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Werteverlust nach Stundenplan

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DAS 95. DOT.

DAS 95. DOT.

In der Schule verschwindet immer mal wieder Geld, die schulinternen Ermittlungen sind irritierend für den Neuzugang im Kollegium: Die Mathematikund Sportlehrerin Carla Nowak (Leonie Benesch, Babylon Berlin, Das weisse Band), die neu im Schulbetrieb angekommen ist, versucht immer wieder dazwischenzugehen, wenn Kollegen wie Thomas Liebenwerda (Michael Klammer) Kinder dazu drängen wollen, Mitschüler zu verraten oder mit Suggestivfragen zu Aussagen zu verleiten. So wird schnell ein türkischer Junge verdächtigt, Ali. Erst nachdem seine Eltern in die Schule zitiert wurden, sickert langsam durch, dass er unschuldig ist. Man kann sagen: Die Stimmung ist vergiftet. Dem versucht Carla mit ihrem Wertesystem entgegenzutreten. Gleichzeitig hat sie ein wachsames Auge –vor allem eins mit technischer

Unterstützung: Ihre Laptopkamera hält im Lehrerzimmer –nicht ganz legal – fest, wer sich an ihrem Platz zu schaffen macht, und schon ist durch ein Blusenmuster die mutmaßliche Täterin identifiziert. Als diese, die noch dazu die Mutter von Carlas Schüler Oskar (Michael Klammers Sohn Leo Stettnisch) ist, mit dem Diebstahl konfrontiert wird, setzt sich eine Spirale der Eskalation in Gang: Carla, die mit gut gemeintem Idealismus zur Tat schritt, kann nur hilflos zusehen, wie alles aus dem Ruder läuft –und wie die Blicke der Kollegen, Eltern und Schüler, die auf ihr ruhen, immer irritierter werden.

Ein Komplexes System

İlker Çatak (Es gilt das gesprochene Wort) blickt mit seinem eindringlichen Film in den für Schüler unzugänglichen Ort: das Lehrerzimmer, in dem die Positionierung und die Alltagsprobleme der Institution ausgefochten werden. Hier versucht sich eine junge Lehrerin richtig zu verhalten, macht dabei auch Fehler und scheitert an den komplexen Systemen einer Institution wie der Schule. Schule als gesellschaftlicher Mikrokosmos, wo Machtverhältnisse wirken und wo Themen wie Vorurteile und Klassismus diskutiert werden können. Die Unschuld von Ali ist längst nicht für alle klar. Das setzt Carla, deren Eltern aus Polen stammen, zu. Leonie Benesch trägt den sich auf beklemmende Weise zuspitzenden Film, der das Schulgelände nie verlässt. Der Druck auf ihre Figur wird groß: Carla steht immer mehr allein da – ausgestellt, isoliert; Benesch spielt wundervoll nuanciert. #daslehrerzimmer

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