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DIE KOHLENSTOFFDIOXID-VERNICHTER Wie Climeworks das Klima retten kann

©2022, Climeworks MOBILITY

Das Mammoth-Projekt auf Island soll in zwei Jahren fertig sein und pro Jahr 36'000 Tonnen CO2 aus der Luft filtern.

DIE KOHLENSTOFFDIOXIDVERNICHTER

Das Schweizer Unternehmen Climeworks ist die grosse Klimahoffnung

Es ist 2003, als sich Christoph Gebald und Jan Wurzbacher bei ihrer ersten Vorlesung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) das erste Mal über den Weg laufen. Die beiden verstehen sich auf Anhieb, werden beste Freunde und beschliessen, eines Tages eine Tech-Firma zu gründen. Ihr ehrgeiziges Ziel: die Erde von der fatal steigenden CO2-Konzentration zu befreien. Elf Jahre später ist Climeworks weltweit führend in der Carbon-Dioxide-AirCapture-Technologie. Das Unternehmen filtert Kohlenstoffdioxid (CO2) direkt aus der Umgebungsluft und verwandelt es, einfach formuliert, zu Stein. Kernstück ist ein spezielles Filtermaterial. Kürzlich sammelten sie mehr als eine halbe Milliarde Franken in einer neuen Finanzierungsrunde – die höchste Summe, die es je für ein Unternehmen aus der Branche gegeben hat.

Autorin: Isabelle Riederer

Das Entziehen von CO2 aus der Luft bezeichnen die Wissenschaftler als negative Emissionen. Theoretisch gibt es dafür mehrere Möglichkeiten. Die einfachste ist das Aufforsten. Bäume sind natürliche CO2-Senken. Sie absorbieren das Gas durch Photosynthese und speichern es in Stämmen, Ästen, Wurzeln und im Boden. Weltweit steht jedoch nicht genug Landfläche zur Verfügung, um 100 bis 1 000 Gigatonnen CO2 allein über Bäume aus der Luft zu filtern. Zudem kann so nicht immer garantiert werden, dass das CO2 dauerhaft und messbar aus der Atmosphäre entfernt wird: Waldbrände oder Rodungen können zur Zerstörung von Bäumen führen und das gespeicherte CO2 wieder freisetzen. Eine zweite Möglichkeit basiert auf der Bioenergie. Bei dieser Methode werden schnell wachsende Gehölze angepflanzt. Auch hierfür wären bis 2050 über 700Millionen Hektar nötig, was unrealistisch ist.

Eine dritte Möglichkeit ist die Direct-AirCapture-Technologie (DAC), bei der CO2

direkt aus der Luft gefiltert und im Untergrund eingelagert wird. Und genau das macht Climeworks. Das ETH-Spin-off hat Maschinen entwickelt, die Kohlenstoffdioxid aus der Umgebungsluft filtern, das dann unter die Erdoberfläche gepumpt und dort zu Stein gepresst wird. Der einstige Problemstoff wird so zu einem wertvollen Rohstoff, der verkauft werden kann. Die Einsatzmöglichkeiten sind dabei sehr vielfältig: von der Getränkeindustrie, die reines CO2 zur Herstellung kohlensäurehaltiger Getränke benötigt, über die Landwirtschaft, die CO2 als umweltfreundlichen Dünger einsetzt, bis hin zur Automobilbranche, die aus dem gewonnenen Rohstoff umweltfreundliche E-Fuels herstellen kann.

ERSTE KOMMERZIELLE ANLAGE IN HINWIL

Im Mai 2017 hat Climeworks die weltweit erste kommerzielle DACAnlage auf dem Dach der Müllverbrennungsanlage in Hinwil, Kanton Zürich, in Betrieb genommen. Die Anlage besteht aus 18CO2-Kollektoren und riesigen Ventilatoren, die die Umgebungsluft ansaugen. Die Kollektoren sammeln die CO2-Moleküle ein und behalten sie bei sich wie ein Schwamm. Ausgeschieden wird lediglich CO2-freie Luft. Das gefilterte Gas liefert Climeworks direkt an die benachbarte Gärtnerei Gebrüder Meier.

SO WIRD KOHLENSTOFFDIOXID ZU STEIN

Bereits wenige Monate später fiel der Startschuss zum Bau einer zweiten DAC-Anlage auf Island, die mit einer sicheren und dauerhaften unterirdischen Lagerung kombiniert wurde. Die Methode dafür wurde vom Partner Carbfix entwickelt. 4 000 Tonnen Kohlenstoffdioxid werden damit pro Jahr aus der isländischen Luft geholt. Dazu nutzt Climeworks den bewährten zweistufigen Prozess der CO2-Filterung: Zunächst wird Luft mit grossen Ventilatoren durch die Anlage hindurchgeblasen. Dabei bleibt das Kohlenstoffdioxid an einem speziellen Filtermaterial in der Mitte des Containers hängen. Ist dieses Filtermaterial gesättigt, beginnt der zweite Teil des Prozesses: Der Kasten wird geschlossen und erhitzt. Bei 100Grad Celsius löst sich das Kohlenstoffdioxid wieder vom Filtermaterial und kann in hochkonzentrierter Form abgesaugt werden. Bei der Anlage kommt zur Durchführung des Prozesses klimafreundliche Geothermie zum Einsatz – Orca wurde in unmittelbarer Nähe zum grossen Geothermie-Kraftwerk Hellisheidi errichtet. Direkt angrenzend an die Direct-Air-Capture-Anlage hat Climeworks eine Halle errichtet, um das Kohlenstoffdioxid für die Übergabe an das isländische Unternehmen CarbFix vorzubereiten. CarbFix, hervorgegangen aus einem wissenschaftlichen Projekt, vermischt das Kohlenstoffdioxid mit Wasser und pumpt es mehrere Hundert Meter tief in die Erde, wo es mit dem vorhandenen Basalt reagiert und durch natürliche Mineralisierung innerhalb weniger Jahre zu Stein wird.

Das weltweit einzigartige Verfahren könnte den Klimawandel ausbremsen, davon sind auch Investoren aus der ganzen Welt überzeugt. Es folgte eine erfolgreiche Finanzierungsrunde nach der anderen. Bereits 2018 summierten sich die Investitionen (Eigenkapital / öffentliche Zuschüsse) in die Climeworks AG und ihre wegweisende DAC-Technologie auf mehr als 50 Millionen Schweizer Franken. Das Kapital stammte von einem Konsortium aus bestehenden und neuen Privatinvestoren sowie der grössten Kantonalbank der Schweiz, der Zürcher Kantonalbank.

2019 lancierte Climeworks ein monatliches CO2-Beseitigungsabo und machte die Lösung damit allen zugänglich: Im Namen der Abonnentinnen und Abonnenten eliminiert Climeworks Kohlenstoffdioxid aus der Luft. Das Interesse an Lösungen zur CO2Abscheidung nimmt laufend zu. Climeworks hat mehrere Unternehmenskunden gewonnen. Unternehmen spielen eine wichtige Rolle beim Aufbau eines Markts für die Kohlenstoffdioxidabscheidung und die Skalierung bestehender Lösungen wie Direct Air Capture. Über die Beteiligungsgesellschaft Big Point Holding AG ist der AMAG-Eigner Martin Haefner von Beginn an Ankerinvestor des Unternehmens. Seit 2021 arbeitet die AMAG Gruppe mit Climeworks zusammen und schloss einen langfristigen Abnahmevertrag.

ÜBER EINE HALBE MILLIARDE EURO GESAMMELT

Der grosse Coup gelang Climeworks 2020 mit dem Bau einer neuen, viel grösseren Anlage auf Island namens Orca, sie filtert seither jedes Jahr 4000Tonnen CO2 dauerhaft und sicher aus der Luft. Im April dieses Jahres folgte der nächste Paukenschlag: Das Schweizer Start-up-Unternehmen sammelte insgesamt 590Millionen Euro! Lead-Investoren der Runde sind der Schweizer Vermögensverwalter Partners Group sowie der Staatsfonds GIC aus Singapur. Ebenfalls beteiligt ist unter anderem der Rocket-Internet-Fonds Global Founders Capital – es ist der höchste Betrag, den je ein Unternehmen aus dieser Branche erhalten hat.

Im Juni folgte dann der Spatenstich zur zweiten kommerziellen DAC-Anlage auf Island. Das Mammoth-Projekt soll spätestens in zwei Jahren fertig sein und anschliessend jedes Jahr 36’000Tonnen CO2 aus der Luft filtern. Klar ist: Jede Tonne Kohlenstoffdioxid, die aus der Luft entfernt werden kann, ist eine Tonne Treibhausgas, die nicht mehr zur globalen Erwärmung beiträgt.

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