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Das Leben lieben, wie es ist Zu

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Einsteigen, bitte

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Das Leben lieben, wie es ist

Gerade mal 14 Monate alt sind Laura und Larissa, die Zwillingstöchter von Barbara und Loris. Wie sich das Paar kennengelernt und trotz recht unterschiedlicher Lebensgeschichten zueinandergefunden hat, haben sie TIPI bei einem Besuch erzählt. von peter zirbs

Es ist ein heißer Frühsommertag, an dem das TIPI-Team ausrückt, um in Steinbrunn im Burgenland mit der Coverfamilie dieser Ausgabe zu plaudern und Fotos zu knipsen. Empfangen werden wir herzlich – und es wird gleich klar, dass das Leben mit den Zwillingen Laura und Larissa (14 Monate) mit Sicherheit auch Herausforderungen bietet. Denn die Töchter sind gerade vom Mittagsschläfchen aufgewacht, haben Appetit und wollen natürlich auch noch unterhalten werden.

Doch Barbara und Loris schupfen die Challenge routiniert, was an diesem speziellen Tag wohl auch an der Unterstützung durch Barbaras Eltern liegt.

Bewegte Biografie Loris ist 1979 in Bosnien geboren und bis zu seinem 12. Lebensjahr auch dort aufgewachsen. Nach Österreich gekommen ist er als Flüchtling in der Kriegszeit; der Papa war schon mit seinem Bruder Renato in Österreich. Sein zweiter Bruder Octavio – Renatos Zwillingsbruder – musste in den Krieg einrücken. Er hat es nicht überlebt und wurde nur 23 Jahre alt. „Ich bin also mit der Mama nach Österreich und habe die ersten zwei Wochen in Traiskirchen verbracht; anschließend waren wir in Rechnitz im südlichen Burgenland. Da bin ich dann aufgewachsen – und habe ziemlich schnell Burgenländisch gelernt. Auch die Hauptschule hab ich dort absolviert, wollte aber so schnell wie möglich eine Berufsausbildung machen und arbeiten“, schildert Loris seinen Start in Österreich. Denn schließlich war da ja auch seine Mama, die er finanziell unterstützen wollte und auch musste. Sie hat zwar nebenbei ein bisschen gearbeitet, aber das hat nicht gereicht. „Also habe ich Installateur für Gas, Wasser und Heizung gelernt. Ein Job, den ich auch heute noch mache“, erzählt er. Er ist anschließend nach Wien gezogen, weil sein damaliger Arbeitgeber in Konkurs gegangen ist und es in der Umgebung einfach keine Stellen gab. „Es war diesbezüglich damals in den 90er-Jahren wirklich schwierig. In Wien habe ich sofort wieder Arbeit gefunden. Dann ist allerdings leider mein Vater gestorben, und ich bin mit meinem Bruder und meiner Mama zusammengezogen.“

Rockfans der härteren Gangart könnte sein Gesicht auf unseren Fotos vielleicht sogar bekannt vorkommen, denn Loris spielte längere Zeit in verschiedenen Bands. Die wahrscheinlich bekannteste ist Tigerblood, die mit ihrer Mischung aus Punkrock und Metal erfolgreich war. „Es war eine wirklich coole Zeit; wir waren ständig unterwegs und hatten europaweit Auftritte. Deutschland, Holland, Paris, Griechenland – wir sind wirklich herumgekommen mit der Band. Aber irgendwann war es mit Beziehung, Job und Band leider einfach zu viel“, meint er mit einem Quäntchen Bedauern.

Der Kennenlern-Moment Es war im Oktober 2016. „Es gibt da einen Club, und den gibt es auch heute noch: das Loft in Ottakring. Jedenfalls war ich mit einem Freund dort, und plötzlich war er weg. Ich bin also rauf zur Bar und wieder runter und wieder rauf … Und da hab ich Barbara zum ersten Mal gesehen: Sie war mit ihrer Freundin dort, und sie ist mir sofort aufgefallen. Wirklich geflirtet haben wir zwar nicht, aber wir haben uns immer wieder kurz angeschaut. Also ein erster Kontakt“, freut sich Loris immer noch. Und Barbara ergänzt: „Meine Freun-

Die Zwillinge Laura und Larissa (14 Monate) laufen schon richtig flott durch das Gelände – zum Beispiel, um Papa Loris zu begrüßen, wenn er von der Arbeit heimkommt.

din wollte dann schon heimfahren, weil sie noch lernen musste. Ich hab gesagt, dass ich noch bleiben und meinen Drink austrinken würde. Und wie ich so an der Bar stehe, war Loris plötzlich wieder da – und wollte mich auf ein Getränk einladen. Ich hab dankend abgelehnt, weil ich ja noch ein fast volles Glas hatte. Wir haben aber trotzdem miteinander zu plaudern begonnen.“ Und sie haben sich gleich ein Date ausgemacht, und zwar im Schlosspark Schönbrunn. Richtig romantisch! „Barbara hat sich dort im Gespräch ehrlich für meine Lebensgeschichte interessiert. Wir haben viel geredet und uns super verstanden“, sagt Loris. Aber da war doch noch was, Barbara? „Es war insofern lustig, weil er ganz ernst zu mir gesagt hat, er müsse mir etwas beichten. Ich hab mir schon gedacht: Was kommt da jetzt? Und da gestand er mir, dass er beim Kennenlernen ein bisserl geschummelt und sich ein paar Jahre jünger gemacht hatte. Mir waren die paar Jahre Unterschied aber völlig egal. Wenn es nur das ist! Wir hatten rückblickend nach unserem Date in Schönbrunn jedenfalls beide das Gefühl gehabt, dass das was wird mit uns“, kann sie sich gut erinnern.

Barbara ist im Waldviertel aufgewachsen und zur Schule gegangen. „Ich hab dann zwar probiert zu studieren, aber das war nichts für mich. Ich bin dann nach Wien arbeiten gegangen: Zuerst in einer Immobilienfirma, dann bei einem Rechtsanwalt, und von dort hat mich mein jetziger Chef sozusagen abgeworben in eine Werbeagentur im 7. Bezirk, wo ich zuerst im Office war, dann Projektmanagement gemacht habe und jetzt eine ganze Reihe von Aufgaben habe“, erzählt sie. Sie fühlt sich wohl dort.

Hochzeit mit Converse 2018 haben die beiden geheiratet; die Hochgzeit war relativ klassisch, meinen die beiden. „Loris hatte einen blauen Anzug an und ich ein weißes Kleid. Das Einzige, was vielleicht nicht so klassisch war: meine Brautschuhe. Ich hab nämlich hohe Converse getragen, was im Brautladen ein bisschen für Verwunderung gesorgt hat. Aber man hat sie unterm Kleid eh nicht gesehen. Ich wollte sie tragen, weil sie einfach super bequem sind“, sagt Barbara. Und Loris meint: „Meine Eltern, die zu dem Zeitpunkt beide nicht mehr am Leben waren, habe ich schon sehr vermisst bei der Hochzeit. Sie wollten immer eine Tochter, die Larissa heißt. Und deshalb haben wir unsere Tochter Larissa genannt. Ich glaube, meine Mama kann sie vielleicht da, wo sie jetzt ist, sehen und freut sich darüber.“

Bei der Hochzeit waren an die 40 Gäste. Weil alles super geplant war, gab’s keinen Stress; alle haben rechtzeitig Bescheid gewusst – und Perchtoldsdorf war eine wunderschöne Kulisse. Und danach wurde noch in der Wiener Innenstadt mit Open End gefeiert. „Zu einem späteren Zeitpunkt waren wir dann auch noch auf Hochzeitsreise auf Kreta“, merkt Barbara an.

Die Schwangerschaft Barbara wusste schon, dass sie schwanger war, da waren die beiden gerade im Urlaub. Und sie freuten sich riesig. Nicht nur für Loris war der Befund eine Überraschung: „Wir hatten den ersten Untersuchungstermin, und die Ärztin sagte: ,Schauen Sie mal – das hier ist das erste Kind ...‘ Und ich war natürlich komplett baff und hab gefragt, was sie damit meint“, lacht Loris. „Herr Kolar, Sie werden Vater von Zwillingen“, meinte die Ärztin dann. „Und mir ist die Kinnlade runtergefallen. Heute lachen wir natürlich über diesen Moment.“ Sie haben sich dann schon ein bisschen mehr mit dem Thema Zwillinge beschäftigt; haben Bücher besorgt und sich erkundigt. Und Loris konnte Barbara natürlich auch einiges von seinen eigenen Zwillingsbrüdern Renato und Octavio erzählen. Das war schon eine Hilfe.

Barbara meint, dass die Schwangerschaft gar nicht so dramatisch war: „Am Anfang war mir wochenlang schlecht, aber so geht es vielen. In den letzten Wochen war es ein bisserl hart, weil eine der beiden in der Nacht immer auf meinen Ischiasnerv gedrückt hat. Deshalb bin ich dann in der Nacht immer ein bisschen spazieren gegangen. Ich habe auch gar nicht so viel zugenommen. Während der Schwanger-

Ein Fotoshooting mit den Kleinen ist eine besondere Sache – da hilft es, wenn viel Action passiert. Wen man hier im Bild nicht sieht: Barbaras Vater Marcus, der unter vollem Körpereinsatz für Entertainment sorgte.

schaft, so um die 30. Woche herum, bekam ich vorzeitige Wehen und musste für zehn Tage im Krankenhaus einchecken. Bettruhe ist jedenfalls nichts für mich! Die letzten zwei Monate habe ich mich dann aber wirklich geschont. Geboren sind Laura und Larissa im Spital in Zwettl; dort wohnen meine Mama und ein Großteil meiner Familie.“

Zwillinge – eine besondere Verbindung „Man sollte Zwillinge beim Schlafen oder Spielen nicht trennen. Meine Mutter hatte zu einem Zeitpunkt die Zwillinge trennen müssen, weil sie viel arbeitete und sich auch um mich gekümmert hat. Drei Kinder, das war zu viel“ , schildert Loris. Also hat seine Mama seine Brüder, als sie schon ein bisschen älter waren, bei zwei verschiedenen Tanten untergebracht. Einer der Zwillingsbrüder ist dann sehr krank geworden. „Es wurden verschiedene Ärzte konsultiert, aber irgendwie hat keiner richtig gewusst, was los ist mit ihm. Er hatte 40 °C Fieber! Man hat aber nichts gefunden. Ein Arzt hat dann gefragt, ob er einen Zwilling hat – und meinte, dass man die beiden wieder zusammenführen sollte.“ Und tatsächlich: Als Octavio wieder mit Renato vereint wurde, hat gesundheitlich sofort wieder alles gepasst.

Und es gibt noch einen Hinweis darauf, dass Zwillinge eine sehr direkte Verbindung zueinander haben: Am Tag, als sein Bruder Octavio im Krieg gefallen ist, hat Renato heftige Bauchkrämpfe bekommen. Er wusste überhaupt nicht, woher die kamen – aber er hat es einfach gespürt. „Erst am nächsten Tag haben wir erfahren, dass Octavio gestorben ist. Ich habe das Gefühl, dass es Renato noch immer sehr mitnimmt“, bedauert Loris.

Von der Stadt aufs Land Im Dezember 2020 sind Barbara und Loris nach Steinbrunn gezogen. „Wir haben etwas in der Nähe von Wien gesucht, weil wir beide noch dort gearbeitet haben. Barbara arbeitet zwar immer noch in Wien, ist aber viel im Homeoffice. Ich wiederum arbeite bereits hier im Dorf“, sagt Loris. Der Wunsch nach einem Zuhause außerhalb von Wien ergab sich durch den Nachwuchs: Es ist hier

AB 28. JULI

NUR IM KINO

Mein Leben ohne Vater

von peter zirbs

Für jemanden, der so wie ich ganz ohne Geschwister aufgewachsen ist, klingt das Konzept „Zwillinge“ natürlich doppelt unvorstellbar. Wäre der dann so wie ich? Versteht man sich da immer blendend? Gibt es diese oft zitierte, fast schon spirituelle Verbindung zwischen den beiden Geschwistern? Ich muss mich wohl damit abfi nden, dass ich es nie aus eigener Erfahrung herausfi nden werde. Und das ist ja auch irgendwie spannend: So viel kann man mit Geld kaufen, aber einen Zwilling zu haben – diese Chance gibt es tatsächlich nur einmal im Leben, und sie ist unbezahlbar. Natürlich schlägt meine Fantasie Kapriolen beim Gedanken daran, was alles möglich wäre, hätte man einen Zwilling. Man könnte sich für einander ausgeben, die Menschen in der Umgebung verrückt machen, indem man sie im Unklaren ließe, wer denn nun wer wäre. Im Falle einer schlimmen Tat könnte man es immer auf den anderen schieben, bis die Gerichte (etwa die Eltern oder der arme Lehrkörper) völlig verzweifelt aufgeben müssen, weil der wahre Übeltäter eben nicht mit letzter Bestimmtheit festgestellt werden kann. Die Möglichkeiten scheinen endlos. Und ebenso spannend schien mir schon als Kind die Frage, ob sich Zwillinge manchmal auch Interessen teilen würden. Wären dann beide so lesefreudig, wie ich es bin? Könnte man mit dem Zwilling ein musikalisches Duo gründen? Und wer würde dann welches Instrument spielen? Zumindest in Hollywood gibt es ein paar solcher Zwillingsgespanne – das berühmteste ist wohl Mary-Kate und Ashley Olson. Ob den beiden der frühe Ruhm und das Rampenlicht seit jüngsten Jahren tatsächlich so gutgetan hat, bleibt offen. Aber vielleicht wäre ein Zwilling, der so ist wie ich, gar nicht auszuhalten. Dieser ganze Unsinn, der mir dauernd einfällt! Die überbordende Fantasie, von der ich nur einen Bruchteil sinnvoll verwerte! Vermutlich habe ich so viel von alledem, dass ich es locker mit einem imaginären Zwilling teilen könnte – und es wäre vermutlich immer noch genug für beide vorhanden. Es ist okay so, wie es ist. Ich werde meine Zeit weiterhin ohne Zwilling verbringen und kann ihn daher auch für nichts verantwortlich machen. Vielleicht dann halt im nächsten Leben. einfach ruhiger, und man kann mit den Kindern viel mehr unternehmen. In 12 Minuten ist man in Eisenstadt; Mattersburg ist nicht weit, und es gibt drei, vier schöne Seen in der direkten Umgebung – und man ist in einer halben Stunde in Wien. „Auf die Gegend hier sind wir allerdings beim Suchen rein durch Zufall gestoßen“, kann sich Loris noch gut erinnern. Und Barbara hat eine Empfehlung, was Umziehen anbelangt: „Man sollte nie übersiedeln, wenn man schwanger ist. Ich bin ein Mensch, der Dinge gerne selber tut – also beispielsweise Regale ein- und ausräumen, so wie ich es mir vorstelle. Aber Loris hat mir quasi verboten, auch nur auf einen Sessel zu steigen, und das war für mich dann schon ein bisschen schwierig.“ Nicht ganz einfach waren auch die ersten drei Monate, kann Loris berichten: „Ich kann nur sagen, Hut ab vor meiner Frau – wie sie das gemeistert hat, weiß ich wirklich nicht. Mittlerweile spricht sie sogar schon von einem dritten Kind, und ich bin auch absolut nicht abgeneigt. Aber was, wenn das wieder Zwillinge werden? Die Wahrscheinlichkeit ist nicht so klein, weil ja auch meine Brüder Zwillinge waren. Den Stress der ersten Zeit haben wir aber mittlerweile vergessen; jetzt ginge es eigentlich schon wieder. Schauen wir mal.“ In diesem ersten Jahr mit den Zwillingen hat sich einiges für die beiden verändert: Sie haben einfach nicht mehr so viel Zeit. „Wir sind davor viel herumgereist, haben Urlaub und Städtetrips gemacht – das geht momentan einfach nicht mehr. Aber das wird schon wieder kommen. Ich war früher regelmäßig laufen, Fußballspielen oder im Fitnessstudio, das geht sich momentan einfach nicht aus. Barbara hat gemeint, ich solle wieder Musik machen. Aber wie, wann und wo?“, ist sich Loris der Situation bewusst. Doch ohne jegliche Bitterkeit, denn er kann sich an einen speziellen Moment ganz besonders gut erinnern: „Als im Spital die Hebammen mit den beiden Kleinen zu mir gekommen sind und gratuliert haben, sind mir die Tränen gekommen. Es war der glücklichste und schönste Moment in meinem Leben. Natürlich sind mir dann gleich meine verstorbenen Eltern eingefallen und der Krieg – aber dieser Moment gibt einem einfach die Kraft, positiv zu denken – und das Leben so zu lieben, wie es ist.“

In direkter Umgebung des Wohnsitzes gibt es so viel zu entdecken! Langweilig wird es dem Paar mit ihren Zwillingen jedenfalls nicht.

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