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Die Geschichte einer Kindheit

Die Geschichte einer Kindheit Ursula Strauss

Sie war in den vergangenen 20 Jahren in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen zu sehen; neben fünf Romys wurde sie drei Mal mit dem Preis der Diagonale, dem Österreichischen Filmpreis und mit dem Fipa d’Or of the Festival International de Programmes Audiovisuels als beste weibliche Darstellerin ausgezeichnet. Ihre bekannteste Rolle, in der sie vermutlich dem gesamten heimischen TV-Publikum ein Begriff ist, ist die der Chefinspektorin Angelika Schnell. Mit Tipi plaudert sie über ihre Kindheit. von peter zirbs

Tipi: Deine ersten Erinnerungen?

Ursula Strauss: Ein riesiger Kochlöffel Marmelade, den ich in der Sonne vor dem Haus als zweijähriges Nackerbatzl abschlecken darf. Spiele im Garten mit meinen Brüdern oder mit den anderen Kindern der Siedlung; das Wohnzimmer, das noch nicht ganz eingeräumt und dadurch noch ein bisschen ungemütlich, aber schon mit einem Schwarz-Weiß-Fernseher ausgerüstet ist. Und ich erinnere mich ans im Gras liegen und in die Wolken schauen, die sich vor meinen Augen langsam veränderten und zum Leben erwachten.

Wo und wie bist du aufgewachsen?

In der Blumensiedlung in Pöchlarn im Bezirk Melk in Niederösterreich im Kreis einer großen Familie mit drei älteren Brüdern. Mein ältester Bruder war 14 Jahre älter als ich und ist relativ bald ausgezogen. Aufgewachsen bin ich in großer Freiheit, die nur durch die Siedlung begrenzt wurde. Wir haben in den Gärten der anderen gespielt, zum Beispiel „Räuber und Gendarm“ oder an der Erlauf; hatten ein Lager mit Kühlschrank, das dann irgendwann dem Ausbau der Bahnstrecke weichen musste. Zur Abendessenszeit hat man aus den verschiedenen Häusern Eltern die Namen der Kinder rufen gehört. Wir waren frei in dieser Zeit und konnten bis an die Grenzen der Siedlung unsere eigenen Wege beschreiten, nicht ständig von den Eltern beobachtet und irgendwie doch beschützt.

Wie war deine Kindergartenzeit?

Kindergarten mochte ich gerne. Ich kann mich an viele schöne Momente erinnern. Ich mochte das Turnen im Bewegungsraum. Natürlich hat mir auch das Basteln und Singen und jede Form von kreativer Auseinandersetzung gefallen. Ein wichtiger Ort war die heißbegehrte Puppenecke. Ich habe die Zeit mit den anderen Kindern genossen. Ich erinnere mich aber natürlich auch an Unangenehmes: ans in die Hose machen, weil wir im Kreis gesessen und gesungen haben und ich mich nicht getraut habe zu fragen, ob ich auf die Toilette darf. An diese Scham und das Gefühl der nassen Hose erinnere ich mich noch sehr genau.

Dann hat die Volksschule begonnen.

Ich kann mich erinnern, wie froh ich war, dass meine Mama da war und dass auch noch einige Freundinnen aus dem Kindergarten mit mir in dieselbe Klasse kamen. Dadurch fühlte sich dieser Schritt nicht ganz so fremd an. Ich bin eigentlich sehr gern in die Schule gegangen, nur Mathematik hab ich nicht gemocht. Was ich mochte, waren die alljährlich selben Vorgänge im Laufe eines Schuljahrs; die Traditionen und Bräuche, die einen in so einem Schuljahr begleiten. Unsere Klassenlehrerin mochte ich auch gerne, sie war nett zu uns und trotzdem hat sie klar Grenzen aufgezeigt. Ich erinnere mich, dass wir einmal für kurze Zeit eine Ersatzlehrerin hatten, die extrem streng war – umso lieber mochten wir unsere Frau Lehrerin, als sie endlich wieder gesund war. An was ich mich noch erinnere: Eine in der Klasse war ein bisschen dicker und wurde ein wenig gemobbt; ich kann mich nicht genau erinnern, aber ich glaube es war nicht ganz so arg, aber für sie war es sicher furchtbar, und im Nachhinein geniere ich mich dafür. Ich habe nämlich auch mitgelacht, wenn jemand einen blöden Witz gemacht hat. Ich hatte damals schon das Bewusstsein von richtig und falsch im Umgang mit dem Ausgrenzen von anderen, aber aus Angst vor dem eigenen Verstoßenwerden nicht immer den Mut, mich schützend vor sie zu stellen. Gemocht habe ich mich dafür aber nicht.

Dann kamst du ins Gymnasium?

In – so könnte man sagen – unser Familiengymnasium Stift Melk, in das auch meine Brüder und nach mir meine Nichten und Neffen gegangen sind. Ich und mein jüngster Neffe waren die einzigen „Ausscherer“; wir haben beide nach der vierten Klasse gewechselt: Ich bin nach Amstetten, um dort die Kindergärtnerinnenschule zu besuchen. Ich wollte in der Zeit der Pubertät wirklich weg aus Melk, aus dem Gymnasium. Die Zeit damals war nicht unanstrengend. Zwar waren wir auch dort wieder eine sehr homogene Klasse, aber das Klima war dann schon rauer. Es gab einen Burschen in meiner Klasse, der mich gedisst hat, weil ich schlecht in Mathe war. Wenn ich ganz ehrlich bin, trage ich ihm das heute noch ein bisschen nach. Namen werde ich keinen nennen; falls er das liest, wird er wissen, dass er gemeint ist – das reicht. Für mich war die Pubertät eine der anstrengendsten Zeiten, die ich je erlebt

Ihre frühe Kindheit hat Ursula Strauss in der Blumensiedlung in Pöchlarn in Niederösterreich verbracht: Mit viel Freiheit, den Nachbarskindern und ihren drei älteren Brüdern.

Interview

» Es gab einen in meiner Klasse, der hat mich immer gedisst, weil ich schlecht in Mathe war. Das habe ich ihm bis heute nicht verziehen. «

Ursula Strauss

habe. Es ist nicht leicht zu verstehen, was sich da so alles abspielt in einem Menschenkörper: dieser Wechsel vom Kindsein zum Nicht-mehr-ganz-Kind-sein, vom Mädchen zur jungen Frau – und dieses Sich-nicht-auskennen, das Noch-nicht-verortet-sein in dieser Welt. Ich habe auf diese Phase mit totaler Überforderung und auch Aufgabe reagiert. Habe im Unterricht teilweise keine Hefte mehr geführt. Ich wollte nur weg; mich aufl ösen, verschwinden. Das war wirklich keine leichte Zeit, und mein Körper beziehungsweise meine Seele hat irgendwann aufgeschrien, und ich hatte Probleme mit einigen psychosomatischen Symptomen. Und das hatte auch mit den Konstellationen an Freundinnen zu tun: Das Herz kann nicht verstehen, warum sich die beste Freundin von einem auf den anderen Tag plötzlich wegsetzt und nicht mehr mit dir redet. Liebes- und Aufmerksamkeitsentzug … Und man versteht gar nicht, was eigentlich los ist und warum man jetzt diese Liebe und Innigkeit verloren hat. Ausgrenzung tut wirklich sehr weh. Irgendwann wollte ich dort einfach nur weg, mich irgendwie neu erfi nden.

Lag das am religiösen Hintergrund?

Eigentlich gar nicht. Ich habe dort zum Beispiel gelernt, dass eine Beichte, wenn man sie im Kern versteht, einfach ein gutes Gespräch in einem sicheren Rahmen sein kann, helfen kann, mit Problemen umzugehen – wie ein therapeutisches Gespräch, eine erwachsenere Form der Auseinandersetzung. Dafür werde ich Pater Christian immer dankbar sein, dass er im richtigen Moment da war und zugehört hat. In der Volksschule hatte ich noch darunter gelitten, dass man beichten gehen muss – und hab mir Sünden aus den Fingern gesaugt. Ich habe mich im Stiftsgymnasium prinzipiell sehr wohlgefühlt: Die Patres haben ein großes Verständnis für uns Jugendliche gehabt. Das Stiftsgymnasium ist auch immer ein Ort der Kreativität gewesen. Es gab Musical-Au ührungen, die richtig groß und toll gemacht waren. Und ich habe selten eine schönere Schule gesehen. Die Schule, die ich danach besucht habe, war interessanter, was das Frausein und den Katholizismus anbelangt …

Welche Schule war das?

Die Franziskanerinnen. Ich bin vom Benediktinerkloster ins Franziskanerinnenkloster gekommen. Das war dann doch ein klein bisschen anders. Die Nonnen waren rigider im Umgang mit der Ausübung ihrer katholischen Pfl icht und ihres Glaubens. Zu beobachten, mit welcher Strenge sie innerhalb dieses Systems mit sich selbst umgehen, das hat mich schon sehr beschäftigt.

Du warst dort im Internat ...

Ja, und das war auch ganz gut für mich. Damals wollte ich nicht nur weg aus dem Gymnasium, sondern auch weg von daheim. Ich hatte das Gefühl, durch Abstand von allem, was mir vertraut war, mehr zu mir selbst zu kommen, und das hat auch gut geklappt. Wenn man sich den Raum für sich selbst neu erarbeitet, weiß man auch wieder, was man an Zu Hause hat. Dahin bin ich dann nach zwei Jahren Internat auch wieder zurückgekehrt.

Wann hast du bemerkt, dass du gerne ein Publikum hast?

Das war schon ziemlich früh klar: Bei den Pfadfi ndern oder bei der Jungschar, im Kirchenchor mit meiner Mama; ich habe schon immer gern gesungen – ich hab alle Organisationen genutzt, die man so am Land in der Zeit, in der ich aufgewachsen bin, zur Verfügung hatte. So viel Förderung wie heute gab es damals ja nicht. Jedenfalls war ich mit Leidenschaft bei allem dabei, wo es etwas zu spielen gab; spielte Sketche im Fasching oder sang bei Feiern, für die es viele Anlässe gab. Beim Erarbeiten von Szenen aus Reclam-Heften im Deutschunterricht hatte ich auch nie Angst, mich zu melden.

Vom goldigen Geburtstagswonneproppen zur jungen Frau, die schon früh das Schauspielen für sich entdeckt hat: An Ursuslas Berufswunsch haben weder Benediktiner noch Franziskanerinnen etwas ändern können – ihn im Gegenteil vielleicht sogar bekräftigt.

Die Ausbildung zur Kindergärtnerin hast du aber abgeschlossen?

Ich habe die fünf Jahre in der Bakipäd mit Matura abgeschlossen, habe dann aber gleich im Herbst darauf die Aufnahmsprüfung für die Schauspielschule gemacht – und wurde aufgenommen.

Wann war klar, das du Schauspielerin wirst? Wie hat dein Zuhause reagiert?

Ich hab es mich zuerst gar nicht aussprechen getraut. Aber eigentlich war es schon immer mein Wunsch. Ich bin vor dem Spiegel gestanden und habe versucht, Audrey Hepburn oder Romy Schneider nachzuahmen, wie sie von einer Emotion zur nächsten wechseln, wie sich die Mimik verändert als Ausdruck des inneren Zustands. Den Gedanken an diesen außergewöhnlichen Beruf habe ich dann aber vergraben. Irgendwann, so mit 13, als ich in der Früh am warmen Heizradiator – meine erste Anlaufstelle nach dem warmen Bett! – in der Küche meiner Eltern gesessen bin, habe ich darüber

nachgedacht, wie das nun so weitergeht und was ich in meinem Leben machen will. Da habe ich mir gedacht: Schauspielerin ist illusorisch; wer bin ich denn schon? Also Kindergärtnerin – weil ich mich schon immer gern mit Kindern beschäftigt habe. Der Entschluss war rasch gefasst, und ich hab den Wunsch nach der Schauspielerei weggeschoben und verdrängt. Also habe ich mich auf die Ausbildung konzentriert, aber mit ungefähr 17 habe ich gemerkt, dass sich eine gewisse Unzufriedenheit in mir breitmacht. Einerseits habe ich mit zunehmender Praxis-erfahrung bemerkt, dass mich die Größe der Verantwortung, die man für diese kleinen Menschen hat, und die Tatsache, dass man sie im besten Fall nur begleiten, ihnen aber ihr Schicksal nicht abnehmen kann, zu sehr belastet. Andererseits haben wir etwa zeitgleich zu dieser au ommenden Unsicherheit im Deutschunterricht ein seltsames Spiel gespielt: Fünf Schülerinnen – darunter ich – saßen in einem fi ktiven Heißluftballon, und man musste die jeweils anderen davon überzeugen, dass man selbst den wichtigsten Beruf hat und die anderen vier aus dem Ballon springen müssen, weil sonst keiner überlebt. Ich habe als Berufsangabe aus irgendeinem Grund „Pfarrer“ gewählt – und hab tatsächlich gewonnen. Und warum? Weil ich einfach durchgeredet und improvisiert habe. Dass ich den Mut zum Reden hatte, war immer schon ein Vorteil. Bei mündlichen Prüfungen zum Beispiel, einfach viel reden, dann fällt es nicht so auf, dass man eigentlich nicht vorbereitet ist. Hat mir oft geholfen. Jedenfalls ist der Wunsch nach dem Verdrängten in mir immer lauter geworden. Und irgendwann hat es dann in mir so laut geschrien, dass ich es nicht mehr überhören konnte. Mit 17 ½ hab ich mich das erste Mal getraut, es auszusprechen. Ich bin dabei im Familien- und Freundeskreis nicht nur auf Verständnis gestoßen – außer bei meinem Bruder, der zu dem Zeitpunkt am Konservatorium in Wien Saxofon studiert hat. Er hat mich von Anfang an ziemlich gefördert und unterstützt. Und mein Vater, der gesagt hat: „Egal, was du machen willst, ich unterstütze dich. Unter der Prämisse, dass du vorher die Schule abschließt.“ Aber da ich Dinge ohnehin gerne fertig mache und über Schulabbruch nie nachgedacht habe, waren wir uns schnell einig. Meine Mama hat erst mal einen Schock gekriegt, ob der Unsicherheit und Absonderlichkeit meines Berufswunsches. Der Schock hat aber nicht lange angehalten, sie freut sich mit mir, dass ich einen Beruf ausüben darf, der mich glücklich macht.

Wann bist du nach Wien gezogen?

Mit 19, gleich nach der Matura. Den Abend bzw. die Nacht vor der Deutschmatura werd ich nie vergessen. Ich hatte Proben mit der Plattform Theatermühle in Melk: Macbeth, ich war die Lady. Plötzlich steht meine Mama um zwei in der Früh auf der Probe und zieht mich mit den Worten ins Auto, ob ich wahnsinnig sei und dass ich morgen Matura hätte. Sie hatte selbstverständlich absolut recht, aber ich hab einfach beim Spielen alles vergessen. Und ich habe gemerkt, das ist genau das Richtige für mich; ich will nichts anderes mehr machen. Dass ich diese Rolle überhaupt bekommen habe, war schon ein Wahnsinn. Zwei Monate danach ging es dann nach Wien an die Schauspielschule, wo ich mich sofort wohlgefühlt habe. Ich war ja auch durch die Schauspielschule sofort eingeteilt und ziemlich beschäftigt. Von acht in der Früh bis abends hatten wir Unterricht. Meine beste Freundin habe ich auch schnell kennengelernt – ich war also nie wirklich alleine oder verloren in Wien.

Ab 14. April bist du in den „Geschichten vom Franz“ im Kino zu sehen: Hatte Nöstlingers Werk Einfl uss auf dich?

Ich habe ihre Bücher geliebt, lustigerweise aber die „Geschichten vom Franz“ nicht gelesen. Ich war irgendwie mehr an den Mädchenfi guren interessiert – obwohl ich erst gestern mit jemandem darüber geredet habe, wie toll es ist, dass man sich bei Figuren von Nöstlinger immer mit beiden Geschlechtern identifi zieren kann, weil sie nicht in Rollenklischees gedacht und geschrieben hat. Aber vielleicht weil ich schon drei Brüder hatte und das einzige Mädchen war, haben mich die Mädchenfi guren einfach mehr angezogen. Die Geschichten von Christine Nöstlinger haben mich als Mädchen stark geprägt und ermutigt – und irgendwie hat sie nie aufgehört, mich zu begleiten: Ich durfte in „Maikäfer fl ieg!“ spielen, ich habe ihre Gedichte vorgelesen, ich habe ein Hörbuch eingelesen – und jetzt darf ich in den „Geschichten vom Franz“ die Mutter spielen. Christine Nöstlinger war eine unglaublich kluge und starke Frau. Eine Frau mit einer ganz klaren Haltung, mit Mut, Zivilcourage und ausgestattet mit der einzigen „Wa e“ die meiner Meinung nach zulässig ist: mit ihrer unverwechselbaren Sprache. Sie scha t es in ihrer Literatur, ohne Mitleid zu heischen, intensive Emotionen zu erzeugen und klar auf den Punkt zu bringen. Für mich ist sie eine Heldin.

URSULA STRAUSS

Die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin wurde am 25. April 1974 in Melk, Niederöstereich geboren.

Ab 14. April ist Ursula Strauss in der Kinoverfi lmung nach Christine Nöstlingers Buch Geschichten vom Franz in der Rolle von Franz Fröstls Mama zu sehen.

Weniger kindgerecht, dafür umso spannender für Erwachsene ist hingegen die sechsteilige Thriller-Serie Euer Ehren, die am 9. April auf ORF & ARD startet.

Eine Ostergeschichte

schick &mach mit ein!

Du schreibst auch gerne Geschichten? Dann erzähl sie uns – vielleicht wird sie ja schon im nächsten Tipi abgedruckt: tipi@tipimagazin.at

Es war einmal ein Küken. Es hieß Kiki. Als es eines Tages draußen auf der Bauernhofwiese spielte, kam der Bauer mit ein paar Palmkätzchenzweigen über der Schulter den Pfad aus dem Wald entlang. Auf der Veranda wartete schon die Bäuerin mit einer Vase, in der etwas Wasser plätscherte. Zu Kikis Überraschung holten Bäuerin und Bauer die Eier ihrer Mutter aus dem Hühnerstall und stachen sie aus, bis alles aus dem Ei herausgelaufen war. Dann malten sie die leeren Eier mit Wasserfarben an, klebten Au ängschnüre an, der Bauer steckte die Palmkätzchen in die mit Wasser gefüllte Vase, und die Bäuerin hängte die leeren, bemalten Eier auf den Palmkätzchenzweigen auf. „Immerhin ist bald Ostern. Bald kommt der Osterhase!“, meinte der Bauer. „Oh ja!“, meinte die Bäuerin. Osterhase? Kiki wurde hellhörig. Was war denn das für ein Hase? Sie hüpfte in den Hühnerstall und erzählte ihrer Mutter, was sie gehört hatte. Als sie fertig erzählt hatte, fragte sie: „Weißt du, wer der Osterhase ist?“ Die Mutter erzählte ihr Folgendes: „Der Osterhase kommt immer zu Ostern. Er versteckt den Menschen kleine Geschenke und bunte Eier. Die Menschen machen immer das, was du mir gerade erzählt hast. Aber nur zu Ostern! Es gibt aber auch noch ein

Tier, das mit Ostern zu tun hat: das Küken!“ „Mama, ich will mal mit dem Osterhasen Geschenke verstecken!“, rief Kiki. Ihre Mutter lachte: „Das wirst du nie!“ Am Ostermorgen um 6 Uhr saß Kiki als Erste vor dem Hühnerstall. Plötzlich raschelte es in einem Busch. Kiki blickte auf. Da … da … da stand tatsächlich der ... OSTERHASE! „Aber... aber …“, stotterte Kiki. „Ah, ein Ostertier! Kannst du mir helfen? Ich habe beim Frühstücken so viel Zeit vertrödelt, dass ich kaum glaube, dass ich es heute noch mit allen Eiern und Geschenken scha e. Hast du Lust, mir zu helfen?“, fragte der Osterhase. „Gern!! Klar!!“, rief Kiki überglücklich. Als sie fertig waren, sagte der Osterhase: „So einen tollen Helfer wie dich hatte ich noch nie! Bleiben wir in Kontakt? Dann kannst du mir immer helfen! Und ich kann länger frühstücken.“ Kiki nickte überglücklich und verabschiedete sich. Sie hopste in den Hühnerstall. Als ihre Mutter und ihr Vater aufgewacht waren, erzählte sie ihnen, was sie erlebt hatte und was der Osterhase gesagt hatte. Kiki sagte verträumt: „Das war das Schönste, was ich je erlebt habe!“

von Olivia Brunner (8)

Wie sag ich’s meinem Kind: Gewalt in den Medien

© Privat, Bronwynn Wessels

Schwierige Themen – kinderleicht gemacht. Oder so leicht wie möglich. Diesmal in der Tipi-Serie: Gewalt in den Medien, real und fi ktiv. Wie man damit am besten umgeht, weiß Psychologin Jasmin Mandler.

von markus höller

Gewalt ist schon in Märchen oder Cartoons enthalten. Gelten diese überhaupt noch als kindgerecht?

Jasmin Mandler: Klassische Märchen wirken in der Tat oftmals aufgrund ihrer vermittelten Rollenbilder und teilweise auch brutalen Inhalte überholt und wenig kindgerecht. Neben der berechtigten Kritik, dass Märchen die heutzutage di erenzierteren, diverseren Lebensrealitäten und veränderten Werthaltungen nicht mehr widerspiegeln, kann aber auch festgehalten werden, dass sie die allgemeingültigen Lebensthemen wie Familie, Freundschaft, Verlust, Eifersucht/ Neid, Gerechtigkeit usw. aufgreifen und behandeln. Die oftmals stark polarisierte Erzählweise von Gut gegen Böse erleichtert Kindern das Erfassen und Verstehen der moralischen Kernbotschaften. Die Wendung der Handlung ins Positive am Ende der meisten Märchen vermittelt wiederum ein Grundvertrauen, dass am Ende das Gute gewinnt. Dies fördert die Moralentwicklung und das Vertrauen darin, dass auch in schwierigen Lebenssituationen positive Lösungen und Wendungen möglich sind.

Gibt es einen Zeitpunkt, ab dem Kinder Realität wie Nachrichten und Fiktion wie Games unterscheiden können?

Kinder im Kindergartenalter sind zunächst noch stark im sogenannten „magischen Denken“ verhaftet. Das heißt, dass sie noch nicht klar zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können. Sie glauben an Feen, Zauberer, Hexen, Drachen, Monster u.Ä. Kinder in dieser Phase erleben z.B. die Handlungen in Büchern besonders intensiv und emotional mit, da sie in diese Welt noch viel stärker eintauchen und versinken. Dies kann einerseits die kindliche Fantasie anregen, andererseits aber auch ängstigen. Erst ab dem späteren Kindergartenalter (etwa ab vier bis fünf Jahren) wird das magische Denken durch eine zunehmend sicher werdende Unterscheidungsfähigkeit zwischen Realität und Fiktion abgelöst.

In den Nachrichten oder auf SocialMedia-Kanälen fehlt oft der Filter für verstörende Meldungen. Wie schützt man Kinder vor ungewollten Eindrücken?

Eltern können darauf achten, Nachrichtensendungen nicht oder nur eingeschränkt vor den Kindern anzuhören/anzusehen. Bei der Benutzung von Social-Media- oder Videokanälen sollte darauf geachtet werden, dass bestimmte Einstellungen (Sperren, Filter etc.) zum Kinderschutz aktiviert wurden. Eltern sollten sich von ihren Kindern zeigen lassen und kontrollieren, welche Inhalte von diesen konsumiert werden. Mit älteren Kindern kann zunehmend auch darüber gesprochen werden, dass es im freien Internet viele Informationen und Inhalte gibt, die ungefi ltert hineingestellt werden und dass es passieren kann, dass sie als Kinder dabei in Berührung mit diesen kommen. Kinder sollten dazu ermutigt werden, ihren Eltern davon zu berichten, wenn sie Dinge gesehen haben, die sie nicht einordnen können, verstörend oder irritierend fi nden.

Gibt es ein gewisses „nötiges“ Maß an Gewalt im TV, Spielen usw., mit dem man Kinder zur Vorbereitung auf z.B. die Schule konfrontieren kann?

Prinzipiell gilt zu sagen, dass kein „nötiges Maß“ des Konsums von gewalttätigen Inhalten notwendig sein sollte, damit ein Kind

Mag.a Jasmin Mandler

ist klinische und Gesundheitspsychologin für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern. PÄPSY, Gumpendorfer Str. 139/Top 1.04, 1060 Wien, www.paepsy.at

im Schulalltag, in der Gruppe Gleichaltriger bestehen kann. Wichtig ist, Kinder beim Medienkonsum zu begleiten, mit ihnen darüber zu sprechen, was sie gesehen haben und ihre Fragen zu beantworten. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder erzählen, wenn sie Inhalte gesehen haben, die sie nicht verstehen oder die sie ängstigend oder verstörend fi nden. Eltern können dann darauf reagieren, indem sie erklären, dass es Inhalte gibt, die nicht für Kinder geeignet sind. Bei fi ktiven Inhalten sollte auch betont werden, dass das, was das Kind gesehen hat, nicht der Wahrheit entspricht, sondern gespielt ist.

Was tun, wenn Kinder anfangen, wahrgenommene Gewalthandlungen zu übernehmen?

Das Nachspielen gewisser Inhalte im Rahmen von Rollenspielen ist normaler Teil der kindlichen Spielentwicklung. Ähnlich wie bei Märchen spielen Kinder dabei in gewisser Weise sozial-moralische und gesellschaftlich-vorgegebene Rahmenbedingungen nach und probieren sich darin aus. Bei Spielen wie „Räuber und Gendarm“ geht es oft um Themen wie „Gut“ und „Böse“, „Recht“ und „Unrecht“. Meist spielen Kinder parallel dazu auch viele andere Inhalte, die sie in ihrer Umwelt beobachten, nach. Nimmt das Nachinszenieren beobachteter gewalttätiger Inhalte allerdings einen Großteil des kindlichen Handelns ein und zudem in einer brutalen Form, bei der das Kind auch die Grenzen anderer nicht beachtet, erscheint es wichtig, mit dem Kind über die Folgen seiner Handlungen für andere zu kommunizieren sowie den Konsum gewalttätiger Inhalte zu reduzieren und zu vermeiden.

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