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Gestrandet im Leben

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DAS 95. DOT.

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Life ain’t a beach, wie Brendan Fraser als 270-Kilo-Mann Oscar-gekrönt demonstriert: „The Whale“.

ZAHLEN, UM DEN FREAK ZU SEHEN

UMGANGS

Darren did it again. Wer sich noch an Mickey Rourkes legendäres Comeback in Darren Aronofskys The Wrestler (2008) erinnern kann, das Rourke damals seine erste Oscar-Nominierung einbrachte, wird sich nicht gewundert haben, als Brendan Fraser vor einigen Wochen den „Academy Award“ als bester Hauptdarsteller in Aronofskys neuem Film The Whale mit nach Hause nehmen durfte. Vom Die Mumie-Star der 1990er- und frühen 2000er-Jahre hatte man schon länger nichts Relevantes mehr gehört, bis er nun eben als 270-Kilo-Mann auf die Leinwand krachte.

Fraser spielt den lebensbedrohlich übergewichtigen Charlie, der vor vielen Jahren seine Frau (Samantha Morton, Cosmopolis, She Said) und die mittlerweile 17-jährige Tochter Ellie (Sadie Sink, Stranger Things) verlassen hat, um mit einem Mann zusammenzusein, der jedoch kurz danach starb. Charlie fiel daraufhin in ein unendliches Tief, entwickelte eine Ess- und Aggressionsstörung und vereinsamte immer mehr.

Selbstzerstörung und Abwärtsspiralen, spätestens seit Requiem For A Dream (2000) Spezialgebiete von Aronofsky, sind auch in The Whale die treibenden Kräfte, gegen die Charlie in einem letzten Akt der Liebe zu seiner Tochter sein Leben aufzuräumen versucht.

Das ist leichter gedacht als getan, denn schon ein hinuntergefallener Schlüssel stellt Charlie vor schier unlösbare Probleme. Als Literaturprofessor hält er zwar noch Online-Kurse ab, lügt seine Studenten aber seit Jahren an, die Webcam sei kaputt, weil er sich nicht mehr zeigen will. Fast täglich schaut Charlies gute Freundin und Krankenschwester Liz (Hong Chau, Downsizing, Driveways) bei ihm zu Hause nach dem Rechten. Doch darüber hinaus besteht sein einziger zwischenmenschlicher, aber auch rein verbaler Kontakt mit dem Pizzalieferanten.

Klar: Aronofsky weiß, dass die Leute auch ein Kinoticket kaufen, „um den Freak zu sehen“ und hat keine Scheu, Fraser in seinem Fat-Suit (ein Oscar ging auch an die Maske) alles machen zu lassen, was man in einer 300-Kilo-FreakShow erwarten würde. Aber: Fraser reichert Charlie mit derart viel Charakter, Persönlichkeit, Empathie, Stolz, Humor, Klugheit und vor allem Würde an, dass am Ende nur jene exponiert werden, die ihn verständnislos begaffen.

Sehr werktreu am 2012 erschienenen Theaterstück von Samuel D. Hunter orientiert, inszeniert Aronofsky den zwischen Kampfgeist und Lethargie hin- und hergerissenen Charlie in engem, kammerspielartigem 4:3-Format, das sich auch visuell derart um ihn legt, dass man die körperliche Bewegungseinschränkung wie auch Charlies psychischen Druck regelrecht zu spüren meint. Es ist auch ein emotionaler Kraftakt, sich seiner Tochter wieder anzunähern, freilich nicht nur für ihn. Kraft, die sich auszahlt und Nähe, die sich lohnt.

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