politikorange Wende.Punkt

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Wende.Punkt Juni 2012

Unabh채ngiges Magazin zuM BDEW Kongress 2012 HERAUSGEGEBEN von der Jugendpresse DEUTSCHLAND e.V.


Foto und Titelfoto: Benjamin Richter

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MACHE DICH AUF, WERDE LICHT!

Edi tor i a l

A

uf dem Weg nach Damaskus umstrahlte ihn plötzlich ein Licht vom Himmel. Er stürzte zu Boden und hörte eine Stimme: »Saul, Saul, warum verfolgst du mich?« »Wer bist du, Herr?«, fragte Saulus. Die Stimme sagte: »Ich bin Jesus«“ (Apg 9,3-9) Gleißendes Licht, Zusammenbruch und Erkenntnis. Aus Saulus wurde Paulus. In drei Tagen vom Christenhasser zum von Gott berufenen Apostel für die Völker. Das ist eine Wende. Gleißendes Licht, Zusammenbruch. Tschernobyl ohne Erkenntnis. Gleißendes Licht, Zusammenbruch. Fukushima mit Erkenntnis? Ist das eine Wende? Anders als Saulus ist Deutschland nicht auf dem Weg nach Damaskus, sondern in die Zukunft. Solarpanels werden auf Häuserdächer geschnallt, die Zeit der Energiewende ist ausgerufen. Die laschen Kompromisse während Schröders rot-grüner Regierungszeit sind passé. Aus den Irren, die sich einst vor Castor-Transporte ketteten, wurden Helden. Wer heutzutage mit Atomkraft sympathisiert, dem wird der plötzliche Strahlentod gewünscht. Das Kabinett Merkel hat durchgegriffen. Das Aus für acht Kernkraftwerke, der stufenweise Atomausstieg soll folgen. Frei nach dem Motto: Wir sind raus! Doch wer irgendwo raus geht, muss auch wieder irgendwo reingehen, sonst steht man allein auf weiter Flur. Die Energiewende ist also eine doppelte Wende – wobei die zweite Kurve die spannendere ist. Dass uns glimmende Brennstäbe nicht den Weg ins Morgen weisen können, ist klar. Was aber dann? Welches Licht führt uns aus dem Dunkel?

Sonnenschein im Süden lässt Nordlichter kalt Konzepte entstehen im Kopf. Genauso wie Aus- und Einstiegspläne. Doch die Philosophen der Moderne haben bereits verkündet: „Grau is alle Theorie – entscheidend is aufm Platz“. Und aufm Platz sieht’s so aus: Der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch lag 2010 bei nur knapp 10 Prozent. Eine Waagschale neigt sich bekanntlich erst nach unten, wenn ihr Inhalt mehr wiegt als auf der anderen Seite. Noch neigt sich nichts. So viel zur Wende. Dazu scheint die Sonne nicht auf

Kommando und noch wurde auch kein Gesetz verabschiedet, das die Windstärken vorschreibt. Spielen die Naturgewalten nicht mit, essen wir Abendbrot im Dunkeln. Die Speichermöglichkeiten für die Erneuerbaren sind bis dato begrenzt. Batterien gibt es zwar, sind jedoch noch nicht ausgereift. In den Kinderschuhen stecken ist eine grobe Übertreibung, noch sind nicht einmal Gliedmaßen erkennbar. Energiegewinnung aus den konventionellen Methoden brauchen wir also nach wie vor. Hat Bayern mehr Sonnenschein als Schleswig-Holstein, dann lässt das die Nordlichter kalt. Es bedarf eines stärkeren Ausbaus der Netze, um Energie von A nach B zu transportieren. Aber verlassen wir die Bundesrepublik für einen Augenblick. Klima ist schließlich international. Eine afrikanische Weisheit lehrt uns: Will man schnell vorankommen, geht man alleine. Will man weit kommen, muss man zusammen gehen. Wie steht es um unsere Mitläufer? Schwellenländer streben Wohlstand nach europäischem Vorbild an, Umweltleiden sind dabei eben mehr oder weniger bequeme Nebenwirkungen. Seit Kopenhagen hat die EU ohnehin an Gewicht verloren. Zieht China nicht mit, wird jeglicher Kräfteaufwand zu vertaner Liebesmüh für Mutter Erde. Ist die Wende am Ende nur ein wirres Sich-imKreis-Drehen, bei dem sämtliche Orientierung verloren scheint? Ist der Saft abgedreht für das Licht der Erleuchtung?

Angstschweiss für das Klima Während die einen diese düsteren Prognosen loswerden, laufen geniale Köpfe auf Hochtouren, damit AKWs von Brunsbüttel bis Gundremmingen das bald nicht mehr machen müssen. Es geht voran. Neben Wasser, Wind und Sonne wird Müll zum Energielieferanten. Dreck machen für einen guten Zweck klingt verlockend, ist aber nur eine von vielen Facetten des neuen Energiediamanten. In Berlin schließen sich Bürger zusammen, um sich das Stromnetz zu kaufen. Das Ziel: Transparenz und Mitbestimmung schaffen. Davids kämpfen gegen Goliaths, unerschrocken und entschlossen. Die Stimmen werden lauter, der Klagechor schwillt an. Banner werden durch die

Straßen getragen, Proteste wirken öffentlichen Druck auf die Regierungen und Volksvertreter aus. Den Politikern wird heiß. Schwitzen für ein besseres Klima? Zumindest ein Anfang.

Keine Second-Hand-Welt Lässt sich das Volk nicht mehr zügeln, wandert sein Anliegen auf die ersten Plätze der politischen Agenda. Das zeigen Veranstaltungen wie der BDEW Kongress 2012. Hier ließ Hildegard Müller, die Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. verlauten: „Was wir brauchen, ist ein klares Bekenntnis.“ Ja, Frau Müller, das brauchen wir wohl. „Energiewende soll zum neuen Synonym für deutschen Erfolg werden.“ Da sind wir ganz bei Ihnen, Herr Altmaier. Nun gut, wo stehen wir also? Die Jugend will keine Second-Hand-Welt, die vor ihren Augen auseinanderfällt. Wir wollen keine Flutwellen, Killermücken und irgendwelchen Wüstenstaub. Tatsache ist: Auf diesen einen Erdball sind wir wohl oder übel angewiesen. Wir können nicht in den Keller gehen, um einen neuen aus dem Vorratsregal zu holen. Mit Pökelsalz konservieren wird höchstwahrscheinlich auch nicht klappen. Wir müssen also pfleglich mit der Weltkugel umgehen. Will man dem Evangelisten Lukas Glauben schenken, so war Saulus drei Tage lang blind. Erst dann erkannte er. Sind die Tage der Blindheit für die Wirtschaft und Politik vorbei? Wer ist unter den Sehenden? Öffnet die Augen. Es wird Zeit.

Eure Chefredaktion Anna Eckert und Tino Höfert

Inha lt Fotos: Tobias Ertel, Madeleine Schade, Sabine Kurz, Benjamin Richter

Es ist also soweit: Energie am Wendepunkt. Zur Bestimmung des Wendepunkts gehört bekanntlich eine ordentliche Kurvendiskussion. Ebenso Ableitungen und die Ermittlung der Nullpunkte. Rein technisch gesprochen. Dazu kommt Überzeugung, Passion und: die innere Erleuchtung. VON Anna Eckert & Tino Höfert

Liebe Leserinnen und Leser, wir haben das Nachfolgerwort von „Nachhaltigkeit“ gefunden: Energiewende. Klingt nach Aufbruch, nach gesetzten Segeln und frischem Wind. Es erinnert an überraschenden Erfolg und kollektive Einigkeit. Es ist ein mutiges Wort, ein tapferes. Kurz gesagt: Es steht für eine wirkliche Veränderung. Und noch verdreht niemand die Augen beim bloßen Klang der Buchstaben. Das hat der BDEW erkannt und zum dreitägigen Kongress ins InterContinental Berlin geladen. Erstmals war eine politikorange-Redaktion unter den Gästen. Während im großen Konferenzsaal über die „Märkte von Morgen“ diskutiert wurde, ist unser Magazin mehr geworden als ein einfacher Veranstaltungsbegleiter. Schon im Vorfeld sind wir in die wissenschaftlichen Tiefen von Klimawandel, Volllaststunden, Energieeffizienz und schlauen Versorgungsnetzen eingetaucht. Experten und Fachleute wurden, in Nacht- und Nebelaktionen malerische Titelfotos geschossen, und selbst im Dunkeln klackerten die Tastaturen noch weiter. Die Physik sagt: Energie ist Kraft mal Weg. Insofern ist diese politikorange ein journalistisches Festspiel von im besten Sinne spannenden Geschichten. Der Einstieg in die Komplexität der großen Fragen der Energiewende hat uns viel Kraft gekostet, doch der Weg hat sich gelohnt. Und das alles ohne Kurzschluss, Blackout oder einen unerwarteten Ausstieg vom Ausstieg.

»Vernetzt« Online-Impressionen auf http://politikorangeblog. wordpress.com

»Dabei« Wir wollen Veränderung: die Jugend demonstriert Seite 09

»Fernab« Die Sterne und ich - Alltag mal anders. Seite 12

»Vorbei« Können wir noch das Klima retten? Seite 14 Anna Eckert & Tino Höfert 19 und 23 Jahre ... ziehen ihre Energie aus Sonnenlicht und Liebe und einer frischen Brise an der Ostsee

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Steuer ohne Steuermann

„Ich bin froh, dass ich die Energiewende nicht organisieren muss“ Prof. Michael Köhler, Kabinettschef von EU-Energiekommissar Günther Oettinger, bringt es auf den Punkt: Das Thema Energiewende bleibt komplex und vielschichtig. VON Kay Litzinger

aufmerksame zuhörer: wer beim fachpublikum punkten wollte, sprach über die fussball-em

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ie erste Podiumsdiskussion, eine vor wir überhaupt angefangen haben“, halbe Stunde Verspätung, eine kritisiert er. Für ihn bedeutet ParadigFrage: Markt oder Staat – worauf bau- menwechsel auch, sich von festen Rahen wir das Energiesystem der Zukunft? men zu lösen. Der Einstieg erinnert an Schulunterricht: Oberlehrerin ZDF-Moderatorin Ein gemeinsamer Markt Dunja Hayali fordert die DiskussionsDie Frage ist nun, ob die Marktkräfteilnehmer auf: „Der Bundesumweltmite hier die Steuerung übernehmen sollen. nister hat gerade Paradigmenwechsel angesprochen. Kann jemand von Ihnen Damit dies allerdings überhaupt in Beetwas dazu sagen?“ Schüler Holger tracht gezogen werden kann, gilt es zu klären: Wie soll ein gemeinsamer Markt Krawinkel, Abteilungsleiter Energie für erneuerbare und fossile Energien geund Umwelt des Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., meldet sich zu schaffen werden? Köhler, der laut Dunja Hayali die Wort: „Ich bin gespannt, ob dieser Paradigmenwechsel tatsächlich stattfin- „europäische Brille“ trägt, ist überzeugt, den wird.“ Fest steht, dass die Proble- dass die Erneuerbaren in den Wettbematik mittlerweile offen angesprochen werb eintreten und sich so in die Kowird – wenigstens in Ansätzen. Das stenstruktur einbinden müssen. Nur so ist ja schon fast ein Paradigmenwech- können die Marktmechanismen stärker sel. Naja, ein Anfang. Auch Hugo Wie- greifen. Weiterhin sollen die regeneramer von der Gas-Union Frankfurt fin- tiven Energien immer effektiver werden, det, dass die Branche massiv an sich um Kosten zu senken. Er fordert hier, sich nicht wie der gearbeitet hat. Vor allem aber müsse die Wettbewerbsfähigkeit noch gestei- Wetterbericht nur auf die deutsche Gegert werden. „Das ist eine Sache der ografie zu beschränken. Auch mögliche Frische. Weiterentwicklung und Inno- Kostenvorteile bei grenzüberschreitenvation spielen in den nächsten Jahren dem Handel müssten in Betracht gezogen die entscheidende Rolle.“ Wenn jeder werden. „Für die Bayern ist Österreich nur sagt, dass alles zu teuer ist, kommt schließlich näher als Rügen.“ Entscheidend ist die Frage, wer die niemand voran. Davon ist Michael Feist von enercity Hannover überzeugt. „Wir Koordination, die Hoheit, übernimmt. nehmen das Tempo schon heraus, be- Aufgaben müssen dringend klar verteilt

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werden, damit nicht einfach jeder Akteur macht, was er will. Mit der Diskussion über das Verhältnis Markt-Staat geht immer einher, wie kleine und große Unternehmen nebeneinander bestehen können. Fest steht, dass zumindest mittelfristig beide gebraucht werden. Denn es gibt Projekte, die nur mit einem gewissen Investitionsvolumen bewältigt werden können. Hugo Wiemer von Gas-Union betont dagegen in diesem Kontext: „Die Größe eines Netzes ist kein Kriterium für die Wirtschaftlichkeit eines Betriebs.“ Viele kleine Stadtwerke heizen den Wettbewerb an und führen zu einer Pluralisierung der Akteure.

Des Rätsels Lösung fehlt Nicht geklärt ist, wie mit der sogenannten Lücke umgegangen werden soll, die bleibt, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. Denn die erneuerbaren Energien sind bekanntermaßen von Umwelteinflüssen abhängig. Solange diese Lücke nicht geschlossen oder kleiner wird, kann nicht gänzlich auf fossile Energieträger verzichtet werden. Schließlich ist die Netzstabilität eine Grundlage des Marktes. Die Verantwortung hierfür liegt laut Wiemer bei den Netzbetreibern und der Bundesnetzagentur. Allerdings müssen die akquirierten

Foto: Ruben Neugebauer

Reservekraftwerke, die Kapazitäten bereithalten, auch finanziert werden. Jochen Homann von der Bundesnetzagentur glaubt, dass es auf Entschädigungen hinauslaufen wird, bis Kapazitätsmechanismen vorhanden sind. Denn wie Mario Meinecke, verantwortlich für die Strategie beim BDEW, erklärt, muss zwischen den drei Zielgebieten Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit abgewogen werden. Dieses Dreieck wird kaum gleichschenklig sein. Denn die Ziele lassen sich oft nur schwer vereinbaren. So ist beispielsweise die Forschung bei vielen erneuerbaren Energien noch nicht so weit, als dass durch sie die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden kann. Hierfür ist einerseits natürlich die Politik verantwortlich. Inwieweit, ist auch in dieser Diskussion allerdings nicht klar geworden. Ebenso wenig konnten die Aufgaben eindeutig auf die politischen Ebenen verteilt werden. Es handelt sich um einen stetigen Prozess. Daher muss immer wieder nachjustiert werden. Michael Köhler bringt seine Intention gut auf den Punkt: „Nichts ist für die Ewigkeit. Für uns in Brüssel ist wichtig, dass die Energiewende voranschreitet.“


30 Sekunden 5 Entscheidungen

Lange schwafeln kann jeder. Jetzt musste sich die Hauptgeschäftsführerin des BDEW, Hildegard Müller, kurz fassen. Von Marina Küpper und Julia Prätorius Im Urlaub: Seele baumeln lassen oder aktiv sein? Also: Energie sparen oder investieren? Seele baumeln lassen und Energie tanken. Duschen oder baden? Ich liebe baden, aber aus zeittechnischen Gründen dann doch duschen. Laptop oder Zettelwirtschaft? Ich habe meine gelben Zettel gegen den Laptop getauscht! Kohle oder Glück? Am Ende dann doch Glück… und Gesundheit. Auto oder Flugzeug? Ich bin leidenschaftliche Autofahrerin, aber wegen meiner kleinen Tochter sind die großen Distanzen dann doch schneller mit dem Flugzeug zu überwinden. vielbeschäftigt: nicht jeder bekam die chance auf ein interview mit der bdew-geschäftsführerin

Foto: Ruben Neugebauer

ELEKTRISIERTES NETZWERKEN

als Rahmenprogramm für den Kongress präsentierte sich im Foyer des Intercontinental eine bunte Mischung an Unternehmen und Dienstleistern. Die Kombination aus Messe und Meinungsaustausch sollte anregen zum gemeinsamen Entdecken und Fachsimpeln. Von Iris Schmutz

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er „Cadster“ hat Ähnlichkeit mit einem Golfauto. Ein Teil besteht aus dem Sitz und robusten Hinterrädern, der zweite Teil ist die Lenkeinheit mit einer Vorrichtung für die Golftasche. Mit blauen Abdeckungen unter Sitz und Fußbrett sieht der Cadster modisch und stilvoll aus. Das Gefährt entstand aus einer Bedarfssituation heraus: Ein Motorradunfall und die daraus resultierenden Einschränkungen waren die Grundlage für Innovationspotential und weitere Recherche. Ein fortschrittliches Elektromobil musste her, das gleichzeitig für vollen Nutzen und für Fahrspaß sorgt. Die Idee zum Cadster war geboren. Das Quad ist in unterschiedlichen Situationen einsetzbar: Als Golf-Caddy mit abnehmbarer Lenkeinheit, hinter welcher sich ein Trolley verbirgt. Oder auch als Einkaufswagen oder Fahrzeug mit Aufsatz für einen Kindersitz. „Das Innovative an unserem Cadster ist seine vielfältige Einsetzbarkeit: Innenbereich, Gelände oder eben auf Golfplätzen. Der Antrieb läuft dabei vollständig elektronisch“, weiß Thomas Schlachter zu berichten, der das Unternehmen IEM

Schwenk GmbH vertritt. „Es ist die Kombination aus Design, Effektivität und Sicherheit, die unser Produkt besonders macht“, sagt der Marketing- und Vertriebsleiter.

eine Plattform, sich zu präsentieren, bei Partnern in Erinnerung zu rufen oder neue zu finden.

Kraft-Wärme-Kopplung für Jedermann

Auf der Suche nach neuen Partnern war auch das Projekt „Leuchtpol“. Bis jetzt haben sie beinahe vier Jahre lang mit E.ON zusammengearbeitet, die Kooperation läuft aber demnächst aus. Bei Leuchtpol wird in einem anderen Bereich angesetzt: Bildung. Das Ziel liegt vor allem darin, Kindern Wissen in den Bereichen Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit zu vermitteln. „Dazu wählen wir den Weg über die Erzieher in Kindertagesstätten als Multiplikatoren. Wir bilden sie aus, damit sie Kinder speziell in diesen Kernbereichen qualifiziert bilden können“, erklärt Christine Sauer. Sie ist die Geschäftsführerin und legt Wert darauf, dass Kindern ihre Partizipationsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Allein in den letzten dreieinhalb Jahren hätten rund 4.000 Fortbildungen in Kindertagesstätten stattgefunden. Darüber hinaus ist das Team von Leuchtpol mit acht Regionalbüros in ganz Deutschland vertreten.

Auch die Firma SenerTec war Teil der Unternehmensmesse und präsentierte den „Dachs“. Es handelt sich natürlich nicht um das Mardertier – ganz im Gegenteil beschreibt der Name ein Gerät, das Kraft-Wärme-Kopplung ermöglicht. Bisher war dieses System allerdings nur in der großen Version für dementsprechend große Gebäude erhältlich. Mit dem „Dachs Stirling SE“ können nun auch Ein- und Zweifamilienhaushalte ihren eigenen Strom erzeugen. „Somit ist Kraft-Wärme-Kopplung für alle zugänglich. Mit Öl und Gas wird geheizt, beim Heizen wird Strom erzeugt und hierdurch wiederum kann man Stromkosten einsparen“, erläutert Stephan Plaetrich von der Firma SenerTec. Auch für andere Unternehmen bot die Messe

Bildung ist der Grundstein

„Es geht uns nicht darum, den Blick nur auf Erneuerbare zu lenken. Vielmehr sollen die Kinder selbst an den Themen arbeiten und soziale, kulturelle und ökologische Aspekte kennenlernen. Am Ende kommen sie meist doch auf den Zweig der grünen Energie“, erklärt Sauer. Die 48-Jährige fühle sich natürlich eher der regenerativen Erzeugung verpflichtet – vor allem im Hinblick auf die Generation, für die das Projekt initiiert wurde. Die Messe und Infostände waren durchgängig gut besucht, das spricht sehr für sie. Auch von Seiten der Aussteller waren nur zufriedene Stimmen zu hören. Insofern ein gelungener Rahmen zur selbstständigen Beschäftigung und Recherche.

Iris Schmutz 21 Jahre, Heilbronn … zieht ihre Energie aus spritzigen Ideen und lächelnden Gesichtern.

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„Wir kaufen das Berliner Stromnetz!“

Gemeinsam mit den Berliner Bürgern will eine Genossenschaft das Stromnetz der Hauptstadt kaufen – und damit Eigentümer von rund 35.000 Kilometer Kabel und 934 Kilometer Freileitung werden. Ende 2014 fällt die Entscheidung, wer künftig im Besitz der Konzession sein wird. Von Philipp Seitz

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attenfall zittert. Ein Horrorszenario bedroht einen der größten deutschen Energiekonzerne. Es geht um viel Geld, um sehr viel Geld – und um rund 2,2 Millionen Stromanschlüsse. Vielleicht malt sich die Konzernführung des Stromgiganten bereits aus, was passieren könnte, falls Vattenfall tatsächlich die Konzession – also die Betriebsgenehmigung – für das Berliner Stromnetz verlieren sollte. „Wir kaufen unser Stromnetz!“, betont Luise Neumann-Cosel selbstbewusst. „Wir wollen Netzbetreiber werden“, fügt sie hinzu. Die 26-Jährige wirkt nicht wie

erfahrenen Mitstreiter gewonnen: 2009 trat er für den Brandenburger Landtag an und fungierte bereits als Grünen-Bezirksvorsitzender. Beide verfolgen das Ziel, gemeinsam mit der Bürgerschaft das Berliner Stromnetz zu kaufen und mit einem bürgereigenen Unternehmen zu betreiben. „Wir finden, dass Stromnetze nicht in die Hände der Konzerne, sondern in die der Bürger gehören“, unterstreicht die Ökoaktivistin Neumann-Cosel, die schon mehrfach an Anti-Atomkraft-Demonstrationen teilnahm. Die Bürger sollten ein

reichen, die restlichen 60 Prozent lassen sich mit Krediten finanzieren“, erklärt die diplomierte Geoökologin das Vorhaben.

Kampf um die Konzession Wer Genossenschaftsmitglied werden will, muss einen Mindestbeitrag von 500 Euro einzahlen. Falls das Unterfangen scheitern sollte, bleibt das Geld jedoch in der Genossenschaft. Wer kein Risiko eingehen möchte, zahlt Geld auf ein unabhängig von der BürgerEnergie Berlin bestehendes Treuhandkonto ein. Für den

Luise Neumann-Cosel und Peter Masloch: Beide streben ein ambitioniertes ziel an

ein Manager oder der Vorstand eines börsennotierten Unternehmens. Sie wirkt eher unscheinbar, trägt keinen Anzug, begrüßt uns freundlich, lächelt natürlich. Aber sie wirkt energiegeladen, wenn sie für ihr ambitioniertes Vorhaben wirbt.

Mitspracherecht an urbanen Lebensadern Was wie eine Illusion klingt, könnte in Berlin in den nächsten Jahren tatsächlich Wirklichkeit werden: „Wir haben uns ein mutiges Projekt vorgenommen und sehen eine große Chance, mit vielen Menschen in Zukunft gemeinsam unser Stromnetz zu betreiben“, erklärt Neumann-Cosel. Zusammen mit Peter Masloch repräsentiert sie als Vorsitzende die Genossenschaft „BürgerEnergie Berlin“. Mit Masloch hat sie einen politisch

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Mitspracherecht besitzen, schließlich seien die Stromnetze ja die „Lebensadern der Stadt“. So sei es ein Anliegen der BürgerEnergie Berlin, das bestehende Stromnetz zum zukunftsweisenden Smart Grid aufzubauen sowie den Ausbau von regenerativen Energien zu fördern. Jeder könne sich dabei finanziell beteiligen – und auch profitieren: „Stromnetze zu betreiben ist ein sehr rentables Geschäft“, betont sie. Auf längere Sicht sei ein Gewinn von drei bis fünf Prozent durchaus möglich. Aber auch Verluste könnten bei Misswirtschaft natürlich nicht ausgeschlossen werden. Allerdings sei der genaue Kaufpreis derzeit noch nicht kalkulierbar. Hierfür müssten erst der Zustand und die eventuell notwendigen Reparaturmaßnahmen eingeschätzt werden. „Für den Netzkauf müssten wir eine Eigenkapitalquote von 40 Prozent er-

Mitmachen motivieren. „Nur, wenn wir viele Menschen erreichen und gemeinsam an einem Strang ziehen, können wir unser Ziel erreichen“, lautet ihr Appell. Wichtig sei BürgerEnergie Berlin auch Transparenz, denn momentan gebe der Betreiber Vattenfall kaum Informationen über den Zustand des Netzes bekannt. In den Medien stieß der geplante Stromnetzkauf auf große Resonanz: „Ich habe mit einer relativ starken Reaktion der Medien gerechnet – aber nicht mit einer so vehementen“, gesteht Peter Masloch, der in den letzten Monaten zahlreiche Presse-

Foto: Ruben Neugebauer

Fall, dass der Netzkauf tatsächlich realisiert werden sollte, wird das Geld in Genossenschaftsanteile umgewandelt und weiterverwendet. „Wir haben schon Zahlungen in Höhe von 20.000 oder 50.000 Euro auf unserem Treuhandkonto verbuchen können“, erzählt Neumann-Cosel. Um zu verhindern, dass die Genossenschaft im Erfolgsfall von Großinvestoren übernommen wird, erhält jedes Mitglied unabhängig von der finanziellen Beteiligung nur eine Stimme. „Auf der Generalversammlung sollen alle Investoren über die Unternehmenspolitik abstimmen dürfen“, betonen die Verantwortlichen der Genossenschaft. Während Neumann-Cosel für ihr Vorhaben wirbt, fällt oft das Wort „wir“. Dies soll das Gemeinschaftsgefühl wecken, alle Bürger ansprechen und zum

anfragen beantworten musste. „Aber die Zeit ist reif dafür“, erklärt er mit Nachdruck. Der Deutschlandfunk nannte die genossenschaftliche Initiative zur Netzübernahme einen Kampf wie „David gegen Goliath“. In der Originalgeschichte konnte sich bekanntermaßen David durchsetzen. Man darf gespannt sein, wer Ende 2014 als Sieger im Wettbewerb um die Konzession hervorgehen wird.

Philipp Seitz 20 Jahre, Regensburg …… zieht seine Energie aus dem Schreiben von Zeitungsartikeln.


ENERGISCHE EXPERTEN

Ein Stromnetz zu erstehen ist ein anderes Unterfangen als der Sonntagseinkauf auf dem örtlichen Gemüsemarkt. Wir haben nachgefragt: Was halten die politischen Weisen davon? Ambitionierter Realismus oder GröSSenwahn? Und wie findet Goliath Vattenfall den genossenschaftlichen David? Von Philipp Seitz und Julia Prätorius

„zukunftsweisendes Modell“

Auch von der SPD-Fraktion erhält das Vorhaben Zuspruch: „Wir haben eine große Sympathie für die Genossenschaft, da diese eine tatsächliche und direkte Beteiligung der Bürger am Berliner Stromnetz ermöglichen würde“, erklärt der umweltpolitische Sprecher der Berliner SPD-Fraktion, Daniel Buchholz. Den Verantwortlichen von BürgerEnergie Berlin spricht er ein großes Lob aus: „Sie gehen sehr professionell und realistisch an ihre Zielsetzung heran.“ Allerdings räumt Buchholz ein, dass der genaue Preis für das Stromnetz momentan nicht genau beziffert werden könnte. Laut Angaben von Vattenfall könnten sogar Kosten in Höhe von 3 Milliarden Euro entstehen. „Trotz einer externen Kreditaufnahme könnte es sehr schwer werden, die notwendige Summe für die Netzübernahme aufzubringen“, warnt der SPD-Politiker. Sollte die Konzession tatsächlich an BürgerEnergie Berlin übergeben werden, könnte es ein „zukunftsweisendes Modell“ sein, da gerade die Hauptstadt dann mit einem Stromnetz in Bürgerhand die Vorreiterrolle einnehmen würde. Momentan befasst sich die SPD in der Arbeitsgruppe „AG Daseinsvorsorge“ noch mit der Thematik, erst im Herbst werde eine offizielle Empfehlung der SPD-Fraktion ausgesprochen. Sollte das geplante Ziel von BürgerEnergie Berlin „rechtlich und technisch abzusichern sein“, stehe die SPD hinter dem Projekt.

Foto: privat

„Netz gemeinsam betreiben“

„Im Moment findet auch ein Volksbegehren statt, welches wir unterstützen“, berichtet Linke-Pressesprecher Thomas Barthel. Vor dem Hintergrund des 2014 auslaufenden Strom-Konzessionsvertrags wird dabei gefordert, dass das Stromnetz von der öffentlichen Hand betrieben wird. Das unabhängige Bündnis „Neue Energie für Berlin“, welches von mehreren Parteien unterstützt wird, fordert außerdem die Gründung berlineigener Stadtwerke. Die Linken könnten sich „durchaus vorstellen“, dass BürgerEnergie Berlin und eine kommunale Netzgesellschaft das Stromnetz gemeinsam betreiben. Ein staatliches Unternehmen könnte zudem oft effektiver wirtschaften, wenn es „unter der Kontrolle und guter Führung der Bürger“ sei, so Barthel. Deshalb sei es vorstellbar, dass BürgerEnergie Berlin als Miteigentümer auftrete. „Eine Form des gemeinsamen Wirkens zwischen Bürgern und Staat könnte eine Form der Zukunft sein“, betont Barthel aus Sicht seiner Partei. Kritisch sieht der Pressesprecher nur, dass „sich bekanntlich nicht alle einen Genossenschaftsanteil leisten können, auch wenn BürgerEnergie Berlin relativ niedrige finanzielle Anforderungen für eine Beteiligung stellt.“

„Bruchstückhafte Idee“ Foto: Vattenfall

Das Ziel von BürgerEnergie Berlin, gemeinsam mit den Bürgern das Berliner Stromnetz zu übernehmen, hält Michael Schäfer, Sprecher für Klimaschutz und Energiepolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, für eine „sehr gute Idee“. Warum? Die Konzessionsvergabe selbst sei ein ziemlicher stark regulierter Prozess, erklärte Schäfer. „BürgerEnergie Berlin braucht einen Partner, der Erfahrungen im Management von Energienetzen besitzt“, betonte er. Ohne Expertise sei eine Übernahme des Stromnetzes praktisch unmöglich. Ob die Stadt Berlin als Partner auftreten könnte, ist allerdings noch offen: „Als Landtagsabgeordneter sehe ich natürlich auch Konkurrenz zu anderen Vorhaben, in welche investiert werden soll. Für uns Grüne ist von größerer Bedeutung, ein Stadtwerk zu gründen, das klimafreundliche Energie erzeugt“, berichtete Schäfer. Vielleicht sei es aber möglich, beide Vorhaben zu finanzieren. Zu einer möglichen Übernahme des Stromnetzes durch die Genossenschaft sagte er: „Ich mache mir diesbezüglich keine Sorgen.“ Die Beteiligung von Bürgern am Stromnetz sei „ein wirtschaftliches Engagement für Berlin, das wir gerne sehen. Im Falle einer Netzübernahme könnte dies für die Berliner eine sehr sinnvolle, ökologisch verträgliche Geldanlage sein, die aufgrund der möglichen stabilen Rendite auch für die Altersversorgung genutzt werden könnte“.

Foto: SPD Berlin

Foto: Bündnis 90/Die Grünen Berlin

„sehr gute Idee!“

Der Pressesprecher von Vattenfall Europa, Hannes Stefan Hönemann, vertraut beim Verfahren zur Neuvergabe des Stromkonzessionsvertrags in Berlin auf das Know How seines Konzerns: „Wir gehen davon aus, dass es bei der Vergabe auf den Nachweis ankommt, das Stromnetz sicher betreiben zu können. Unserer Erfahrung nach sind die technische Kompetenz und die entsprechende Finanzkraft, jährlich mehr als eine viertel Milliarde Euro für das Berliner Stromnetz ausgeben zu können, die zentralen Kriterien.“ Vattenfall könnte „Erfahrungen und Kompetenzen benennen, die aus unserer Sicht notwendig sind, um das Berliner Stromnetz zuverlässig zu betreiben“. Ob diese Kriterien auch von der Initiative erfüllt werden, will Hönemann nicht beurteilen: Dies „prüft die Senatsverwaltung für Finanzen“. Das Verfahren stehe ganz am Anfang „und natürlich hat auch Vattenfall erklärt, das Stromnetz weiter betreiben zu wollen“, so Hönemann. Die endgültige Entscheidung, wer das Stromnetz nach 2014 betreiben wird, falle „frühestens im kommenden Jahr“. Konkrete Bedenken äußert Hönemann nicht: „Kritik an einer ‚Idee’ zu formulieren, die nur bruchstückhaft vorliegt, steht uns nicht an“, so der Pressesprecher.

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Ein Schwarzer-PeterSpiel

Die technische und wirtschaftliche Debatte auf Veranstaltungen wie dem BDEW Kongress ist richtig und wichtig. Doch letztlich findet die Energiewende nicht in Tagungshotels statt. Es heiSSt also mitmischen, „Marktmacht ausüben“ und die Energiewende vorantreiben. Politikorange hat mit Dr. Friedemann Prose, PrivatDozent für Sozial- und Umweltpsychologie aus Kiel, gesprochen. von Kay Litzinger

Herr Dr. Prose, wie ist Ihrer Meinung nach die aktuelle „Gefühlslage“ der Gesellschaft zum Thema Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien? Ich glaube, dass das Problembewusstsein in der Gesellschaft weit verbreitet ist. Allerdings werden die Konsequenzen des anthropogenen Klimawandels häufig nur mit der Sahel-Zone oder den Eisbären in der Arktis verbunden. Man denkt: das sind ja schwerwiegende Probleme, aber fühlt sich nicht direkt betroffen. Den Menschen muss ihre eigene, potentielle Verletzbarkeit aufgezeigt werden. Teils entsteht das Gefühl, als ob die Energiewende nur Angelegenheit von Politik und Wirtschaft wäre. Inwiefern werden das Problem und die Konsequenzen überhaupt anschaulich vermittelt? Die Energiewende wird häufig als Fachproblem betrachtet. Die Komplexität des Themas führt dazu, dass die Bürger die Informationsflut nicht mehr verarbeiten

können und abschalten. Doch es bringt nichts, den Schwarzen Peter immer hinund herzuschieben. Jeder Einzelne muss Verantwortung für die zukünftigen Generationen übernehmen. Nichtsdestotrotz gibt es Barrieren, die Menschen davon abhalten, beispielsweise eine Solaranlage auf dem Dach zu installieren. Wie können Menschen zu einer Verhaltensänderung überzeugt werden? Für viele Aktivitäten braucht man beispielsweise kein Auto. Dabei kann sogar eine doppelte Motivation entstehen: Denn man tut auch etwas für seine Gesundheit. So wird eine Intention zum Handeln entwickelt. Wichtig ist allerdings, dass die Diskrepanz zwischen Plan und Handeln abnimmt, je konkreter der Plan ist. Man muss sich also ein genaues Ziel festsetzen, wie im nächsten Monat ein Drittel weniger Auto zu fahren. Bei der Realisierung kommt der „sozialen Verpflichtung“ eine hohe Bedeutung zu. Denn wenn ich anderen von meinem Vor-

haben erzähle, werden sie fragen: „Hast du’s denn gemacht?“ Eine Erfolgsrückmeldung ist elementar: Für das Durchhalten gibt es natürlich ein Lob. Inwiefern sehen Sie die Energiewende als eine politische Aufgabe an? Politik und Wirtschaft können bloß an der Preisschraube drehen. Doch das führt häufig dazu, dass sich die Bürger an die Preise anpassen und gegebenenfalls in anderen Bereichen sparen. Das ist beispielsweise beim Benzinpreis passiert. Die subjektive Norm, also welche Überzeugung der Einzelne über das von ihm erwartete Verhalten hat, ist sehr wichtig. Daher sollten soziale Marketingkampagnen im jeweiligen Umfeld ansetzen. In kommerzialisierter Form geschieht das zum Beispiel bei Tupperware: Man selbst überzeugt Leute, die man kennt, durch eigene Erfahrungen. Man sollte sich nicht fragen „Wie verändere ich mal schnell die Welt?“, sondern: „Wie verändere ich ein paar Leute, die ich kenne?“

Sie schreiben, dass die Nachfrageseite durch verbesserte Organisation und Information Druck auf die Angebotsseite ausüben kann. Geschieht das in der Realität? Unsere Marktwirtschaft wird häufig über die Angebotsseite definiert. Wenn wir aber die Nachfrageseite verändern, beeinflusst das auch die anbietenden Unternehmen. Ein Beispiel ist Ökostrom. Immer mehr Menschen haben diesen nachgefragt, sodass schließlich Anbieter wie E.ON reagierten. Das gilt auch für die Politik. Wenn Politiker merken, dass die Leute in ihrem Engagement effizient sind, werden auch sie etwas in dieser Richtung tun, selbst wenn es nur plakativ ist. Schließlich tun sie das, was wir als potentielle Wähler wollen. Dies funktioniert im kommunalen Bereich am besten. Natürlich sind die EU- und die globale Ebene wichtig, aber die Kommunalpolitiker sind leichter zu erreichen und in der Regel empfänglicher. Hier ist konkrete Einflussnahme möglich.

FruchtflEisch Wo kannst du noch Energie sparen? „Überall“

„„Mobilität“ Fotos: privat, Ruben Neugebauer

„Mehrstecker“

Valentina, 21 Jahre aus Freiburg „Bei meiner Mehrsteckerleiste, bei der immer alle Geräte auf Stand-By gehen, auch wenn ich gerade nur eins brauche.“

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Barbara, 60 Jahre aus berlin „In allen Bereichen – das heiSSt, dass ich mir die Hände auch mal mit kaltem Wasser wasche.“

MARTIN, 26 Jahre AUS MAINZ „Ganz klar im Mobilitätsbereich. Ich produziere mit meinem PKW mehrere Tonnen CO2, am besten sparen kann ich da mit Elektroautos“


S tat e m e nt s

Junge Union Inwieweit ist das Thema Energie denn ein Thema bei euch? Eine stabile Energieversorgung hat ihre Bedingungen. Sie ist nicht Gott gegeben. Das ist bei uns Grundtenor. Im Gegensatz zu anderen behalten wir den wirtschaftlichen Aspekt und die industrielle Basis mehr im Auge und versuchen diese nicht auf’s Spiel zu setzen. Die Junge Union, als Anwalt der neuen Generationen, wollen Nachhaltigkeit in allen politischen Bereichen hoch halten. Daher ist es nicht nur ein Thema für Umwelt-, sondern auch für Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Wir haben die Energie!

Die Energiewende ist beschlossene Sache, zumindest auf dem Papier. Ist sie aber nur „Chefsache“? Selbstverständlich nicht. Weshalb Energie uns alle etwas angeht, wie jeder etwas im Kleinen bewegen kann – und warum dieses Thema gar nicht mal so staubtrocken ist. Von Marina Küpper und Okan Bellikli

Kristin Peitz, 31

Jusos Hat die Politik die Energie? Der Umstieg muss auf erneuerbare Energien und die dafür nötige Infrastruktur von Leitungen und Speichertechniken massiv beschleunigt werden. Aber genau dies sehen die Pläne der Bundesregierung nicht ausreichend vor, schließlich hält die Bundesregierung nach eigenen Aussagen an ihrem Energiekonzept aus dem vergangenen Jahren fest. Als Jusos beteiligen wir uns weiterhin an den Protestaktionen, bis der letzte Atommeiler abgeschaltet und die Endlagerfrage vernünftig geklärt ist. Jan Schwarz, 30

Junge Liberale Kann die Energiewende der Politik überlassen werden? Die „Energiewende“ kann man dabei aber auch nicht einfach „der Politik überlassen“. Es kommt eigentlich darauf an, dass die Verbraucher mit ihrer bewussten Entscheidung für einen Anbieter die Energiewende steuern. So ist das in einem gut funktionierenden Marktsystem: Die Nachfrage regelt das Angebot. Das wäre ideal. Setzt aber voraus, dass die Verbraucher sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Arian Kriesch, 28

Kein Scheuklappenblick: Für unsere Jugend gibt es kein Wegschauen mehr

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ür einen ersten Schritt ist es nie zu spät / Ich habe angefangen / Ich hab jetzt Ökostrom.“ Über die Musik der Band MIA. lässt sich freilich streiten. Einen Ton hat sie allerdings voll getroffen: Es gibt immer etwas zu tun und es braucht jemanden, der den Anfang macht, der aufhört, einfach wegzuschauen. Das gilt auch für das Thema Energie. Die Atomkraftwerke in Deutschland werden nach und nach vom Netz genommen – ein Erfolg, der nicht nur der Katastrophe in Fukushima geschuldet ist. Millionen von Menschen sind dafür immer und immer wieder auf die Straße gegangen; jung und alt, jahrzehntelang. Unermüdlich wurden Transparente geschwenkt, unzählige Lichter- und Menschenketten gebildet, lautstarker Protest war zu hören im ganzen Land. Aber ist das genug? Reicht es mit dem Thema Energie jetzt? Können wir uns zurücklehnen und die ausgerufene „Energiewende“ der Politik überlassen? Nein, können wir nicht. Dafür ist das Thema zu wichtig. Energie ist allgegenwärtig. Sie betrifft jeden Einzelnen von uns. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr.

Wand steckt, ist den meisten von uns ein Rätsel – oder schlichtweg egal. Viele gehen mit der Erde immer noch um, als hätten wir eine zweite im Keller. Haben wir aber nicht, und deswegen ist es allerhöchste Zeit, dass wir anfangen anders mit unserem Planeten umzugehen. Der unverhältnismäßig schnelle Verbrauch von nicht regenerierbaren Rohstoffen, die sich stetig weiter erwärmende Erde, Gletscherschmelze, Klimakatastrophen verschiedener Formen lassen uns keine andere Wahl als die, selbst Teil der Energiewende zu werden. Doch dabei stellen sich viele Fragen: Wo kommt Strom überhaupt her? Wer macht denn eigentlich Strompreise? Was ist ‚Photovoltaik‘ und wieso stehen so viele Windräder still, wenn wir an ihnen vorbeifahren? Auf den Seiten des Bundesumweltministeriums und des dazugehörigen Umweltbundesamts etwa gibt es Antworten rund um das Thema Energie. Dort findet man nicht nur viele Informationen zu erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und dazu, was man eigentlich unter „Energiewende“ versteht. Es werden auch konkrete Tipps geboten, mit denen man an seinem Energieverbrauch feilen kann. Das ist die erste Möglichkeit, etwas zu unternehmen. Wie Selbst Teil der Energiewäre es zum Beispiel, den Standby-Mowende werden dus bei allen Geräten auszuschalten? AlHeute macht sich kaum jemand lein dadurch könnten deutsche Haushalte noch Gedanken darüber, wenn der rund 22 Milliarden Kilowattstunden im Computer beim Verlassen der Wohnung Jahr sparen. Weitere gute Ideen: Beim Konoch angeschaltet ist. Der Strom kommt chen den Deckel auf dem Topf lassen, daschließlich unbegrenzt aus jeder Steck- mit Wärme und Wasser nicht entweichen dose, genauso wie das Wasser aus der - oder einfach mal die Heizung runterdreLeitung während des Zähneputzens. Was hen. Um etwa sechs Prozent können die hinter den Kabeln und Rohren in der Energiekosten dadurch verringert werden.

Foto: Madeleine Schade (www.jugendfotos.de)

Flashmobs von Energieabhängigen Der nächste Schritt ist größer: sich in die gesellschaftliche Diskussion einschalten, der Politik auf die Finger schauen. Wenn wir Druck ausüben, dann kann das auf Dauer nicht ignoriert werden. Auf die Straße gehen lohnt sich, das hat die Vergangenheit gezeigt. In Berlin zum Beispiel will eine Bürgerinitiative ihr Stromnetz zurückkaufen und es in Bürgerhand legen, um es nicht wieder dem bisherigen Betreiber Vattenfall zu überlassen (siehe Seite 6). Am „Tag der Erneuerbaren Energien“ wurden in diversen Städten Flashmobs organisiert. Um zu zeigen, wie abhängig wir von regelmäßiger Stromversorgung sind, banden sich die Teilnehmer Mehrfachstecker oder wahlweise ausgediente Elektrogeräte um ihr Bein. Sich zu informieren ist wichtig, erst dann kann man mitreden. Das Wichtigste bleibt, dann aber auch etwas zu tun. Erst dann lässt sich die Energiewende auch mitgestalten. Sie betrifft unsere gesamte Gesellschaft. Wenn wir jegliche Verantwortung von uns weisen, dann treffen andere die Entscheidungen für uns. Wollen wir das? Nein, denn die Wende fängt bei uns an. Wir haben die Energie!

Marina Küpper 25 Jahre, Köln … zieht ihre Energie aus langen Nächten mit viel Tanz, Musik und einer Überdosis Mate.

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MIX IT, BABY!

Energiepolitik mutet zuweilen wie ein Pokerspiel zwischen Wirtschaftsinteressen, Umweltschutz und politischer Machbarkeit an. Da fällt es nicht immer leicht, den Ăœberblick zu behalten. Das politikorange-Energiequartett schafft spielerische Abhilfe. Von Johannes Kolb

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Bildrechte: Christian Beilborn/jugendfotos.de (Atomkraft), dirk.jan /flickr.com (Gaskraft), James Arnold/flickr.com (Steinkohle, Vattenfall/ flickr.com (Braunkohle, Wind & Wasserkraft), TTZ-Bremerhaven (Biomasse), Wiebke/jugendfotos.de (Photovoltaik) Foto: Benjamin Richter

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Ich, allein mit den Sternen

Zehn Jahre lang lebte Hamish Hunter in einer Wellblechhütte in Schottland. Weitab von jeglicher Zivilisation, dafür mitten in der Natur. Das klingt romantisch. Ist es aber wirklich so schön, ohne heiSSes Wasser, Fernseher und Radio zu leben? politikorange-Autorin Sabine Kurz hat mit dem heute 22-Jährigen gesprochen und seine Erinnerungen aufgezeichnet.

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ch bin in Drumfearn aufgewachsen, einem winzigen Dorf im Südwesten der schottischen Isle of Skye. Im Dorf lebten nur 60 Menschen und wir waren extrem abgeschieden vom Rest der Insel. 24 Kilometer zum nächsten Geschäft und zur Schule, 175 Kilometer zum Supermarkt. Nachts war alles dunkel, und man konnte außer den Sternen nichts sehen. Es war vollkommen still. Keine Autos, kein Lärm, nichts. Ich, allein mit den Sternen. Dann, als ich zehn war, sind wir aufs Festland nach Kyle gezogen. Dort war nachts alles hell. Einmal bin ich abends durch die Straßen gelaufen und habe gemerkt, dass ich alles um mich herum erkennen, aber die Sterne nicht sehen konnte, wegen des ganzen Lichts hier unten. Alles hat orange-gelb geleuchtet, und ich – als Zehnjähriger – war davon ziemlich beeindruckt. Dabei waren es nur Straßenlaternen. Die gab es bei uns nicht, aber ich habe sie auch nicht vermisst. Die Sterne sind schöner. In Kyle spielten draußen Kinder, aber in dem Dorf, aus dem ich kam, gab es keine anderen Kinder. Nur meinen Bruder, meine Schwester und mich. In Kyle war draußen alles laut und es gab so viel Verkehr, während in Drumfearn nicht einmal eine richtige Straße zu unserem Haus führte. Dort war sowieso alles anders. Unser Haus war winzig, acht mal drei Meter groß, viel zu klein für fünf Leute. Mein Bruder und ich teilten uns ein Zimmer unterm Dach. Es gab nicht genug Platz für Betten, also schliefen wir auf Matratzen. Heute könnte ich in dem Zimmer nicht einmal mehr aufrecht stehen. Das Haus wurde 1924 gebaut und ist das älteste Kleinpächterhäuschen auf der Isle of Skye. Weil es aus Wellblech gebaut ist, war es im Winter immer extrem kalt. Drinnen wuchsen Eisblumen an den Fensterscheiben und einmal wurde ich von einem Eiszapfen geweckt, der von der Decke auf mich herabfiel. Jeden Winter waren wir eingeschneit, einmal sogar vier oder fünf Tage lang. Wir hatten einen Kühlschrank, aber keinen Fernseher und kein Radio. Unser altmodischer Kohlenofen brannte Tag und Nacht, sonst wäre es in unserem Haus viel zu kalt gewesen. Mit dem Ofen erhitzten wir auch das Wasser für die gusseiserne Badewanne. Eine Dusche gab es nicht. Einmal im Jahr kam ein Lastwagen und lieferte drei Tonnen Kohle. Weil er den Hügel zu uns nicht hinauffahren konnte, musste mein Vater das Auto un-

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Küste und Meer: Hamish Hunters Heimat

ten mit Kohle vollladen und dann mehrmals hin und her fahren.

Alltag in Drumfearn Wir haben viel draußen gespielt. Nach Kaulquappen suchen, Versteck spielen, das war unsere Beschäftigung. In einer Vertiefung auf einem Felsen fanden wir ein paar Käfer. Wir gaben ihnen Namen – meiner hieß Bertie – und wir schauten regelmäßig nach ihnen, bis es Winter wurde und wir sie nicht mehr fanden. Obwohl wir so abgelegen wohnten, hatten wir alles, was wir brauchten. Mein Vater hatte ein Boot und ging damit Schalentiere fischen. Alle zwei Wochen kam jemand ins Dorf, um sie ihm abzukaufen. Es gab nicht viel Arbeit auf der Insel und so verdiente er Geld. Wir hatten auch einen Garten, und waren so relativ unabhängig mit dem Essen. Alle paar Monate nahm mein Vater das Auto, fuhr damit nach Glasgow und kam mit einem prall mit Konservendosen gefüllten Auto wieder zurück. Das lohnte sich, weil die Läden auf Skye so teuer sind. Ohne Auto konnte man nicht in Drumfearn leben, damals gab es dort außer dem Postbus keine öffentlichen Verkehrsmittel. Heute kommt immerhin ab

Foto: Sabine Kurz

und zu ein Bus. Manchmal kam ein Lebensmittelwagen, und wir bekamen fünf Pence von unseren Eltern, um uns Süßigkeiten zu kaufen. Es gab auch einen Kleiderwagen, bei dem man sich Klamotten fürs nächste Jahr kaufen konnte. Nichts Besonderes, nur das Nötigste. Nachdem wir weggezogen waren, wurde mit europäischem Geld eine größere Straße ins Dorf gebaut. Seitdem ist alles ein bisschen anders dort.

serem Wegzug dort gebaut wurde, macht es einfacher, zum nächsten Supermarkt zu kommen. Die Zeit in diesem winzigen Dorf hat mich ziemlich geprägt. Manchmal finde ich es immer noch schwierig, von vielen Menschen umgeben zu sein. Bevor ich an die Uni kam, hat es mir nichts ausgemacht, wenn ich mal ein paar Tage lang mit niemandem gesprochen habe. Ich genieße die Stille, aber jetzt mag ich es auch, mit Freunden etwas zu unternehmen.

Zurück in die Einsamkeit Ich habe sehr gerne in Drumfearn gewohnt und würde auch sofort wieder dorthin zurückziehen. Dafür muss ich aber erst genug Geld verdienen, um unser altes Haus wieder zurückzukaufen. Deshalb studiere ich momentan. Wenn ich das Haus besitzen würde, bräuchte ich sonst nicht viel Geld zum Leben. Ich würde wie mein Vater Schalentiere fischen, damit verdient man etwa sieben- bis zehntausend Euro im Jahr. Oder Austern, da bekommt man fast das Doppelte dafür. Aber auf der Insel gibt es sowieso nicht viel, wofür man sein Geld ausgeben könnte. Heute kann man dort auch digitales Fernsehen empfangen, und Internet via Satellit. Es gibt sogar eine Telefonverbindung. Und die neue Straße, die nach un-

Sabine Kurz 21 Jahre, Stirling … zieht ihre Energie aus getrockneter Mango.


Energie schmeckt fad

Drei Tage BDEW Kongress – das sind lebendige Debatten, feurige Reden und jede Menge Versprechen zur Energiewende. Es könnte alles so schön sein. Wären da nicht diese kleinen Widersprüche. von Joana Inês Marta

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a versammelt sich nun die politische und wirtschaftliche Elite in Berlin. Bereit, den drohenden Umweltkollaps der Erde zu verhindern. Der bisherige gesellschaftliche Diskurs war energiegeladen und alles andere als effizient. Man erinnere sich an die Laufzeitverlängerung der 17 Kernkraftwerke im Herbst 2010 – obwohl Tausende dagegen demonstrierten. Fukushima sei Dank, besann sich die schwarz-gelbe Führung schließlich doch der demokratischen Grundsätze und fügte sich dem Willen der Mehrheit: Bis 2022 soll in allen deutschen Atomkraftwerken kein Strom mehr erzeugt werden. Doch was nun? Ohne Strom wird es in unserem schönen Industriestaat richtig ungemütlich – auch wenn Hamish Hunter, der Junge ohne Laterne, sein beinah asketisches Leben im schottischen Drumfearn durch eine romantische Brille betrachtet. Lösungen und Strategien müssen herangezogen werden. Und genau da knüpft der BDEW Kongress in Berlin an. Zumindest theoretisch. Beim Kongress böte sich doch die perfekte Gelegenheit, die „Energiewende“ vor Ort in die Tat umzusetzen. Kongressteilnehmer führen mit Hybridfahrzeugen vor, der Strom würde von „Lichtblick“ bezogen und sowieso wäre alles hier ganz nachhaltig und stünde im Kontext

co2-bilanz: tonnenschwer

der „Märkte von Morgen“ – auf bestem Wege in die Zukunft also. Wieso der vorherige Satz im Konjunktiv steht? Wahrscheinlich deswegen, weil man erst einmal einen Generalverdacht gegen jegliche Lobbyisten-Treffen hegt. Der Verdacht mag unbegründet sein oder nicht – auf der Website des Tagungsortes, das InterContinental Berlin, wird „Going Green“ zumindest ganz groß geschrieben. Das Hotel würde „Energie sparen, (…) Müll trennen, (…) Wasserverbrauch senken“ und Umweltprojekte unterstützen. Wenn dem so ist, müsste sein vorbildliches Handeln, nach Sigmund Freud, eigentlich zu einer „Angleichung des eigenen Ich zu dem zum Vorbild genommenen

Foto:Benjamin Richter

Ich“ führen. Ach, wie schön das wäre! Doch Sein und Schein sind ja bekanntlich zwei unterschiedliche Anliegen. Wie hoch der tatsächliche Energie- und Wasserverbrauch während des Kongresses ist, lässt sich natürlich nicht detailliert darlegen. Doch die gesammelten Eindrücke zeichnen ein ausreichendes Bild: Auch wenn die Generaldirektion des Hauses tatsächlich „responsible business“ realisiert haben wollte, so lancierten es jedenfalls (noch) nicht die teilnehmenden Unternehmen und Konzerne. Kaum ein Besucher fuhr mit einem elektrischen Auto, geschweige denn mit einem Fahrrad, vor. Auf Nachfrage war die gängigste Ausrede, dass das Versäumnis

von Energieeinsparungen weit weniger schmerzt als der Verlust von wertvoller Zeit. Blöd nur, dass der Erde damit Zeit weggenommen wird. Dabei kann man der Hotelleitung ein umweltpolitisches Engagement nicht abschreiben. Die Teilnahme an Projekten wie beispielsweise der „Earth Hour“ und die Umsetzung ihrer umweltpolitischen Maßnahmen im Haus dokumentieren dies zur Genüge. Der Kontrast, der sich hier über drei Kongresstage bietet, hinterlässt – wie so oft bei solchen Veranstaltungen – einen faden Beigeschmack. Vor allem, wenn gerade während dieses Kongresses ein Techniker beim Installieren des Redaktionslaptops versichert: „Das Gerät kann ruhig durchgängig während der drei Veranstaltungstage laufen.“

Joana Inês Marta 21 Jahre, Berlin … zieht ihre Energie aus Zitrone, Salz und Avocado.

FruchtflEisch Wo kannst du noch Energie sparen? „mehr öpnv“

„Bierkühlung“ Fotos: Benjamin Richter, Ruben Neugebauer

„WG-Masterplan“

MATTHIAS, 26 Jahre AUS KARLSRUHE „Wenn wir die Höhe der Stromrechnung trotz steigender Preise halten. Das schaffen wir mit vielen kleinen Dingen: Energiesparlampen statt Glühbirnen “

INGE, 57 Jahre AUS STEINeBACH „Die öffentlichen Verkehrsmittel mehr nutzen. Und eine Solaranlage haben wir auch auf dem Dach!“

Florian, 28 Jahre aus Dresden „Wenn ich mein Bier auf Zimmertemperatur trinke und meinen Kühlschrank dafür ausgeschaltet lasse, aber das passiert nur im Winter.“

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z ur P e r S on Nick Reimer wurde 1966 geboren. Er ist ein „Kind der DDR“ und machte sein Diplom in Energie- und Umweltverfahrenstechnik. Seit den 90erJahren arbeitet er als Journalist und Autor.

Foto: benjamin richter

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» könnte unangenehm werden« Die groSSe Klimaschuld

Nick Reimer ist Energiejournalist und Gründer des Onlinemagazins klimaretter.info. Zu Klimakonferenzen reiste er mit der Bahn, obwohl das 10 Wochen Fahrt bis Bali bedeutete. Er will uns verraten, wie alles wieder gut werden kann. Oder auch nicht. von Johannes Kolb

Herr Reimer, es wird viel über die Energiewende und den Treibhauseffekt diskutiert. Wie kann ich als einzelner Bürger das Klima retten? Das Erste ist, sich zu informieren. Das weite Feld von Energiewende, Klimaschutz und Ähnlichem ist kompliziert, und daher muss man zuallererst gut informiert sein. Jeder kann recht einfach seine eigene Energiewende durchführen. Das beginnt damit, den Stromanbieter zu wechseln. Es gibt in Deutschland vier Stromanbieter, die ausschließlich grünen Strom anbieten: Lichtblick, EWS, Greenpeace Energy und Naturstrom. Wenn jetzt alle Deutschen zu diesen Stromlieferanten wechseln würden, dann könnten es sich RWE oder E.ON nicht mehr leisten, Kohlekraftwerke zu bauen. Es werden allerdings weiterhin Kohlekraftwerke gebaut, weil es den meisten Menschen leider völlig egal ist, bei welchem Stromanbieter sie sind.

Angenommen, es würden tatsächlich alle Deutschen den Anbieter wechseln. Diese vier könnten mit Sicherheit nicht genug Strom produzieren. Das stimmt natürlich. Die vier verpflichten sich lediglich, dass sie ihre Gewinne in erneuerbare Energien investieren. Für die Energiewende reicht dieses geringe Investitionsvolumen selbstverständlich nicht aus – aber die Einstellung dahinter, die zählt. Es gibt in Deutschland etwa 900 Stromanbieter, die durch den Erfolg dieser vier sehen, dass die Deutschen keinen Strom aus fossilen Brennstoffen mehr wollen.

Wie viel Sinn macht es global betrachtet, wenn wir in Deutschland Strom sparen und CO2 reduzieren, wenn der Rest der Welt weitermacht wie früher? Die Energiewende bei uns wird, sehr aufmerksam in der Welt beobachtet. Was machen die Deutschen da, fragen sich Staaten wie China, Brasilien, Japan. Und vor allem: Warum machen sie das? Ich bin regelmäßig auf den UNO-Klimakonferenzen und werde dort als deutscher Journalist oft angesprochen, was „diese Energiewende“ soll. Und wenn ich dann erkläre, dass durch den Umstieg auf grüne Energie auch noch Wirtschaftswachstum generiert wird, dann staunen alle Bauklötze. Jeder hat lieber einen blauen Himmel als Dauersmog – Deutschland könnte zeigen, wie’s gemacht wird. Wenn dadurch auch Arbeitsplätze geschaffen werden, die Kon-

junktur angekurbelt wird, ist jeder bereit zu sagen: „Hey, das machen wir auch!“ Es ist unsere Verantwortung zu beweisen, dass der Umstieg möglich ist.

Vor kurzem hat unter anderem Deutschland die Energieziele der EU verwässert. Ist das ein Beispiel dafür, dass wir doch nicht eine Vorreiterolle in der Energiewende einnehmen? Ich glaube, dass Politik immer das Abwägen von Interessen ist, und beim Klimaschutz geht es um mächtige wirtschaftliche Interessen. Die mächtigsten Konzerne dieser Welt handeln alle in irgendeiner Form mit fossiler Energie, damit kann man heute neben Informationstechnologie das meiste Geld gewinnen. Deshalb setzen diese Konzerne unglaublich viel Geld für ihre Lobbyinteressen ein, und manchmal lässt sich unsere Politik tatsächlich davon beeinflussen. Das lässt Deutschland in der Tat in einem schlechten Licht dastehen.

Was droht uns, wenn wir den CO2AusstoSS nicht verringern?

die Erde zur Verfügung stellen kann. Dieses Ressourcenproblem zu lösen war Aufgabe des Gipfels. Ich erwartete nicht viel von Rio+20 und ich lag richtig: Der Gipfel ist kläglich gescheitert, auch wenn man dort eigentlich viel hätte leisten müssen.

Was möchten Sie uns Jugendlichen zum Thema Klimaschutz mit auf den Weg geben? Ich rate jedem, sich gegen die etablierte Lebensweise der Elterngeneration, gegen diese kohlendioxidreiche Lebensweise aufzulehnen. Es muss allen klar sein, dass jeder Flug, der heute gemacht wird – sei es zum Shoppen nach London oder zum Transport von Blumen aus Keniaspäteren Generationen fehlt. Jedes Gramm CO2, das heute in die Luft gepustet wird, ist Spielraum, der kommenden Generationen fehlt. Daher kann ich jedem raten, sich für CO2-arme Technologien einzusetzen, auch wenn diese momentan noch etwas teurer sind. Ähnlich wie bei der Schuldenkrise häuft die Generation vor euch eine große Klimaschuld auf, die ihr irgendwann abtragen müsst. Entscheidend wird sein, dass wir unseren Lebensstil und unsere Energieversorgung umstellen. Es muss ein Mix aus vielen erneuerbaren Energien aufgebaut werden und die Versorgung dezentral ablaufen.

Die Welt wird deshalb nicht untergehen. Aber für eine bestimmte Spezies könnte es ziemlich unangenehm werden: den Menschen. Wir haben in den letzen zehn Jah- Also sind Smart Grids die Zukunft? ren bereits verstärkte Unwetter beobachtet. Das ist die erste Auswirkung, die uns betreffen wird. Was langfristig Ja, genau. Statt eines großen Kraftwerks, das Energie an auf uns zukommt, kann die Wissenschaft nur prognos- große Verbraucherzahlen liefert, brauchen wir viele kleitizieren. Klar ist jedoch: Wenn das Grönlandeis abtaut, nere, dezentrale Einheiten, die dann zusammen so etwas wird der Meeresspiegel weltweit um sieben Meter anstei- wie ein Internet der Energie bilden. Es wird auch enorm gen. 17 Prozent der Weltbevölkerung lebt heute nur ei- wichtig sein, dass wir alle unseren Stromverbrauch senken. Nicht umsonst heißt die Energierichtlinie der EU nen Meter über dem Meeresspiegel, und diese Menschen müssten alle umgesiedelt werden. Das verringert auch „20, 20, 20“: 20 Prozent Ausbau von erneuerbaren Enereinen Teil der fruchtbaren Gebiete, die uns heute zur Er- gien, 20 Prozent weniger CO2 und 20 Prozent weniger nährung dienen. Bevölkerungswachstum bei gleichzei- Stromverbrauch. Daran kann man erkennen, dass Effizienztechnologien in Zukunft noch mehr an Bedeutung tigem Verlust von Ackerland und Siedlungsflächen – eine gewinnen werden. schlechte Kombination.

Sie erwähnten vorher Klimakonferenzen. Vor kurzem wurde Rio+20 gehalten. Was erhofften Sie sich von der Konferenz? Die Riokonferenz 1992 war ein Meilenstein in der Menschheitsgeschichte. Damals wurde erstmals offiziell anerkannt, dass der Mensch sich durch sein eigenes Wirtschaften die Lebensgrundlage nimmt. 20 Jahre später konsumieren wir immer noch deutlich mehr, als uns

Johannes Kolb 16 Jahre, Saarbrücken … zieht seine Energie manchmal aus Schlagzeug spielen.

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Deb at t e

Es klappert die Mühle am rauschenden Bach

Einst kam das Leben aus dem Wasser. Nun auch die Energie. Neben Sonne und Wind zählt auch Wasserkraft zu den Erneuerbaren. Die einen preisen die blauen Fluten, die anderen verweisen mit erhobenem Zeigefinger auf den Drei-Schluchten-Damm in China. Wo steht die Evolution der Wasserkraft? Von Kay Litzinger und Julia Prätorius

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Eine kleine Quelle entspringt irgendwo in Deutschland. Sie fließt stromabwärts, wird größer, gewaltiger, schneller, ein Fluss entsteht – mitten in diesem Fluss sind Wasserräder eingebaut. Sie drehen sich, groß und schwer, und nebenbei wandeln sie die mechanische Arbeit in Elektrizität um. Einfach so, ohne dass Wasser verloren geht. Ohne, dass Ressourcen verbraucht werden. Da bei der Energieproduktion durch fließendes Wasser keine fossilen Brennstoffe gebraucht werden, wird kein CO2 ausgestoßen. Diese Methode ist also unglaublich klimafreundlich und hat trotzdem eine Effektivität von 90 %. Zum Vergleich: Photovoltaikanlagen liegen bei rund 40 %. Doch nicht nur in diesem Punkt liegt die Energiequelle Wasser vorne: „Diese Art der Stromerzeugung ist sehr wertvoll, weil Wasserkraft im Gegensatz zu Wind- oder Sonnenenergie rund um die Uhr und das ganze Jahr über verfügbar ist“, bestätigt Energiejournalist Manuel Berkel. Der Bau von Wasserrädern und Turbinen ist zwar sehr zeit- und kostenintensiv, trotzdem rentiert sich der Bau schon nach kurzer Zeit, da diese Art der Energieproduktion sehr langlebig ist – was bedeutet, dass die verwendeten Bauteile lange und zuverlässig ihre Arbeit erfüllen. So sind sie ein immer wichtigeres Standbein auf dem Weg zum großen Ziel 2020. Denn ohne die Wasserkraft, die momentan 4,5% des Strommixes in Deutschland ausmacht, wird Deutschland das ehrgeizige Ziel nicht schaffen. Laut dem Erneuerbare-Energien-Gesetz hat Deutschland sich am 30. Juni 2011 dazu verpflichtet, im Jahr 2020 mindestens 35 % des Stroms aus Erneuerbaren zu gewinnen. 2011 lag der Prozentsatz von erneuerbaren Energien in Deutschland bei 20 %. Die Politik muss es also schaffen, durch gezielte Förderungen in-

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nerhalb von nur noch 8 Jahren 15 % aufzustocken. Die Wasserkraft wird eine entscheidende Rolle dabei spielen. Nebenbei wird diese Methode sich auch noch positiv auf das andere Ziel von Deutschland 2020 auswirken. Da kein Kohlenstoffdioxid ausgestoßen, aber trotzdem Energie gewonnen wird, kann diese Art der erneuerbaren Energie sich positiv auf die CO2-Grenze auswirken. Dass es sich lohnt, die regenerativen Energien auf ihr Maximum auszuweiten und zu investieren, zeigen andere Länder der Welt. China zahlte 2009 34,6 Milliarden US-Dollar, um die erneuerbaren Energien auszubauen und somit in die Zukunft zu investieren. Außerdem hat das Land am 14. Juni einen Vertrag mit dem Iran und Pakistan geschlossen, der erlaubt, dass China insgesamt 10 Milliarden US-Dollar in Wasserkraftwerke für beide Länder investiert. Es gibt also auch Länder auf dieser Welt, die Chancen für die Erde wahrnehmen. Die erneuerbaren Energien haben in Deutschland noch ein großes Potential, das ausgeschöpft werden muss. Sie sind ein zuverlässiger Wegbegleiter auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft, und ohne Wasserkraft wird dieser nicht zu bewältigen sein. Und am Ende des Jahres hat diese kleine Quelle 3000 Haushalte mit Energie versorgt, war dabei umweltfreundlich und hat keine Ressourcen verbraucht, geschweige denn Emissionen ausgeschüttet.

Julia Prätorius 17 Jahre, Wismar … zieht ihre Energie aus Menschen, die ihr Halt im Leben geben und aus eigenen Ideen, die in ihrem Kopf rumschwirren.

CONTRA

Auf der einen Seite stehen fröhliche Menschen, die die Effizienz der ressourcenschonenden Wasserkraft feiern. Sie sei ein Meilenstein in der Verwendung von erneuerbaren Energien. Auf der anderen Seite steht die Natur, die durch emissionsfreie Energieerzeugung eigentlich entlastet werden sollte. Doch Fakt ist: Sie wird durch diese erneuerbare Energie belastet. Der sprudelnde Strom wird durch Wehre aufgestaut, sodass oberhalb des Kraftwerks aus dem fließenden ein stehendes Gewässer wird. Sedimentation führt dazu, dass Kies- und Geröllgrund als Lebensgrundlage vieler Wasserbewohner verloren geht. Manche Fische aber brauchen keine Lebensgrundlage mehr, denn sie werden von den Turbinen verletzt oder gar getötet. Gleichzeitig stauen die Wehre nicht nur Wasser, sondern auch dessen wandernde Bewohner auf. Die Fischtreppen, die hier eigentlich Abhilfe schaffen sollten, beseitigen dieses Hindernis nicht ganz. Als Folge der Aufstauung von Wasser werden zudem ganze Gebiete überschwemmt. So gehen Lebensräume für Menschen und Tiere verloren. Um Raum für die Staubecken zu schaffen, werden Wälder abgeholzt und Schneisen geschlagen. Diese Wälder sollen allerdings auch gleichzeitig der natürliche Weg sein, um CO2-Emmission auszugleichen. So schreibt es die Forest Carbon Group auf ihrem Plakat auf dem BDEW Kongress. Ein Beispiel für die Folgen solcher Projekte ist der Drei-Schluchten-Staudamm. Dieser versorgt am chinesischen Jangtsekiang das größte Wasserkraftwerk der Welt. Zusätzlich soll er Überschwemmungen unterhalb der Schluchten verhindern. Doch hier liegt ein Paradox vor: Die Energiegewinnung ist bei einem hohen Wasserstand nämlich am effizientesten, doch zum Schutz vor Hoch-

wasser sollte das Staubecken eigentlich leer gehalten werden. „Die chinesische Regierung hat bislang nicht erklärt, wie die Talsperre beide Aufgaben gleichzeitig erfüllen kann“, kritisierte die chinesische Umweltaktivistin und Journalistin Dai Qing in ihrem Buch „The river dragon has come!“. Qing verweist auf die starke Umweltverschmutzung durch Tanks, Müll, Deponien, verlassene Fabriken, die Reste der Städte und Dörfer und selbst Friedhöfe, die nun in dem 660 Kilometer langen Reservoir unter Wasser liegen. Um diese Gegenden zu räumen, wurden über eine Million Menschen umgesiedelt oder vertrieben. Naturschutzorganisationen wie Greenpeace befürchten als Folge der großen Wasserkraftwerke ein Ökodesaster. Zerfällt die überflutete Biomasse, entstehen laut Naturschützern große Mengen Methangas. Dieses verstärkt den Treibhauseffekt etwa 25-mal mehr als Kohlendioxid. Wasserkraft schädigt also nicht nur die Umwelt, sondern verstärkt sogar den Effekt, den sie als Erneuerbare eigentlich verhindern sollte. Sind hier Umweltschutz durch regenerative Energien und die Folgen der Wasserkraft tatsächlich vereinbar?

Kay Litzinger 18 Jahre, Frankfurt … zieht seine Energie aus Aktivitäten statt aus Ausruhen, zum Beispiel Reisen.


Aus Müll mach Strom

Geld stinkt nicht, heiSSt es so schön. Und doch schmeiSSen wir in Deutschland kiloweise Geld weg. 450 Kilogramm Müll produziert jeder Bundesbürger im Durchschnitt pro Jahr. Um sein Geld nicht zum Fenster herauszuschmeiSSen, und – als netten Begleiteffekt – auch noch etwas für die Umwelt zu tun, gibt es immer mehr Konzepte, die Abfall als wertvolle Ressource zur Energieerzeugung nutzen. Von Sabine Kurz

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enn Müll auf einer Deponie landet und dort langsam vor sich hin rottet, entsteht unter anderem Methangas – und das ist etwa 25-mal schädlicher für unser Klima als CO2. Um zu verhindern, dass das Gas in die Atmosphäre gelangt, kann man das Methan einfangen und zur Energiegewinnung einsetzen. So schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Man schont das Klima und obendrein gewinnt man Strom. Ein Beispiel: In einer Deponie in Los Angeles – der größten in den USA -wird das entstehende Methan in einem Gaskraftwerk in Strom umgewandelt, um 70.000 Häuser mit Strom zu versorgen. Auch auf stillgelegten Mülldeponien kann umweltfreundliche Energie gewonnen werden. Auf der ehemaligen Sondermülldeponie Malsch bei Heidelberg sammeln über 9.000 Solarzellenmodule Sonnenenergie – genug für 200 Haushalte. Die Vorteile einer Mülldeponie als Photovoltaik-Standort liegen auf der Hand: Eine gute Infrastruktur ist bereits vorhanden, man benötigt keine zusätzlichen Flächen und es gibt keine Verschattung durch Bäume. Solche Solaranlagen auf stillgelegten Mülldeponien gibt es in Deutschland inzwischen immer mehr. von der natur gelernt: grüne solarzellen

Grüne Solarzellen Aus Stroh mach Gold: Im Märchen ging das nicht so einfach, aber Wissenschaftler aus den USA haben es geschafft, mithilfe von Pflanzenabfällen Solarzellen zu bauen und so Energie zu gewinnen – und das ist schließlich Gold wert. In Pflanzen ist das sogenannte Photosystem-I (PS-I) für die Photosynthese, also die Produktion von Energie und Sauerstoff, zuständig. Forscher um Andreas Mershin vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) stabilisierten die PS-I Moleküle – gewonnen aus Pflanzenabfällen – mithilfe von Chemikalien, filtrieren die entstandene Mischung, und streichen sie dann auf eine Glasoberfläche. Um die Solarzellen so effektiv wie möglich zu machen, holte sich Mershin Inspiration aus der Natur: Er bemerkte, dass manche Bäume von oben bis unten mit Ästen besetzt sind und das einstrahlende Sonnenlicht so optimal einfangen. Der Forscher beschloss, auf den Solarzellen einen mikroskopisch kleinen Wald zu bauen. Daher wächst auf dem glatt aussehenden Glas jetzt ein Nanowald, bestehend aus Zinkoxid-Drähten und schwamm-ähnlichem Titandioxid, auf dem die PS-I-Moleküle nicht nur haften bleiben, sondern der auch die Oberfläche und somit die Effizienz des Panels erhöht. Außerdem

leiten die „Äste“ den Fluss der Elektronen in die untersten Lagen des Materials.

Eine Chance für die Dritte Welt Das klingt zwar kompliziert, ist aber relativ einfach herzustellen. Die Wissenschaftler hoffen, dass irgendwann auch kleine Labore, nicht nur an Universitäten und Forschungsinstitutionen, sondern sogar in Schulen, die Materialien für die neuen Solarzellen herstellen können. Doch ein Problem gibt es: Momentan haben die „grünen“ Solarzellen nur einen sehr geringen Wirkungsgrad von 0,1 Prozent. Laut Mershin müsste die Methode also noch zehnmal effektiver werden, um wirklich nützlich zu sein. Allerdings sagen die Wissenschaftler auch, dass sie bisher noch nicht an einer Optimierung der Panels gearbeitet haben. Diese Solarzellen bieten nicht nur uns in der westlichen Welt eine umweltfreundliche und billige Methode, um Sonnenenergie in Strom umzuwandeln, sondern haben auch ein großes Potential für den Einsatz in weniger gut entwickelten Gebieten. Mershin und seine Kollegen könnten sich beispielsweise vorstellen, dass in nur ein paar Jahren ein Dorfbewohner in einer entlegenen

Foto:Tobias Ertel (www.jugendfotos.de)

Gegend einen Beutel mit den benötigten Chemikalien nimmt, den Inhalt mit „irgendetwas Grünem mischt und die Masse dann aufs Hausdach streicht“ – und so anfängt, selbst Energie zu produzieren. Der Strom könnte nicht nur Handys aufladen (und somit einen Kontakt zur Außenwelt ermöglichen), sondern auch Lampen betreiben. „Nächtliche Beleuchtung ist der beste Weg aus der Armut“, sagt Merhsin, denn Licht ermögliche den Menschen, die den ganzen Tag draußen auf dem Feld arbeiten, abends zu lesen und sich weiterzubilden. Außerdem kann unser Dorfbewohner den Strom weiter verkaufen und sich mit grüner Energie ein Zubrot verdienen.

Scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten Etwa ein Prozent der regenerativen Energie in Deutschland wird in Müllverbrennungsanlagen erzeugt. Zwar haben diese Anlagen einen negativen Ruf, doch sind sie weit umweltfreundlicher als Mülldeponien: Eine Tonne Müll, die verbrannt wird, erzeugt eine Tonne weniger CO2 als die gleiche Menge auf einer Deponie. Kein Wunder also, dass 2010 mehr als ein Zehntel aller Abfälle verbrannt wurden, um Energie daraus zu gewinnen – Tendenz steigend.

E.ON ist der momentan größte Betreiber von Müllverbrennungsanlagen in Deutschland, doch jetzt steht dessen „Energy from Waste“-Abteilung zum Verkauf auf dem Markt. Einer der Interessenten ist die MVV AG aus Mannheim, die im Falle einer Übernahme auf Platz eins in der Rangliste der größten Anbieter von „Waste to Energy“ (WTE) aufsteigen würde. Der WTE-Markt leidet noch immer an einer Übersättigung, nachdem Deutschland in den 90er-Jahren den Bau von Müllverbrennungsanlagen förderte, um Deponien zu entlasten. Trotzdem ist es ein lukratives Geschäft. 2011 machte E.ON mit Energy from Waste einen Jahresumsatz von über einer halben Milliarde Euro. Es gibt unzählige Forschungsgruppen, die sich mit den verschiedensten Methoden befassen, wie man mit Müll Energie erzeugen kann. Das Auto mit Frittenöl oder Hühnerfedern betreiben, die Kathode einer Batterie mit Holzabfällen ersetzen, oder Klärschlamm fürs Gaskraftwerk verbrennen – die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt zu sein. Das bedeutet auch, dass unser Müll immer wertvoller für uns und für den Strommarkt wird. Und so könnte wirklich aus Abfall Gold gemacht werden.

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Energie im Familienpack: Deutschland 2022

Niemand soll sagen, es hätte uns keiner etwas gesagt. Immer wieder wurde an die Politik appelliert. Von Wissenschaftlern, von Umweltschützern, von Journalisten. Mit unserem Energiekonsum könne es nicht so weitergehen wie bisher. Und was haben wir getan? Nicht genug. Eine fiktive Prognose von Okan Bellikli

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ir schreiben das Jahr 2022. Vor zehn Jahren lief die Diskussion um die sogenannte Energiewende hierzulande heiß. Politiker hielten schöne Reden mit großen Worten. Als es dann aber um konkrete Verpflichtungen ging, wurden sie wieder leise. Die Vereinten Nationen riefen das „Internationale Jahr der Erneuerbaren Energie für alle“ aus, und die Europäische Union (EU) setzte sich wieder einmal ehrgeizige Ziele. Die Welt schaute aufmerksam nach Deutschland. Wir waren eines der Länder, die am lautesten auf Veränderungen im weltweiten Energieverbrauch drängten. Als die EU einen effizienteren Umgang mit Energie forderte, hat die Bundesregierung an vorderster Front bei der Verwässerung der Vorschriften mitgewirkt. Die Energieziele der EU bis 2020 wurden nicht erreicht: Der Ausbau der erneuerbaren Energien stockte und die Reduzierung des CO2-Ausstoßes ging lange nicht so schnell voran, wie man sich erhofft hatte. Es wurde immer noch viel zu viel Energie verbraucht. Dann geschah, was bis dahin keiner für möglich gehalten hätte: Es tat sich etwas. Die EU bekam mehr Rechte, nicht nur im Finanzsektor. Auf Druck der UN wurde dabei 2015 auch ein von den Mitgliedsstaaten unabhängiges Energie-Ak-

tionskomitee (EAK) eingerichtet, an dessen Spitze ein Experte von außen berufen wurde: der Leiter der kalifornischen Energiekommission. Denn Kalifornien war schon immer ein Vorreiter in Klima- und Energiefragen gewesen, nicht nur innerhalb der USA.

Es tut sich etwas Im mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten EAK sitzen heute, 2022, neben führenden Umweltwissenschaftlern auch leitende Köpfe verschiedener Umweltorganisationen und Beamte, die aus ihrer frühen Tätigkeit in Umweltministerien die nötige politische Kompetenz mitbringen. Bisher hat sich der EAK unter Rücksichtnahme auf die zugesagten Maßnahmen der europäischen Länder mit eigenen Schritten zurückgehalten. Als jedoch der Bericht eines EAK-Ausschusses Ende 2021 das Scheitern der Klimaschutzbemühungen feststellte, zog das Kommitee erstmals Konsequenzen. Mit deutlicher Mehrheit wurde die „Energieverbrauch-Reduktionsverordnung“, kurz EVRV, verabschiedet, die zum 1. Januar 2022 in allen EU-Staaten in Kraft getreten ist. Hier sind wir nun. Duschen ist noch erlaubt. Fünf Minuten lang. Danach geht das Wasser aus,

egal wie warm oder kalt es draußen ist. Wohlfühlduschen gehören damit der Vergangenheit an. Die Heizung geht gar nicht erst an, wenn es nicht mindestens minus fünf Grad sind. Und dann auch nur für eine Stunde am Tag. Da muss man sich dann eben fünf Pullover mehr drüber ziehen. Auch Spül- und Waschmaschinen sind von der neuen Regelung betroffen: Da die Zahl der Single-Haushalte in den letzten Jahren stark gestiegen ist, ist pro Woche jeweils nur noch ein Spül- oder Waschgang zulässig. Familien und andere Mehrpersonenhaushalte können eine Ausnahmegenehmigung beantragen, wenn sie mehr Energie verbrauchen müssen: Energie im Familienpack. Kostet natürlich auch mehr. Fernsehen? Eine Stunde am Tag erlaubt. Musik aus der Stereoanlage und dem Radio? Zwei Stunden am Tag. Licht? Geht aus, sobald man ein Zimmer länger als drei Minuten verlassen hat.

Dokumenten pro Tag drucken und kopieren. Dasselbe gilt für Scanner und Faxgeräte. Den Computer einfach anlassen gibt es nicht mehr, genauso wenig wie Bildschirmschoner. „Angry Birds“ in der Mittagspause spielen oder sonst irgendwie privat surfen ist ebenfalls nicht mehr möglich. Wenn man länger als 10 Minuten nicht aktiv arbeitet, schaltet sich der PC einfach ab. Das gilt auch für die anderen Geräte wie Kaffeemaschinen. Standby existiert nicht mehr. Technisch ist das alles schon längst kein Problem mehr. Schon vor zehn Jahren waren „schlaue Stromnetze“ in aller Munde. Jetzt helfen schlaue Stromzähler dabei, den Energieverbrauch zu senken. Uns bleibt ja keine andere Wahl. Wir wollten damals nicht hören, jetzt müssen wir sparen.

Die Arbeitswelt ist eine andere So etwas schlägt sich auch in der Arbeitswelt nieder, gerade im Büro. Man kann je nach Größe des Unternehmens nur noch eine bestimmte Anzahl an

Okan Bellikli 20 Jahre, Karlsruhe … zieht seine Energie aus Apfelschorle, Frischkäse und „How I Met Your Mother“-Sprüchen.

FruchtflEisch Wo kannst du noch Energie sparen? „Netz”

„Fenster“ Fotos: Benjamin Richter, privat, Ruben Neugebauer

„FuSSmärsche“

JULIA, 24 Jahre AUS MANNHEIM „Wenn ich mal was für mich tue, meine FüSSe mehr bewege und das Auto auch mal stehen lasse.“

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CARLA, 22 Jahre aus FREIBURG „Bei meinem WLAN, wenn ich es nachts ausschalte und wenn ich mir ein energieärmeres Handy kaufe.“

MICHAEL, 59 Jahre AUS STEINeBACH „Die Fenster in unserem Haus sind richtig abgedichtet – und beim Lüften kann die Heizung auf jeden Fall runtergedreht werden.“


f risc h , f r u ch t i g, s e l bs tge p r e s s t – m it m achen @po lit ik o ran g e.de

Impr ess um Diese Ausgabe von politikorange entstand im Anschluss an einen vorbereitenden Medienworkshop (13. - 15. Juni) auf dem BDEW Kongress vom 25. - 28. Juni 2012 in Berlin. Herausgeber und Redaktion: politikorange c/o Jugendpresse Deutschland e.V., Wöhlertstraße 18, 10115 Berlin, www.politikorange.de

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ls Veranstaltungszeitung, Magazin, Onlinedienst und Radioprogramm erreicht das Mediennetzwerk politikorange seine jungen Hörer und Leser. Krieg, Fortschritt, Kongresse, Partei- und Jugendmedientage – politikorange berichtet jung und frech zu Schwerpunkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die große und die kleine Politik aus einer frischen, fruchtigen, anderen Perspektive.

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Warum eigentlich politikorange wurde 2002 als Veranstal- politikorange? tungszeitung ins Leben gerufen. Seit damals gehören Kongresse, Festivals und Jugendmedienevents zum Programm. 2004 erschienen die ersten Themenmagazine: staeffi* und ortschritt*. Während der Jugendmedientage 2005 in Hamburg wurden erstmals Infos rund um die Veranstaltung live im Radio ausgestrahlt und eine 60-minütige Sendung produziert.

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Chefredaktion (V.i.S.d.P.): Tino Höfert (tino@jmmv.de) Anna Rosa Eckert (are252@nyu.edu) Redaktion: Marina Küpper, Kay Litzinger, Johannes Kolb, Joana Inês Marta, Julia Marie Prätorius, Okan Bellikli,Sabine Kurz, Iris Schmutz, Philipp Seitz Bildredaktion: Benjamin Richter (mail@ benjamin-richter.de), Sebastian Czub, Ruben Neugebauer Layout: Jakob Bahr (j.ake@freenet.de) Betreuung: Paula Klattenhoff Projektleitung: Annika Gläser (a.glaeser@jugendpresse.de) Druck: BLR Medienverlag und Druckerei GmbH, Sitz Cottbus Auflage: 19.000 Exemplare Diese Lehrredaktion fand mit freundlicher Unterstützung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) statt.

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