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Fit durch die Schwangerschaft
Gesunde Bewegung im Familienalltag Fit durch die Schwangerschaft
Eine Schwangerschaft bedeutet Veränderung. Um die Gesundheit von Kind und Mutter zu bewahren und zu fördern, sollte das bestehende Bewegungskonzept angepasst werden. Eine Schwangerschaft bietet gleichzeitig die Möglichkeit, den Zugang zum Training und zum eigenen Körper neu zu erfinden. von jonny roth
Als Movement Trainer kenne ich die Unterschiede, die man zu beachten hat, je nachdem, ob man Männer oder Frauen trainiert. Die Besonderheit einer Schwangerschaft kenne ich aber nur aus der Zuseherperspektive. Deshalb habe ich mich mit unserer Hebamme über das Thema unterhalten. Denn wer ist kompetenter auf diesem Gebiet als eine vierfache Mutter und Geburtshelferin?
Bewegung ist förderlich, auch in der Schwangerschaft Bewegung beugt Schwangerschaftsdiabetes, aber auch Stoffwechselstörungen, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen im späteren Leben des Kindes vor. Sogar die Risiken einer Frühgeburt, eines Kaiserschnitts sowie übermäßiger Gewichtszunahme sind geringer. Es gibt also viele gute Gründe, sich in der Schwangerschaft zu bewegen. Aber auch Gründe, es nicht zu tun – nämlich wenn eine RisikoSchwangerschaft vorliegen sollte. Sollten während eines Trainings Blutungen, Bauchschmerzen, Atemprobleme oder Schwindel auftreten, muss das Training natürlich sofort abgebrochen werden.
Soweit die Theorie. Praktisch kann man vorbeugen und viel tun, um Einfluss zu nehmen – und doch ist und bleibt die Geburt ein Wunder, ein Mysterium, bei dem der Verlauf nicht zu 100 Prozent in unserer Hand liegt. Und da jeder Körper anders ist, können Ernährungs - und Trainingsempfehlungen sowieso immer nur Tendenzen aufzeigen und keine allgemein gültigen Aussagen sein … „It depends.“ Grundsätzlich lege ich jeder Frau ans Herz, sich vor einer sportlichen Betätigung mit einer ärztlichen Fachperson oder einer Hebamme zu beraten. Sind alle Sportarten anzuraten? Nein. Auf Tauchen, Reiten, Skifahren und andere Sportarten mit erhöhtem Risiko sollte während der Schwangerschaft am besten verzichtet werden. Dabei geht es nicht nur um Erschütterungen des Beckenbodens, sondern auch um Stürze oder Gefährdung durch andere. Einfache Kräftigungsübungen, Schwimmen, Yoga, lockeres Fahrradfahren (auch am Ergometer oder Deskbike) und sogar Stand-upPaddeln sind gute Alternativen dazu.
Wann darf ich was machen? Die ersten 3 Monate Im ersten Trimester kann man prinzipiell noch alles machen. Was Frauen jedoch eventuell spüren, ist eine einsetzende Müdigkeit. Ich bin dafür, dieser Rechnung zu tragen und kürzerzutreten, da ich generell viel davon halte, auf den Körper zu hören. Auf jeden Fall sollten weder Häufigkeit noch Intensität gesteigert werden.
4. bis 6. Monat Die Energie kehrt zurück, jedoch wird ab der zwanzigsten Woche der Einfluss der Hormone spürbarer: Die Strukturen des Körpers brechen auf, der Bandapparat wird weich, wodurch auch die Verletzungsgefahr steigt. Viele Frauen berichten, dass sie etwas ungeschickt werden. Daher sollte man auch nur das machen, was man bereits gewöhnt ist. In Work-outs sollte der Fokus auf einer Stärkung des unteren Rückens liegen, da seine Belastung in dem Maße steigt, in dem der Bauch wächst. Training der geraden Bauchmuskulatur ist tabu, dazu keine Drehbewegungen und kein Heben über Kopf, um den Rücken zu schonen.
7. bis 9. Monat Im dritten Trimester sollte man keine schweren Gewichte mehr stemmen, nicht laufen und auch nicht springen, um keinen Druck auf den Beckenboden auszuüben – aber wenn man auf seinen Körper hört, wird er sowieso davon abraten. Es geht
jetzt vor allem darum, die Blutzirkulation zu unterstützen: Spazieren gehen und Schwimmen sind angesagt.
Das, was wirklich zählt Als mein erster Sohn das Licht der Welt erblickte, wurde mir dieselbe Lehre zuteil, die meine Frau schon neun Monate zuvor erfuhr: Ich lernte, meine eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und mein Leben an die Bedürfnisse meiner Kinder anzupassen. Auch mein Training.
Meine Söhne bringen mich dazu, mich im Training aufs Wesentliche zu fokussieren. Am dringendsten brauchen sie nämlich meine Zeit. Sie verkürzen meine Erholungsphasen auf ein Minimum. Anstatt acht Stunden in einem komplett dunklen Raum zu schlafen, scheint mir das Nachtlicht in die Augen, wir gehen mitten in der Nacht Toastbrot essen oder sehen uns auch einfach nur die Sterne an. Meine Kinder lassen nicht zu, dass ich mich verausgabe. Ich soll sie nämlich auch noch beide gleichzeitig tragen können, während ich unsere beiden Bulldoggen an der Leine führe. Meine Kinder formen also meine Work-outs: kurz, häufig, mit mittlerer Intensität. Bewegung anzupassen an das, was möglich ist, ist das, was Mütter und Väter während bzw. nach einer Schwangerschaft lernen können.
Denn das, was wirklich zählt, sind unsere Kinder und unsere eigene Gesundheit, um noch lange Qualitätszeit mit ihnen verbringen zu dürfen. Der Weg zu langfristiger Gesundheit und körperlicher Leistungsfähigkeit führt immer über die eigene Intuition, über ein In-sich-Reinhören und ist Optimierungsgedanken unseres Körpers diametral entgegengesetzt – egal, was die Werbung uns erzählt.
Das ist das, was ich meinen Klienten sage. Das ist das, was ich auch einer schwangeren Frau sagen würde. Wie man mit dem Training beginnt (und auch dranbleibt)
Als ich noch nicht zu Hause trainierte, traf ich in meinem Gym – pünktlich jedes Jahr im Jänner – auf großartige Menschen, die mit den besten Vorsätzen begannen zu trainieren: fünf Mal die Woche hartes Krafttraining plus Cardio, danach Yoga und Schwimmen plus strenge Ernährung. Das hielten sie locker durch – bis zum Februar.
Wenn du die folgenden sechs Punkte beachtest, wird es dir bestimmt leichter fallen, dranzubleiben … 1. Du brauchst ein klar definiertes Ziel.
Wenn es lediglich dein Ziel ist, „fit zu sein“, wirst du nie wissen, wann du es erreicht hast. 150 kg aufheben, 10 kg abnehmen, 42,195 km laufen: Ein klar definiertes, messbares Ziel hilft dir, dich auf deinem Weg zu orientieren und dabei immer wieder deinen Kurs zu korrigieren, bis du es erreicht hast.
2. Stecke dir ein realistisches Ziel.
Du möchtest fünfzig Liegestütze machen? Am Stück ist das für einen Anfänger ein unrealistisches Ziel. Wenn du aber jeden Tag über den Tag verteilt nur zehn Liegestütze machst, sind es am Ende der Woche sogar schon 70. Am Ende des Monats sind es 280. Am Ende des Jahres bereits 3.360. Und nach 3.360 Liegestütze im Jahr schaffst du dann höchstwahrscheinlich auch fünfzig am Stück. 3. Du musst den Weg zum Ziel kennen und ihn dann immer wieder evaluieren.
Wo stehst du? Wohin willst du? Wie kommst du am schnellsten dort an? Um das herauszufinden, holst du dir am besten Hilfe. Entweder in Form eines Trainers oder eines erfahrenen – und schmerzhaft ehrlichen – Freundes. Wenn du den
Weg einmal gehst, evaluierst du ihn immer wieder mithilfe eines Logbuchs – das kann ein simples Notizheft sein, in das du schreibst, was genau du machst und wie du dich dabei fühlst. Ich habe selbst lange darauf verzichtet, um dann zu erfahren, was für einen Unterschied es macht. 4. Konzentriere dich auf einen einzigen
Aspekt.
Strenges Training ODER strenge Ernährung. Kraft ODER Ausdauer. Zu viele Dinge gleichzeitig zu wollen, brennt dich aus und führt dich nirgendwo hin. Wenn du zwei Ziele hast, verfolge eines nach dem anderen.
5. Passt dein Ziel/Weg wirklich zu deinem Leben und deinen Werten?
Früher war ich täglich mindestens zwei
Stunden im Fitnessstudio, oft auch zweimal. Heute bin ich nicht mehr bereit, stundenlang zu trainieren, da ich lieber
Zeit mit meinen Söhnen verbringe. Darum habe ich mein Training angepasst, und meine Work-outs dauern jetzt nur noch zwanzig Minuten. Mein Wertesystem hat sich verändert und somit auch mein Ziel.
Kraft und Beweglichkeit interessieren mich heute mehr als reine Muskelmasse und Optik. 6. Möchtest du trainieren oder erscheint es dir als der einzige Weg, um an dein Ziel zu kommen?
JEDER Körper ist perfekt an seine Umgebung angepasst, auch wenn uns das nicht immer bewusst ist. Aus diesem Grund kann traditionelles Training Teil einer Veränderung hin zu mehr Bewegung sein, muss es aber nicht. Es ist sinnvoll, ein Konzept zu verfolgen, das deinem Alltag, deinen Bedürfnissen und deinen Werten entspricht.
Jonny Roth
ist Movement Trainer. Über Fitover40.at bietet er maßgeschneiderte, alltagstaugliche und perspektivische Bewegungskonzepte, die in der Auswahl der Übungen, Intensität und Volumen für JEDEN Körper, JEDEN Lebensstil und JEDE familiäre Situation skalierbar sind – UNABHÄNGIG davon, ob man gerne Sport macht oder nicht.