Skitour-Magazin 4.16

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Saison 2016/17

4.16

10 Top TOUREN Die besten Touren in Tirol

HOCH TIROL 6 Tage auf der Haute Route der Ostalpen

CAMP Italien: Besuch bei den Leichtbau-Spezialisten

8 im Test: Ortovox, Arc‘teryx, Mammut

Airbag-Rucksäcke SKITOUREN-HELME:


Editorial

ENDLICH SPUREN, FRIEREN, STAPFEN Wenn der Schnee auf sich warten lässt, hat man genug Zeit solche Touren zu planen und zu träumen.

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Schneevolution

Foto: Scott Sports Titelfoto: Baschi Bender

Früher war alles besser. Schon klar. In Zeiten tiefgreifender globaler Veränderungen – sei es politischer, wirtschaftlicher oder klimatischer Natur – wandert so manchem dieser Satz leicht über die Lippen. Und die aktuelle ernüchternde Situation erlaubt auch manchmal kein anderes Urteil. Schon der dritte Winter in Folge plagt uns, in dem auch Ende Dezember nicht an regelmäßige Skitouren zu denken ist. Ein Blick in die Schneefallstatistiken zeigt: Die weißen Flocken lassen mehr und mehr auf sich warten. Doch auch in früheren Wintern waren spätere „Saisonstarts“ nicht unüblich. Also doch nicht alles schlechter heutzutage? Zugegeben, es ist anders geworden in den letzten Jahren. Und daher muss schlichtweg ein Umdenken stattfinden. Es sollten die Monate intensiv genutzt werden, in denen der Wettergott uns mit Schnee und brauchbaren Tourenbedingungen verwöhnt. Denn wenn diese Zeit gekommen ist, dann sind die trüben Gedanken wieder Schnee von gestern. Gedanken hinsichtlich der Sicherheit auf Tour haben sich im vergangenen Jahr auch viele Hersteller gemacht, wie unser Airbag-Test zeigt. Und wenn der Winter dann so richtig auf Touren kommt, können bis Ende April die Tourenziele angesteuert werden – in Tirol werden sie sicher fündig. Apropos Tirol. Die Königsetappe „Hoch-Tirol“ haben wir im März in Angriff genommen. Viel Spaß mit der neuen Ausgabe! Euer Skitour-Magazin Team

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Inhalt

News

Airbag-Test

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ÖM Sprint // Black Friday // La Liste // Spurtreu Fischer-Transalp // Kurztest Helme // ...

Airbag-Schutz für den Rücken: Acht neue Airbag-Rucksäcke im Vergleichstest.

Skidurchquerung

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Das Pendant der Haute Route in den Ostalpen: Wir haben auf der Hoch-Tirol Osttirol durchquert. 4 SKITOUR-MAGAZIN.DE


inhalt.skitour-magazin // 4.16

Report

Top 10

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Kitzbüheler, Rofan oder Stubaier: Tirol ist eine wahre Schatzkiste voller genialer Gipfeltouren.

Leicht, innovativ und aus Familienhand: Wir waren zu Besuch bei CAMP in Premana.

Ausprobiert G3 FINDr 94 // DYNAFIT TLT7 Expedition CL // SWEET PROTECTION Nutshell Jacket //

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Aktuelles

News

Termine & Teile

Anstehende Events, spannende Produkte und alles, worüber die Szene spricht

Österreichische Meisterschaft im Sprint

Auftakt im Glemmtal In Viehofen fand im Rahmen der Schönleiten-Trophy die österreichische Meisterschaft im Sprint statt. Martin Weißkopf und Johanna Erhart triumphieren.

ANSPANNUNG PUR Sowohl im Aufstieg als auch bei der anschließenden Abfahrt holten die Athleten wie Johanna Erhart alles aus sich raus. 6 SKITOUR-MAGAZIN.DE

Fotos: Skimo

Zum Renn-Opening der Skibergsteiger am Eingang des Glemmtals fanden die Athleten prächtige Rahmenbedingungen vor. Kaiserwetter und gute Schneebedingungen dominierten am 10. Dezember 2016 die österreichische Meisterschaft in Viehofen. Apropos dominieren: Das traf auch auf ÖSV-Nationalkader-Athlet Martin Weißkopf zu. Der Vorjahressieger ließ sich auch in diesem Jahr auf dem Sprintparcours nicht abhängen und sicherte sich zum zweiten Mal in Folge den österreichischen Meistertitel im Sprint. Ganz oben auf dem Stockerl bei den Damen strahlte Johanna Erhart vor Freude. Mit einem großen Vorsprung bewältigte die Steirerin das Auf und Ab als Tagesschnellste. Bei dem Rundkurs waren 100 Höhenmeter inklusive Tragepassage und Abfahrt zu bewältigen. Dieses Rennformat stieß sowohl bei Zuschauern als auch bei den Teilnehmern auf großen Zuspruch. So verdoppelte sich die Anzahl der Starter im Vergleich zum letzten Jahr. Zusätzlich zum Sprint wurde bei der Schönleiten-Trophy ein Vertical-Rennen ausgetragen. Christian Hoffmann und Kathi Wimmer siegten dabei jeweils souverän.


La Liste

Steilwandfahren 2.0 Jeremy Heitz wagt sich an die Grenzen des Vorstellbaren. Atemberaubende Steilheit und extreme Geschwindigkeiten dominieren seinen Film. Das Ziel von Jeremy Heitz ist klar definiert: 15 Steilflanken der Alpen runterbrettern – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die Geschwindigkeit, mit der der Schweizer Zinalrothorn, Lenzspitze und Co. abfährt, ist etwas noch nie Dagewesenes. Diese Weiterentwicklung des Steilwandfahrens von den Anfängen um Heini Holzer bis zu den Speedathleten der heutigen Zeit demonstriert der Streifen aus dem Hause Red Bull auf eindrucksvolle Weise. www.redbull.tv

Zum Film: Hier klicken!

Edler Tropfen Bekannt für den Champagne-Powder bieten die Kanadier auch abseits der weißen Pracht Hochprozentiges. Als Expeten für Outdoor-Geschirr halten die Macher von GSI die ideale Geschenkidee parat. Der Glacier Flachmann überzeugt durch hochwertiges Edelstahl sowie edlem Design und macht dabei auf jeder Tour eine gute Figur. Der gesicherte Schraubdeckel hält den kostbaren Inhalt da, wo er hingehört. Beim Setkauf gibts zwei Stamperl obendrauf – Prost! Preis: 40 Euro (175ml) / 45 Euro (235 ml). www.gsioutdoors.com


Aktuelles

News

Skitouren-Helme

KOPFSACHE

Im alpinen Skisport längst Usus greifen jetzt auch immer mehr Tourengeher zum Helm. Zurecht. Die neusten Modelle sind leicht, stylisch und bieten zudem umfassenden Schutz für das Haupt.

Das Multitalent Neu entwickeltes High-End-Modell aus dem Hause Uvex, das dreifach zertifiziert ist. Der p.8000 genügt der Bike-, Berg- und Skinorm und bringt trotzdem nur 310 Gramm (ohne Ohrpads) auf die Waage – absolut prädestiniert für jede Skitour. Boa-Verschluss, abnehmbare Ohrenschützer und clevere Halterungen für Stirnlampe und Brille runden dieses kluge Köpfchen ab.

UVEX p.8000 Tour / 310 g / 160 € / www.uvex.com

Der Trendige Mit einer Menge Style lässt der Gams aufhorchen. Das in drei Größen erhältliche Casco-Modell zeigt sich durch individuell wählbare Farbvariationen von der modischen Seite. Zudem sogar vierfach genormt – bei Berg-, Bike-, Ski- und Wassersport schützt der Helm vor lauernden Gefahren. Komfortabel einhändig bedienbar und funktionell sitzt er passgenau wie das Geweih am Kopf einer Gams.

CASCO Gams / 480 g / 130 € / www.casco-helme.de 8 SKITOUR-MAGAZIN.DE


Das Leichtgewicht Erfüllt sowohl Bergsteiger- als auch Skinorm und ist dennoch ultraleicht. Der ST von Dynafit glänzt zudem mit abnehmbaren Ohrenpads, cleveren Verstellmöglichkeiten und guter Belüftung. Der speziell für Skitouren entwickelte Helm ist in zwei Größen erhältlich und sorgt mit komfortablen Sitz für einen perfekten Rundumschutz.

DYNAFIT ST Helmet / 340 g / 170 € / www.dynafit.com

Der Purist Klassiker neu aufgelegt. Der schnörkellose Speed 2.0 kommt in zwei fetzigen Farben daher und behält dabei alle wichtigen Features, die für genormte Bergsporthelme nötig sind. Durchdachte Belüftungsöffnungen und das Verstellrad am Hinterkopf sorgen für einen kühlen Kopf und angenehmen Tragekomfort. Erste Wahl für Speed-Bergsteiger.

CAMP Speed 2.0 / 270 g/ 100 € / www.camp.it

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Aktuelles

News

Vaude / iFixit

Do-it-yourself Dass Vaude seit Jahren ökologiebewusste Kleidung produziert steht fest. Nun gehen die Allgäuer noch einen Schritt weiter. Green Shape – das ist das Siegel, mit dem ca. 88 Prozent der Vaude-Mode versehen ist. Im Klartext heißt das: Verwendung ressourcenschonender Materialen und faire Produktion mit umweltfreundlichen Standards. Jetzt unterstützt Vaude zudem bei der Pflege und Reparartur ihrer Kleidung, denn: defekt bedeutet nicht unbrauchbar. Zusammen mit der Onlineplattform iFixit stellt Vaude Reparatur- und Pflegeanleitungen zur Verfügung und hilft dabei, leichte Schäden an Klamotten und Hardware selbst zu beheben. www.vaude.com

Smarte Leuchte Als Nachfolger der Nao verpassen die Franzosen der Nao+ eine längere Akkuleistung und mehr Leutchtkraft. Dabei kann manuell zwischen vier Leuchstufen variiert werden und zusätzlich passt ein Sensor im Vorderbereich die Helligkeit an die Umgebung an. Clever: Die Leuchte kann per Bluetooth mit dem Smartphone (MyPetzl Light App) gekoppelt werden, wodurch der Akkustand abgelesen und indiviuelle Helligkeitsprofile erstellt und aktiviert werden können. Preis: 169,95 Euro. www.petzl.com INTERAKTIV Die Petzl Nao+ hält den Träger dank vieler Features ständig up to date und lässt sich per Smartphone-App steuern.


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Aktuelles

News

Lawinenstatistiken

Up to Date Das Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) hat aktuelle Zahlen der Lawinenereignisse der letzten 80 Jahre ermittelt. Dabei konnten Rekordwerte festgestellt werden - in positiver Hinsicht. Die Experten für Lawinenforschung nehmen Stellung. Klar, dass das Interesse bei diesem heiklen Thema allseits hoch ist. Die Daten über Lawinenopfer seit 1936 liefern einige wichtige Informationen. Das Résumé ist dabei positiv: nach traurigen Spitzenwerten in den 80er Jahren, pendelten sich die Opferzahlen in Folge bis heute konstant ein - und das trotz einer enorm höheren Zahl an Wintersportlern. Dabei spielt die moderne Sicherheitsausrüstung eine wichtige Rolle. Auch die Kollegen des österreichischen Lawinenwarndienstes lieferten den Bericht der letzten Saison ab. Dabei konnte hinsichtlich der Todesfälle im freien Gelände der viertniedrigste Wert (14 tödliche Unfälle) der letzten 20 Jahre vermeldet werden.

Black Friday

100 Prozent für die Umwelt Bei jedem Kauf eines PatagoniaArtikels geht ein Prozent des Kauferlöses an die Umweltinitiative „One Percent for the Planet“. An der traditionellen Einkaufssession am Black Friday setzten die Kalifornier eins drauf – oder besser gesagt zwei Nullen dran: 100 Prozent des gesamten Umsatzes in Patagonia-Stores wurden am Shopping-Freitag an die Organisation, die sich für nachhaltigen Umweltschutz einsetzt, gespendet. Auch dank der großartigen Unterstützung der Konsumenten konnten an diesem Tag zehn Millionen Dollar umgesetzt werden. Diese enorme Summe bedeutete für Patagonia einen Rekord – alles für den guten Zweck. 12 SKITOUR-MAGAZIN.DE


Spurtreu

Heimatverbunden Salewa-Fahrer Björn Heregger und Stefan Häusl zeigen das Potential, das die heimischen Berge Freeridern bieten kann. Spektakuläre Linien direkt vor der Haustüre? In seiner Wahlheimat St. Anton am Arlberg findet Björn Heregger immer wieder ungeahnte Abfahrtsvarianten. So auch in „Spurtreu“, dem letzten Teil seiner Freeride-Trilogie. Zusammen mit Stefan Häusl begibt sich Heregger auf Motivations- und Spurensuche und liefert dabei imposante, authentische Bilder, die dem Zuschauer unerwartete Einblicke in das Freerider-Leben verschafft.

Zum Film: Hier klicken!

Fischer Transalp

Abenteuerlust Vom 19.-26. März 2017 mit professionellen Führern von Charmonix ins Piemont-Gebirge touren. Dann jetzt schnell noch bei Fischer bewerben. Mit den Ski über die Alpen. Bereits zum siebten Mal lädt Fischer zwölf ausgewählte Teilnehmer im März 2017 zu einem Skitourenerlebnis der besonderen Art ein. In sechs Etappen führt die Route über Frankreich und die Schweiz nach Italien. Unter allen eingehenden Bewerbungen bittet Fischer zwei Dutzend zu einem Casting, das Mitte Januar stattfindet. Den glücklichen Teilnehmern winkt eine einmalige Skidurchquerung unter der Führung von Profis im Wert von ca. 2000 Euro. Bewerbungsschluss ist der 31.12.2016. Anmeldung und Infos unter: www.fischersports.com SKITOUR-MAGAZIN.DE 13


Alpiner


Aufprallschutz Wie Helme beim Skifahren oder Protektoren beim Mountainbiken gehören Lawinen-Airbags mittlerweile zur Standard-Ausrüstung für Tiefschnee-Süchtige. Neue Systeme drängen auf den Markt, mehr Hersteller teilen sich den Kuchen. Wir haben acht Airbag-Rucksäcke mit 20-30 Liter Volumen gecheckt.


Vergleich

Lawinenrucksäcke

Vor der Abfahrt

Beinschlaufe am Hüftgurt fixieren, Auslösegriff checken: Um diese zwei Extra-Handgriffe kommt man bei Airbag-Rucksäcken nicht herum, bevor es gen Tal geht.

Schutz liegt im Trend. Ob auf dem Mountainbike, beim Skifahren oder Snowboarden auf der Piste. Helme gehören bei diesen Sportarten heutzutage dazu wie das Salz in die Suppe. Aber auch Rückenprotektoren und Knieschoner befinden sich auf dem Vormarsch. Während sich vor wenigen Jahren nur Profi-Sportler in einen solchen Schutzpanzer hüllten, trägt diese Schützer heute die breite Masse unter der Jacke oder über der Kniescheibe. Doch die Industrie tüftelt längst an der nächsten Stufe beim Safety-Level. Alpine Skiabfahrtsläufer tragen mittlerweile einen speziellen Airbag, der bei einem Sturz Hals, Nacken und Schultern behütet. Auch für Radfahrer gibt es mittlerweile einen Airbag – den Hövding. Der kommt aus Schweden und soll acht Mal sicherer als ein herkömmlicher Fahrradhelm sein. Auch beim Skitourengehen sind Airbags das Trendthema Nummer 1. Allerdings schützen die Luftkisten den Träger nicht vor 16 SKITOUR-MAGAZIN.DE

Rundum-Schutz

Rechts den Schnorchel, links den Auslösegriff des Alpride-Systems. Das Ferrino-Modell kommt mit dem Airsafe-Atemschutzsystem, das die Ausatemluft an den Rücken leitet, damit man in einer Atemhöhle länger überlebt.


Verschiedene Details machen den Unterschied Foto: Heckmair - Ortovox

Sturzverletzungen, sondern retten im Falle einer Lawine sein Leben. Die bis zu 200 Liter großen Luftkissen sichern dabei den Auftrieb. Das Prinzip dahinter ist simpel und nennt sich umgangssprachlich Müslioder Paranuss-Effekt: In einer fließenden Masse wie einer Lawine setzen sich die voluminösesten Teilchen an der Oberfläche ab, die kleineren Teile sinken zu Boden, da sie sich dichter aneinander lagern. Wie in einem Müsli eben. Wenn Paranüsse drin sind, landen die beim Schütteln der Packung oben, da sie die größten Teilchen sind. Seit der Erfindung des Lawinen-Airbags 1985 durch Peter Aschauer hat sich viel getan. Vor etwa zehn Jahren noch teilte sich Aschauers Firma ABS den Markt mit den beiden US-Herstellern Snowpulse und BCA und war lange Zeit unangefochtener Marktführer. Doch dann enterte Mammut den Ring, kaufte im Jahr 2011 Snowpulse

Betrachtet man die einzelnen Systeme genauer, sind das Gewicht und die Ausstattung die entscheidenden Faktoren. Wer einen für seinen Einsatzzweck passenden Airbag-Rucksack möchte, sollte sich dennoch die Rucksäcke im Laden genauer anschauen. Materialwahl, Haptik und Fächeraufteilung können individuelle Vorlieben begünstigen. Ein separates Fach für Schaufel und Sonde, oder zumindest Schlaufen im Inneren, bieten schnellsten Zugriff im Notfall. Das Tragesystem sollte dem Rücken angepasst sein und zur Rückenlänge stimmen. Die minimalistischen Systeme mit Kartusche brauchen derzeit weit weniger Platz im Inneren als die elektronischen. Allerdings lassen sich mit den akkubetriebenen Geräten mehrmals Testauslösungen durchführen. Dies ist zumindest zu Saisonbeginn sinnvoll. Diagonale Skibefestigungen sind bei den Aribag-Rucksäcken inzwischen obligatorisch. Das haben auch alle Hersteller ziemlich ordentlich gelöst, wenn auch die Schlaufen teilweise mit Bandmaterial ausgeführt sind, was durch die scharfen Kanten beschädigt werden kann. In den leichtesten Modellen von Mammut und Ortovox schlummert die Kartusche ohne Abdeckung im Hauptfach. Thermoskanne oder Schaufelblatt können hier Beschädigungen anrichten. Unsere Bewertungskriterien im Überblick: Gewicht 30% | Tragesystem 30% Fächeraufteilung 20% | Befestigungen 20% SKITOUR-MAGAZIN.DE 17


Vergleich

Lawinenrucksäcke

MAMMUT

Ultralight Removeable 3.0 20 l 1.580 Gramm 570,00 EUR www.mammut.ch

Gewicht

Tragesystem Aufteilung Befestigungen Gesamteindruck

Ausstattung: Hauptfach Auf das Nötigste reduziertes, leichtestes Mammut-Modell. Lediglich ein Haupfach, das sich von unten öffnen lässt, bietet Platz für das Notwendigste auf Tour. Ein Rückensystem ist kaum vorhanden. Nur eine kleine Schaumstoffeinlage polstert den Rücken vom Innenleben. Der Minimalist trägt auf dem Rücken kaum auf, ist schlank und kurz geschnitten.

BCA

Float 22 l 3.000 Gramm 550,00 EUR www.backcountryaccess.com

Gewicht

Tragesystem Aufteilung Befestigungen Gesamteindruck

Ausstattung: Hauptfach/Notfallfach/Helmhalterung Übersichtlicher Tagesrucksack mit der notwendigen Ausstattung. Eine Helmhalterung versteckt sich unter dem BCA-Logo. Auch die anderen Schlaufen können in Garagen versteckt werden. Der Float ist länglich und schmal geschnitten, er sitzt sehr flach am Rücken. Der Hüftgurt lässt sich beidseitig schnell justieren. Den Auslösegriff kann man nach rechts umbauen. Etwas schwerer Rucksack, dafür sind alle Fächer gut gepolstert. 18 SKITOUR-MAGAZIN.DE


auf und setzte neue Impulse. Auch viele andere Rucksack-Hersteller erkannten daraufhin das Potenzial der LuftkissenRucksäcke und verpflanzten das ABSSystem in ihre Modelle oder boten wie Evoc spezielle Aufsätze für ABS-Rucksäcke an. Doch die Kooperationen dienten vielen Herstellern nur als Übergangslösung. Hinter verschlossenen Türen feilten Black Diamond, Ortovox oder Arc‘teryx längst an eigenen Airbag-Lösungen. Das Ergebnis: Im Winter 2016/17 ist der Markt an Airbag-Systemen und RucksackModellen so groß und vielfältig wie noch nie. Erst einmal eine gute Nachricht für Tourengeher, die sich einen Airbag-Rucksack

zulegen wollen. Denn das gestiegene Angebot drückt den Preis. Allerdings muss man sich im Produkt-Dschungel erst einen genauen Überblick verschaffen, welches Modell für einen das Richtige ist. Allein Mammut bietet nämlich elf verschiedene Ballon-Rucksäcke zwischen 570 und 790 Euro an. Dazu kommen kartuschenlose Systeme wie das Jetforce-Modul, das Black Diamond, Pieps und POC entwickelt haben und das seit 2014 am Markt ist. Ganz frisch dagegen kommt das akkubetriebene VoltairSystem von Arc‘teryx daher, in dem ein Zentrifugalgebläse die Luftkissen aufbläst. Der Vorteil der kartuschenlosen Modelle: Nach einer Auslösung ist nicht gleich eine neue Kartusche nötig, das schont den Geldbeutel. Zudem kann man den Rucksack zu Trainingszwecken mehrmals auslösen, um sich mit dem System vertraut zu machen. Allerdings sind Jetforce und Voltair in der Anschaffung auch deutlich teurer als die Kartuschen-Lösungen von Mammut, BCA, Arva oder Alpride. Letztgenanntes kommt aus der Schweiz, arbeitet mit zwei kleineren CO2-Kartuschen und kommt bei Scott und Ferrino zum Einsatz. Wie leicht und kompakt ein Airbag-System derzeit sein kann, zeigen Mammut und Ortovox mit ihren Superleicht-Modellen, die für Tagestouren prädestiniert sind. Zudem räumen sie mit dem Argument auf, dass man auf einen Airbag-Rucksack verzichtet, weil er zu schwer ist.

Sperriges Kartuschensystem

Das Alpride-System im Scott-Airbag sitzt kreuzförmig im Hauptfach und kostet viel Stauraum. Dadurch lassen sich die 24 Liter Volumen nur ungenügend ausnutzen. Beim Verstauen ist die Lego-Technik gefragt. SKITOUR-MAGAZIN.DE 19


Vergleich

Lawinenrucksäcke

Alle Systeme im Überblick: BCA: Die Amerikaner setzen bei ihrem FloatSystem (150 Liter) auf eine Metall-Kartusche, die mit Druckluft gefüllt ist und relativ einfach wieder befüllt werden kann. Ein Manometer an der Kartusche zeigt an, ob der richtige Druck vorhanden ist. Die leere Kartusche kann entweder beim Händler gegen eine neue getauscht werden oder man lässt sie in einem Taucherladen an der Maschine befüllen. Beides kostet jeweils nur um die zehn Euro. Mammut: Im Sommer 2011 übernahm Mammut das bis dahin eigenständige Unternehmen Snowpulse und entwickelt seitdem verschiedene Rucksäcke rund um deren 150 Liter große Airbags. Zur Auswahl stehen zwei verschiedene Kartuschen: Stahl und Carbon. In Europa sind in der dritten Generation inzwischen sogar wiederbefüllbare Kartuschen erhältlich. Je nach Wahl der Kartusche kostet der Ersatz zwischen 120 Euro (Stahl) und 185 Euro (Carbon). Die Gewichtsersparnis zwischen Stahl und Carbon liegt bei ungefähr 200 Gramm. Alpride (Scott & Ferrino): Ein weiteres Schweizer Unternehmen hat sich seit einigen Jahren den AirbagRucksäcken verschrieben. Alpride stattet die Firmen Scott, Millet und Ferrino mit ihrem Blasebalg aus. Zwei kleine Kartuschen mit CO2 und dem Edelgas Argon schießen in den 150 Liter großen Airbag. Beide Patronen sind nur einmal zu verwenden und müssen nach einer Auslösung getauscht werden. Tauschkartuschen kosten um die 40 Euro. Pieps (& Black Diamond): Das amerikanisch-österreichische Joint Venture setzt ein Düsengebläse ein, das die Umgebungsluft in den großen 200-LiterAirbag verfrachtet. Gespeist wird das 20 SKITOUR-MAGAZIN.DE

Getriebe durch einen Akku, der mindestens vier Auslösungen pro Ladung durchhält. Großer Vorteil: Probeschüsse verursachen keine Extrakosten und das System ist innerhalb weniger Minuten sofort wieder komplett einsatzbereit. Arc‘teryx: Das derzeit jüngste System auf dem Markt ist ebenfalls elektronisch gesteuert. Ein 150 Liter Airbag wird durch das Gebläse innerhalb weniger Sekunden aufgeblasen. Der Akku von Arc‘teryx macht bis zu acht Auslösungen mit. Leider ist das Systemgewicht durch die die Batterien recht schwer. Ortovox: Erstmals setzt Ortovox auf eigene Technik, die auch mit einer Kartusche funktioniert. Der 160-Liter-Airbag befindet sich oben im Rucksack und braucht den wenigsten Platz aller Systeme. Das Material des Airbags ist besonders leicht, aber dennoch stich- und abriebfest. Um das Systemgewicht niedrig zu halten, gibt es bei Ortovox nur eine CarbonKartusche für 140 Euro als Ersatz. Arva: Die Franzosen setzen auf eine Doppelbefüllung mit einer Kartusche. Nach dem Auslösen strömt nicht nur Gas, sondern zusätzlich noch Luft über einen passiv betriebenen Lüfter in die beiden verbundenen Airbags (2x 75 Liter). Das System selbst ist eines der leichtesten. Aufgrund des Lüfters benötigt es etwas mehr Platz als die anderen Systeme mit einer Kartusche. Die Kartuschen: Mammut, Ortovox und Arva benutzen baugleiche Kartuschen, wie man sie bisher vom ABS-System kannte. In den Stahlkartuschen befindet sich Argon-Gas, in den Carbon-Kartuschen Stickstoff, die mit jeweils rund 300 bar Druck befüllt sind.


SCOTT

Air Free AP 24 l 2.900 Gramm 680,00 EUR www.scott-sports.com

Gewicht

Tragesystem Aufteilung Befestigungen Gesamteindruck

Ausstattung: Hauptfach/Helmhalterung/Brillenfach Gute, diagonal verbundene Skibefestigung, die sich von oben straff ziehen lässt. Ein großes Hauptfach bietet zusätzliche Möglichkeiten für Sonde und Schaufelstiel, jedoch muss man das bei jedem Öffnen umklappen. Oben befindet sich ein gepolstertes Brillenfach. Die Schnalle am Hüftgurt lässt sich gut bedienen. Aufgrund des etwas sperrigen Auslösesystems mitten im Hauptfach müssen Gegenstände links und rechts verteilt werden.

FERRINO

Full Save 30 l

3.260 Gramm 790,00 EUR www.ferrino.it

Gewicht

Tragesystem Aufteilung Befestigungen Gesamteindruck

Ausstattung: Hauptfach/Notfallfach/Helmhalterung/Brillenfach Mit dem Full Save bieten die Italiener ein Rundum-Sicherheitspaket mit Schnorchel zum Atmen im Falle einer Verschüttung, Recco Reflektor und Airbag. Der Rucksack ist mit vielen Fächern sehr umfangreich ausgestattet. Das Rückstauventil zum Atmen spürt man etwas auf der Schulter. Die diagonale Skibefestigung ist mit einem Stahlkabel sehr robust ausgeführt. Alle Fächer sind stark gepolstert, was das Gewicht zusätzlich erhöht. SKITOUR-MAGAZIN.DE 21


Vergleich

Lawinenrucksäcke

PIEPS (BLACK DIAMOND)

Tour Rider 24 l 3.440 Gramm 1.050,00 EUR www.pieps.com

Gewicht

Tragesystem Aufteilung Befestigungen Gesamteindruck

Ausstattung: Hauptfach/Notfallfach/Helmhalterung/Brillenfach Sehr lang geschnittener Rucksack mit zwei großen Fächern. Auch das Brillenfach nimmt viele Kleinteile auf. Das Hauptfach ist nur von der Rückseite des Rucksacks zu erreichen. Airbag und die elektronische Turbine benötigen sehr viel Platz im Inneren, was den gut gepolsterten Rucksack zusätzlich voluminös wirken lässt.

ORTOVOX

Avabag Ascent 22 l 2.000 Gramm 680,00 EUR www.ortovox.com

Gewicht

Tragesystem Aufteilung Befestigungen Gesamteindruck

Ausstattung: Hauptfach/Helmhalterung/Brillenfach Kurz und schmal geschnittener Rucksack mit ausgeprägtem Rückensystem. Bedingt durch die kurze Form liegt der Rucksack kaum mehr auf der Hüfte auf. Für kleinere Personen besser geeignet. Im Inneren liegt die Kartusche frei. Der Rucksack ist mit wasserdichten Reißverschlüssen ausgestattet und bleibt auch ohne Füllung in Form. 22 SKITOUR-MAGAZIN.DE


Ergonomischer Sitz

Die Rückenplatte des Avabag ist der S-Form der Wirbelsäule nachempfunden und trägt sich komfortabel. Da der Rucksack allerdings nicht flächig aufliegt, können die Hüftgurte nur wenig Gewicht übernehmen.

Spürbares Tragesystem

Packt man den Arva-Rucksack voll, drückt das gut belüftete Tragesystem im oberen Rücken unangenehm.

Enge Kiste

Das Jetforce-System im Pieps ist voluminös und zwackt von allen Seiten Stauraum im Hauptfach ab. Am Ende bleibt nicht viel übrig. Mehr als Handschuhe, eine Flasche Wasser, Mütze und eine Isolationsjacke passen nicht mehr rein. SKITOUR-MAGAZIN.DE 23


Vergleich

Lawinenrucksäcke

Clever gelöst

Bei Arc‘teryx muss man die Beinschlaufe nicht fummelig durch den Hüftgurt fädeln, sondern kann sie in den Karabiner seitlich einhängen. Klappt auch mit Handschuhen gut.

Gut verpackt

Das Tragesystem

Der leichte Aufbau und ein fehlendes, stabiles Rückensystem sorgen beim Mammut-Modell dafür, dass die Ski auf den Rucksackinhalt drücken und relativ instabil am Rücken kleben.

Im Airbag-Rucksack von BCA ist die Kartusche sauber vom Inhalt des Hauptfachs getrennt und sitzt platzsparend an der Seite. Zudem hat man die Druckanzeige immer im Blick. 24 SKITOUR-MAGAZIN.DE


ARC‘TERYX Voltair 20 l

3.360 Gramm 1.550,00 EUR www.arcteryx.com

Gewicht

Tragesystem Aufteilung Befestigungen Gesamteindruck

Ausstattung: Hauptfach/Brillenfach Lediglich ein großes Hauptfach bietet der Voltair, was großes Organisationstalent voraussetzt. Alle Reißverschlüsse sind wasserdicht ausgeführt und auch das Material macht einen überaus robusten Eindruck – zu Lasten des Gewichts. Arcteryx vernäht die Beinschlaufe am Hüftgurt und macht so eine fummelig zu bedienende Metallschließe überflüssig. Ein kleiner Reißverschluss am Rücken öffnet den Weg zum Akku.

Testsieger 4.16

ARVA

Reactor 24 l 2.560 Gramm 570,00 EUR www.arva-equipment.com

Gewicht

Tragesystem Aufteilung Befestigungen Gesamteindruck

Ausstattung: Hauptfach/Notfallfach/Brillenfach/Kartenfach Ein großes Schaufelfach bietet genügend Platz auch für längere Stiele. Bedingt durch die Technik sind an der Rückenplatte Lufteinlässe angebracht. Diese spürt man etwas unter dem Schulterblatt. Ein großes Hauptfach versteckt mittig die Kartusche und das kleine Gebläse. Auch sonst bietet Arva viele Fächer. Insgesamt sehr übersichtlich und geräumig ausgeführt. SKITOUR-MAGAZIN.DE 25



Go East

Nicht so hoch und lang wie die berühmte Haute Route verkettet die Ski-Durchquerung Hoch-Tirol auf 120 Kilometern Österreichs höchste Gipfel. Um die 6-tägige Travese am Stück zu bewältigen, braucht man stabiles Wetter und sichere Bedingungen. Die Variante an Tag fünf hätte unser Vorhaben fast durchkreuzt. Fotos: Baschi Bender


Skihochtour

Hoch-Tirol

Vorsichtig schiebt Georg seine Ski über die Bindung nach vorne. Rechts, links, rechts. Sein Blick weicht nicht von der Hangkante rechts über ihm. Zögerlich tastet sich Georg weiter. Dann passiert’s. Der Hang bricht. Blitzschnell schaltet Georg auf Renntempo und sprintet die letzten Meter zum Ende der Querung. Mit einem Beckerhecht rettet er sich hinter einen Stein, ehe sich das kleine Schneebrett 200 Meter nach unten walzt. Der Rest unserer Fünfer-Gruppe steht mit erhöhtem Puls und einer Hand am Piepser am Beginn der Querung. Wir hatten bewusst Abstand gehalten. Denn über Nacht hatte es heftig geschneit, dazu hat der Wind die 30 Zentimeter stark verfrachtet. Bereits weiter unten haben wir zwei Mal eine Extra-Schleife gespurt, um eine sichere Spur in den Neuschnee zu legen. Doch wir waren vorgewarnt, denn unser Weg von Kasern im Ahrntal zum SAFETY-CHECK Am Beginn einer sechstägigen Tour muss der große Piepsercheck sein.

28 SKITOUR-MAGAZIN.DE

Hinteren Umbaltörl führte uns durchs sogenannte „Windtal“ hinauf. Genauso die DreierGruppe, die uns von oben entgegen kam, als wir hinaufspurten. Sie hatte der starke Wind zum Umdrehen gezwungen. Doch wir wollen es trotzdem probieren, weil der Wetterbericht Besserung verspricht. Ohne Harakiri, mit überlegter Spuranlage und mit schwer beladenen Rucksäcken auf den Schultern. So hatten wir uns den Start in unsere OsterWoche zwar nicht vorgestellt, aber ein wenig Improvisation gehört bei langen Hochtouren genauso dazu wie Blasen an den Füßen und sonnenverbrannte Gesichter. Statt in die Westalpen sollte es dieses Mal nach Osttirol gehen. Auf die Hoch-Tirol, die in den Ostalpen das Gegenstück zur berühmten Haute Route verkörpert. Die nackten Zahlen müssen sich vor keiner anderen Skihochtour


GENAU HINGESCHAUT Harscheisen gehören auf einer Frühjahrs-Tour wie der Hoch-Tirol ins Gepäck. Genauso reichlich Sonnencreme. Nach drei Tagen in Skischuhen war die Dusche im Matreier Tauernhaus überfällig.

PULVERORGIE Bei der Abfahrt vom Hinteren Umbaltörl aufs Umbalkees lässt es Georg stauben. SKITOUR-MAGAZIN.DE 29


ABSEITS DER MASSEN Während sich auf dem Normalweg zum Sonnblick die Gipfelaspiranten auf die Ski treten, hat man den luftigen Südostgrat oft für sich allein.



Skihochtour

Hoch-Tirol

AUSGESETZT Wie zwei Meter hinter einer Flugzeugturbine haben wir uns auf der Oberen Ödenwinkel-Scharte gefühlt.

verstecken: Etwa 10.000 Höhenmeter im Aufstieg und 120 Kilometer über lange Gletscherzungen und tief eingeschnittene Täler muss man sich erkämpfen. An jedem der sechs Tage bewegt man sich in dünner Luft über 3000 Meter und mit Großvenediger und Großglockner stellen sich auf der Hoch-Tirol die höchsten Gipfel Österreichs in den Weg. Obwohl uns Osttirol-Liebhaber und Kletterlegende Steve House geraten hatte, aus dem hintersten Virgental am ersten Tag zur Essener-Rockstocker-Hütte aufzusteigen, haben wir uns für die klassische Eröffnung aus dem Ahrntal entschieden. Die beginnt in Kasern. Eine Hand voll Pensionen und ein Hotel, mehr gibt es in dem Nest auf 1566 Metern nicht. Doch der nördlichste Zipfel Italiens ist einer der Skitouren-Hotspots Südtirols. Dicke Flocken empfangen uns, als wir unsere Rucksäcke und Ski in Kasern aus dem Linienbus wuchten. Unser Gastgeber Igor erwartet uns bereits am Fenster und versüßt uns den langen Anreisetag mit Spinatknödel, Polenta und Tiramisu. Von München haben wir 32 SKITOUR-MAGAZIN.DE

den Fernbus über den Brenner ins frühlingshafte Bruneck genommen, von dort ging es nach einem Espresso mit dem Linienbus ins hinterste Ahrntal. Ab hier wechseln wir für die nächsten sechs Tage noch einmal in den Winter-Modus. Während unten in den Tälern die Natur langsam erwacht, navigieren wir durch Spaltenzonen, klettern über verschneite Grate und schwingen durch sulzigen Schnee. So auch am dritten Tag, als wir im Blindflug von der Johannishütte in Richtung Großvenediger starten. Hinter dem Deferegger Haus zirkeln wir per GPS-Gerät durch das Spaltengewirr des Inneren Mullwitzkees‘. Doch dann, auf 3500 Metern auf den letzten Metern zur Gipfelpyramide, lichtet sich die Nebelwand. Majestätisch marschieren wir die letzten Meter über dem Wolkenmeer. Dünne Luft und Strapazen hat die Sonne weggestrahlt, vom Gipfel spitzt am Horizont der Großglockner heraus, dem wir in drei Tagen aufs Haupt steigen wollen. Ein paar Stunden später kostet uns die Skatingeinlage von Innergschlöß


SICHERE BINDUNG Im Blindflug über die Spalten des Obersten Pasterzenbodens: Nach mehr als elf Stunden erreichten wir die Stüdlhütte.


Skihochtour

Hoch-Tirol

zum Matreier Tauernhaus hinaus die letzten Körner. Zwei Tage später, mit dem ersten Tageslicht verlassen wir die Rudolfshütte. Während die Skifahrer noch übers Frühstücksbuffet herfallen, spuren wir hinauf zur Oberen Ödenwinkelscharte. Wie so oft ganz allein. Denn wir haben die Normalroute der Hoch-Tirol verlassen, wollen ohne Autotransfer zur Stüdlhütte hinübertraversieren. Oben angekommen stemmen wir uns den Sturmböen entgegen. Zusätzlich senkt sich die Wolkendecke ab. Schnell holen wir das Seil aus dem Rucksack und folgen dem Track des GPSGeräts. Um den Johannisberg herum, dann im Zickzack durch Spalten steil hinauf in die Schneewinkelscharte. Dort stellt sich uns ein zorniger, kombinierter Grat in den Weg. Bei gutem Wetter und richtiger Ausrüstung sicher ein Genuss, mit Ski am Rucksack, Null

Sicht und Minimal-Equipment ein Abenteuer. Mehr als drei Stunden sind wir mit Vorsteigen, Sichern und Abseilen beschäftigt. Dann die letzte Seillänge, nochmal volle Konzentration. Am Gipfel der Romariswandköpfe fallen wir uns erleichtert um den Hals. Doch unser fünfter Tag ist auf 3511 Metern noch nicht vorbei. Im Blindflug schwingen wir zur Stüdlhütte hinab, die wir nach mehr als elf Stunden erschöpft erreichen. Dagegen gleicht die Kletterei am nächsten Tag auf den Großglockner einem Spaziergang. Wieder waren wir im dichten Nebel gestartet und wurden ab der Adlersruhe von der Frühjahrssonne überrascht. Auf den letzten Schneeresten am Lucknerhaus endet schließlich unsere sechstägige West-Ost-Traverse und wir tauschen Skistiefel gegen Turnschuhe und Hardshell gegen T-Shirt.

IN SICHERHEIT Nach einer angespannten Nachmittags-Querung über Südhänge unter der Karl-Fürst-Hütte gibt‘s erst einmal eine Verschnaufspause.

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ZWEI GESICHTER Ist das Wetter gut und der Schnee fluffig, läuft‘s wie von selbst. Auf dem zornigen Grat am Romariswandkopf mussten wir dagegen auf die Zähne beißen.

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WO GEHT‘S LANG? Eine mächtige Spalte unterm Großen Geiger stellt sich in den Weg.

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GRANDE FINALE W채hrend wir 체ber weite Strecken der Hoch-Tirol unter uns waren, pilgern wir am Glockner im G채nsemarsch 체ber den Gipfelgrat.


Skihochtour

Hoch-Tirol

SkitourmagazInfo Die Route: Die Hoch-Tirol zählt zu den anspruchsvollsten und schönsten HochgebirgsDurchquerungen in den Ostalpen. Sie führt in sechs Tagen von Kasern im Ahrntal durch die hochalpine Gipfel- und Gletscherlandschaft des Venedigergebietes zum Großglockner, Österreichs höchstem Berg. Das Ende befindet sich in Kals am Großglockner. Einzelne Gipfel werden als Tagestouren von den Hüttenstützpunkten aus häufig bestiegen. Die komplette Durchquerung wird jedoch deutlich seltener begangen. Von einzelnen Abschnitten gibt es Varianten.

Etappe 1: Kasern (1600 m) – über das Windtal auf das Hintere Umbaltörl (2848 m) – Umbalkees (2540 m) – Reggentörl (3056 m) – Essener-Rostocker Hütte (2208 m).

Beste Jahreszeit: Die besten Bedingungen für die Hoch-Tirol herrschen meist von Anfang/Mitte März bis Ende April. Rund um Ostern sind die Hütten relativ voll. Kasern im Ahrtal

Karten: Alpenvereinskarten „35/3 Zillertaler Alpen Ost“ 1:25 000, „36 Venedigergruppe“ 1:25 000, „39 Granatspitzgruppe“ 1:25 000, „40 Glocknergruppe“ 1:25 000. Alle Karten sind Topokarten mit eingezeichneten Skitouren-Routen. Preis je 6,95 Euro für AVMitglieder. Übernachtung: In Kasern im Ahrntal gibt es eine Hand voll kleine Pensionen. Die Hütten auf der Route finden Sie auf der nächsten Doppelseite. Anreise: Wir sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln an- und abgereist. Mit dem Fernbus von München nach Brixen und dann weiter mit dem Linienbus nach Kasern. Vom Lucknerhaus mit dem Taxi nach Matrei, weiter mit dem Bus nach Kitzbühel und mit der Bahn zurück nach München. Geführte Touren: Kalser Bergführer vom 1.-7 April 2017 und jederzeit auf Anfrage. Kosten 550 Euro p.P. www.bergfuehrer-kals.at 38 SKITOUR-MAGAZIN.DE

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Etappe 4: Matreier Tauernhaus (1512 m) – Dabersee (2425 m) – Amertaler Höhe (2841 m) – Karl-Fürst-Hütte (2629 m) – Granatscharte – Sonnblick (3088 m) – Rudolfshütte (2311 m). Etappe 5: Rudolfshütte (2311 m) – Obere Ödenwinkelscharte (3228 m) – Querung Pasterzenboden – Schneewinkelscharte (3412 m) – Romariswand köpfe (3511 m) – Stüdlhütte (2801 m). Etappe 6: Stüdlhütte (2801 m) – Ködnitzkees – Adlersruhe (3454 m) – Kleinglockner (3770 m) – Großglockner (3798 m) – Lucknerhaus (1918 m).


Etappe 2: Essener-Rostocker Hütte (2208 m) – Großer Geiger (3360 m) – Querung über Maurerkees – Scharte Großer Happ Südostgrat (3200 m) – Johannishütte (2121 m).

Etappe 3: Johannishütte (2121 m) – Defreggerhaus (2962 m) – Großvenediger (3674 m) – Über Schlatenkees und Pragerhütte nach Innergschlöß (1691 m) – Matreier Tauernhaus (1512 m).

Großvenediger

Matreier Tauernhaus

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Johannishütte Essener-Rostocker Hütte Stub. Sonnblick

Rudolfshütte

4 Felbertauerntunnel Südportal

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Romariswand Großglockner

Stüdlhütte

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Lucknerhaus SKITOUR-MAGAZIN.DE 39


Skihochtour

Hoch-Tirol

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Die Hütten

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1 Berggasthof Stern: Der kleine Gasthof in Kasern im hintersten Ahrntal ist der perfekte Ausgangspunkt für die Hoch-Tirol und viele andere Skitouren. Chef Igor sorgt sich auf 1600 Metern um seine Gäste und verwöhnt mit bodeständiger, Südtiroler Küche und italienischem Espresso. www.casere-stern.it 2 Essener-Rostocker Hütte: Die gut geführte Hütte auf 2208 Metern ist beliebter Skitouren-Stützpunkt in den Frühjahrsmonaten. Sie hat von Anfang März bis Mitte Mai geöffnet. Unbedingt vorher reservieren! erh@virgental.at / +43 (0) 4877 5101

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3 Johannishütte: Die moderne Hütte am Fuß des Großvenedigers ist geräumig und füllt die leeren Energiespeicher abends mit erstklassigem Essen wieder auf. www.johannis-huette.at 4 Matreier Tauernhaus: Im Alpengasthof auf 1512 Metern hat man die Wahl zwischen komfortabeln Zimmern im Haupthaus oder Bergsteiger-Gruppenzimmern im benachbarten Gästehaus. Die verdiente Dusche gibt‘s überall, ein reichhaltiges Frühstücksbuffet auch. www.matreier-tauernhaus.com 5 Alpinzentrum Rudolfshütte: Das riesige Berghotel ist in der Regel voll mit osteuropäischen Skifahrern. Es gibt Zimmer, Bergsteiger-Lager und ein großes Buffet. Trotzdem ist man froh, wenn man am nächsten Morgen dem Trubel wieder entfliehen kann. www.alpinzentrum-rudolfshuette.at 6 Stüdlhütte: Highlight der von Glockner-Aspiranten besetzten Hütte ist das Abendessen mit Salat- und Käsebuffet. Auf 2802 Metern lässt es sich vorzüglich speisen. info@stuedlhuette.at / +43 4876 8209 SKITOUR-MAGAZIN.DE 41


Touren Tirol -Top 10

Tirol 10. 1

Kalkkögel 1100 Höhenmeter Talort: Axamer Lizum

Die Dolomiten Nordtirols werden die Kalkkögel gerne genannt. Ein Blick auf diese Gebirgskette spricht Bände. Gewaltige Felstürme, die zuhauf von steilen, rassigen Abfahrtsmöglichkeiten durchzogen werden. Sowohl im Hochwinter als auch im Frühjahr, wenn das Skigebiet seine Pforten bereits geschlossen hat, ein Genuss – sichere Verhältnisse vorausgesetzt. Nach dem Start ein kleines Stück die Damen-Abfahrt hinauf, ehe der Weg in südöstliche Richtung zwischen Schneiderspitze und Hörzingwand abzweigt. In steiler Spur zum Lizumer Kar, wo es dann wieder ein wenig flacher wird. Von dort eröffnen sich auf der linken Seite bereits die Wände der Marchreisenspitze und der Malgrubenscharte. Hat man sich für eine der zahlreichen Varianten entschieden, geht‘s die letzten Höhenmeter bis zur Scharte in der Rinne empor. Nach der Steilabfahrt besteht die Möglichkeit zum gegenüberliegenden Widdersberg aufzusteigen und Sonnenstrahlen und den Ausblick auf die Kalkkögel auszukosten.

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Das Schönste auf der Welt ist mein Tirolerland, mit seinen steilen Höhen, mit seiner Felsenwand. Der Auszug aus einem Tiroler Volkslied könnte auch als Skitourenmotto gelten. Die Tiroler Berge geizen nicht mit Steilheit umgeben von prächtiger Felskulisse. Der Beweis folgt: Zehn Touren inmitten des Skitourenmekkas.

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Touren Tirol -Top 10

Kuhscheibe 1050 Hm Talort: Amberger Hütte Satte 1800 Höhenmeter verlangt die nicht gerade anziehend klingende Kuhscheibe seinem Besteiger ab, wenn er von Gries aus losmarschiert. Ein entspannter Aufstieg auf die Amberger Hütte samt Übernachtung lassen diese Unternehmung zum Erlebnis werden – mit 1200 Höhenmeter im Gepäck. Von der Hütte aus geht es taleinwärts ins Sulztal. Nach kurzer Zeit nimmt man die Abzweigung ins westlich gelegende Rosskar. Dieses eher links durchquerend, marschiert man den Rosskarferner hinauf und am Grat zum Skidepot. Nach kurzer Kraxelei empfängt einen der grandiose Gipfelweitblick. Auch die anschließende Abfahrt wird bei guten Verhältnissen zur Augenweide. 44 SKITOUR-MAGAZIN.DE

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Igelskar 1100 Höhenmeter Talort: Ehrwalder Almbahn Majestätisch thront die Ehrwalder Sonnenspitze über seinem Talort. Das nordseitige Igelskar, das neben dem Wahrzeichen versteckt liegt, bietet tolle Tourenmöglichkeiten. Nach kurzem Aufstieg unter dem Lift verlässt man das Skigebiet Richtung Südosten und folgt dem Weg neben Loipen zum Igelsee. Inmitten imposanter Felswände steigt man zum Igelskar auf, wo sich rechts die Igelsscharte als schöner Endpunkt auftut. Tipp: Mehr Zeit einplanen und auch die herrlichen Nachbarskare (Brendl- und Drachenkar) besteigen. SKITOUR-MAGAZIN.DE 45


Touren Tirol -Top 10

Großer Gebra 1100 Höhenmeter Talort: Fieberbrunn/Pletzergraben

Wer Einsamkeit und schöne Skihänge sucht, wird hier fündig. Doch dafür muss man sich sogar den Aufstieg erst ergehen. Denn ein kurzer Talhatscher ist nötig, um an den Fuß des Berges zu gelangen, der oftmals auch von Aurach aus angesteuert wird. Vom Parklaptz am Pletzergraben auf einer Forststraße geht es stetig leicht bergan bis zur Lachtalgrundalm. Weiter in südlicher Richtung direkt zur Gebrakapelle, wo uns der Große Gebra bereits empfängt. Nun westlich auf das Gebrajoch und auf dem Westgrat hoch zum Gipfel. Zusätzlich kombinierbar mit kleinen Gipfelmöglichkeiten rund um den Pletzergraben.

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Rofanspitze 1670 Höhenmeter Talort: Maurach

Die Rofanspitze (2259 m) hat für jeden was zu bieten. Einen herrlichen Ausblick für Genießer. Liftunterstützung für Entspannte. Und eine rassige Abfahrt für Enthusiasten. Wer genügend Power in den Oberschenkeln hat, spart sich die Liftfahrt mit der Rofanbahn und stapft neben der Piste hoch zur Erfurter Hütte. Weiter über die Mauritzalm in breitem Graben direkt auf die Haidachstellwand zu. Danach lässt man die Roßköpfe links liegen und überquert die Gruberscharte, die den Blick zum Gipfelhang ermöglicht. Dort angekommen wartet eines der Highlights der Ostalpen. Die Abfahrt von der Rofanspitze nach Wiesing. 1650 Meter purer Abfahrtsgenuss auf ewig wirkenden Hängen (nur bei sicheren Verhältnissen und guter Schneelage) hinunter bis zur Achensee-Bundesstraße. Von dort mit dem Bus zurück nach Maurach. Aber auch die Abfahrt über den Aufstiegsweg und die Piste kann bei schlechten Schneeverhältnissen Spaß machen.

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Touren Tirol -Top 10

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Lämpersberg 1100 Höhenmeter Talort: Auffach Unterwegs im Trainingsrevier von Benedikt Böhm. Der Höhenmeterfresser begibt sich gern in das tourenzielreiche Gebiet der Kitzbühler Alpen, um sich für diverse Wettkämpfe vorzubereiten. Dabei bietet der Lämpersberg nur einen Gipfel einer lohnenswerten Triologie. Denn wer genügend Körner mitbringt, kann auch noch Kleines und Großes Beil besteigen. Zunächst geht‘s vom Parkplatz kurz vor der Schönangeralm rechts hinauf gen Baumgartenalm. Davor rechts über einen Gratrücken in flacheres Gelände, um zum Gipfelgrat des Lämpersberg zu gelangen. Wem das schon genügt, der nimmt nach der südseitig ausgerichteten Abfahrt den Weg zurück zur Schönangeralm. Gipfelsammler fellen nochmal an und schnappen sich auch noch die beiden anderen Erhebungen.

Halsl

1300 Höhenmeter Talort: Weerberg

Genußskitour in den Tu auch als idealer Ausgan im Osten der geschmeid Ausblicke auf den Olper 48 SKITOUR-MAGAZIN.DE


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Juifen

1150 Höhenmeter Talort: Achental

Der wuchtige, imposant wirkende Juifen bildet eine gelungene Alternative zur oftmals zahlreich frequentierten benachbarten Hochplatte. Doch auch er bietet einen großartigen Karwendelblick und eine lohnende, abwechslungsreiche Abfahrt. Vom Parkplatz am Gasthaus Tirolerland hinauf nach Tiefental und anschließend auf Forstwegen über die Waldgrenze zur Falkenmoosalm. Dann westlich durch eine Senke, wonach sich der Weg zum Juifen über die Großzemmalm und Lämpereralm auf den Gratrücken (Achtung Wechten!) zum Gipfel erstreckt.

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uxer Alpen. Am Gasthof Innerst startend ins Nurpenstal hinunter. Weiter in Richtung Weidener Hütte, die ngspunkt für diesen und andere Gipfel im Nafingtal dient. Die Nafingalm hinter uns lassend eröffnet sich dige Gipfelhang. In diesen spuren wir hinein und nähern uns vom Südostkamm dem Gipfel, der herrliche rer bietet. Nicht weniger eindrucksvoll ist die Abfahrt über den flowigen Gipfelhang. SKITOUR-MAGAZIN.DE 49


Touren Tirol -Top 10

Wannig 1450 Höhenmeter Talort: Biberwier

Großer Frühjahrsklassiker in der markantesten Erhebung im Westen der Mieminger Kette. Fantastische Tour, die nur bei absolut sicheren Verhältnissen möglich ist. Start ist an der Bergbahn in Biberwier, von wo wir die ersten Höhenmeter am Rand der Piste bewältigen. Auf ca. 1540 m folgt man der Abzweigung nach rechts in Richtung Sunnalm. Von dort gewinnt man nach Westen blickend einen ersten Eindruck von der Steilrinne, die es zu bewältigen gilt. Man steigt in der Folge im immer steiler werdenden Kar dem Gipfelaufbau entgegen. In gekonnter Spitzkehrentechnik spuren wir die letzten Höhenmeter den Wannig (2493) hinauf, wo wir mit einer grandiosen Rundumsicht belohnt werden. Und für alle, die es steil mögen, ist die anschließende Abfahrt durch die 40-Grad-Rinne Freude pur.

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Bliggspitze

1000 Höhenmeter Talort: Taschachhaus

Als angenehmer Ausgangspunkt für Unternehmungen in der Kaunergrat-Gruppe dient das Taschachhaus. Von dort locken in alle Richtungen Skitourenberge jenseits der 3000er-Marke. Eine abwechslungsreiche Variante mit einem grandiosen Finale bietet der Anstieg zur Bliggspitze. Von der Hütte zunächst leicht abwärts westlich zum Sexegertenbach. An einer Seitenmoräne entlang folgt man weiter nach Westen zu einem weiten Kar. Über ideale Skihänge steigt man nun nach Nordenosten bis unter die Bliggscharte. Steile Rinnen empor geht‘s in der Folge hinauf zum Grat und nach rechts zum Gipfel der Bliggspitze (3453). Für Wagemutige auch als satte Tagestour (1800 Hm) vom Tal möglich. SKITOUR-MAGAZIN.DE 51



Das große „Familien-Ding“ Pickel, Steigeisen und Karabiner: In der vierten Generation rüstet C.A.M.P. Bergsportler für die verschiedenen Spielarten des Alpinismus aus. Die italienischen Metallwaren für Fels und Eis sind leicht, haltbar und durchdacht. Wir waren zu Besuch.


HISTORIE Firmenchef Eddy Codega zeigt die Anfänge und Wurzeln der Traditionsschmiede in den Gängen der Firma.


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uf der Suche nach spezieller Ausrüstung für Skihochtouren stolpert man immer wieder über die Firma Camp. Einen Namen machte sich die italienische Schmiede für die Herstellung leichter Hardware für den Skitouren-Rennsport bis hin zu Expeditionen. Wir befinden uns auf dem Weg nach Premana, einem auf 1000 Meter hoch gelegenen 2300-Seelen-Ort in den Bergen der Lombardei, etwa 70 Kilometer nordöstlich von Mailand. Der Ort ist von allen Seiten nur über kurvenreiche Sträßchen zu erreichen. Es wirkt so, als wäre die Ortschaft abgeschnitten von der Außenwelt. Trubel sucht man hier vergebens. Das Bergdorf versteckt sich malerisch in einem Kessel aus Zweitausendern. Die Häuser reihen sich dicht gedrängt aneinander. Die breite Straße endet direkt vor der Pfarrkirche. Ab hier beginnen enge Gassen mit Kopfsteinpflaster. Sie lassen das typisch italienische Flair aufkommen. Nie-

Werksbesuch

mand würde auf den ersten Blick vermuten, dass sich hier eine weltweit agierende Bergsportfirma samt Produktionsstätten versteckt. In der vierten Generation wird das Familienunternehmen Camp inzwischen geführt, das bereits 1889 von Nicola Codega gegründet wurde. Sechs Brüder und Cousins teilen sich das Geschäft und leiten die Betriebe. Premana gilt als das Solingen Italiens. Und das nicht von ungefähr. Camp produziert jedes Jahr elf Millionen hochwertigster Scheren und Messer und exportiert diese in alle Welt. Ein weiteres Standbein sind geschmiedete Glocken für alle erdenklichen Einsatzbereiche. Das Erfolgsrezept: Camp schafft es, diese geschmiedeten Glocken industriell zu fertigen. 1920 hat Antonio Codega in der zweiten Generation angefangen, die ersten Bergsportartikel zu fertigen. Damals entstanden hier auch die ersten Karabiner.

TONNENWEISE STAHL In Premana dreht sich alles ums Metall. In den Lagern von Camp liegen Pickelschäfte als Meterware.

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Bei unserem Besuch empfängt uns Andrea Codega, ein groß gewachsener, drahtiger Mann. Er ist einer der sechs Inhaber der Firma und Leiter der Produktion. Er kommt gerade von einer 110 Kilometer langen Trainingsrunde mit dem Rennrad zurück und macht mit seinem frischen Gemüt nicht gerade den Eindruck, als wäre er heute überhaupt schon Rad gefahren. Andrea führt uns durch das kleine Camp-Museum mitten im Ort. Schnell sieht man, dass sich die Firma nicht nur mit Pickeln und Karabinern beschäftigt. Die Eisenverarbeitung ist das allgegenwärtige Handwerk in Premana, das immerhin 150 der weltweit 220 Camp-Mitarbeiter einen Job bietet. Insgesamt vier Familienunternehmen alleine in Premana beliefert Camp mit fertigen Teilen, die in den kleinen Unternehmen zusammengebaut werden. SCHEREN Noch heute liefert Camp mehrere Millionen Scheren jedes Jahr in alle Welt.

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Im Café und beim Bäcker im Ort merkt man, dass die Familie sehr angesehen ist und geschätzt wird. Die Firma pflegt eine sehr enge Beziehung zu den Bewohnern Premanas. „Aber auch zu anderen Dingen, die man eben nicht greifen kann“, erklärt Andrea. Die Leute hier im Dorf sind sehr stark zusammengewachsen. Freiwillig verlässt jemand Premana nur, wenn er schwerkrank ist oder zum Militärdienst eingezogen wird. Nach dem Museumsrundgang nehmen wir ein gemeinsames Essen ins Premanas einzigem Lokal ein. Neben einer überschaubaren Familienfeier und dem Stammtisch ist nicht viel los, wir gesellen uns zu den Einheimischen. Nun wird uns auch klar, warum wir in einer Unterkunft sechs Kilometer weit außerhalb wohnen. Es gibt einfach keine Übernachtungsmöglichkeiten und Lokale in Premana. Andrea bestellt für uns Pizzoccheri.


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Werksbesuch

MADE OF STEEL Oben: Halbfertige Rohlinge für Steigeisen und Pickel Unten: Qualitätskontrolle in einem ausgelagerten Familienbetrieb

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MAXIMALBELASTUNG An den hauseigenen Prüfständen werden Karabiner und andere genormte Teile harten Prüfungen unterzogen.


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VORSICHT HEIß Unter dem Label „Varrone Premana“ werden geschmiedete Glocken vertrieben.

Das sind Nudeln mit Spinat, Käse und Kartoffeln. Üppige Hausmannskost in bewährter Tradition, das was körperlich arbeitende Handwerker eben brauchen. Am nächsten Tag empfängt uns Eddy Codega. Er ist der Präsident von Camp und leitet das internationale Geschäft. Eddy erklärt uns, wie es zur Schwesterfirma Cassin gekommen ist. Ricardo Cassin war einst ein hervorragender Kletterer, der von Antonio Codega (geb. 1899) mit den ersten Nägeln und anderer mittlerweile angestaubter Kletter-Hardware ausgestattet wurde. In den 30er- und 40er-Jahren waren Antonio und Ricardo viel zusammen unterwegs und entwickelten spezielle Teile fürs Klettern. Cassin produzierte irgendwann jedoch

Werksbesuch

STEIGEISEN-BOARD In einer Produktion werden immer mehrere Modelle nebeneinander gefertigt.

alleine. Als 1990 Camp die Firma Cassin aufkaufte, war die einzige Bedingung, dass alle Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden müssen. Somit übernahm Codega die Firma seines Freundes und der Name blieb erhalten. Wir verlassen die Camp-Zentrale und schauen uns zwei Betriebe an, die Kleinteile für Camp fertigen und zusammenschrauben. Dort wird klar, warum Camp fast ausschließlich in Premana produziert anstatt die Herstellung nach Fernost auszulagern. Die kurzen Wege zu den Familienbetrieben vor Ort sichern wertvolle Zeit. Nur so kann Camp seine Qualität mit niedrigsten Fertigungstoleranzen garantieren und die Kunden mit hoher Qualität befriedigen. SKITOUR-MAGAZIN.DE 59


Ausprobiert 4.16

stiefel// Dynafit.TLT7_Expedition_CL Infos: www.dynafit.com Peis: 600 EUR

AU PRO BIE

Diätplan umgesetzt Die Ingenieure von Dynafit haben mit dem TLT 7 dem Vorgängermodell eine Rundumdiät verschrieben. Was die bewährten 6er-Modelle so erfolgreich macht, wurde gnadenlos weiter abgespeckt und optimiert. Herausgekommen ist ein 50 Gramm leichterer Stiefel, der im Handling drastisch verbessert wurde. Beide Schnallen können nun gleichzeitig mit einer Hand für die Abfahrt fixiert werden. Im Aufsieg lässt sich aber dennoch die obere Schaftschnalle unabhängig von der unteren öffnen. Die Hebel wurden nochmals optimiert, um kraftschonend zu schließen. Der Dorn an der oberen Schnalle, zur Fixierung für die Abfahrt, versteckt sich nun bereits im Aufstiegsmodus, ohne Löcher in die Tourenhosen zu stanzen. Optisch wurde die vordere Lippe am Stiefel eingespart, tatsächlich wandern aber die Inserts weiter unter den Fuß, um den Drehpunkt weiter zu verbessern. An den Inserts wurde auch etwas gefeilt, der Einstieg soll nun noch geschmeidiger klappen. Wir hatten allerdings bisher auch keine Probleme. Die neuen Boots wird es auch wieder in einer etwas steiferen Performance-Variante geben. Fazit: Großartige Weiterentwicklung, die nicht nur an einem Detail umgesetzt wurde. Mit dem TLT 7 wurde die Messlatte für leichte Zweischnaller ein gutes Stück weiter nach oben gehoben. Unsere Bewertung: 60 SKITOUR-MAGAZIN.DE


US O ERT

ski// G3.FINDr_94 Infos: www.genuineguidegear.com Peis: 749,00 EUR

Mit dem FINDr-Trio ist den Kanadiern ein großer Wurf gelungen. Wir hatten das Modell mit 94 mm Mittelbreite, der hauseigenen Ion 12-Bindung und den neuen Scala-Fellen auf der Hoch-Tirol dabei. Der Carbon-verstärkte Ski mit PUSeitenwangen und Paulownia-Holzkern bringt in 1,77 Meter Länge nur 1484 Gramm (126/94/113 mm) auf die Waage. Die abgespeckte 3D-Oberfläche mit rauer Nylon-Oberfläche ist sehr robust. Auch der Belag zeigte sich äußerst langlebig bei unserem Test in verschiedensten Schneebedingungen und über mehr als 20.000 Aufstiegs- und Abfahrtshöhenmeter. Besonders sticht jedoch heraus, wie gutmütig sich der FINDr in allen Schneearten fahren lässt. Im tiefen Pulver sorgt der ausgeprägte Tip-Rocker für genügend Auftrieb, in steilen Querungen bringt man trotz der breiten Schaufel noch viel Druck auf die Kante. Der G3 liegt auch bei höheren Geschwindigkeiten und auf harter Piste ruhig. Doch pudelwohl fühlt sich der Supersportler im Gelände und bei sportlicher Fahrweise. Fazit: Der FINDr von G3 zählt mit seiner gutmütigen Fahrweise und seiner robusten Leichtbau-Konstruktion zu den besten Allroundern am Markt!

Unsere Bewertung: SKITOUR-MAGAZIN.DE 61

Foto: Baschi Bender

Supersportler


Ausprobiert 4.16

jacke// Sweet Protection.Nutshell Jacket Infos: www.sweetprotection.com Peis: 229,00 EUR

Einheizer Die Norweger von Sweet Protection versprechen mit der Nutshell Jacket, auch in schwindelerregenden Höhen den Körper warm zu halten. Das konnten wir in unserem Test auch bestätigen. Das klappt dank der Primaloft Gold Isolation. Trotz fehlender Daunefüllung war der Tragekomfort sehr angenehm. Mit zwei großen Außentaschen und einer innenliegenden Verstaumöglichkeit lassen sich auch große Teile wie Felle locker unterbringen. Eine gut zu bedienende Kapuze bewahrt bei stürmischem Wetter den Kopf vorm Auskühlen. Unter den Armen sind Stretch-Einsätze platziert, die die Bewegungsfreiheit verbessern. Die Passform der Nutshell ist Geschmackssache. Wer auf eng anliegende Jacken abfährt, wird hier nicht fündig. Leute mit langem Oberkörper werden mit der tiefgezogenen Jacke aber ihre Freude haben. Fazit: Eine warme Jacke für kalte Gipfelgrate mit großem Stauraum. An der Passform kann noch gefeilt werden.

Unsere Bewertung: 62 SKITOUR-MAGAZIN.DE


Photo © www.kalice.fr

NAO® + Mobile Beleuchtung 2.0: vernetzen, personalisieren, starten! Vernetzbare, intelligente und aufladbare Stirnlampe. Dank der MyPetzl Light*-App kann die verbliebene Leuchtdauer der NAO + in Echtzeit per Handy angezeigt, verschiedene Beleuchtungsprofile aktiviert und die Leuchtkraft angepasst werden. Mit REACTIVE LIGHTING und Bluetooth Smart Technologie zur Optimierung des Akku-Verbrauchs. Rotes Signallicht an der Rückseite, um die Position des Benutzers anzuzeigen. 750 Lumen. www.petzl.com *

(Die NAO + ist natürlich auch ohne App nutzbar.)


vorschau.skitour-magazin // 1.17 # ab Februar

Kids on Tour Den Nachwuchs langsam an Skitourengehen heranführen. Aber wie und womit? Wir zeigen, welche Ausrüstung für die Kleinen Sinn macht und was der Markt hergibt. Denn mit dem richtigen Equipment haben die Kinder im Schnee doppelt Spaß und begleiten Sie immer wieder gerne. Foto: Hagan

ISPO: News & Neuheiten

Foto: ISPO

Test Lawinenschaufeln Wer im Ernstfall den besten Kumpel ausbuddelt, muss schnell sein. Eine gute Lawinenschaufel kann wertvolle Minuten bringen. Wir testen das Handling und die Robustheit beliebter Modelle.

Jährlich grüßt die größte Sportartikelmesse der Welt. Wir durchforsten die ISPO-Hallen nach pfiffigen Produkten für Skitourengeher und präsentieren die heißesten Neuheiten für den Winter 2017/18.

Impressum #32 Ausgabe 4.16 - Dezember 2016 Skitour-Magazin Kellnauweg 7 a 93326 Abensberg Erscheinungsweise Das Skitour-Magazin erscheint während der Tourensaison alle vier bis sechs Wochen, kostenfrei, mindestens vier Mal pro Saison. Redaktion Andreas Poschenrieder a.poschenrieder@skitour-magazin.de +49 (0) 174 - 3220675 Stefan Loibl s.loibl@skitour-magazin.de Skitour-Magazin im Web http://skitour-magazin.de http://skitour-magazin.com www.twitter.com/Skitour_Magazin www.facebook.com/skitourmagazin Fotos Namentlich nicht aufgeführte Fotos wurden vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt Mitwirkende dieser Ausgabe Stefan Loibl Andreas Poschenrieder Thomas Meier Dominik Huber

Die gesamten Inhalte der Website „Skitour-Magazin” sind als Eigentum von Andreas Poschenrieder urheberrechtlich geschützt. In diesen Schutzbereich fallen insbesondere auch die Einspeisung der Daten in andere elektronische Systeme, andere Medien oder InternetDomains. Die in diesem Internetangebot benützten Fotos und Grafiken unterliegen dem Copyright des SkitourMagazins. Alle Rechte sind vorbehalten. Alle auf dieser Website intergrierten “Links” zu externen Internetangeboten stellen eine reine Serviceleistung dar. Dabei wird weder für den Inhalt, noch über die tatsächliche technische Erreichbarkeit die Verantwortung übernommen. Man beachte den Disclaimer des jeweiligen Anbieters.


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