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Vater werden Wie sich Männer auf
Vater werden
Ein Baby kommt! Und damit wird auch ein Vater geboren. Aber während es für werdende Mütter zahlreiche Angebote gibt, wird den Vätern oft nur wenig Platz eingeräumt. Ein neues Buch widmet sich deshalb ganz den werdenden Papas und lässt keine Fragen offen. Tipi sprach mit den Autoren. von eva maria wagner
Was passiert eigentlich während Schwangerschaft und Geburt? Wie geht man mit so einem zerbrechlichen Neugeborenen um? Und werden wir wirklich nie wieder durchschlafen? Diese und viele andere Fragen beschäftigen wahrscheinlich alle werdenden Väter. Die Zeiten, in denen ein Mann eher Nebendarsteller im Prozess des Kinderkriegens war, sind längst vorbei. Die Männer von heute wollen präsente und kompetente Väter sein. Männer, die ihre Frauen begleiten und unterstützen und Papas, die von Beginn an liebevoll, präsent und haltgebend für ihre Kinder da sind. Wie in jedes andere Wagnis sollte man sich auch in das Abenteuer Vaterwerden nicht kopfl os stürzen. Das fi nden jedenfalls Wissenschaftsjournalistin und Gründerin des artgerecht-Projekts Nicola Schmidt und Organisationsberater und Führungskräftecoach Klaus Altho . Gemeinsam haben sie deshalb das Buch „Vater werden“ geschrieben. Übersichtlich und wissenschaftlich fundiert begleitet es werdende Väter durch die Zeit der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbetts. Es informiert und motiviert Männer dazu, sich einzubringen und die Zeit der Familiengründung aktiv mitzugestalten.
» Das Wissen fällt uns nicht instinktiv zu. «
Nicola Schmidt
Interview
7 Fragen an die Autoren Nicola Schmidt und Klaus Althoff „Kinder sollten eine sichere zweite Bezugsperson haben“
Tendenziell werden Ratgeber zu den Themen Schwangerschaft und Geburt eher von Frauen gelesen. Männer neigen dazu, die „Dinge auf sich zukommen zu lassen“. Ist das auch ein gangbarer Weg?
Schmidt: „Ich lasse es auf mich zukommen“, steht im Buch auf einer unserer „Not to do“Listen. Einige sagen: „Ich mach das irgendwie intuitiv.“ Was den Leuten oft nicht klar ist, ist, was Intuition eigentlich heißt. Denn was sie eigentlich meinen ist: „Ich mache es instinktiv.“ Nur: Der Homo sapiens ist per se kein instinktgesteuertes Wesen. Und die sogenannte Intuition ist ja das Bauchgehirn, mit vielen vernetzten Nervenzellen. Dieses speist sich vor allem aus Wiederholung und Erfahrung. Wenn Sie Ihr erstes Kind bekommen, woher wollen Sie dann Ihre Erfahrung nehmen? Es gibt keine Instinkte, die Sie leiten. Sie wissen es einfach nicht. Altho : Natürlich ist es in Ordnung zu sagen: „Ich mach mich nicht verrückt und versuche, da liebevoll und entspannt ranzugehen.“ Andererseits ist das mit dem „auf sich zukommen lassen“ auch nicht ganz ungefährlich. Deshalb ist eine unserer Hauptbotschaften im Buch: „Männer, denkt daran: In euren Jobs, die euch wichtig sind, macht ihr jede Menge Projektmanagement und das auf einem sehr hohen Niveau und aus gutem Grund. Ihr würdet niemals in ein Projekt gehen ohne klare Ziele, ohne Indikatoren, ohne Meilensteine. Es gibt eigentlich keinen vernünftigen Grund, in das Projekt ,Vaterwerden‘ ohne Projektmanagement reinzugehen.“ Auf sich zukommen lassen ist riskant. Man wird im Zweifelsfall kalt erwischt. Und deswegen empfehlen wir ganz stark, sich früh mit Fragen auseinanderzusetzen, wie etwa: Wie wollen wir leben? Was sind unsere Ziele?
Die Themen im Buch sind stets auch wissenschaftlich fundiert aufgearbeitet.
Altho : Ja, es ist ein wichtiges Charakte-
Auch wenn das Gitterbett anfangs meist nur rumsteht: Werdende Väter bereiten sich – auch so – auf die Ankunft des Babys vor.
ristikum, vor allem von Nicolas Büchern, fakten- und wissenschaftsbasiert zu arbeiten. Ich glaube, dass dabei eine Sprache herausgekommen ist, die für die Zielgruppe gut passt. Gerade im Männersegment und im Vätersegment haben wir auch wieder mit Erschrecken festgestellt, dass in Büchern oft noch viel Meinung unterwegs ist, wie man als Mann oder als Vater sein könnte oder sollte. Schmidt: Und das spiegelt sich leider auch in der Wissenschaft wider. Es ist ganz schön schwierig, an Fakten ranzukommen. Die Fakten- und Wissenschaftslage zu Väterthemen ist grundsätzlich eher dünn.
In Ihrem Buch sprechen Sie von Familie als Team. Was ist das Besondere an dieser Sichtweise?
Altho : Unsere Familien haben mittlerweile viel mehr mit Teams zu tun als mit einer klassischen Gehorsamsfamilie, wie wir das vielleicht noch vor zwei bis drei Generationen hatten, wo die Frau die ganze Arbeit macht und der Mann ab und zu ein Machtwort spricht. Wir leben ja ganz anders. De facto sind Familien heute so eine Art agile Teams. Wir wollen uns ja frei entwickeln können – und das, obwohl wir jede Menge Arbeit haben, Geld verdienen und die Familie managen müssen. Wir alle wollen selbstbestimmt leben, und da haben wir es im Grunde genommen wieder: Familien brauchen ein agiles Management: Was brauchen wir, damit jeder in unserem Team am besten aufspielen kann? Was braucht die Mutter, was braucht der Vater, was brauchen die Kinder? Und am Ende sind wir ein Team und arbeiten auf ein gemeinsames Ergebnis hin. Dorthin, wo wir alle hinwollen, und deswegen sind wir motiviert.
Im traditionellen Vaterbild wurde der Vater eher dann aktiv, wenn die Kinder aus dem „Gröbsten“ heraus waren. Was ist der Gewinn für Kinder, wenn ihre Väter bereits in dieser „gröbsten Zeit“ und auch in der Schwangerschaft aktiv teilnehmen?
Schmidt: Wir wissen aus der Wissenschaft, dass Kinder in ihrer Entwicklung enorm von der guten Bindung zu ihrer zweiten Bezugsperson profi tieren. Das muss nicht zwingend der leibliche Vater sein. Das kann auch ein Patchworkpapa sein, eine zweite Frau oder in einer Beziehung zwischen zwei Männern sein. Es geht darum, dass die Kinder eine sichere zweite Bezugsperson haben. Eine Vaterfi gur, die früh da ist und die Mutter unterstützt, ist ein Riesengewinn. Im Prinzip ersetzen die Väter heute das Dorf, das wir nicht mehr haben. Altho : Gerade die frühe Zeit ist besonders wichtig für den Au au von Bindung. Wobei es für Eltern auch wichtig ist zu wissen, dass man Bindung immer wieder au auen kann. Manche Menschen machen sich rückblickend große Sorgen, dass sie nicht genug da waren, als die Kinder klein waren. Die gute Nachricht ist: „Ich kann immer wieder anfangen!“ Das ist auch wichtig für die Väter: „Du wirst eigentlich jeden Tag immer wieder neu Vater. Du kannst jeden Tag wieder versuchen, es gut zu machen.“ Und trotzdem macht es natürlich Sinn, gerade am Anfang, auch da zu sein. Zum Beispiel, um diese Bindung zwischen Vater und Kind überhaupt entstehen zu lassen. Zum Zweiten matcht es sich natürlich auch mit unserem Gesellschafts- und Beziehungsbild. Frauen wünschen sich heute Männer, die da sind. Sie wollen nicht nur einen Ernährer als Mann, sondern auch einen Gefährten, einen Wegbegleiter, jemanden, der mit ihnen den Wagen zieht.
LESETIPP
Nicola Schmidt & Klaus Altho : Vater
werden; GU Verlag, € 25,90 Ein bindungsorientierter „Geburtsvorbereitungskurs“ für werdende Väter – damit sie selbstrefl ektiert und aktiv unterstützend die Zeit von Schwangerschaft, Geburt und Vaterschaft erleben können.
» Familien sind heute eine Art agile Teams. «
Klaus Althoff
Sowohl in der Schwangerschaft als auch in der Zeit danach verspüren Frauen oft den Druck, dass alles perfekt sein muss und kein Zweifel mehr gehegt werden darf. Spüren das auch Väter gesellschaftlich?
Name: Tobias Wann ist es so weit: 24.04.2022
Tipi: Welche Gefühle hattest du, als du erfahren hast, dass du Papa wirst? Tobias: Glücksgefühle, einen nicht enden wollenden Grinser im Gesicht … viel später kam erst der obligatorische Gedanke „Jetzt ändert sich alles“. Da mich die freudige Nachricht meiner Freundin noch dazu während eines gelungenen Familienwochenendes erreichte, kamen zusätzlich auch noch die Gedanken dazu, dass ich in Zukunft nicht mehr nur „Onkel“, sondern auch „Papa“ sein darf – spannend, aufregend und sicher auch anstrengend, aber eine tolle Aufgabe.
In welcher Form unterstützt du deine Partnerin in der Schwangerschaft? Zu wenig? Ist natürlich mal mein erster Gedanke. Aber ich versuche, zumindest behilflich zu sein – bei körperlichen Tätigkeiten sowieso, und auch bei administrativen bzw. organisatorischen Dingen gebe ich mein Bestes. Gemeinsame Gespräche über Bedenken bzw. Ängste, aber auch die freudige Aussicht auf die gemeinsame Zukunft als Familie sind hoffentlich eine gute mentale Unterstützung!
Schmidt: Ich würde fast sagen, bei denen ist es manchmal sogar krasser. Väter können oft nicht einfach sagen: „Also ein bisschen Angst vor der Geburt habe ich schon.“ Die „müssen“ sich ja nur freuen und dann noch die Partnerin unterstützen, sodass sie sich ständig freuen kann. Althoff: Ihre Welt ändert sich aber total. Innerhalb von einem Jahr wird dein Bild als Mann völlig auf den Kopf gestellt. Du wirst eine Menge vermissen von dem, was früher da war. Es ist aber gesellschaftlich nicht akzeptiert, sich darüber zu beklagen. Deshalb ist es wichtig zu sehen, dass eine Geburt eine normative Krise ist. Natürlich eine Krise, die wir in der Lage sind zu bewältigen, aber es ist ein tiefer Einschnitt und auch mit den üblichen Krisensymptomen verbunden. Ich halte es daher für essenziell, dass Männer über diese Veränderungen reden können. Ich muss auch trauern können um Dinge, die ich in dieser lebensverändernden Zeit verliere. Die letzten Reste meines Junggesellenstatus. Ich bin innerlich total bereit, Vater zu werden, aber ich verliere auch was. Ich werde nie wieder ein Mann ohne Kinder sein. Schön, wenn man das einfach mal sagen kann, dann ist es einfacher, damit umzugehen und letztendlich auch loszulassen.
Glauben Sie, dass Männer sich untereinander viel über das Vatersein, ihre Rollen und ihre Sorgen austauschen? Wie könnte man das fördern?
Althoff: Wir sehen in unseren Kursen für Männer, dass der Austausch mit anderen Männern Vätern guttut. Wir Männer haben manchmal die Tendenz, uns zurückzuziehen, unsere Sorgen nicht auszusprechen und auch oft zu denken, wir wären die Einzigen, die bestimmte Dinge nicht hinkriegen. Austausch hilft. Ich würde zwei Stufen empfehlen. Tausche dich mit anderen Männern aus! Zum Beispiel mit dem besten Freund, dem Bruder. Die zweite Stufe: Es könnte noch hilfreicher sein, sich mit noch etwas mehr Männern auszutauschen, einem Kreis von Männern. Sobald man zu dritt ist, redet man anders. Vielleicht auch fremde Männer kontaktieren. Diese bringen immer neue Perspektiven ein. In einem Geburtsvorbereitungskurs für Männer kann man beispielsweise viel lernen.
Was wollen Sie werdenden Vätern gerne mitgeben?
Schmidt: Eltern, und damit auch Väter, sollten vor allem wissen: Es genügt, gut genug zu sein! Aber gut genug wird man nicht durch Intuition. Wenn wir keine Verantwortung übernehmen und uns nicht oder nicht ausreichend informieren, geht es auch gerne mal schief. Wir müssen nicht perfekt sein, aber über die Dinge nachzudenken und sich zu informieren, lohnt sich immer. Name: Patrick Wann ist es so weit: 11.07.2022
Tipi: Wie laufen die Vorbereitungen auf die Ankunft des Babys? Patrick: Unsere aktuelle Wohnsituation ist zum Glück auch für die nächsten Jahre ausreichend – das hat sicher zu der bisher entspannten Vorbereitung beigetragen. Da viele unserer Freunde bereits Kinder haben, erhalten wir laufend zahlreiche Angebote – manches mussten wir aufgrund der Fülle sogar dankend ablehnen. Um die gesundheitliche Versorgung unseres Babys kümmert sich überwiegend meine Partnerin: Sie organisiert die gynäkologischen Untersuchungen, hat das Krankenhaus ausgewählt, uns zu einem Geburtsvorbereitungskurs angemeldet, eine Hebamme und Kinderärztin gesucht. Und ich darf als stolzer Papa überall mit dabei sein und sie unterstützen.
Hast du auch manchmal Ängste und Sorgen, was das Vaterwerden betrifft und wenn ja: Gibt es etwas, was dir hilft? Die einzige Unruhe, die mich manchmal trifft, ist verbunden mit dem bevorstehenden Abschluss meines Studiums und dem Wiedereinstieg in die Berufswelt. Ansonsten haben mich noch keine Sorgen bzgl. des Vaterwerdens gepackt. Klar denke ich über so einiges nach, aber der bisherige Verlauf gibt keinen Grund zur Besorgnis. So überwiegt vielmehr die Vorfreude in mir. Vielleicht auch deswegen, weil einige meiner Freunde bereits Vater wurden und mir zeigen, welches Glück ein Kind ist. Ich sehe auch, dass jeder seinen Weg findet, um die aufkommenden Herausforderungen zu bewältigen. Eine Partnerin und Familie hinter sich zu wissen, die den Nachwuchs ebenso freudig erwarten wie du selbst, hilft noch mal ungemein, dass Ängste und Sorgen erst gar nicht aufkommen.