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VERGANI – IN VINO VERITAS Blindverkostung und ein offenes Gespräch
«ES GIBT WEINE, DIE LEUCHTEN»
Wer sieht, was er trinkt, lässt sich blenden. Regelmässig degustieren wir darum in der Rubrik «Vergani Privé» an der Zentralstrasse in Zürich mit ausgewählten Persönlichkeiten Weine, die berühren und polarisieren. Degustiert wird blind, darüber gesprochen wird offen. Locker, persönlich und heiter wird argumentiert, warum ein Wein «gut» ist, während ein anderer «voll daneben» steht. Diesmal mit Grazia Covre.
Autor: Andrin Willi
Der erste Schluck ist für mich entscheidend. Der Geruch kann täuschen. Das Mundgefühl nicht. Ich entscheide nach Mundgefühl. Weine blind zu degustieren, ist überraschend, aber als visueller Mensch schätze ich selbstverständlich auch die Auf« machung eines Weines. Flaschenform. Grösse. Machart. Etikette.
Ich bin keine Labeltrinkerin! Aber hinter dem Marketingprozess stehen viele Überlegungen, die im besten Fall Kunden zum Kauf verführen können. Ist mir auch schon passiert, dass sich der Wein aus der schönen Flasche mit der schönen Etikette im Glas dann flach präsentierte. Und trotzdem fehlt mir etwas, wenn man, so wie hier, nicht weiss, was man trinkt. Es ist anspruchsvoller. Man konzentriert sich, aber ich kann auch ohne hinzusehen sagen, dass guter Wein nicht teuer sein muss. Mir muss er guttun. Er muss mich inspirieren. Ich stehe auf kräftige Weine. Nach der Auflösung kam für mich die Bestätigung: Der teuerste Wein hat mir nichts gesagt. Typisch. Ich bin mir bewusst, dass ich Weine oft ein wenig anders beschreibe als andere. Es gibt für mich zum
Beispiel lauwarme Weine, damit meine ich Weine, die nichts aussagen. Und es gibt Weine, die etwas hergeben, die leuchten. Wir degustieren hier drei Weine aus der Sangiovese-Traube. Diese erinnert mich auch an meinen Vater, der in den 1960ern bei Vergani gearbeitet hat. Damals war der Wein aus Italien der Wein zur
Pasta. Er kam aus Strohkorbflaschen, Chiantiflaschen, Fiaschi,
Chianti – also Sangiovese. Der Wein aus Italien! Eine Traube mit einer Geschichte. Sie trägt einerseits die Geschichte und andererseits das Neue, die Überraschung, in sich.
Erstes Glas: Hat im Geruch etwas Stechendes. Nicht sehr weich am Gaumen. Ich empfinde ihn als etwas aggressiv.
Zweites Glas: Säurebetont. Ein feiner Körper, aber ich finde den Zugang zu ihm nicht.
Drittes Glas: Mein Favorit! Der ist parat. Etwas herber unterwegs, aber sehr geschmackvoll und geschmeidig. Wenn der dritte Wein ein italienisches Lied wäre, dann würde es Jovanotti singen. Auch er ist ein bisschen wild, fusst aber auf einem guten Boden. Jovanotti hat wie dieser Wein die wilde Tiefe und dennoch den festen Boden unter den Füssen. Kein Wunder. Es ist ein Riserva. Jahrgang 2016. Ein Vino Nobile di Montepulciano aus dem Hause Talosa. Mein zweiter Lieblingswein, die Nummer eins, auch wenn er sich sperrig zeigt, ist der Brunello di Montalcino. Jahrgang 2017 von Talenti. Der teuerste Wein in der Serie. Und der zweite Wein, der mir zu säurebetont erschien, heisst Maramia und stammt aus der Emilia Romagna. 2018! Seine Zeit kommt noch.»
Das über 130 jährige Familienunternehmen Vergani ist eine der führenden Schweizer Weinhandlungen mit italienischen Weinen und Grappas. Unterdessen ist mit Flavia, Luca und Gianni Vergani bereits die fünfte Generation im Unternehmen tätig.
DREI FRAGEN AN GRAZIA COVRE
Sie ist Showproducer und Choreographer. Mit ihrer motivierenden, temperamentvollen Begeisterung schafft sie es immer wieder, mit ihren Shows national wie auch international für Furore zu sorgen. Heute gilt sie international als eine der besten Choreographinnen, wenn es um TV-, Werbe-, Film- oder Fashionshows geht. Begonnen hat sie – gut bürgerlich – mit einer kaufmännischen Lehre auf der Bank, aber eigentlich wollte sie schon als 13-jähriges Mädchen tanzen, tanzen, tanzen. Verschiedene Ausbildungen und Engagements führten sie von Zürich in die ganze Welt, aber vor allem nach Berlin, New York und Paris. Infos:
Erste Frage: Welche Weine servierst du am liebsten?
Carissimi! Es kommt jedoch ganz darauf an, was es zum Essen gibt. Meine Weinauswahl richtet sich immer nach den Speisen, wobei ich – zugegebenermassen – auf korpulente Weine stehe.
Welchen Wein wählst du bei einem Geschäftsessen, wenn du den Geschmack der Gäste nicht kennst?
Ich wähle drei aus! Drei ist eine schöne Zahl und mit einer solchen Auswahl treffe ich immer den Geschmack. Also etwas Leichteres zu Beginn, ein Roséwein und einer mit Power. Mit dieser Selektion haben alle die Wahl, weil es ja auch Menschen geben soll, die säurebetonte, leichte Weine mögen (schmunzelt).
Welche Weinbauregion Italiens triggert dich?
Jede! Weil es immer wieder auch in vermeintlich bekannten Regionen wie der Toskana Entdeckungen zu machen gibt. Man muss sich nur ein bisschen reinlesen, probieren – das triggert mich.