K u lt u r & Kritik
Pop-Ökonomie Ästhetik des Supermarkts Apps Die Zukunft 1947 Mobile Geräte
Heft 2 Frühling 2013
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»POP. Kultur und Kritik« erscheint in zwei Ausgaben pro Jahr, im März und September. Jahresabonnement inklusive Versand: Deutschland: 33,60 Euro Europa: 41,60 Euro, außerhalb Europas: 43,60 Euro. Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn nicht bis zum 1. Februar eines Jahres gekündigt wird. Bestellung und Abonnement: vertrieb @ transcript - verlag, Telefon: + 49 521 39379742, Fax: + 49 521 39379734 Weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de/pop Die Zeitschrift »POP. Kultur und Kritik« ist auch über jede Buchhandlung erhältlich.
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K at y p e r r y © Ulrike Biets
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POP . K u l t u r u n d K r i t i k Heft 2 Frühling 2013
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POP . K u l t u r u n d K r i t i k H e f t 2 FRÜ H l i n g 2 0 1 3
INha lt RUBRI K EN : Z u r Z e i t , E s s a y s u n d Forschungsbeiträge
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Zur Zeit Tom Holert G r a s s c h l a m m p f e r d i m Ga n g n a m S t y l e . die zwei körper des künstlers
S. 10 Dietmar Kammerer E i n e B ü h n e , e i n Ma n n , e i n S t u h l
S. 16 Nadja Geer La s s ( t ) u n s z u s a m m e n b l e i b e n : S o u l i n d e r Na c h p o s t m o d e r n e S. 22
Michaela Wünsch Fa m i l y V a l u e s
S. 27
Katja Sabisch »Mehr Krawall war nie!« Jörg Kachelmann, Kristina Schröder und der Feminismus
S. 31 Thomas Hecken B e z ah l m o d e l l
S. 35 Theo Röhle W i e G o o g l e W i r k l i c hk e i t p r o d u z i e r t
S. 41 Regine Buschauer Ga d g e t s d e r m o b i l e n M e d i e n k o n v e r g e n z
S. 48 Andreas Gebesmair Feudalismus für alle! Zu einigen Tendenzen in der Diskussion ü b e r F i l e s ha r i n g u n d C r o w d f u n d i n g
S. 54 Ole Petras Popmusik-Apps
S. 58 Christian Huck F e s t i va l b ä n d c h e n
S. 63 Christoph Jacke Beobachten, Erfassen, Ansprechen, Bedrohen
S. 69 Eckhard Schumacher Ra i n a l d G o e t z ’ » J o ha n n H o l t r o p «
S. 73 Nadja Geer P o p o d e r k e i n P o p : Ma r k G r e i f
S. 79
ESS A YS Thomas Hecken P o p - Ök o n o m i e
S. 86 Heinz Drügh » W e G o t a Wh o l e S t o r e « – Zur Ästhetik des Supermarkts
S. 103 Ken Hollings Die Zukunft 1947
S. 116 Dave Tompkins Plugged Out
S. 134
FO r SC H UNGSBEITRÄGE Jens Gerrit Papenburg Soundfile. K u lt u r u n d Ä s t h e t i k e i n e r H ö r t e c h n o l o g i e
S. 140 Fernand Hörner Da n d y i s m u s u n d P o p k u l t u r
S. 156
Hinweis zu den Autorinnen und Autoren
S. 177 Impressum
S. 179
Wa s t e d Y o u t h
190 x 160 x 30 cm, Mixed media, Courtesy of the artist, 2006 Š James Hopkins
www.jameshopkinsworks.com
Collage, 2013 Š Charlotte Cassel & Sina Michalskaja
SEITE 8 - 83
Zur Zeit Welche Ereignisse der letzten Zeit lohnen einen Rückblick? Was verdient eine kritische Zusammenfassung? Welche Analysen oder Kommentare zählen nicht zum Konsens der aktuellen Berichterstattung? Feste Autorinnen und Autoren werden darauf Antworten geben, regelmäßig in den Bereichen Musik, Mode, Politik, Presse, Kunst, Internet, Multimedia, Technologie, Ökonomie, TV, Film, Marketing. Die Artikel dieser Ausgabe wurden von Oktober bis Dezember 2012 geschrieben.
K u n st
Gras schlamm p f e rd i m Ga n g n a m S t y l e Die zwei Körper des Künstlers Tom Holert
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e’s the avant garde artist of his time, a sculpture, a satirist, a paragon voice for the masses evoking the dregs of social inequities«, hebt in reichlich gebrochenem Englisch ein Kommentar auf YouTube an, nur um in dem unmissverständlichen Urteil zu münden: »But god damn is he not a dancer.« Ein Avantgardekünstler, Satiriker, Bildhauer und populärer Sozialkritiker, der angeblich nicht tanzen kann: Die Rede ist von Ai Weiwei, und die Rede ist von ihm anlässlich eines Videos, das der chinesische Künstler Mitte Oktober 2012 auf YouTube online gestellt hat. Unterstützt von Freunden und Mitarbeitern tanzt sich Ai im Innenhof seines Atelierhauses in Peking durch die Choreografie des viralen Videos »Gangnam Style« des südkoreanischen Sängers und Produzenten PSY alias Park Jae-Sang. »Gangnam Style« hat sich, seitdem es am 15. Juli 2012 bei YouTube eingestellt worden ist, zu einem globalen Phänomen kaum gekannten Ausmaßes ausgewachsen, mit – im Oktober 2012 – bereits über 500 Millionen Klicks und einer Unzahl von Variationen, Versionen, Parodien, spoofs. Als Ai Weiwei mit seiner intra-asiatischen Aneignung des Grenzen sprengenden K-Pop-Ereignisses in Erscheinung trat, war er einer von Tausenden, die sich bei YouTube an ihrer Auslegung des knallbunten Technoschlagervideos mit seinen Bildern von Reitställen, Tiefgaragen, Fahrstühlen, Bus- und U-Bahnfahrten, Whirlpools und Sonnendecks des titelgebenden Neureichenstadtteils Gangnam in Seoul und einem eigens für den Track entwickelten Rave-Rodeo-Tanz mit kreisenden Hüften und Lassoschwingbewegungen verPOP. Kultur und Kritik ◆ Heft 2 Frühling 2013 ◆ S . 10-15 ◆ © transcript
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» A i G o d i s Cat c h i n g Gh o s t «
36 x 48 x 4 inches, Digital Print on canvas in in a wooden frame, 2011 © Kenneth Tin-Kin Hung
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sucht haben. Begünstigt durch PSYs Verzicht auf die Verwertungsrechte von Video und Song, stand Ai Weiwei zunächst zumindest kein Copyright-Problem ins Haus. Dafür hatten die chinesischen Behörden umso mehr gegen seine Interpretation von »Gangnam Style« einzuwenden und zensierten sie umgehend, wenige Stunden, nachdem das Video online gegangen war, während in Deutschland aufgrund eines laufenden Rechtsstreits zwischen GEMA und YouTube weder das Original des koreanischen Pop-Komikers noch die Version des regimekritischen Pop-Künstlers zu sehen sind, stattdessen nur der Hinweis: »Leider ist dieses Video, das Musik von UMG [Universal Music Group] be inhaltet, in Deutschland nicht verfügbar, da die GEMA die Verlagsrechte hieran nicht eingeräumt hat. Das tut uns leid.«
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In der Tat, das kann einem schon leidtun. Denn so ist es zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Kolumne unmöglich, oder zumindest sehr schwierig, Ais Video vollständig anzusehen, lediglich moderierte, geschnittene Fassungen zirkulieren. Das heißt, nicht nur der chinesische Staat, sondern überdies die Musikindustrie und die Verwalter von Verwertungsrechten verwehren den Zugang zur Arbeit eines Künstlers, dessen Bedeutung auch einem größeren Publikum spätestens seit dem 3. April 2011, dem Datum seiner spektakulären und von weltweiten Protesten und Solidaritätsbekundungen begleiteten Verhaftung zu drei Monaten Gefängnis mit vorausgehendem und anschließendem Hausarrest, bewusst ist. Andererseits hat Ai die Verhinderung der Rezeption seines Videos ohne Style« kopier Zweifel ins Kalkül gezogen, als er »Gangnam Style« als » te. Dafür sorgt allein der chinesische Titel. Ai Weiweis Verballhornung des koreanischen ›Gangnam‹ wird ›Căonímă‹ ausgesprochen, was sich als ›Grasschlammpferd‹ übersetzen lässt und in Mandarin nahezu homofon mit einer rüden Aufforderung zum Verkehr mit der eigenen Mutter ist. Ai zitiert sich mit diesem Titel selbst, wie wir später sehen werden, aber vor allem zitiert er ein Internet-Mem, das Anfang 2009 in die Welt gesetzt wurde, als in der chine sischen Webenzyklopädie Baidu Baike ein Hoax-Artikel über eine »mythische Kreatur« erschien, deren Name, auf bestimmte Weise betont und ausgesprochen, einen obszönen Klang hat. Das ›Grasschlammpferd‹ wird von dem anonymen Autor als eine angeblich aus der »Mahler Gobi«-Wüste (auch hier ist eine wenig jugendfreie Anspielung lautmalerisch aktiv) stammende Alpaka-Art vorgestellt. In seiner Existenz bedroht wird das »Grasschlammpferd« getaufte märchenhafte Anden-Kamel durch »Héxiè«, den Flusskrebs, dessen Name wiederum an das chinesische Wort für ›Harmonie‹ erinnert, eine Anspielung auf die Parteidoktrin der »harmonischen Gesellschaft«, und damit leicht zu assoziieren mit der öffentlichen Zensur – zumal ›Krebs‹ im bäuerlichen Slang eine Figur bezeichnet, die ihre Macht mit roher Gewalt durchsetzt. Das Wort ›Grasschlammpferd‹ und die dazugehörige Legende verbreitete sich schnell über Musikvideos, Zeichentrickfilme und Mockumentaries sowie, nicht zuletzt, als Plüschtier-Merchandise; am 11. März 2009 erhielt es übernatio nale Aufmerksamkeit durch einen Artikel in der »New York Times«. Etwa zu diesem Zeitpunkt dockte auch Ai Weiwei an das Grasschlammpferd-Mem an, unter anderem mit einer Arbeit, für die er sich fast nackt fotografierte, wobei nur ein puscheliges kleines weißes »Căonímă« seine Geschlechtsteile verdeckte. Der Titel des Bildes lässt sich übersetzen mit: ›ein Grasschlammpferd bedeckt die Mitte‹, was wiederum die Auslegung ›fick deine Mutter, Zentralkomitee der Kommunistischen Partei‹ zulässt. Die Verhöhnung der Partei war dabei eine doppelte. Nicht nur forderte Ai, der von der chinesischen Geheimpolizei aufmerksam beobachtete und 2009, kurz vor einer großen Ausstellung im Münchner Haus der Kunst, auch körper-
POP. Kultur und Kritik ◆ Heft 2 Frühling 2013 ◆ Tom Holert ◆ Grasschlammpferd im Gangnam Style. Die zwei Körper des Künstlers
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» A f t e r Ma o r i ly n Ma o r o e g o t b i at c h s l a p e d b y f ly i n g h o t d o g s i n Mah l e r G o b i d e s e r t, G r a s s M u d H o r s e i n v i t e s h e r f o r a b e e r p o n g g a m e … «
36 x 48 x 4 inches, Digital Print on canvas in in a wooden frame, 2011 © Kenneth Tin-Kin Hung
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lich übel schikanierte Künstler, die staatliche Führung mit einer vermeintlich pornografischen Geste heraus. Er lehnte sich durch die Verwendung des Grasschlammpferdes überdies bei einer Guerilla-Taktik an, mit der subversive chine sische Internetnutzer 2009, dem Jahr, an dessen Beginn eine massive Kampagne zur Säuberung des Internets von pornografischen und »vulgären« Inhalten begonnen worden war, die Differenz von Lautfolge und Schreibweise ausnutzten, indem sie Wörter wie ›Grasschlammpferd‹ einsetzten, um die Filter-Software der chinesischen Zensurbehörden zu überlisten. Lange sollte dieser Trick freilich nicht funktionieren. Bereits Mitte 2009 hatten sich die Kontrollprogramme auf diese Wortschöpfungen eingestellt, konnten sie aufspüren und als obszön unterdrücken.
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Warum ruft Ai Weiwei drei Jahre später die Erinnerung an die Grasschlamm pferd-Episode des chinesischen Netzwiderstands wach? Nach seiner Haftentlassung hatte er Ende 2011 ein Video online gestellt, in dem er in blauer Arbeitskleidung auf einem Platz in Peking, ein I-Pad wie eine Mao-Bibel schwenkend, ein absurd verklausuliertes Loblied auf seine Unterstützer vorträgt (das Video bildet auch das Schlussbild des Dokumentarfilms »Ai Weiwei: Never Sorry« von Alison Klayman). Offenbar hat sich Ai das Grasschlammpferd-Mem auf eine Weise angeeignet, die es mit seiner persönlichen Dissidenz so eng verbindet, dass selbst das für die Zensursubversion im Internet unbrauchbar gewordene Wortspiel seinem Kritikmodell weiterhin entspricht und ihm gute Dienste der Provokation und der Aufmerksamkeitssteigerung leistet. Indem er das Mem weiterträgt, ausschöpft, was ihm an kontaminierender Wirkung geblieben ist, gedenkt er zudem einer breiten, populären und zugleich äußerst raffinierten Protestbewegung, der er sich selbst zurechnet und die er mit seinen Auftritten unterstützt, mit Ausstrahlung über die Grenzen Chinas hinaus. Dass (und wie) er im Oktober 2012 auf eine der größten Wellen, die das Internet je ausgelöst hat, aufspringt und sich – wie viele andere – vom Erfolg des »Gangnam Style«-Wahnsinns tragen lässt, bis er, in vorhersehbarer Weise, abstürzt, liegt in Ai Weiweis spezifischem Verhältnis zur Popkultur begründet. In seinem Video tritt der Künstler wie ein beliebiger Fan des K-Pop-Hits oder, allgemeiner, wie ein Anhänger und Verbreiter der viralen Hysterie in Erscheinung. Eine Ursache des Erfolgs des originalen Videos liegt ja in den einfach nachvollziehbaren und nachahmbaren Tanzbewegungen, in der Aufforderung zur massenhaften, dilettierenden Mimikry. Denn diese Moves verdanken sich ihrerseits keinem kultivierten Choreografiekonzept, sondern dem bewussten Herunterstufen jeder diesbezüglichen tänzerischen Ambition zugunsten einer ins Debil-Alberne oszillierenden, vielleicht sogar kritisch-abschätzigen Lesart des Lifestyles und der Körperpolitik der jungen Oberschicht in Seouls Gangnam-Distrikt. Ai fügt diesem ironischen Spiel mit den Images der Verwöhnten die ihrerseits gänzlich unambitionierte Karaoke-Version von PSYs Video hinzu. Bei genauerem Hinsehen lässt sich entdecken, dass Ai und seine Mittänzer den Blick auf einen außerhalb des Bildes gelegenen Monitor richten, auf dem im Moment der Aufnahme »Gangnam Style« zu sehen gewesen sein dürfte. Dieses MetaKaraoke wird erweitert und mit Ais Biografie und Künstlerpersona verbunden: Im entfesselten Rodeogalopp zieht der Künstler, angetan mit einem grellrosa T-Shirt, ein Paar Handschellen aus der Jackentasche (laut Ai sind Handschellen in jüngster Zeit zu Alltagsobjekten geworden), mit dem er sich an einen seiner Mittänzer kettet – überdeutlicher Hinweis auf die polizeilichen Drangsalierungen, die er und andere erdulden müssen. In Ais Video sind zudem kurze, retuschierte Szenen aus PSYs Original montiert. Aus dem Bild eines Pferdestalls wurde der koreanische Sänger gelöscht, vielleicht auch, um nicht abzulenken
POP. Kultur und Kritik ◆ Heft 2 Frühling 2013 ◆ Tom Holert ◆ Grasschlammpferd im Gangnam Style. Die zwei Körper des Künstlers
von der Pferdemotivik des »Gangnam Style«, mit der die Assoziation ›Grasschlammpferd‹ auf der Textebene unterstützt wird. Der Billig-Mashup steht in einer ganzen Reihe von betont amateurhaften, dem Prinzip des Nichtperfekten und Kindlich-Verspielten verpflichteten, vor allem für die Veröffentlichung im Internet bestimmten Beiträgen von Ai Weiwei, deren Status im Œuvre des Künstlers wohl irgendwo zwischen vollgültiger Arbeit und ephemerem Abfallprodukt liegen dürfte. Ais ›shanzai‹-Version des populären Videos und sein Grasschlammpferd-Leitmotiv erinnern dabei an ähnlich brachial-subtile Umarmungen massenkultureller Images des Niedlichen und des an Wahnsinn Grenzenden, wie man sie von Mike Kelley oder Martin Kippenberger kennt (man denke nur an Kippenbergers systematisch durchdeklinierte Obsession für Überraschungsschokoladeneier); Ais Gesangsund Tanzübungen evozieren aber auch bestürzende Kunst-trifft-Pop-Begegnungen wie »Sonne statt Reagan« von Joseph Beuys, einem seiner erklärten Vorbilder. So stilisiert sich Ai, Chinas bekanntester bildender Künstler und zugleich sichtbarster Dissident, in seinem »Gangnam Style«-Rip-Off zu einer die Parodie parodierenden aktivistischen Witzfigur, zu einem notorisch ungehorsamen Cartoon-Künstler und unkontrollierbaren Provokateur, dessen ästhetisches Vokabular sich angesichts der Repression seiner eigenen Person, aber auch seines Umfelds (ein unmittelbarer Anlass, das Video zu machen, war die Zerstörung der Wohnung der Familie seines Freundes und Unterstützers, des Rockmusikers Zuoxiao Zuzhou) und der kritischen chinesischen Kulturproduktion im Allgemeinen, zunehmend jeglichen Erwartungen an kulinarische Formalismen entzieht. Stattdessen setzt Ai Weiwei auf Drastik, auf Trash, auf das internetgestützte Global-Populäre und die inzwischen garantierte Wirkung seiner Prominenz. Wohl kaum, weil er es sich noch aussuchen könnte. Denn er ist im Vollbesitz seiner medialen Handlungsmacht und gleichzeitig existenziell maximal eingeschränkt. Darum liegt es nahe, Ai Weiweis Video, das nur fragmentiert zu sehen ist, als Allegorie auf die zwei Körper des Künstlers in der Ära von Parteidiktatur, Staatskapitalismus und Internetdemokratie zu deuten. »But god damn is he not a dancer« kann dann auch als korrekte Beschreibung seines dialektischen Wirkens genommen werden.
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POP. Kultur und Kritik ◆ Heft 2 Frühling 2013 ◆ Fernand Hörner ◆ Dandyismus und Popkultur
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Sa p o l o g i e A u C o n g o
Bacongo Brazzaville, 2011-2012 Š Radcliffe Roye www.royephotography.com
Neuerscheinungen bei transcript www.transcript-verlag.de
Der Überwachungsdiskurs wurde in Deutschland bislang stark emotionalisiert geführt – auch in den Wissenschaften. Die Debatte zwi schen Datenschützern und »Über wachern« war von Übertreibungen und Dystopien geprägt. Dieser Band reflektiert nun, wie sich nach Jahren eher einseitiger Diskussionen und angesichts vieler neuer (vor allem technischer) Entwicklungen die Strukturen, Vor- und Nachteile der Informationsgesellschaft beschreiben lassen und wie eine konstruktive und objektive Auseinandersetzung um Sicherheit und Freiheit erreicht werden kann.
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J e n s e i t s v o n 1 9 8 4 , Da t e n s c h u t z u n d Ü b e r w a c h u n g in der fortgeschrittenen Informations g e s e l l s c ha f t . E i n e V e r s a c h l i c h u n g
Sandro Gaycken (Hg.), März 2013, 168 S., kart., 19,80 €, ISBN 978-3-8376-2003-0
Alle machen Hirnforschung. Kaum eine Wissenschaftsdisziplin kann sich wehren, mit dem Vorsatz »Neuro-« zwangsmoderni siert und mit der Aura vermeintlicher experimenteller Beweisbar keit veredelt zu werden. Die Kinder der Neuroinflation heißen Neurotheologie, Neuroökonomie, Neurorecht oder Neuroästhetik. Der gegenwärtige Neurohype führt zu einer Durchdringung unserer Lebenswelt mit Erklärungsmodellen aus der Hirnforschung. Bin ich mein Gehirn? Nur ein Bioautomat? Felix Haslers scharfsinniger Essay ist eine Streitschrift gegen den grassierenden biologischen Reduktionismus und die überzogene Interpretation neurowissenschaftlicher Daten: ein Plädoyer für Neuroskepsis statt Neurospekulation. Eine
Neuromythologie, Streitschrift gegen die Deutungsmacht der Hirnforschung
Felix Hasler, 2012, 264 S., kart., 22,80 € , ISBN 978-3-8376-1580-7
Von der interlingualen zur kulturellen Übersetzung oder gar zum »translational turn«: Übersetzen ist in aller Munde. Auf seiner von Metaphorisierungsprozessen begleiteten Wanderschaft durch die Disziplinen verliert der Begriff häufig seine Konturen, und es gilt, sie wieder zu schärfen. Wie verhält sich die kulturelle Übersetzung zur interlingualen? Wer sind die AkteurInnen kultureller Übersetzungsprozesse? Welche Rolle spielen und spielten Übersetzungen im Dialog der Kulturen? Der Debattenteil beschäftigt sich mit zeitgenössischen Formen des Wissenschaftsjournalismus, der seinerseits als eine Form der Übersetzung konzipiert werden kann. Übersetzungen.
Zeitschrift
K u l t u r w i s s e n s c ha f t e n ,
Heft
für
2/2012
Birgit Wagner, Christina Lutter, Helmut Lethen (Hg.), 2012, 128 S., kart., 8,50 €, ISBN 978-3-8376-2178-5
Der Umgang mit dem Islam stellt die fundamentale Bewährungsprobe für die liberale Verfasstheit der westlichen Gesellschaften dar. Kai Hafez nimmt die erste umfassende Bestandsaufnahme der Gleichstellung, Integration und Anerkennung des Islams in Deutschland und Europa vor. Sein differenzierter Blick zeigt: Während sich die politischen Systeme langsam auf die Anwesenheit von Muslimen einstellen, bleibt die »liberale Gesellschaft« oft weit hinter ihren Ansprüchen zurück. Die »Sarrazin-Debatte« und rassistische Morde sind nur die Spitze tiefer liegender Unfähigkeiten vieler Europäer, die Globalisierung in ihre Lebenswelt zu integrieren. Um die Demokratie zu stützen, bedarf es nicht weniger als einer Neuerfindung der »liberalen Gesellschaft«. Nicht nur Politik und Bürger, sondern auch die Institutionen der Medien, Wissenschaft, Schule und Kirchen müssen sich rundum erneuern. F r e i h e i t , G l e i c hh e i t u n d I n t o l e r a n z . D e r I s l a m i n d e r l i b e r a l e n G e s e l l s c ha f t D e u t s c h l a n d s u n d E u r o pa s
Kai Hafez, 2013, 376 S., kart., 29,80 € ISBN 978-3-8376-2292-8
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G i r l w i t h a k e y b o a r d , gelatin silver print, 2001 Š Park Sung Jin
www.parksung jin.com
A u t o r i n n e n
◆ Regine Buschauer ist Postdoktorandin am Institut für Medienwissenschaft der Universität Basel. ◆ Heinz Drügh ist Mitherausgeber dieser Zeitschrift und Professor für Germanistik an der Goethe-Universität Frankfurt. ◆ Andreas Gebesmair ist Dozent am Department Wirtschaft der FH St. Pölten. ◆ Nadja Geer ist Mitherausgeberin dieser Zeitschrift und freie Autorin (Berlin). ◆ Thomas Hecken ist Mitherausgeber dieser Zeitschrift und Professor für Germanistik an der Universität Siegen. ◆ Tom Holerti st Gründungsmitglied der Akademie der Künste der Welt, Köln. ◆ Ken Hollings ist freier Autor (London). ◆ Fernand Hörner ist Professor für Kulturwissenschaften an der FH Düsseldorf. ◆ Christian Huck ist Professor für Kultur- und Medienwissenschaft am Englischen Seminar der Universität Kiel. ◆ Christoph Jacke ist Professor für Theorie, Ästhetik und Geschichte der
und
A ut o r en
Populären Musik an der Universität Paderborn. ◆ Dietmar Kammerer ist wissen schaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienwissenschaft an der Universität Marburg. ◆ Jens Gerrit Papenburg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Theorie und Geschichte der populären Musik an der Humboldt-Universität zu Berlin. ◆ Ole Petras ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neuere deutsche Literatur und Medien an der Universität Kiel. ◆ Theo Röhle ist Postdoktorand am Graduiertenkolleg »Automatismen« der Universität Paderborn. ◆ Katja Sabisch ist Mitherausgeberin dieser Zeitschrift und Juniorprofessorin an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Universität Bochum. ◆ Eckhard Schumacher ist Professor für Germanistik an der Universität Greifswald. ◆ Dave Tompkins ist freier Autor (New York). ◆ Michaela Wünsch ist Outgoing Research Fellow an der University of California, Riverside.
Weitere Angaben zu den Autorinnen und Autoren finden Sie auf der Internetseite dieser Zeitschrift: www.pop-zeitschrift.de
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M ä d c h e n m i t K i n d e r wa g e n , Dublin 1976 © Gerhard Vormwald
www.vormwald.com
I m p r es s u m H erau sgeber gr em ium
Moritz Baßler, Robin Curtis, Heinz Drügh, Nadja Geer, Thomas Hecken, Mascha Jacobs, Nicolas Pethes, Katja Sabisch Beirat
Ralf von Appen, Andy Bennett, Natalie Binczek, Karin Bruns, Diedrich Diederichsen, Jan Engelmann, Brigitte Frizzoni, Elke Gaugele, Hans Ulrich Gumbrecht, Richard Hebdige, Achim Hölter, Tom Holert, Anton Kaes, Douglas Kellner, Gabriele Klein, Ruth Mayer, Angela McRobbie, Stephan Moebius, Bodo Mrozek, Klaus Neumann-Braun, Sylvia Paletschek, Heike Paul, Bernhard Pörksen, Susanne Regener, Eckhard Schumacher, Detlef Siegfried, Urs Stäheli, Tanja Thomas, Niels Werber, Hartmut Winkler, Rainer Winter R e d ak t i o n
Thomas Hecken (V.i.S.d.P.), Sinaida Michalskaja (Redaktionsassistenz Fotografie), Marcel Wrzesinski (Redaktionsassistenz Text) Redaktionsanschrift: »Pop. Kultur und Kritik«, c/o Thomas Hecken, Vormholzerstraße 48, 58456 Witten, thomashecken@gmx.de G e s t a l t u n g u n d Sa t z
Charlotte Cassel, Sinaida Michalskaja Lektorat: Melanie Horn, Cornelia Sonnleitner Druck: Die Produktion, Agentur für Druckrealisation GmbH Wir danken allen, die uns Bilder zur Verfügung gestellt haben. Falls trotz intensiver Nachforschungen Rechteinhaber nicht berücksichtigt worden sind, bittet die Redaktion um eine Nachricht. Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft
© 2013 transcript Verlag Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. ISBN 978-3-8376-2299-7, ISSN 2194 - 6981
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A u s d e m I n ha l t
Dave Tompkins: Plugged Out Thomas Hecken: Bezahlmodell Jens Gerrit Papenburg: Soundfile Fernand Hörner: Dandyismus und Popkultur
Tom Holert: Grasschlammpferd im Gangnam Style
Ole Petras: Popmusik-Apps und zwölf weitere Aufsätze
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Nadja Geer: Soul in der Nachpostmoderne
POP. Kultur und Kritik Heft 2 Frühling 2013 ISBN 978-3-8376-2299-7 ISSN 2194 - 6981
Theo Röhle: Wie Google Wirklichkeit produziert