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es ertragen.“
Stoiker gebührt, und so hat der Philosoph noch ausgiebig Gelegenheit zur Selbstbetrachtung: Wer ist er? Ein Opportunist, Heuchler, Kollaborateur? Oder der moralisch aufrechte, weise Mensch, als der er sich selbst am liebsten sieht?
Stoisch Niedriger Blutdruck
Wenn Robert Schwentke (Der Hauptmann) ins alte Rom führt, macht er das mit einer wahnwitzigen Satire. Mal feilen der verwöhnte Fratz Nero (feist glänzend: Tom Xander) und Seneca auf groteske Weise an Reden, mal konfrontiert Seneca seine aristokratischen Freunde mit Theateraufführungen, die heute nun wirklich nicht mehr gehen würden. In Szenerien, die überhaupt schön theatral sind und Verfremdungseffekte lieben, gibt John Malkovich den Schwätzer, der von der Aristokratie umschwänzelt, aber auch verlacht wird: „Der stoische Prediger des einfachen Lebens, der stinkreich geworden ist als Neros Ghostwriter“, kommentiert Geraldine Chaplin als Vertraute hämisch – zu einem Zeitpunkt, an dem Seneca schon fast damit beschäftigt ist, sein Erbe in Stein zu meißeln. Denn Nero nutzt einen vereitelten Anschlag auf sein Leben, um Seneca loszuwerden, indem er ihn böswillig als Mittäter anklagt. Er lässt Seneca die Aufforderung überbringen, sich selbst zu töten. Seneca nimmt dieses Schicksal an; sein Körper aber hat es gar nicht so eilig zu sterben: Er hat eben den Blutdruck, der einem
„Der Tod und der Selbstmord waren für die antiken Philosophen eine Bestätigung ihres Lebens: Ihre Lehren mussten sich im Tod erfüllen. Er galt als Signifikant des Charakters. Es hat mich interessiert, dass dieser Wunsch bei Seneca missglückt ist. Er konnte seine eigenen Lehren nicht mit seinem Ableben beglaubigen“, so Regisseur Schwentke, der zeigt, wie der Philosoph, der predigte, das Sterben anzunehmen, kurz vor dem Tod von der gesamten Gefühlspalette überrollt wird. Eine Spielwiese, die John Malkovich gern annimmt. #senecafilm
SENECA – ODER: ÜBER DIE GEBURT VON ERDBEBEN KINOSTART 06.04., D/MAR 2023, REGIE Robert Schwentke, MIT John Malkovich, Geraldine Chaplin, Tom Xander, Lilith Stangenberg, Alexander Fehling, FILMLÄNGE 112 Min., © Filmladen