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Ur cringe, Brudi Ein Blick auf verschiedenste Generationen

Ur cringe, Brudi

Generation Boomer, Zoomer, Slacker, Millennials, Alphas … wer, what, warum? Nachdem ich mittlerweile einmal die Woche im Urban Dictionary hänge, um meine Tochter (19) besser zu verstehen, erlaube ich mir, auch gleich die gesamte Generation verstehen zu wollen, und die davor und die davor …

von peter draxl

1922–1954: Die Traditionalisten Das sind die Kriegskinder, Nachkriegskinder. Der Wiederaufbau steckte ihnen in den Knochen, der Krieg war ihr Trauma, entweder mittendrin oder weitervererbt von ihren Eltern. (Ja, Traumen sind tatsächlich genetisch vererbbar.) Ihr Ziel und Streben war es, Stabilität, Sicherheit und Frieden zu schaffen und zu erhalten. Ein gutes Schnitzl am Sonntag im eigenen, selbst gebauten Haus und einen sicheren Job, in dem man von der Lehre bis zur Pension sitzen bleiben kann. Jahrzehntelange Firmentreue war noch ein Gut, klare Verhaltensregeln und Respekt vor Autorität, genauso wie Eigenheim und ein voller Kühlschrank, samt Vorratskeller und Gefrierschrank im Keller. Essen durfte nie ausgehen.

Alles, was das Naziregime angerichtet hatte, sollte nie wieder vorkommen dürfen. Natürlich gab es auch diejenigen, die den Ausgang des Kriegs als „Schande“ empfanden und ihr Gedankengut weitergaben, aber die ignorieren wir mal. Und tun es jetzt auch noch bitte.

Arbeit hatte einen Wert und wurde entsprechend entlohnt, man machte sich die Hände schmutzig und war stolz darauf. Sie waren eher still, es nicht gewöhnt, über Gefühle oder Emotionen zu sprechen, geschweige denn, mit ihnen umgehen zu können. Auch offene Meinungsäußerung war noch mit dem Etikett „gefährlich“ behaftet. Dafür packten sie an, begeisterten sich am Rat-Pack (Dean Martin, Samy Davis Jr, Frank Sinatra), an Conny und Peter (Conny Froboess und Peter Alexander) und legten hin und wieder eine Schallplatte auf. Zum Sonntagsspaziergang im Prater trugen sie Anzug und Krawatte bzw. ein wundervolles Ausgehkleid nebst Sonnenschirm. Irgendwie hatten die (noch) Stil, bei all dem, was sie erleben mussten. 1955–1964: Die Babyboomer Love, Sex and Rock ’n’ Roll – nach der industriellen Revolution und mit den Beatles oder Stones im Nacken war das die Zeit des Aufbruchs. Die Welt steht wieder, die Wirtschaft boomt, durch den Niedergang eines Raumschiffes in der Wüste von Nevada durften sie auch einen Mikrowellenherd erfinden, also wo sind jetzt die Blue Suede Shoes? Woodstock, Love & Peace, weg mit den BHs, Freiheit für alle! Einerseits übernahmen sie die traditionellen Ziele ihrer Eltern – Sicherheit, Friede, Arbeit, Eigenheim –, andererseits brachen sie aus genau diesen gesellschaftlichen Normen aus und rauchten als Hippies getarnt ihre Friedenspfeifen zu stampfender Rock ’n’ Roll-Musik. Musik war überhaupt extrem wichtig geworden und wurde zu einem Wegweiser für Styling, Mode und Geisteshaltung. Bis auf eine kleine Ölkrise und den Kalten Krieg ging es ihnen wirtschaftlich gut, leben, um zu arbeiten, war trotz selbstgedrehter Tröten immer noch die Devise, Leistung hatte noch einen Wert, und der Umweltgedanke kam vermehrt auf. Was in den 30ern schon bekannt war, aber ignoriert wurde, wurde endlich zum Thema. Ozonloch, CO2, Umweltverschmutzung … Das Mann/Frau-Bild war immer noch etwas traditionell, Individualität stand trotzdem im Vordergrund, wurde aber nicht zelebriert. Jeder durfte so sein, wie er wollte, schwarz, weiß, gelb, rot, schwul, lesbisch, trans, jeder durfte sich anziehen und darstellen, wie er wollte. Es gab (noch) kein politisches Urteil. Ob Freddie Mercury nun schwul war oder nicht, ob Boy George Mann oder doch Frau war – es war einfach kein Thema. Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit – gespickt mit hohen Karrierezielen. Diese Generation schuf den Reichtum und Wohlstand, von dem wir heute noch leben.

1965–1979: Generation X Auch „Slackers“ genannt, die erste Generation, die tatsächlich ohne Krieg aufwuchs. Wenn man nicht gerade in Vietnam auf die Welt kam … Man hat uns (ich bin ein 70er) eingeredet, wir könnten alle Rockstars werden. Dem war aber nicht so, was wir rasch begriffen. Die Generation nannte sich auch „No Future Generation“, die Umweltkrise war da, Tschernobyl war da, das Ozonloch und die Arbeitslosigkeit wuchsen, somit begann auch der Kapitalismus ein immer gefräßigerer und menschenverachtender Moloch zu werden. Musikalisch die wohl bunteste Generation, die Helden der 80er werden auch heute noch auf und ab gefeiert – diese Generation hat die moderne Pop- und Rockmusik quasi erfunden. Arbeit war nach wie vor zentraler Lebensinhalt, ABER: arbeiten, um zu leben und nicht umgekehrt, wobei der Ruf nach alternativen Modellen zu Nine-To-Five-Jobs lauter wurde, so was wie ein Wunsch nach einer gesunden Work-Life-Balance entstand, der wiederum zu einer Orientierungslosigkeit führte oder zu einer Scheiß-draufStimmung (Slacker), weil von traditionalistischen Arbeitgebern nicht nachvollziehbar. Außerdem bin ich kein

Rockstar geworden, also könnt ihr mich alle mal kreuzweise. Karriere zu machen, galt als MUSS, Konjunkturkrisen und explodierende Scheidungsraten erschütterten die Generation, Individualisierung ging vor, der Partner wurde, wenn er einem nicht mehr passte, in die Wüste geschickt oder der Karriere geopfert. Die Modernisierung der Welt schritt mit einem Höllentempo voran, Mobiltelefon, Fax, Computer, Antibabypille, Apple, Microsoft, MP3, YouTube, Social Media etc. – die Generation war hin und her gerissen zwischen Angst vor einer

technologieüberfluteten Welt und dankbarer Annahme jeder neuen Erfindung. Durch die Vermessung und Vernetzung der Welt begann man, global zu denken und lokal zu handeln. Das Internet war wichtiger als die Bezirkszeitung geworden, die Welt ein Dorf und das Mobiltelefon zum digitalen Selbst. Double-Income-Karrieren und das Erbe der Generation Wiederaufbau sorgten für anhaltenden Wohlstand samt Wohlstandsdepression. Wer noch keinen Burn-out vorzuweisen hatte, hatte eben zu wenig geleistet.

1980–1994: Generation Y Die „berüchtigten“ Millenials, eine Generation voller Optionen, zu vieler Optionen, um tatsächlich noch wählen zu können. Sie gelten als die ersten Digital Natives, da sie mit dem iPhone in der Wiege aufgewachsen sind. Sie mussten die hochtechnisierte Welt nicht lernen, sie wurden in sie hineingeboren und lernten schnell, Spotify und Netflix zu nutzen. Alles an Wissen und Unterhaltung (speziell Musik und Film) ist zu jeder Zeit überall greifbar. Echte musikalische Helden sind nicht mehr festzumachen, die Fantreue wird mit einmal Swipen zerstört. Die Generation brachte auch die HENRYs hervor (High Earners Not Rich Yet), in den Wohlstand hineingeboren, im Wohlstand aufgewachsen, aber der Schritt zu echtem Reichtum blieb ihnen bis jetzt verwehrt. Von ihren Eltern hörten sie: Mach, was dich glücklich macht, und so entstand ein neuer Egoismus, der die eigene Selbstverwirklichung vor Arbeit, Familie, Partnerschaft stellt. Die Multioptionswelt schafft Unsicherheit bzw. Qual der Wahl samt einer hohen Jugendarbeitslosigkeit, und 9/11 erschütterte das Grundgefühl von einem sicheren Leben bis ins Mark. Status und Prestige sind nicht mehr so wichtig, verantwortungsvolle Jobs auch nicht, Führungfunktionen detto nicht, die Freizeit und die Freiräume sind wesentlich wichtiger, und so präsentiert man sich auch hauptsächlich in sozialen Medien. Die Freizeitgesellschaft ist in Beziehungen, kriegt Kinder, sucht neuen Zusammenhalt in der Familie, fährt Lastenfahrrad, liebt das Wort „nachhaltig“, ernährt sich vegan und kämpft mit immer teurer werdendem Lebensraum. Die Kinderzimmer-Revolution findet in der Suche nach alten traditionellen Werten, im Umweltschutz und in Political

Correctness ihren Ausdruck.

Die „alten Wilden“ sind peinlich geworden, man geht wieder in die

Kirche. (Kein Scherz.) Die Werbewirtschaft hat ihre Probleme mit ihr – weil sie nach dem Warum fragt, deshalb auch Generation „Why“ genannt. „Ich will nicht wissen ob dein

Bier am besten schmeckt, sondern

WARUM du es braust.“ Wenn es mit der Selbstverwirklichung nicht klappt, wird gekündigt, wenn das Unternehmen keinen gesellschaftlichen Sinn und Zweck verfolgt, wird gekündigt, reine Profitvermehrung ist kein Motivator mehr, der „weiße, alte Mann“ wächst zum Feindbild heran.

1995–2009: Generation Z Die Generation Zoomer: Ohne Rücksicht auf ihre eigene Privatsphäre stellen sie sich in sozialen Medien zur Schau. Sie sehen sich als Einzelkämpfer und Individualisten und sind genau deswegen zu einer homogenen Masse geworden. Es geht um Freizeit, Freiheit, Lebenslust, Lifestyle, Aussehen, Ernährung und die ständige Maximierung von persönlichen Erlebnissen in dauerndem Konkurrenzkampf mit den anderen, ausgefochten im Social Web. Sie werden in England liebevoll Smombies genannt (Smartphone/Zombies), weil sie ihren Blick nicht mehr vom Handy nehmen können, sie sind 24 h online. Information und Wissen wird videoclipartig nur noch in kleinen Häppchen konsumiert und situationsbezogen abgefragt, anstatt von Grund auf erlernt. Sie bemerken an der Generation vor ihnen, dass mit Arbeit nicht wirklich was zu erreichen ist und suchen den Sinn im Kampf gegen Missstände bzw. für soziale Gerechtigkeit. Unzählige Aktionen und

Aktivistengruppen schießen aus dem Boden, teils mit völlig abstrusen Agendaen Political Correctness wird unübersichtlich üppig, die Sprache wird hinterfragt, die Weltliteratur umgeschrieben, das Kleinteilige siegt über den Blick auf das große Ganze. E-Mobilität explodiert, ohne den Blick auf Ressourcen, Herstellung, Versorgung oder Entsorgung zu richten. Sie gilt auch als Generation Lockdown, was ihrer persönlichen, mentalen und seelischen Gesundheit nicht guttut, Orientierungslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Depression sind die Folgen. Das Wort des Jahres 2021 ist „cringe“ (peinlich, ungut), und Schlagwörter wie Greenwashing, Querdenker, Schwurbler, Coviteure, Wirrologen,

Blackfishing, Staycation etc. wachsen aus dem Boden. Sie werden auch als Generation Schneeflöckchen bezeichnet, weil sie weinend die vielen zum Himmel schreienden

Missstände dieser Welt beklagen. Vom Climate Change bis zum sozialen Ungleichgewicht. Der Generation „Boomer“, die den Planeten in den Ruin getrieben hat, wird grundsätzlich misstraut bzw. gilt sie jetzt als konkretes Feindbild. Karriere, Erfolg, Führungsrolle sind kein Thema und kein Anreiz mehr, es geht um den eigenen Lustgewinn im Hier & Jetzt, Arbeit MUSS Spaß machen, Pensionen gibt’s ohnehin keine mehr, und festgelegte Strukturen, Zeiten oder Abläufe sind unpopulär. Die Jugendarbeitslosigkeit wird breiter, Fachkräftemangel und Mangel an Führungskräften zieht sich durch den Arbeitsmarkt. Die digitale Welt wird als die reale Welt wahrgenommen (!). Kommunikation findet digital statt, Entscheidungen über Jobs, Beziehungen, Freunde, Freizeitgestaltung etc. halten nur so lange, bis „was Besseres“ kommt. Sie gelten als einsamste und verlorenste Generation bislang.

2010–2024: Generation Alpha Tja. Leute. Über euch weiß man noch recht wenig, außer dass euch die Pandemie nicht gutgetan hat; jeder fünfte Schüler in der Unterstufe wird als depressiv eingeschätzt. Aber eines weiß ich mit Bestimmtheit. Ihr müsst Schluss machen mit dieser Showbühne Welt, diesem globalen Bullshit-Bingo, ihr müsst diesen Planeten retten. Durch Innovation & Technik und dem Erreichen einer höheren Bewusstseinsstufe fern von Profitgier, Machtmaximierung, Korruption, Menschenverachtung, Umweltverschmutzung, Turbokonsum, Fast-Fashion, Flächenfraß, Vollspaltenböden, CO2Wahnwitz, Narzissmus, Egoismus, Ausbeutung von Mensch, Tier und Erdressourcen. Ihr müsst das Leben von Mensch & Umwelt altruistisch und generationsübergreifend NEU konzeptionieren, das Thema Mobilität und Städtedesign neu erfinden, ansonsten ... wird einer aufbleiben müssen, der am Ende das Licht ausmacht. Und das will nicht unbedingt ich sein.

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