spekuliert Scott berichtet intern der 16jährige Felix Schuster, Der Begriff Jugendlicher wird definiert, wenn Haraldstad von der CVP auf einen Teilerfolg im Planspiel aka Michael Meyer. Doch jedes auch polemisch. „Wenn jemand mit zwölf des Gesetzesvorschlages. Argument prallt ab. Letztlich ist es ein Spiel Jahren ein Kind bekommen kann, dann kann auf Zeit. Den Regierungsfraktionen gelingt es, er auch die Verantwortung zu wählen über- K.o. oder o.k. die erste Debatte vorzeitig zu beenden. Doch nehmen“, so die Linke. „Vielen Dank für die eine Pause bringt den entscheidenden Mofür den Gesetzesentwurf biologische Aufklärung“, reagiert die ÖSP und ment. Nach den Empfehlungen der beiden zieht als Vergleich den verantwortungsvollen Dass das Familienwahlrecht keine Chance habe beratenden Ausschüsse kommt es somit zur Umgang mit Alkohol heran, der auch bereits sei klar, wie der Streit über eine Altersgrenze finalen Abstimmung der Beschlussempfehmit 16 erlaubt sei. Statistiken werden zitiert, Er- ausgeht, stehe aber weiterhin offen. Haraldstads lung. Teile der CVP wechseln auf die andere fahrungen auf Kommunalebene herangezogen. „alter Ego“ ist Werner Kujat, der Leipziger Stu- Seite. Es gibt eine Mehrheit für ein Wahlrecht Sollte das Wahlalter an die Geschäftsfähigkeit dent zählt sich eigentlich nicht zum konserva- ab 16. Doch noch ist dies weder ein K.O. noch oder an die Strafmündigkeit gekoppelt sein? tiven Lager. Er ist froh im Rechtsausschuss zu ein O.K. für den Gesetzesentwurf. Es geht in Oder hat doch jeder von Geburt an ein Recht auf sein: „Die Diskussion ist hier wesentlich sach- die nächste Runde – diesmal im Plenum. licher und weniger emotional geprägt.“ politische Partizipation und politisches Gehör?
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Schweigen ist Silber, Reden ist Gold
Der 4. Tag war einer der Höhepunkte von Jugend und Parlament. 30 junge Abgeordnete hatten mit ihrer Rede ihren groSSen Auftritt im Plenarsaal. Von Elias Langer.
Reden im Plenum: Sich um Kopf und Kragen reden oder mit Worten glänzen.
Wahlrecht. Seine Rede ist ein einziger Angriff auf die Oppositionsparteien. Die APD hätte ihre grunddemokratische Linie verloren, die PSG betreibe linke Demagogie und die Grünen seien eine reine Dagegen-Partei.
Angriff auf die Opposition Wie will er die Oppositionsparteien überzeugen und mit ins Boot holen, wenn er sie so diffamiert? Gar nicht. Er richtet sich an die eigene Partei. Denn über die Frage des Wahlrechts herrschte in der CVP keine Einigkeit. Ungefähr 20 Abgeordnete kündigten im Vorfeld an, entgegen der Parteilinie für das Wahlrecht ab 16 zu votieren. Diesen gilt die Aufmerksamkeit des Redners. Neben den Verunglimpfungen erwähnt er jedoch nur, dass die Wahlrechtsreform eine Katastrophe sei, und dass es das Wahlrecht ab Volljährigkeit schon immer gegeben habe. Argumentativ wenig überzeugend.
Überzeugende Körpersprache
E
iner dieser Redner ist Sebastian Stachorra. Der siebzehnjährige aus Nordrhein-Westfalen engagiert sich privat bei den Jusos. Im Spiel heißt er Johannes Kempt und sitzt für die ÖSP im Bundestag. Bis zum vereinbarten Interviewtermin feilt und übt er bereits an seiner Rede. Er vermittelt den Eindruck, als hätte er den ganzen Morgen nichts anderes gemacht. Er erzählt, dass er sich darauf freut, vor so vielen Leuten in dieser einzigartigen Atmosphäre sprechen zu können. Am Anfang hatte er noch Zweifel, ob er diese Aufgabe bewältigen könne, doch nun sei die Freude größer. Nervös sei er noch nicht, aber er geht davon aus, dass sich das bestimmt ändert, wenn er ans Rednerpult tritt.
Alles nur ein Spiel In seinem Vortrag bekämpft er den Numerus Clausus beim BAföG für Schüler, den die Regierung mit einführen will. Sein wichtigstes Argument ist, das ein NC von 2,7 neue Chancenungleichheit schafft, die man eigentlich mit diesem Gesetz abgeschafft sehen will. „Noten seien nicht aussagekräftig, da sie im Endeffekt durch Sympathien vergeben werden.“ Zu Beginn seiner Ausführung merkt man ihm seine Nervosität an der schnellen Aussprache an. Nach einer Minute wird es aber
besser. Nachdem er sich gefangen hat, trägt er die letzten 2 Minuten sehr klar und strukturiert vor. Leider scheinen dies nicht allzu viele mitbekommen zu haben. Selbst aus der eigenen Fraktion gibt es nur müden Beifall. Aber wie soll er auch Interesse wecken, wenn er jegliche Körpersprache vermissen lässt? Seine Gestik beläuft sich ganz allein auf das heben und senken der linken Hand. Es entsteht der Eindruck, dass er selbst nicht glaubt, was er sagt. Alles nur ein Spiel eben.
Eine Möglichkeit, die man sich nicht entgehen lassen darf Während Sebastian Stachorra noch spricht, bereitet sich ein anderer auf seinen großen Auftritt vor. Florian Wagner rutscht immer wieder mit seinem Stuhl in den Reihen der CVP-Fraktion zurück, immer wieder geht er seine Aufzeichnungen durch. Im echten Leben heißt der zwanzigjährige Franke Johannes Petersen. Politisch engagiert er sich ebenfalls bei den Jusos. Einen Tag zuvor, als seine Rede da noch nicht fertig war, wusste er schon, dass er sich diese Möglichkeit nicht entgehen lassen darf. Sein Beitrag ist direkt der erste in einer langen Reihe heißer Diskussionen zum Thema
Anders seine Körpersprache. Hier konnte er überzeugen. Sie war vielseitig und intensiv. Das Ergebnis: Reaktionen aus dem Plenum en masse. Die Oppositionsparteien kehrten ihm den Rücken zu und verharrten in dieser Stellung. Dies geschah so schnell, dass er, sichtlich überrascht, seine Orgie an Lästerungen abbrechen musste. Einen letzten finalen Schlag ließ er sich aber nicht nehmen: „Wer mit den Kommunisten ins Bett geht, braucht sich nicht wundern, wenn es keine demokratischen Kinder gibt.“ Über den Erfolg seiner Rede kann man streiten. Zwar stimmten bei den Abstimmungen einige Mitglieder der CVP für das Wahlrecht ab 16, allerdings reichte dies nicht für eine Grundgesetzänderung. Ob das nun Petersen zuzuordnen ist, bleibt offen. Seine Rede jedenfalls bleibt im Gedächtnis.
Elias Langer Kiel, 17 Jahre Elias kann auch abseits vom Bundestag gut zuhören, zum Beispiel den Boxentürmen eines Techno-Festivals.
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Umgehört. Nachgefragt.
Die Jugendlichen bei JuP sind engagiert. Alle haben ihre eigene Meinung und vertreten sie auch. Wir haben nachgefragt, wie sie zu aktuellen politischen Diskussionsfragen stehen. Von Anna Ellmann 21
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SPD/FDP
SPD/GRüne
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CDU/Grüne
CDU/FDP
CDU/SPD
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wir wollen die wehrpflicht zurück.
es wurde langsam Zeit!
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man hätte die reform besser planen sollen.
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Was sagt ihr zur Aussetzung der Wehrpflicht?
Wie wird die nächste koalition aussehen?
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politikverdrossenheit unter jugendlichen – ein problem?
brauchen Was sagt ihr wirzur einen Aussetzung der Wehrpflicht? mindestlohn?
Sollen Was sagt dieihr Atomkraftwerke zur Aussetzung der Wehrpflicht? abgeschaltet werden?
ja.
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nein.
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Nein.
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ja, sobald wie möglich.
nein.
ja.
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nein.
Ja.
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Ja, schrittweise bis 2022.
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ja, aber nicht in allen branchen.
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Gibt es noch Politiker mit Charisma? Mehrfahrnennungen waren nicht möglich. Die Zahlen geben die Anzahl der Befragten wieder.
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Ärger mit dem Atom
Während die echten Abgeordneten in Ausschüssen und Fraktionssitzungen ihre Position in der Energiedebatte erst festlegen müssen, haben die Jungparlamentarier längst einen Beschluss gemacht. Von Anna Ellmann.
Foto: Johannes Herbel
Nicht bei allen erntet der geplante Atomausstieg Applaus.
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ach Hiroshima ist Japan wieder einer atomaren Bedrohung ausgesetzt. Wie ein grauer Schleier wird der Reaktorunfall von Fukushima noch Jahre lang als Gefühl der Unsicherheit und Angst über der Bevölkerung schweben. Die partielle Kernschmelze hat Menschen weltweit wieder an die Gefahren der Atomkraftwerke erinnert und das Umweltund Sicherheitsbewusstsein erneut gestärkt. Zurzeit diskutiert die deutsche Politik über einen Ausstieg bis 2022. Unsere Regierung initiierte ein Moratorium, erkannte, dass erneuerbare Energien gefördert und dass Trassenwege in ganz Deutschland ausgebaut werden müssen. Auch die fiktiven Abgeordneten verabschiedeten ein Gesetz zur Energiedebatte.
Positionen und Standpunkte Alexander von und zu Pfalz (CVP) plädierte dafür „einen sicheren Ausstieg bis 2025“ zu gewährleisten. Bis dahin sollten alle Atomkraftwerke vom Netz genommen werden. In der Zwischenzeit
setzt die CVP auf Brückentechnologien. Anders die LRP, die vor allem auf eine Selbstregulierung der Wirtschaft zählt. Arnold Wittenberg hierzu: „Es bedarf einer Liberalisierung des Marktes." Außerdem darf man „den Blick auf die Haushaltskonsolidierung nicht verlieren“, so Karl von Moor. An zukunftsträchtige Energielieferanten glaubt die APD. Frank Schäfer sagt: „Wir brauchen Nachhaltigkeit im ökologischen, ökonomischen und sozialen Sinne.“ Sie wollen „die Energiewende für alle“ und einen „umweltschonenden Ausstieg“, so Karl Maria Hage. Die ÖSP forderte: „Wir brauchen die Offshoreenergie und die Netzwerkerweiterung“, und „einen Mix aus Sonne, Wind und Wasser“, sagte Jakob von Walthersberg. Die „fiktiven Grünen“ bestanden auf einen Atomausstieg zum baldmöglichsten Termin und, laut Constantin Neumann, darauf, schnell „in die Erneuerbaren“ zu investieren. Philipp von Winterburg stellt fest: „Den erneuerbaren Energien werden absichtlich Steine in den Weg gelegt“. Die PSG beharrte auf einen
Ausstieg aus der Nuklearenergie bis 2014. Die Ansichten der CVP wiesen sie als Unsinn zurück. Frank Reich meinte dazu: „Die CVP ist keine Volkspartei mehr, wenn sie den Atomausstieg erst 2025 anstrebt. Die Zukunft beginnt jetzt“. Letztendlich einigten sich CVP und LRP. Sie stimmten mit ihrer Mehrheit für einen Atomausstieg bis 2025. Es bleibt abzuwarten, wie nah Realität und Fiktion diesmal beieinander lagen.
Anna Ellmann, Chamerau, 18 Jahre Anna hat sich in der Redaktion in ihren eigenen kleinen bayerischen Freistaat eingerichtet.
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Quereinsteiger und Durchstarter am Bundestag Wieso endet die Mailadresse einer Pianistin auf @bundestag.de? Weshalb ist ein Werkzeugmacher Mitglied des Bundestags? Und was hat eigentlich ein Konditor mit Politik zu tun? Über Wege und Umwege zum Arbeitsplatz am Bundestag. Von Kevin Tarun
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Foto: Johannes Herbel
uf ihrer Facebook-Seite stehen Interessen wie „Gentechnikfreies Europa“ und „Afghanistankrieg beenden“. Vollkommen aus der Reihe fällt dabei der „Nürnberger Klavierwettbewerb e.V.“ Die Rede ist von Agnes Krumwiede, Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Obfrau im Ausschuss für Kultur und Medien sowie Bundestagsschriftführerin. Verwunderlich erscheint jedoch: Sie ist auch Pianistin mit Konzertdiplom und „staatlich geprüfte Musiklehrerin“.
„Ich hab immer beides gemacht“ Musik und Politik prägen Krumwiedes Lebenslauf. Sie studierte Klavier an der Hochschule für Musik in Würzburg. Seit 2001 ist sie Mitglied des Bündnis 90/Die Grünen. Sie arbeitete als Musik- bzw. Kultur-Journalistin in Print- sowie Funkmedien, volontierte beim Bayrischen Rundfunk und arbeitet dort heute noch als freie Mitarbeiterin. In Ingolstadt, wo sie die „Grüne Jugend“ initiierte, eröffnete sie 2008 ihre Musikschule.
„Kultur ist für mich der Nährboden unserer Demokratie“ Die 34-Jährige ist Mitglied im Deutschen Tonkünstlerverband und wurde 2010 zur Klavierspielerin des Jahres gekürt. Der Preis wird vom Bundesverband Klavier e.V. an Pianisten vergeben, die an besonders herausragenden Stellen der Gesellschaft stehen und so in der Öffentlichkeit eine Vorbildfunktion einnehmen. Das Preisgeld gab sie weiter an den Verein „Künstler an die Schulen e.V.“ ihres Wahlkreises. Denn ihr zentrales politisches Anliegen ist kulturelle Bildung: „Kultur ist die Brücke für ein neues Denken“. Sie fordert einen Mindestlohn für die Kreativbranche und ist davon überzeugt, dass „die staatliche Förderung von Kultur auch in Zeiten der Krise unbedingt notwendig ist.“ Dass die von der BILD als Miss Bundestag gekürte junge Frau mehr als attraktiv und eloquent ist, zeigt sie unter anderem auf der Plattform abgeordnetenwatch.de. Die Hamburger Internetseite will Politik transparenter machen. Man erfährt per Mausklick, dass Krumwiede gegen eine Anpassung und Veränderung von Hartz IV und für die sofortige Abschaltung von Alt-AKW ist. Ferner nimmt sie sich Zeit, auf dieser Website individuelle Fragen von Usern zu beantworten. Einen untypischen Weg in die Politik fand auch Ralph Lenkert (Die Linke). Seine Ausbildung als Werkzeugmacher absolvierte
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Es ist nicht immer unbedingt der direkte Weg der in den Bundestag führt.
Doch nicht nur Krumwiede und Lenkert sind auf Umwegen in der Politik gelandet: Andreas Lämmel (CDU) ist seit Oktober 2009 Obmann der Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie. Auch wenn er sich bereits in seiner Die Deutsche Version des Jugendzeit mit Politik beschäftigte, sagt er: „American Dream“? „Dass ich einmal Mitglied des Bundestags werMitglied des Bundestags ist er seit rund zwei den würde, hätte ich in meiner Jugend nie Jahren. Ob er damit die deutsche Version des gedacht.“ Nach seiner Ausbildung zum Kon„American Dream“ lebt? „Der Weg war nicht ditor und dem anschließenden Studium der geplant und nach zwei Jahren im Bundestag Ingenieurswissenschaften engagierte er sich lautet mein Fazit: Ich habe in allen Berufen, in der späten DDR in der Bürgerrechtsbeweals Werkzeugmacher, Qualitätsleiter und als gung. Wirklich aktiv wurde er erstmals 1989, Technologe hart gearbeitet. Viele Aufgaben um für einen demokratischen Wandel in der und lange Arbeitszeiten waren normal, aber DDR zu kämpfen. „Nach 1990 gehörte ich ich hatte nie so wenig Zeit für mich und die dann zur großen Gruppe von Quereinsteigern Familie wie jetzt.“ Neben dem Beruf absolvierte in Ostdeutschland.“ er ein Fernstudium. Lenkert ist verheiratet Diese Beispiele zeigen: Nicht jeder und Vater zweier Kinder. Sein persönliches Abgeordnete hat BWL oder Jura studiert. LandStartsignal für politisches Engagement war wirte, Polizisten, Hauptschullehrer, Maurer, ein Beschluss der Thüringer Landesregierung Redakteure… – sie alle sind heute Mitglieder 2004. Die Grundschulhorte sollten abgeschafft des Bundestags. Andreas Lämmels Fazit über werden und Lenkert wurde bei den Gegenpro- ungewöhnliche Wege in die Politik: „Die große testen aktiv, da sein Sohn davon unmittelbar Zahl politischer Quereinsteiger hat der deutbetroffen war. Lenkert wurde Mitinitiator des schen Politik insgesamt gut getan.“ neuen Kindertagesstättengesetzes, später dann Vorsitzender des Volksbegehrens „Für eine bessere Familienpolitik“ in Thüringen. Nicht nur die Angst um die Zukunftsperspektiven seines Sohnes war entscheidend: „Egal was Ihr Eltern Kevin Tarun, hier veranstaltet, wir machen das, was wir für Berlin, 20 Jahre richtig halten.“ Die Arroganz dieser Aussage Kevin knackte den Code des aus dem Mund eines Beamten des KultusminisBundestags: bei Telefonaten teriums macht ihm klar: „Gegen diese Überhebaus dem Bundestag immer die lichkeit muss ich kämpfen.“ „Manchmal kann Null vorwählen. ich als Abgeordneter etwas verbessern“, sagt er. Das gebe ihm Kraft und neuen Elan. er bei Carl Zeiss Jena. Heute ist er Obmann der Fraktion und im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Vogelfreier Journalismus
In unseren Demokratien können wir relativ frei arbeiten, Aber andernorts werden wir verfolgt und verhaftet. Kommentar von Anna Ellmann.
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Foto: Johannes Herbel
uch wenn sie es sein sollte, Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit. Jährlich zeichnet die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ auf, wie viele Journalisten aufgrund ihrer Arbeit getötet oder festgenommen werden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt zählt das Jahr 2011: 24 Tote, 149 Inhaftierte. Eritrea und Nordkorea bilden die Spitze der gefährlichsten und repressivsten Staaten weltweit. Ihre Regierungschefs blicken sich in Sicherheit wähnend in Richtung Zukunft. Kritik brauchen sie so nicht zu fürchten. Frei nach dem Motto Kim Jong Ils und seiner „Gleichgesinnten“: „Es lebe die Zensur“. Wegen solcher Entwicklungen artet die Arbeit der Journalisten zu einem Spießrutenlauf über politische Hindernisse aus. Im Angesicht der olympischen Spiele in China 2008 riet Heribert Faßbender: „(…) Interpretiert und praktiziert die Menschenrechte und die Pressefreiheit so, wie wir das in Europa tun". Zwar liegt die Volksrepublik mit ihrem Platz 171 etliche chinesische Meilen hinter dem Platz 17 von Deutschland, allerdings leiden auch europäische Journalisten unter
Restriktionen, die den freien Journalismus behindern. In Ungarn beispielsweise stehen seit Dezember 2010 Radio, Fernsehen, Druckblatt und Internet unter staatlicher Kontrolle. Victor Orbán, der amtierende Regierungschef Ungarns, war bei der Einführung des Mediengesetzes gleichzeitig der Ratspräsident der Europäischen Union. Dass Pressefreiheit zu den Grundwerten der freiheitlich demokratischen Europäischen Union gehört, hinderte ihn nicht, diesen Schritt in Richtung Zensur öffentlich zu vertreten. Währenddessen wurden auch in Italien weitere Skandälchen enthüllt. Der Staatschef Berlusconi investierte mit seinem zweifelsohne ehrlich verdienten Geld in Fernseh- und Printmedien. Wir sehen: Einen demokratischen Staat Ungarn, der mit den Gesetzesbeschlüssen gegen die Freiheit glänzt und den Staatschef Berlusconi in Italien, der dank eigener Fernsehstationen sein eigenes Image aufpoliert. Uns bleibt wohl letztendlich die einzige Erkenntnis, dass Pressefreiheit auch hierzulande oft nur ein abstrakter Begriff ist, der nicht konkret umgesetzt wird. Also: ein Hoch auf die Zensur!
Hinter den Kameras – hinter den Kulissen des Journalismus
Alles neu macht 2.0?
Seit 2010 sind Tablet-PCs im Plenarsaal erlaubt und nun geht auch das planspiel online. Was erreichen neue Medien im politischen Alltag? Kommentar von Veronika Völlinger.
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ur Zeit ist es schwer in Mode, alles zu es eine interaktive Zusammenarbeit zwischen digitalisieren und mit dem Attribut „2.0“ zu Geschehen im Plenarsaal und den Onlineversehen. Jetzt hat es „Jugend und Parlament“ portalen des Bundestages. Für Regierungsdirektor Kay Wahlen, erwischt: Ob in der Facebook-Gruppe oder per Live-Ticker auf dem Smartphone – überall den Verantwortlichen des Planspiels, war die Spielpresse mit nur einer Ausgabe am Morgen und jederzeit könnten sich die Teilnehmer das „nicht dynamisch genug“. Zusammen mit neuste Update holen. Sprach man sie allerdings in den ersten „mitmischen.de“ dem Jugendportal des BundesTagen darauf an, tauchen große Fragezei- tags, gibt es jetzt einen Online-Blog zweier chen in ihren Gesichtern auf: „Live-Ticker? Teilnehmer und natürlich den Live-Ticker mit Davon hab ich noch nichts gehört“. Die Spiel- den neuesten Ergebnissen und Statements. presse fängt die Jung-Parlamentarier ab und quetscht sie aus, um so Meldungen für den Kommunikationsprobleme mit Live-Ticker zu erstellen. Sollte das Ergebnis den Teilnehmern sein, dass keiner sie liest? Oder brauchte der mediale Trend vielleicht einfach seine Zeit, „Ich find' das total geil“, freut sich Frank Reich, PSG-Fraktionsvorsitzender. Realitätsnah und um sich durchzusetzen? Das Planspiel gibt es seit 2004 und auch hilfreich beschreiben auch andere Teilnehmer das Internet ist nicht erst gestern aus dem Ei das Angebot. So habe man immer „Ahnung, geschlüpft. Erst seit diesem Jahr jedoch gibt was die anderen Parteien machen“. Nicht zu-
letzt für eigene Statements und Pressemitteilungen steht die Onlineplattform den Fraktionen zur Verfügung. Anfangs schien das Planspiel in „gewohnten Bahnen“ zu laufen. Doch schon nach kurzer Zeit wurden die neuen Informationskanäle und vor allem auch ihre Schnelligkeit und Unmittelbarkeit nicht nur erkannt, sondern auch aktiv von den Teilnehmern genutzt. In den Räumen der Live-Ticker-Redaktion liefen die Leitungen heiß, Jungabgeordnete schrieben Pressemitteilungen, forderten Klarstellungen. Wie im wahren Leben entstand binnen Kürze ein Wechselspiel zwischen Presse und Politik. Der Trend 2.0 hat sich auch im Planspiel durchgesetzt. Jugend und Parlament kommt somit einem seiner größten Ziele näher: Realitätsbezug. Denn dass 2.0 überall in unserem Alltag steckt, kann wohl keiner mehr leugnen.
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Wege um und in den Bundestag
Ein politischer Spaziergang durch die Hauptstadt. Ein Streifzug von Kristin Ullrich.
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n wenigen Minuten erreichen wir Berlin konstatiert: „Es ist nicht die Politik, die Berlin Hauptbahnhof“. Der ICE hält. Die Men- zur Hauptstadt macht. Es ist vor allem die Kulschenmassen am Gleis, auf der Rolltreppe, in tur.“ Es sind der Facettenreichtum Berlins, seine der Eingangshalle geben Gewissheit: Man ist Diversität, die ihm ein solch internationales angekommen, in Berlin, der Hauptstadt. Ein- Flair verleihen, das junge Menschen aus ganz mal auf den Platz vor dem imposanten Glas- Europa wie der ganzen Welt in die Hauptstadt gebäude des Hauptbahnhofs getreten weht der Bundesrepublik ziehen. einem bereits der politische Wind um die Nase. Der Blick fällt auf die gläserne Kuppel „Reich und sexy“ des Bundestags. Die Bundesflagge weht. Eine Brücke passiert die Spree. Zur Rechten das Bunt und verrückt. „Reich und sexy“, widerlegt Kanzleramt, zur Linken das Paul-Löbe-Haus, ein Berliner Student seinen Oberbürgermeister. in welchem die Ausschüsse tagen und ihrer Auch mit einem kleinen Geldbeutel könne Arbeit nachgehen. Unweit des Reichstags- man hier gut leben und ein großes Kulturgebäudes wandelt man auf historischen Spuren, angebot wahrnehmen. Einerseits hat Berlin in den letzten Jahren viel aus sich gemacht – passiert das Brandenburger Tor, das einst das politisch gespaltene Berlin teilte. Heute finden vom ehemaligen „Mauerblümchen“ zu der sich hier, wo sich eine Vielzahl von Botschaften Metropole Europas –, andererseits sind die niedergelassen hat, Schwärme von Touristen Mieten erschwinglich geblieben. Dies scheint aus allen Ländern der Welt. Die Hauptstadt wohl eines der Geheimrezepte für den Boom empfängt ihre Besucher direkt in ihrem poli- an der Spree zu sein. Dort, wo internationales Flair auf kleinbürgerliches Kiezbewusstsein tischen Herzen. trifft. Die Identifikation mit dem eigenen Kiez macht den Berliner zum Berliner. Er liebt seine Was wäre Berlin Stadt und lebt für sie. ohne die Politik? In erster Linie sind es die geraden Linien der modernen Architektur des Regierungsviertels, die der zentralen Rolle der Berliner Politik eine Bühne bieten. Taxi- wie Rikschafahrer kurven um die Bauten, die für sie wie für eine Vielzahl der Touristen das politische Statement Berlins darstellen. Was wäre Berlin ohne die Politik? Die großen, monumentalen Gebäude, die meist mehr als Sehenswürdigkeit, als als Orte parlamentarischen Arbeitens gesehen und besichtigt werden, blieben – vielleicht historische Denkmäler? „Viel würde sich nicht ändern. Es ist die Kultur, die Vielfalt, die Dynamik der Stadt, die Berlin zur Hauptstadt machen“, so sehen es eine Vielzahl von jungen Menschen. Aber auch ein Polizist am Bundestag, der noch das Bonner Parlament kannte,
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Der Nabel Europas Der ehemalige Flughafen Tempelhof? Keine rein verkehrspolitische Frage, vielmehr ein Herzstück Berliner Identität. Und da kommt sie durch, die Berliner Schnauze und protestiert. Es wird klar, dass die Mauern des Bundestags doch nicht Grenzen der Politik in Berlin sind. Zu Recht ist Berlin wohl politischer als viele andere Orte der Republik. Nah am aktuellen Geschehen bezieht man in einer Stadt, die wohl so viele Meinungen wie Einwohner hat, schneller und stärker Stellung. Jede Meinung findet hier ihren Platz und ihre Form gehört zu werden. „Die Stadt ist der Platz für verrückte Ideen“, so Stefan Richter, der Geschäftsführer der Grünen Liga. Diese Woche
fand seine Idee des Umweltfestivals Platz am Brandenburger Tor. Hier trifft Musik, Kunst und Berliner Lebensgefühl auf politische Message. Es ist dieser Nukleus an Ideenreichtum, der Berlin auszeichnet. Von wegen „arm, aber sexy“. Hierin steckt wohl auch das politische Potential, das hier pulsiert. West wie Ost des Brandenburger Tores – dem Symbol Berlins wie es die Touristen sehen oder ihrem Wohnzimmer wie es die Berliner liebevoll nennen – treffen Gegensätze aufeinander und Ideen auf fruchtbaren Boden. Dieser melting pot ist es, der Berlin erst zum Botschafter Deutschlands und dann zum Nabel Europas werden ließ.
Politik und ihre Umwelt Vor allem die Offenheit Berlins macht die Stadt für viele attraktiv. Ein Charakterzug dieser vielfältigen Stadt, der wohl auch Sir Norman Foster inspirierte. Der Architekt öffnete das Parlament 1999 durch die mittlerweile zum Wahrzeichen gewordene Glaskuppel. Zu allererst ist die Kuppel jedoch ein Zeichen für die Transparenz der demokratischen Arbeit. So verschmilzt auch in der Architektur die Politik mit ihrer Umwelt – der Stadt Berlin.
Kristin Ullrich, München, 20 Jahre …hat nun verstanden, warum es im Bundestag noch so viele Festnetztelefone gibt – dank vergessenem Handy.
Zwischen Kontoauszug und Cola-Automat
Der Deutsche Bundestag öffnet Tür und Tor für Besucher und rühmt sich als gläsernes Parlament. Doch vieles, was sich hinter den Mauern des Reichtags versteckt, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Ein Streifzug von Veronika Völlinger.
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rech und verheißungsvoll prangen die weißen Lettern auf dem roten Pfeil und fragen: „Durstig?“ Wer vorbeihetzt, hadert mit seinem Gewissen: Folge ich dem Wegweiser und verlasse meine ursprüngliche Route? Oder bleibe ich standhaft und lasse mich nicht so leicht verführen vom Pfeil in Signalfarbe? Wer den Umweg wagt, gelangt ins Trockenlager. Hinter einer Gittertür lagern hier Stühle und allerhand anderes. Davor jedoch erlöst ein Getränkeautomat den Durstigen. In Gesellschaft eines Zigaretten- und eines Schokoriegelautomaten fristet er sein Dasein auf wenigen Quadratmetern muffigen Kelleraumes und wartet auf Kundschaft.
Input für Abgeordnete
Ein Blick hinter die Kulissen Cola im Keller, wer hätte das gedacht. Überhaupt ist der Bundestag mehr als nur Sitz des Parlaments. Wer an den Bundestag denkt, dem kommt zuerst das Reichstagsgebäude mit der Kuppel in den Sinn. Dabei finden sich in nächster Nähe noch weitere Gebäude. Die sind auch notwendig, wenn man bedenkt, dass 620 Abgeordnete und rund 2600 Verwaltungsmitarbeiter Platz finden sollen. Das Berliner Regierungsviertel ist ein perfekt funktionierendes, eigenes System. Fast schon eine kleine Stadt für sich. Hier findet man alles, was man sich nur vorstellen kann und vieles, was man sich zunächst gar nicht vorstellt. Will man vom Plenarbereich „rübermachen“ ins Jakob-Kaiser-Haus, führt der Weg vorbei an Ausstellungsstücken aus vergangen Zeiten. Sogar alte Parlamentssitze aus Bonn finden sich hier: Damals saß man noch auf Holz, während heute blaues Polster den Plenarsaal schmückt. Bunt leuchtende Kontoautomaten stehen vor der Tür zum Durchgangsflur. Wem also das nötige Kleingeld fehlt, der wird hier fündig. Und wer schnell den nächsten Flieger ohne Gepäck erwischen muss, der kann ganz praktisch und bequem den Quick-Check-InAutomaten daneben benutzen.
Kunst soweit das Auge reicht Ist man endlich drüben, darf man getrost einen Blick gen Himmel werfen. Der lohnt sich deshalb, weil dort hoch oben unter der Decke des Jakob-Kaiser-Hauses vier längliche bunte Balken hängen. Ihre Form erinnert an Kanus, tatsächlich sind es Rennachter, also Ruderbote. Die Kunstinstallation stammt von Christiane Möbus
Zimmermann. Der 23-Jährigen verhalf eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien und Informationsdienste zum Sprung in den Bundestag. Dafür hilft sie jetzt freundlich den Abgeordneten, falls diese mal ein Buch nicht finden.
Die Bibliothek des Bundestags: das Herzstück des Marie-Elisabeth-Lüders-Haus.
und soll das Gleichgewicht, aber auch den Wettbewerb demokratischer Mächte symbolisieren: Je nach Auf- und Abwärtsbewegung der Boote ist immer ein anderes oben oder unten. Der Bundestag mutet bisweilen einem Museum oder einer Kunstausstellung an: In jedem Gebäude des Regierungsviertels finden sich Gemälde, Skulpturen oder Installationen. Es finden sich Namen wie Gerhard Richter oder Joseph Beuys. Auf der anderen Seite der Spree steht in kühler Betonmanier das Marie-ElisabethLüders-Haus. Hier befindet sich die Bibliothek. Mit über 1,4 Millionen Bänden ist sie eine der größten Parlamentsbibliotheken der Welt. In erster Linie dient sie aber dazu, wissbegierige Mitarbeiter und Abgeordnete mit Input zu füllen. An der Ausleihe trifft man Sarah
Auch im Bundestag hat jeder Abgeordnete sein eigenes Bücherkonto. „Die Leute überziehen auch fröhlich“, erzählt Sarah Zimmermann. Eine öffentliche Bibliothek könnte in dem Fall Mahngebühren verhängen, hier darf man nur drohen und „unfreundliche Briefe verschicken“, zwinkert Sarah. Und noch eine skurrile Geschichte hat sie auf Lager: Die Bundestagsbibliothek kümmert sich für die Abgeordneten auch Fernleihen, also Bücher aus anderen Bibliotheken. Einmal kam ein Anruf aus einem Abgeordnetenbüro; es wurde gebeten, doch bitte die Twilight-Saga zu organisieren. Den Wunsch durften die Bibliotheksmitarbeiter aber nicht erfüllen, da ein „dienstlicher Zweck nicht mehr erkennbar“ war. Die Reise könnte noch stundenlang weitergehen, denn wer einmal anfängt, wird schnell fündig: Ob Reisebüro, Poststelle, Wickelraum, Turnhalle oder Gebetsraum – es gibt eigentlich nichts, was es nicht gibt im Bundestag. All das durften die Jung-Parlamentarier vier Tage lang ihr Reich nennen. Sie saßen in den „echten“ Sitzungssälen, aßen in der Kantine und genossen die Kuppelaussicht. Die Liegenschaften beherbergen einen Verwaltungsapparat, der oftmals so gut funktioniert, bis auf das letzte Detail abgestimmt ist und jegliche Bedürfnisse deckt, dass man ihn zumeist nicht einmal wahrnimmt. Wer jedoch beim nächsten Besuch im Zentrum der Demokratie die Augen und Ohren offen hält, der kann viel Spannendes und Kurioses hinter den Fassaden entdecken. Oder sich mal selbst auf die Suche nach dem verführerischen roten Pfeil begeben.
Veronika Völlinger Dillenburg, 19 Jahre Sammelt weiterhin schlechte Wortwitze, bis es im Herbst in Berlin mit dem Studium losgeht.
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Glo sse
Streithähne und Paradiesvögel
Nietzsche sagte einmal, der Mensch sei „das nicht festgestellte Tier“. Wer dieses Tier feststellen will, der muss nur eins tun: Am Planspiel im Bundestag teilnehmen. von Kevin Tarun.
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s gibt wirklich eigenartige Tiere. So ein Nasenbär sieht erstmal gewöhnungsbedürftig aus. Aber vielmehr ist es das Verhalten von Tieren, das so sonderbar ist, weil es dem Menschen stark ähnelt. Nehmen wir die Vögel: Wussten Sie, dass selbst der Hahn lügen kann? Hinterlistig lockt er mit einem Futterruf Weibchen an, obwohl weit und breit kein Korn zu finden ist – nur um seine Fortpflanzung zu sichern. Mensch und Tier sind sich verdächtig ähnlich.
Streithähne unter sich Bei Jugend und Parlament erlebt man im Plenum Spitzenpolitiker oder eher Spatzenpolitiker in ihrem natürlichen Lebensraum. Es gibt dort rote, gelbe, schwarze und sogar grüne Vögel, die ihre eigene Hackordnung bilden.
Unruhig beobachten sie ihre Artgenossen und Rivalen. Gefällt ihnen deren Gekrächze nicht, plustern sie sich gehörig auf, schimpfen wie die Rohrspatzen oder sie hacken erbost aufeinander ein. Doch woher diese erstaunliche Ähnlichkeit mit dem lügenden Hahn? Nun, es ist vorgesehen, dass sie nicht die Partei vertreten, der sie im realen Leben angehören. Das bedeutet, dass sich kaum einer der Sprösslinge auf dem Nährboden seiner wahren Überzeugung wiederfindet. Dennoch muss in den Reden das Leitbild der zugeteilten Partei durchschimmern. Somit heißt es für den Großteil: Lügen, was das Zeug hält! Nein, das ist nicht ethisch bedenklich. Es geht im Planspiel schließlich darum, Politik realitätsnah und gefühlsecht mitzuerleben. Und deshalb wird dort etwas ganz Spezielles
trainiert, nämlich die Königsdisziplin erfolgreicher Politiker: Der Umgang mit dem scharf geschmiedeten Schwert menschlicher Rhetorik – der Lüge. Dass die Lüge kein außerparlamentarisches Phänomen ist, wusste man bereits vor dem Skandal um „Lügenbaron“ Karl Theodor. Schon 2006 sagte der ungarische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany, er habe das Volk während des Wahlkampfs „morgens, mittags und abends“ belogen, was ein Diktiergerät an die Öffentlichkeit brachte. Und um der Korrektheit willen: Es gibt natürlich Dinge, in denen sich ein Politiker gänzlich vom Hahn unterscheidet. Politiker tragen Anzüge, kein Federkleid. Zumindest im Dienst. Und das Schmücken mit fremden Federn ist wohl eher die Ausnahme als arttypisches Verhalten.
Ko m m en tar
Bildung hat ein Imageproblem
Das politische Interesse der Teilnehmer am Planspiel sei „wohl etwas besser ausgeprägt als beim Rest der deutschen Bevölkerung“. So formulierte es Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert in seiner abschlieSSenden Rede von Jugend und Parlament. Aber woher kommt Deutschlands politisches Desinteresse? von Kevin tarun.
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ie größte gesellschaftliche Schicht ist die Mittelschicht. Zu ihr zählen immerhin noch 54% der deutschen Bevölkerung. Früher hieß die Mitte Bürgertum – doch durch einen beachtlichen Werteverlust hat sie sich selbst „entbürgerlicht“: Die Tugenden, die sie ausmachten, waren Disziplin, Fleiß und Strebsamkeit. Der Konsumwahn verdrängte diese Werte jedoch mehr und mehr, sie gerieten in Vergessenheit. Es stellt sich die Frage: Was bedeutet das für unsere Demokratie? Unsere Politik befindet sich in einer Glaubwürdigkeitskrise. Sie resultiert aus leeren Wahlversprechen, Lobbyismus und vor allem der Annahme, Politiker seien ausschließlich auf ihre Wiederwahl aus. Denn schließlich sei jeder auf den eigenen Vorteil bedacht – warum sollten gerade Politiker die Ausnahme bilden? Die Ellenbogengesellschaft hat sich nicht nur durch Kapitalismus und Egoismus etabliert,
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auch die Werbeindustrie trägt Mitschuld am Werteverlust: Egal ob erfolgreiche Manager, Aktienspekulanten oder Paris Hilton über die Bildschirme von PC und Fernseher flackern, sie alle stehen dafür, dass man keinen Finger krümmen muss, um erfolgreich zu sein.
Lange Beine statt Heinrich Heine Insbesondere die Jugend ist vom Virus der Politikignoranz befallen. Sie weist ein beunruhigend geringes Politikinteresse und -verständnis auf, doch kennt sich mit Glamour und Fame bestens aus. Der Ursprung dafür ist das Image von Bildung. Junge Frauen setzen ihre Weiblichkeit gezielt ein, verfallen in Rollenklischees und bringen den Sexismus zurück: Auf Facebook präsentieren sie entweder ihre klei-
nen Täschchen französischer Luxusmarken oder sich selbst in noch knapperen Outfits und geben an, dass sie Bücher hassen. Doch auch Männer sind verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, z.B. dem Hip Hop, welcher Perspektivlosigkeit thematisiert und zu einem regelrechten Ghetto-Kult avancierte. Dass es hierzulande legale Aufstiegschancen, soziale Sicherungssysteme und zahlreiche Bildungs- sowie Kultureinrichtungen gibt, scheint aus dem Gedächtnis junger Hörer verschwunden zu sein. Dem Volk wird vermittelt, dass man weder kulturelle noch politische Bildung braucht, um voranzukommen. Kurzum – der Verlust gesellschaftlicher Werte, eine gewisse Äußerlichkeitsherrschaft und Vorbilder à la Verona Pooth unterspülen das Fundament unserer Demokratie. Sie alle fördern die fälschliche Annahme: „Politik und Bildung gehen mich nichts an. Es geht auch ohne.“
Bewerben oder Anwerben?
Die junge Generation ist ein kostbarer Rohstoff auf dem Polit-Markt. Zu Jugend und Parlament fanden gleich 312 potenzielle Nachwuchspolitiker in den Bundestag. Doch wie kommen sie überhaupt dahin? Von Veronika Völlinger.
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Malte Erdmann aus Köln ist vermutlich der einzige Teilnehmer, der per Wahl nach Berlin kam. Allerdings nicht durchs Volk, sondern durch seine Mitschüler an der Waldorfschule. Der Wahlkreisabgeordnete hatte seinen Lehrer beauftragt, einen Schüler auszuwählen. Die Kandidaten mussten Wahlkampf führen, um im Voting der Mitschüler die Mehrheit zu
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inmal im Jahr übernehmen die JungParlamentarier den Plenarsaal. Gewählt werden sie nicht vom Volk, sondern vom Abgeordneten ihres Wahlkreises. Die fünf Bundestagsfraktionen beauftragen damit jeweils die Hälfte ihrer Abgeordneten. Das Organisationsteam um Regierungsdirketor Kay Wahlen wünscht sich natürlich, dass die Abgeordneten
Nichts ahnend saß Felix Banner im Unterricht, als er plötzlich aus dem Klassenzimmer gerufen wurde. „Was hab ich jetzt schon wieder angestellt?“, fragte sich der 16-jährige Stuttgarter und erlebte dann die große Überraschung: Wenige Monate zuvor hatte er sich für das Parlamentarische Patenschaftsprogramm beworben. Sein Wahlkreisabgeordneter erinnerte sich an ihn und setzte alle Hebel in Bewegung, um ihn nach Berlin zu holen.
Die Abgeordneten wollen Nachwuchs fördern
Verschiedenste Wege führten die Jugendlichen auf das poltische Parkett.
sich hierbei untereinander abwechseln. Häufig begäben sich aber doch wieder dieselben auf die Suche nach den Kandidaten.
Viele Wege führen nach Berlin Abgeordnete können Schulen zu Bewerbungsvorschlägen aufrufen oder sich in den Reihen der eigenen Jugendorganisation umsehen. Auch ein Bewerbungsaufruf per Zeitungsannonce ist möglich. Letztlich ist die Auswahl jedem Abgeordneten selbst überlassen. „Natürlich sollten so viele wie möglich die Chance bekommen“, meint Kay Wahlen.
erhalten. Gegen neun Mitbewerber hat sich der 16-jährige Malte schließlich durchgesetzt. Sicher auch, weil er schon mit politischem Engagement bei Greenpeace glänzen konnte. Pascal Kettmann kommt aus der Nähe von Hamburg. Unter den Planspielern erkennt man den 18-jährigen Abiturienten sofort. Seine langen Dread-Locks fallen auf. Bei einem Weinfest war es jedoch sein Diskussionstalent. Jenes bescherte ihm sein Ticket zu Jugend und Parlament. Bei einem Schoppen Wein stieg er in eine politische Diskussion zwischen seinem Vater und dem Abgeordneten des Wahlkreises Quickborn ein. Dieser zeigt sich so begeistert, dass er Pascal zum Planspiel einlud.
Schön, wenn sich Abgeordnete so um Jugendliche in ihrem Wahlkreis bemühen. Aber es zeichnet sich auch ein Muster ab: Die Abgeordneten wählen natürlich zu Recht Teilnehmer, die ihnen geeignet scheinen – meist also erfolgt die Wahl nach dem (partei)politischen Engagement der Jugendlichen. Nachteil dabei ist, dass junge Menschen, die möglicherweise gerne die Chance zur Teilnahme hätten, nicht von dem Angebot erfahren. So sucht Heike Brehmer (CDU) ihren Kandidaten in der Jungen Union ihres Wahlkreises. Ihr Ziel: „Leute, die sich für die CDU engagieren, fördern“. Im letzten Jahr benannte sie sogar drei Teilnehmer, da zwei Landesgruppenmitglieder ihr die Plätze überließen. Für Thomas Nord (Die Linke) ist das Planspiel eher „eine Methode zur Willensbildung“. Den Kontakt zu seiner diesjährigen Teilnehmerin stellte zwar die Linksjugend her, die Jung-Parlamentarierin selbst aber ist parteilos. „Hier sind schon zu viele dabei, die wissen, dass sie eine politsche Laufbahn einschlagen wollen“, so Thomas Nord. Ein offenes Bewerbungsverfahren käme für ihn aber nicht infrage: Zu groß sei die Zahl derer, die man trotz ihrer Anstrengungen um einen Platz enttäuschen müsste. Ähnlich sieht es Karen Marks (SPD): „Eine Absage demotiviert“. Deshalb sieht auch sie sich in ihrem Wahlkreis selbst nach aktiven Jugendlichen um, macht eine Teilnahme aber nicht von Parteizugehörigkeiten abhängig. „Ich finde Jugend und Parlament so klasse, dass ich gern jedes Jahr mitmachen würde.“ Die Planspieler haben bei Jugend und Parlament die Chance, ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen. Oft bringen sie diese aus ihrem parteipolitischen Engagement mit. Ein offeneres Bewerbungsverfahren könnte jedoch der viel diskutierten Politikverdrossenheit entgegenwirken. Gelingt das, kann man getrost sagen, dass der Bedarf für eine kommende Politikergeneration gedeckt sein wird.
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„So reservierten vor der Debatte Abgeordnete die ersten vier Reihen im Plenum mit ihren Mappen.“ Dr. Matthias Miersch
Auf den Spuren seines Abgeordneten
„Kollegen“ im Gespräch – Beim gemeinsamen Abendessen bot sich dem 20-jährigen Dominik Luther die Gelegenheit, den Abgeordneten seines Wahlkreises Dr. Matthias Miersch (MdB, SPD) zu treffen.
Herr Miersch, was sind Ihre Erfahrungen mit Jugend und Parlament?
Dominik, wie hast du in die Politik gefunden? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Mappen, da nur diese fernsehtauglich waren. Bei so etwas ganz banalem merkt man, dass es auch hier „menschelt“.
Miersch: Fast jedes Jahr habe ich es geschafft, einen Jugendlichen zu entsenden. Stets mit positivem Feedback. Die Jugendlichen sehen hier, dass Politik und Demokratie nicht immer einfach sind, sondern Kompromissbereitschaft erfordert. Und Dinge, die in der Öffentlichkeit nicht immer klar oder vielleicht negativ dargestellt werden, werden durch eigene Erfahrungen verständlich.
Dominik: Ganz zufällig, ich gewann die Klassensprecherwahl und war dann hier und da involviert. Ich bin in so immer mehr „reingerutscht“ und habe natürlich immer mehr Lust bekommen, selber mehr in diesem Bereich zu machen.
Eine Lektion, die Sie als Politiker gelernt haben und Ihrem „Schützling“ mitgeben würden?
Deckt sich deine Motivation zur Teilnahme mit dieser Vorstellung, Dominik? Dominik: Auf jeden Fall! Seit drei Jahren engagiere ich mich, bin in meiner Freizeit selbst politisch aktiv und kandidiere für den Stadtrat. Miersch: So wurde ich auch auf Dominik aufmerksam. Ich gucke mir immer motivierte Leute aus meinem Wahlkreis an für meinen Vorschlag. Dass sie hier die „ganz große Politik“ erleben, ist Motivationsschub und Bestätigung zugleich. Denn Engagement, auch vor Ort, ist heute nicht mehr selbstverständlich.
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Und bei Ihnen, Herr Miersch? Miersch: Über die Jugendarbeit. Es ging um Zuschusskürzungen für Ferienfreizeiten. Der Stadtrat entschied darüber und da stand für mich fest, für diesen zu kandidieren. Damals war ich 22.
Welche Überraschung gab es für Sie, als Sie an den Bundestag kamen? Dominik: Mich beeindruckten natürlich die langen Wege. Miersch: Das Mallorca-Syndrom im Bundestag. So „reservierten“ vor der Debatte Abgeordnete die ersten vier Reihen im Plenum mit ihren
Miersch: Dass Politik vor allem Geduld und Durchhaltevermögen kostet, aber auch nicht alles ist. Man sollte nicht unbedingt gleich als Berufspolitiker durchstarten, sondern auch erst mal berufliche und sonstige Erfahrung sammeln. Man sollte sich ein Leben neben der Politik bewahren, beruflich wie privat.
Wie sehen Deine Zukunftspläne aus, Dominik? Dominik: Nach meinem Zivildienst an einer Schule für Körperbehinderte möchte ich vielleicht Pädagogik studieren. Aber zuerst geht es wieder nach Berlin, diesmal für ein Praktikum – natürlich bei Matthias Miersch.
Das Interview führte Kristin Ullrich.
Foto: Tobias Heinze
Dr. Matthias Miersch fand 端ber die Jugendarbeit in die politik.
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Am Ende die Wende?
Bis zum Schluss blieb es spannend. Unklar war, wie die Abgeordneten in der finalen Plenarsitzung abstimmen würden. Hier die Ergebnisse. Von Stephanie Roth
Der Gesetzesentwurf zur Absicherung der Energieversorgung wurde von der CVP und der LRP eingebracht. Beide Fraktionen forderten einen Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2025. Im Plenum argumentierten die Regierungsparteien, dass für den schwierigen Wandlungsprozess hin zu regenerativen Energien eine angemessene Zeit nötig sei, da auch eine ökonomisch sichere Energieversorgung gewährleistet werden müsse. Die Oppositionsparteien konterten, die Regierung stelle sich gegen den Willen des Volkes und handle unverantwortlich, der Atomausstieg müsse so schnell wie möglich erfolgen. Letztendlich wurde der Gesetzesentwurf von CVP und LRP jedoch angenommen, das Zieldatum für den Ausstieg liegt nun bei 2025.
§ Pressefreiheit Die Fraktionen der CVP und der LRP brachten den Antrag ein, die Bundesregierung zum weltweiten Eintreten für Pressefreiheit und gegen Journalistenverfolgung zu mobilisieren. Schnell war klar: „Es geht nicht um Fraktionen, alle müssen jetzt zusammen stehen!“ Uneinigkeit herrschte jedoch bei der Frage, wer die Kontrollposition in der EU einnehmen solle und wie diese auszuüben ist. Außerdem forderte die Opposition, konkrete Ländernamen in dem Antrag zu nennen und wirtschaftliche Interessen nicht über Menschenrechte zu stel-
Foto: Johannes Herbel
§ Energiesicherheit
Vereinfachung des sozialen Aufstiegs sahen. Sie hofften, so den Fachkräftemangel beseitigen zu können. Die Oppositionsparteien stimmten grundsätzlich zu, konnten sich aber mit der Minderung des Kindergeldes nicht anfreunden. Ebenso lehnten sie es ab, dass der Notendurchschnitt das entscheidende Kriterium sein solle. Mit einer Mehrheit der Regierungsparteien wurde der Gesetzentwurf trotzdem angenommen.
§ Wahlrecht
Nach vier Tagen halten die Jungabgeordneten die Ergebnisse schwarz auf weiSS in der Hand.
len. Schließlich wurde die Beschlussempfehlung doch in ihrer ursprünglichen Form angenommen. Es herrschte Konsens: „Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit gewisse Leute nicht die Freiheit haben, alles zu tun!“
§ Schüler-BAföG Nach Gesetzesentwurf der Bundesregierung sollte das bereits bestehende Schüler-BAföG durch eine Umverteilung von Kindergeld erweitert werden. Die Regierungsparteien unterstützten diesen Vorschlag, da sie darin eine
Mitglieder aller Parteien wollten das Grundgesetz ändern, um eine Wahlbeteiligung ab 16 Jahren zu ermöglichen sowie ein aktives Wahlrecht von Geburt an, das von den Eltern stellvertretend ausgeübt wird. Das Familienwahlrecht stieß von Anfang an auf viel Kritik, da Zweifel daran bestanden, ob die Wahlen durch die Eltern als unmittelbar und gleich bezeichnet werden können. Auch das Wahlalter wurde in den Fraktionen ausführlich diskutiert. Die CVP forderte ein Wahlrecht ab 18 Jahren. LRP, APD und ÖSP hielten Jugendliche ab 16 Jahren für wahlfähig. Die PSG forderte sogar, Jugendliche schon ab 14 Jahren zur Wahl zuzulassen. Ein Großteil der Abgeordneten stimmte schließlich für den Gesetzentwurf, der 16 Jahre als Altersgrenze vorsah. Durchgesetzt werden konnte er jedoch nicht, da keine 2/3-Mehrheit erreicht wurde, die für eine Änderung des Grundgesetzes nötig ist.
FruchtflEisch Drei Dinge, die Du mit nach Hause nimmst… „praktisches“
„toleranz“ Fotos: Johannes Herbel
„Dialekt“
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Ludwig Schnur
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18 Jahre, Ulm
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„Fachliches, Erfahrung im
„Toleranz, neue Eindrücke
und ein gutes Gewissen.“
Umgang mit politischen Gegnern
und die Fähigkeit, in eine andere
und viele Impressionen.“
Rolle zu schlüpfen.“
IMPRESUM
f r is c h, j un g, s e l bst g em CHT
Diese Ausgabe von politikorange entstand während des Planspiels »Jugend und Parlament«, das vom 04.–07. Juni 2011 in Berlin stattfand. Herausgeber und Redaktion: politikorange
A ls Veranstaltungszeitung, Magazin, Online- oder Radioprogramm erreicht politikorange seine jungen Hörer und Leser. Krieg, Fortschritt, Kongresse, Partei- und Jugendmedientage – politikorange berichtet jung und frech zu Schwerpunkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die große und die kleine Politik aus einer frischen, fruchtigen, anderen Perspektive.
Wie komm’ ich da ran?
Wer macht mit?
Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen, über die Landesverbände der Jugendpresse Deutschland e.V. und als Beilagen in Tageszeitungen verteilt. In unserem Online-Archiv stehen bereits über 50 politikorange-Ausgaben und unsere Radiosendungen sowie Videobeiträge zum Download bereit. Dort können Ausgaben auch nachbestellt werden.
Junge Journalisten – sie recherchieren, berichten und kommentieren. Wer neugierig und engagiert in Richtung Journalismus gehen will, dem stehen hier alle Türen offen. Genauso willkommen sind begeisterte Knipser und kreative Köpfe fürs Layout. Den Rahmen für Organisation und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig wechselnde Redaktionsteams sorgen dafür, dass politikorange immer frisch und fruchtig bleibt. Viele erfahrene Jungjournalisten der Jugendpresse stehen mit Rat und Tat zur Seite. Wer heiß aufs Schreiben, Fotografieren, Mitschneiden ist, findet Infos zum Mitmachen und zu aktuellen Veranstaltungen im Internet oder schreibt einfach eine eMail. Die frischesten Mitmachmöglichkeiten landen dann direkt in Deinem Postfach.
Das Multimedium
In einer Gesellschaft, in der oft über das fehlende Engagement von Jugendlichen diskutiert wird, begeistern wir für eigenständiges Denken und Handeln. politikorange informiert über das Engagement anderer und motiviert zur Eigeninitiative. Und politikorange selbst ist Beteiligung – denn politikorange ist frisch, jung und selbstgemacht.
Wöhlertstraße 18, 10115 Berlin, www.politikorange.de Chefredaktion (V.i.S.d.P.): Kristin Ullrich (ullrich-kristin@web.de) Redaktion: Veronika Völlinger, Anna Ellmann, Kevin Taurun, Stephanie Roth, Elias Langer Bildredaktion: Johannes Herbel (hannesherbel@gmx.de) Layout: Jakob Bahr Projektleitung: Florian Hirsch (f.hirsch@jugendpresse.de) Druck: LASERLINE Digitales Druckzentrum Bucec & Co. Berlin KG Auflage: 1.200 Exemplare
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Foto: Hermann Josef Müller
politikorange wurde 2002 als Veranstaltungszeitung ins Leben gerufen. Seit damals gehören Kongresse, Festivals und Jugendmedienevents zum Programm. 2004 erschienen die ersten Themenmagazine: staeffi* und ortschritt*. Während der Jugendmedientage 2005 in Hamburg wurden erstmals Infos rund um die Veranstaltung live im Radio ausgestrahlt und eine 60-minütige Sendung produziert.
Warum eigentlich politikorange?
c/o Jugendpresse Deutschland e.V.,
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Kannst du die Mehrheit für dich gewinnen?
Start bundesrat
Zug um Zug von der Gesetzesinitiative bis zum fertigen Gesetz. Du willst eine Gesetzesinitiative starten. Schaffst du es, das Gesetz durchzubringen und vor deinen Konkurrenten das Ziel zu erreichen? Alles, was du brauchst, sind Spielfiguren und ein Würfel. Ein Spielplan zum Planspiel von Stephanie Roth
Start bundestag
Start bundesregierung
Die Regierung hat deinen Vorschlag zur Kenntnis genommen, rät aber davon ab. Setze eine Runde aus.
Das Gesetz liegt dem Bundespräsidenten vor. Er hat aber Bedenken ob das Gesetz Verfassungskonform ist und verweigert die Unterzeichnung. Du musst eine Runde aussetzen.
Deine Gesetzesvorlage wurde an den Bundesrat weitergeleitet, doch dieser ist gar nicht begeistert. Setze eine Runde aus.
Deiner Gesetzesvorlage enthält einen Formfehler. Jetzt verzögert sich alles. Gehe zurück auf START
Bei der Schlussabstimmung in der dritten Lesung hat dein Vorschlag die Mehrheit im Bundestag verfehlt. Nun kann das Gesetz nicht mehr zustande kommen. Du musst zurück auf START.
Die Erste Lesung im Plenum ist überstanden, dein Vorschlag wurde vorgestellt und ist jetzt auf dem Weg, ein Gesetz zu werden! Du darfst nochmal würfeln.
Du hast die Mehrheit im Bundestag überzeugt! Das Gesetz wurde angenommen und an den Bundesrat weitergeleitet.
Bei der Diskussion in den Ausschüssen erntet deine Gesetzesvorlage viel Kritik. Setze eine Runde aus.
In der Zweiten Lesung wird deine Vorlage heiß diskutiert. Es geht vorwärts. Du darfst nochmal würfeln.
Der Bundesrat hat deinen Gesetzesvorschlag akzeptiert! Jetzt hast du es so gut wie geschafft. Du darfst nochmal würfeln.
Keine Mehrheit im Bundesrat! Der Vermittlungsausschuss muss eingeschaltet werden. Es gilt, einen Kompromiss zwischen Bundestag und Bundesrat zu finden. Bis zur Einigung dauert es. Du musst einmal aussetzen.
zIEL Du hast es geschafft! Bundesregierung und Bundespräsident zeichnen gegen, dein Gesetz wird im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Ein neues Gesetz ist geboren!