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Viel Licht, viel Schatten
Sam Mendes sorgt mit „Empire of Light“ für eine berührende Begegnung zwischen Olivia Colman und Micheal Ward.
Wenn Norman (Toby Jones) den Projektor in der vorgesehenen Geschwindigkeit – 24 Frames pro Sekunde – laufen lässt, dann sehen wir die Dunkelheit nicht: Das Schwarz zwischen den Frames auf der Filmrolle verschwindet, schwärmt er. Nur das Licht kommt zur Geltung – und all die Magie, die das Kino hervorzubringen vermag. In Sam Mendes’ neuer Arbeit ist das Lichtspielhaus nicht nur der Ort des Geschehens, sondern auch der Ort, den die Angestellten, die sich hier tummeln, bitter nötig haben. Einsame und Outlaws arbeiten hier – wie Filmvorführer Norman, der den neuen Kartenabreißer (Micheal Ward, z.B. in Lovers Rock aus Steve McQueens Small Axe-Filmreihe) in seine Kammer vorlässt, welche richtiggehend tapeziert ist mit Bildern von Filmgrößen. Sie brauchen diesen Ort, der das Dunkle ausblendet: Nicht nur als Eskapismus, den das Kino o eriert (das Publikum in immer neue Welten zu schicken und eineinhalb Stunden lang die Welt da draußen vergessen zu lassen), son- dern auch als realen Hafen, in dem sie andocken können: Das „Empire“ ist ihr Zuhause, hier gehören sie hin, hier kann ihnen nichts passieren, hier passt ihre gefundene Wahlfamilie auf sie auf. Zumindest, wenn man dem Geschä sführer (Colin Firth) aus dem Weg geht.
WAHLFAMILIEN
„Im Kern handelt der Film von den ‚Familien‘, die wir uns erscha en, um durchs Leben zu kommen –und was Menschen dazu be ügelt, aufeinander aufzupassen, sich für Güte zu entscheiden, für Mitgefühl und Empathie“, so Sam Mendes über seine jüngste Arbeit, bei der er nicht nur als Regisseur tätig war, sondern auch als Produzent und Drehbuch- autor. „Ich denke, daran sollte man sich erinnern in dieser neuen Welt, in der wir uns gerade wieder nden.“
Er interessiert sich in der bunt zusammengewürfelten Truppe besonders für Hilary: Nach längerer Abwesenheit ist sie ins „Empire“ zurückgekehrt. Sie geht routiniert, aber auch wie abwesend – wattiert – ihrer Arbeit nach. Als der neue Mitarbeiter Stephen im schon in die Jahre gekommenen Filmpalast aufschlägt, kommt Bewegung in die gewohnte Atmosphäre: Sein Au auchen holt Hilary aus ihrer Passivität. Sie wird wieder fühlen, manchmal auch zu viel. Der san e Stephen, dem aufgrund seiner Hautfarbe das Leben in der kleinen Küstenstadt schwer gemacht wird und der dadurch immer auf der Hut sein muss (wartet doch um jede Ecke ein Skinhead), ndet bei ihr Halt. Bis die Wirklichkeit wieder anklop – und das tut sie auf gnadenlose Weise.
LOST SOULS, LOST PLACES
Die ungeahnte Paarung ist das Herz von Mendes’ Film. Olivia Colman ( e Favourite, e Crown) spielt ihre Hilary, eine verlorene Seele, mit großer Intensität. Mendes hat das Drehbuch mit Colman im Kopf geschrieben. Der junge und äußerst charismatische Micheal Ward steht ihr aber (als Stephen) mit seiner
Darstellung in nichts nach. Ihre Figuren werden einander auf berührende Art den Rücken stärken.
Sam Mendes (American Beauty, Zeiten des Aufruhrs, James Bond 007: Skyfall, 1971) inszeniert das Aufeinandertre en der beiden mit berührender Zartheit, taucht sie üppig in Licht. Licht brauchen sie auch: Sie leben in den 1980erJahren in Großbritannien, also inmitten politischer Unruhen und atchers Kälte.
Der Ort des Geschehens, das „Empire“, ist äußerst fotogen: Der Filmpalaast, der in einer englischen Küstenstadt direkt am Meer liegt, hat seine besten Jahre längst hinter sich; Teile von ihm sind zum „lost place“ verkommen, zum versteckt gehaltenen Taubenschlag, in denen das Potenzial des Hauses selbst im Maroden deutlich zur Geltung kommt. Räume voller Zauber und Möglichkeiten, die den Geist anregen. Glanz und Dunkles liegen in diesem Film eng beieinander … #empireo ight
EMPIRE OF LIGHT KINOSTART 20.04., USA 2022, REGIE Sam Mendes, MIT Olivia Colman, Micheal Ward, Colin Firth, Toby Jones, Tom Brooke, FILMLÄNGE 115 Min., © The Walt Disney Company
Where Life Begins
Eine junge ultraorthodoxe Frau kommt mit ihrer Familie wie jedes Jahr auf ein Landgut in Kalabrien. Durch die Begegnung mit dem Gutsbesitzer merkt sie, wie sehr sie unter familiärer und religiöser Einengungen leidet.
R: Stéphane Freiss, F/IT 2022 Spielfilm, 99 min, ital/fr/engl mit engl. UT
Sa, 22.04., 19:15
Village Cinemas
Wien Mitte
Let it be morning
Ein Film über innere und äußere Belagerungszustände – im Mittelpunkt steht ein Mann, der eine Mauer um sein Herz gebaut hat, die auseinanderzubrechen beginnt, als eine physische Mauer um sein Heimatdorf errichtet wird.
R: Eran Kolirin, IL /F 2021 Spielfilm, 101 min., arab./hebr. OF m. engl. UT
So, 30.04., 17:45
Metro Kinokulturhaus
Historischer Saal
Sa, 22.04., 17:00 Village Cinemas
So, 30.04., 20:00 Village Cinemas Wien Mitte UMGANGS TON