Julia Kristeva: Das weibliche Genie ­ Melanie Klein

Page 1

7ÊHREND &REUD DEN ½DIPUSKOMPLEX UND DIE 2OLLE DES 6ATERS INS :ENTRUM DES PSYCHISCHEN ,EBENS RàCKTE ENTDECKTE -ELANIE +LEIN ALS -UTTER 0SYCHOANALYTIKERIN DIE w-UTTERi INMITTEN DES SEELISCHEN ,EBENS DES 3UBJEKTS $AMIT GELANG IHR DIE 6ERTIEFUNG DER 0SYCHOANALYSE DIE DIE 0SYCHOSE DIE /BJEKTBEZIEHUNGEN UND DAS 6ERSTEHEN wVORSPRACHLICHERi -ITTEILUNGEN IN DER +INDERANA LYSE BETRAF +RISTEVA ERZÊHLT ANSCHAULICH UND AUSFàHRLICH -ELANIE +LEINS &ALLGESCHICHTEN NACH 7EITERHIN STELLT DIE !UTORIN DIE THEORETISCHEN %NTWICKLUNGEN -ELANIE +LEINS UND DEREN %INFLUSS AUF DIE 0SYCHO ANALYSE DAR "EI DEM VORLIEGENDEN "UCH HANDELT ES SICH UM DIE DEUTSCHE %RSTAUSGABE DER FRANZÚSISCHEN !USGABE VON

*ULIA +RISTEVA $AS WEIBLICHE 'ENIE n -ELANIE +LEIN

w%RSCHAFFE DEIN $ENKEN UND ERSCHAFFE ES STETS AUFS .EUE INDEM DU MIT DEM 7EIBLICHEN IN DIR IN "ERàHRUNG BLEIBST i

*5,)! +2)34%6!

$!3 7%)",)#(% '%.)% -%,!.)% +,%). $AS ,EBEN DER 7AHN DIE 7ÚRTER

* 5,)! +2)34%6! IST ,ITERATURTHEORETIKERIN 0SYCHO ANALYTIKERIN 3CHRIFTSTELLERIN UND 0HILOSOPHIN 3EIT LEBT UND ARBEITET +RISTEVA IN 0ARIS WO SIE SEIT EINEN ,EHRSTUHL AN DER 5NIVERSITÊT INNEHAT )HRE 3CHRIFTEN ZUR ,INGUISTIK PRÊGTEN DIE POSTSTRUKTURALIS TISCHE $ISKUSSION "EEINFLUSST WURDE SIE DABEI VON DER &REUD SCHEN UND ,ACAN SCHEN 0SYCHOANALYSE ERHIELT +RISTEVA DEN (ANNAH !RENDT 0REIS FàR POLITISCHES $ENKEN

WWW PSYCHOSOZIAL VERLAG DE )3".

")",)/4(%+ $%2 039#(/!.!,93% 039#(/3/:)!, 6%2,!'

280 Seiten 28 mm Rückenstärke · 8 mm Falzugabe


Ich danke Hans Naumann für seine Mitarbeit. Johanna Naumann Titel der Originalausgabe: »Le génie féminin. Mélanie Klein« de Julia Kristeva. World copyright © LIBRAIRIE ARTHÈME FAYARD, 1999. Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Deutsche Erstveröffentlichung © 2008 Psychosozial-Verlag Goethestr. 29, D-35390 Gießen. Tel.: 0641/77819; Fax: 0641/77742 E-Mail: info@psychosozial-verlag.de www.psychosozial-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Umschlagabbildung: Inge Prokot: Melanie Klein-Zyklus, Bild 2, 2008 © Inge Prokot Umschlaggestaltung nach Entwürfen des Ateliers Warminski, Büdingen. Satz: Hanspeter Ludwig, Gießen www.imaginary-art.net Druck: Fuldaer Verlagsanstalt GmbH & Co. KG www.fva.de ISBN 978-3-89806-837-6


Julia Kristeva

Das weibliche Genie – Melanie Klein Das Leben, der Wahn, die Wörter Aus dem Französischen von Johanna Naumann

Psychosozial-Verlag


Eine Frau von Charakter mit einer Art von teilweise verborgener Kraft – wie kann ich sagen – nicht die List, sondern die Subtilität, etwas, das unterirdisch wirkt, wie eine Grundsee: bedrohlich. Eine Dame, halbergraut und brüsk, mit großen, klaren und phantasievollen Augen. Virginia Woolf Than soul, live thou upon your servant’s loss […] So shalt thou feed on Death that feeds on men, And, Death once dead, th’s no more dying then. William Shakespeare, Sonette, 146 »O Seele, lebe von des Leibs Verlust […] Der Tod sei dir, wie Leben ihm, Verzehr; Denn Sterben stirbt, lebt erst der Tod nicht mehr!« (übersetzt von Karl Bernhard)


9

Einleitung

Das Jahrhundert der Psychoanalyse Die Menschen sind so notwendigerweise verrückt, daß es eine andere Art von Verrücktheit wäre, nicht verrückt zu sein. Pascal

1925: »Sie ist ein bißchen übergeschnappt, das ist alles. Es gibt aber keinen Zweifel daran, daß ihr Geist übersprudelt von sehr, sehr interessanten Dingen. Und sie ist charmant.« So beschreibt Alix Strachey Melanie Klein ihrem Mann, James Strachey, dem vielbeachteten Übersetzer und Herausgeber der Standard Edition der Werke von Freud und einem der Anreger der bekannten Londoner Bloomsbury-Gruppe (vgl. Meisel/Kendrick 1995). In Berlin machen beide Frauen eine Analyse bei Karl Abraham, abends tanzen sie in den – mehr oder weniger gut besuchten – Bars »der Linken«. 1957: Melanie Klein hat sich im Laufe von drei Jahrzehnten weltweit einen Namen als Gründungsmutter der Psychoanalyse von Kindern gemacht, und darüber hinaus – nach Freud – als Neugründerin der Psychoanalyse von Erwachsenen, besonders der Psychoanalyse der Psychosen. In Neid und Dankbarkeit schreibt sie: »Meine Arbeit hat mich gelehrt, daß das erste beneidete Objekt die nährende Brust ist, weil sie in der Phantasie des Säuglings alles besitzt, was er begehrt, sich aber ihren unerschöpflichen Milchstrom und ihre Liebe der eigenen Befriedigung vorbehält. Dieses Gefühl verstärkt seinen Groll und seinen Haß – das Ergebnis


10 · Einleitung

ist eine gestörte Beziehung zur Mutter. Exzessiver Neid zeigt meines Erachtens, daß paranoide und schizoide Züge anormal stark ausgeprägt sind und man einen solchen Säugling als krank betrachten kann. […] (Der Neid bezieht sich) in seiner späteren Ausprägung nicht mehr auf die Brust, sondern auf die Mutter, die den Penis des Vaters in sich aufnimmt und Babys in ihrem Inneren birgt, die sie zur Welt bringt und zu nähren vermag […]. Vor allem die Kreativität ist Gegenstand derartiger Attacken. So beschreibt Spenser in The Faerie Queene den Neid als reißenden Wolf […]. Diese theologische Überlegung scheint auf Augustinus zurückzugehen, der das Leben als kreative Kraft beschreibt, die dem Neid als einer zerstörenden Kraft entgegenwirkt. In diesem Zusammenhang möchte ich auch an den I. Korinther-Brief erinnern, in dem es heißt: ›Die Liebe eifert nicht‹ (VIII, 4)« (Klein 1957, S. 292, 320).

Melanie Klein ist von nun an eine Hauptfigur der Psychoanalyse, an der man von nun an ebenso wenig vorbeikommt, wie an der von ihr begnadet ausgeübten Psychoanalyse. Als großes Abenteuer, das auf die Sitten und Gebräuche eingewirkt hat, oder obskures Verkennen, von einigen vehement verunglimpft, erweist sich die Entdeckung des Unbewussten bei Anbruch des dritten Jahrtausends noch immer als Rätsel. Ein Jahrhundert nach ihrem Erscheinen1 haben wir die von Sigmund Freud (1856–1939) und seinen Schülern vollzogene Kopernikanische Revolution noch immer nicht begriffen. Als Erbin der Religion, Philosophie sowie der Medizin und Psychiatrie des ausgehenden XIX. Jahrhunderts hat die Psychoanalyse diese Disziplinen völlig dekonstruiert und erneuert, indem sie den Gedanken nahegelegt hat, dass die menschliche Seele, tributpflichtig dem Körper und der Sprache, nicht nur bewusstseinsfähig ist. Die Seele ist – Ort des Schmerzes und der Zerstörung, sogar dem Tod unterworfen – vor allem unser privilegierter Bereich der Wiedergeburt. Mit der den Erforschern des Unbekannten eigenen Leidenschaft haben die Pioniere dieser Entdeckung ihre ganze Existenz von ihr beeinflussen lassen und einen neuen Typus von Bewusstsein geschmiedet, der die klassische Rationalität herausfordert, sie durch die Hinzunahme des Imaginären, das das Band zwischen zwei Sprechenden stützt, erweiterte. Wenngleich viele ihr gegenüber misstrauisch waren und ihr noch misstrauen (von Heidegger bis Nabokov, um nur die Entscheidendsten anzuführen), lesen manche der 1 Das Wort »Psychoanalyse« wird zum ersten Mal in dem Aufsatz Freuds »L’héréditité et l’étiologie des névroses« (GW I, S. 405ff.) verwendet. Nach den mit Joseph Breuer 1895 veröffentlichten Studien über Hysterie (GW I, S. 75ff.) ist es die 1900 veröffentlichte Traumdeutung, die als Inauguralwerk der Psychoanalyse angesehen wird.


Das Jahrhundert der Psychoanalyse · 11

einfallsreichsten Männer und Frauen dieses Jahrhunderts Freud: von Virginia Woolf bis Georges Bataille, von André Breton bis Jean-Paul Sartre, von Romain Rolland bis Gustav Mahler, von André Gide bis Émile Benveniste, von Charlie Chaplin und Alfred Hitchcock bis Woody Allen. Oder sie legen sich auf die Couch des Analytikers, um diese Neuerung der Selbsterkenntnis zu verstehen oder zu erfahren, die zugleich Bedingung einer neuen Freiheit und Wendepunkt der Zivilisation ist. Brudermörderische und institutionelle Brüche haben die psychoanalytische Bewegung von ihren Anfängen an und während ihrer ganzen hundertjährigen Geschichtebegleitet und in Unruhe gehalten. Diese Brüche sind jedoch nicht nur auf die Empfänglichkeit der Therapeuten für den Wahn, den sie behandeln, zurückzuführen, wie die Lästermäuler behaupten. Noch ist der Grund der Brüche in der Tatsache zu sehen, dass die Intensität der Triebe und der Worte oft ein Zeichen von Wahrheit ist, wenn sie sich den üblichen Gepflogenheiten widersetzen. Auf eine viel dramatischere Weise decken vielmehr die internen Konflikte der analytischen Bewegung die jeder menschlichen Kultur innewohnende Grausamkeit wie unter einem Mikroskop vergrößert auf – weil es Neuerung allein an den Grenzen des Unmöglichen gibt. Es ist die Geisteskrankheit, derer Freud und seine »Komplizen« sich als Königsweg bedienen, um die Seele kennenzulernen und sie zu befreien versuchen. Manche Moralisten und Schriftsteller, insbesondere französische, hatten auf ihre Weise schon diesen Weg gebahnt, indem sie den Wahn auf dem Grund der Seele entdeckten. Hatten die Vorgänger Freuds nicht ein Denken des Exzesses eingeleitet, das antipodisch zu seiner medizinischen und psychiatrischen Ausschließung in der Pathologie steht? In der Tat, was bleibt denn von dem »Wahnsinn« für die guten Sitten eines La Rochefoucauld, wenn er schreibt: »Derjenige, der ohne Wahnsinn lebt, ist nicht so weise wie er«, oder für das infernalische Wissen eines Rimbaud, der proklamiert: »Das Unglück war mein Gott. Ich habe mich im Schmutz gewälzt. Ich habe mich nach dem Ruch des Verbrechens verzehrt. Und ich habe lustige Streiche bis zum Wahnsinn ausgeheckt«? Weder ist er zu ignorieren noch einzuschließen, der Wahnsinn ist zu sagen, zu schreiben, zu denken: furchtbare Grenze, niemals erlöschende Anregung für die Kreativität. Dieses offensichtliche Paradox ist immer noch Mittelpunkt des Missverstehens und der Widerstände, die die Psychoanalyse hervorruft: Wie könnte die Pathologie die Wahrheit sagen? Indem die Psychoanalyse die psychische Krankheit behandelt, das Unbehagen analysiert, deckt sie die Denkweisen auf, die ebenso den sogenannten normalen menschlichen Erfahrungen zugrunde


12 · Einleitung

liegen und kann die Bedingungen bestimmen, unter denen diese Denkweisen sich in Symptomen fixieren. Die Theorie des Unbewussten nimmt so die Grenze zwischen dem »Normalen« und dem »Pathologischen« zurück, und erweist sich im Wesentlichen, ohne auf das Heilen zu verzichten, für jeden als eine Reise an das Ende der intimen Nacht.2 Eine bestimmte Terminologie, die in der Psychiatrie wiederholt wird, führt hier zu einem Irrtum: Wenn die Psychoanalyse vom Wahnsinn ausgeht, dehnt sie ihn nicht auf jeden aus in dem Versuch, uns zu überzeugen, dass wir alle verrückt seien; im Gegenteil, sie bedient sich seiner wie auch vieler anderer Modelle und Strukturen, die uns insgeheim bewohnen und Träger von Exzessen, von Sackgassen, aber auch von Neuerungen sind. Das Leben des Geistes wurzelt in der Sexualität; dies war der archimedische Punkt, der es der Freud’schen Psychoanalyse erlaubte, die Grenzen der Normalität und der Pathologie neu zu ziehen wie auch eine der nachhaltigsten Zerschlagungen der Metaphysik begonnen zu haben, derer sich unser Jahrhundert rühmt. Zugleich Energie und Sinn, Biologie und Kommunikation mit dem anderen, biologisiert die Sexualität, wie Freud sie denkt, nicht das Wesen des Menschen, wie man es ihm hat vorwerfen können, sondern, ganz im Gegenteil, sie bezieht die Animalität sogleich in die Kultur ein. Wenn die menschliche Gattung zu symbolisieren und zu sublimieren vermag, so aus dem Grunde, weil sie mit einer Sexualität ausgestattet ist, in der sich unauflöslich das verknüpft, was für die Metaphysik ein Dualismus war: der Körper und der Geist, der Instinkt und die Sprache. In der Tat ist das Begehren von Anfang an Energiespiel und Intention, und indem er die Unfälle der Sexualität beobachtet, hält der Psychoanalytiker das Misslingen dieser Kopräsenz fest, das die Quelle des Unbehagens ist. Es bedurfte des biblischen Erbes und der ganzen libertären Entwicklung der europäischen Kultur von der Renaissance und der Aufklärung bis zur Belle Époque des XIX. Jahrhunderts, damit das Freisprechen der Sexualität von Schuld es einem Juden aus Wien ermöglichte, aus ihr ein Objekt des Wissens und, was noch mehr ist, den Mittelpunkt des psychischen Lebens zu machen. Die libertären Geister jeglicher Ausrichtung haben nicht gezögert, sich in dieser Subversion wiederzuerkennen. Aber die Bedeutung der Freud’schen Entdeckung ist fundamentaler: Weder Libertinage noch Provokation ist nach Freud die Sexualität dieses Scharnier, von dem ausgehend sich das »Wesen des Menschen« in seiner Besonderheit als 2 Julia Kristeva spielt auf den Titel des Romans von Louis-Ferdinand Céline an: »Reise ans Ende der Nacht« (Voyage au but de la nuit); A. d.Ü.


Das Jahrhundert der Psychoanalyse · 13

ein Begehren zeigt, unauflöslich energetisch und signifikant, derart dass sich in ihr zugleich das Schicksal, das uns begrenzt und die Singularität, die uns befreit, einprägen: Ein Begehren an der Schnittstelle des Genetischen und des Subjektiven, der Schwere und der Gnade. Die Seele, Erbin der antiken psyché, wird also ein »psychischer Apparat«, dessen Topiken variieren (Unbewusstes/Vorbewusstsein/Bewusstsein, dann Es/Ich/Über-Ich), der jedoch unausweichlich von verschiedenen Ökonomien und Figuren des Begehrens durchzogen ist, das immer schon psychosomatisch ist. Dass dieses zweigesichtige Begehren sich in der Rede an den Anderen-Analytiker in der Übertragung entziffern lässt, dem galt die Wette Freuds. Eine Wette voll des Optimismus – die dennoch selbst die hellsichtigste Desillusion nicht ersparte –, die das Ohr als Hauptorgan und die Textanalyse als unumgängliche jüdisch-christliche Referenz in diesem langwährenden Abenteuer einsetzte. Die Heterogenität von Fleisch/Geist, die die Sexualität nach Freud hervorgebracht hat, konnte in der Rede nur vernommen werden, wenn die vom Bewusstsein beherrschte Denkweise sich aufbrechen und eine neue, andere Logik schlagen ließe. Das ganze Gebäude des denkenden Subjekts, Erbe der Geschichte der Metaphysik und vom Cogito Descartes’ versiegelt, fand sich auf diese Weise erschüttert. Das Freud’sche Unbewusste wurde dieser »andere Schauplatz«, der sich dem analytischen Hören anbietet, zugänglich durch das Bewusstsein, jedoch nicht auf es zu reduzieren. Das Unbewusste entgeht dem Irrationalen, denn es ist weit davon entfernt, ein unzugängliches Chaos zu sein, vielmehr ist es strukturiert, wenn auch auf andere Weise als das Bewusstsein. Das psychologische Geheimnis konturierend, in dem die Scham der Familien und die gesellschaftliche Moral wirken, konstituiert es mich, ohne dass ich es weiß, bis in ungeahnte Tiefen. Und wenn es mir gelingt, dorthin zu gelangen, befreit es mich von meinen Hemmungen, indem es mir meine Freiheit wiedergibt. Ich bin für mein Unbewusstes nicht verantwortlich, aber wenn ich nicht von ihm her antworte, antworte ich ihm …, indem ich es neu denke und es wiedererschaffe. Die unbewusste Sexualität erhellt von nun an mit neuem Licht die traditionelle Differenz zwischen den Geschlechtern, und es war nicht die unwichtigste Enthüllung der psychoanalytischen Revolution, die modernen Veränderungen der Geschlechterbeziehungen zu begleiten und anzustoßen. Während er der weiblichen Hysterie zuhört, verfeinert Freud sein Hören, um die Logik des Unbewussten zu erfassen. Eine Galerie von »Persönlichkeiten« oder weiblichen »Fällen« bietet sich ihm an, um die Psychoanalyse zu gründen: Anna O.,


14 · Einleitung

Emmy von N., Lucy R., Katharina, Elisabeth von R., ohne Dora zu vergessen, die bekannteste, und noch so viele andere, mehr oder weniger bekannte. Weit entfernt davon, diese Symptomatologie einzig dem weiblichen Geschlecht zuzuschreiben, ruft Freud einen Skandal hervor, als er die männliche Hysterie zu denken beginnt: Eine Weise, neben anderen, die traditionelle Spaltung zwischen Mann/Frau in Frage zu stellen. Die Psychoanalyse beginnt damit, die psychische Bisexualität anzuerkennen, die jedem der beiden biologisch konstituierten Geschlechtern innewohnt, um schließlich dahin zu gelangen, die sexuelle Singularität aufzudecken, die jedem Individuum eigen ist. Wenn also auch der Großteil der heutigen Analytiker behauptet, dass die Heterosexualität, auf der die Familie gründet, die einzige ist, die die subjektive Individuation des Kindes garantieren kann, so entdeckt und anerkennt die Psychoanalyse in der Tat eine unter jeder sexuellen Identität vorhandene sexuelle Polymorphie, von da aus bestätigt sie sich als eine Ethik der subjektiven Emanzipation. Dieser intellektuelle Rahmen favorisiert den Zugang von Frauen zur Praxis der Psychoanalyse und offenbart ihre Begabungen mehr, als es andere Disziplinen tun, die mehr oder weniger empfänglich für die gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen der Epoche sind. Trotz der Widerstände und Feindseligkeiten, auf die viele von ihnen in einem männlichen Milieu stoßen, und darüber hinaus die traditionelle und rigide medizinische Hierarchie zu spüren bekommen, nehmen zahlreiche Frauen an der psychoanalytischen Revolution teil, deren Beitrag alsbald anerkannt wird: Lou Andreas-Salomé, Sabina Spielrein, Karen Horney, Helene Deutsch, Anna Freud, Joan Riviere, Susan Isaacs, Paula Heimann, Jeanne Lampl-De Groot, Marie Bonaparte und vor allem Melanie Klein – um hier nur einige der Zeitgenossinnen Freuds anzuführen. Von ihren Schülern bis zum dogmatischen Fanatismus verehrt, von ihren Verächtern – von denen einige nicht gezögert haben, ihr ihre Qualität als Analytikerin abzusprechen – verhöhnt, dauert es nicht lange, bis Melanie Klein (1882–1960) sich als die originellste Neuerin der Psychoanalyse durchsetzt, Männer und Frauen zusammengenommen. Sie hat in der Tat der Theorie und der Klinik des Unbewussten eine neue Orientierung zu geben gewusst, ohne jedoch mit den grundlegenden Prinzipien der Freud’schen Analyse zu brechen (wie es die Dissidenten, wie etwa C. G. Jung, getan haben). Ihr klinisches und theoretisches Werk ist weniger ein kanonischer Text, als die Entwicklung einer machtvollen, auf die Praxis bezogenen Intuition. Diese bewirkte nach schmerzhaften Kontroversen die fruchtbarsten Folgen, deren sich die moderne Psychoanalyse, insbesondere die britische, rühmen kann.


Das Jahrhundert der Psychoanalyse · 15

Die Klinik des Kindes, der Psychose und des Autismus, die von Namen wie W.R. Bion, D. W. Winnicott oder Frances Tustin dominiert sind, wäre ohne die Klein’sche Neuerung undenkbar. Wir werden sehen, wie diese Frau – die eine unglückliche Ehefrau und eine deprimierte Mutter war, die eine Analyse bei Ferenczi unternahm, sie dann bei Abraham beendete, die nicht Ärztin war und auch keinerlei anderes Diplom besaß – im Jahre 1919 ihre erste Untersuchung zur Psychoanalyse von kleinen Kindern entwarf, indem sie sich auf die Analyse ihrer eigenen stützte, und 1922 im Alter von vierzig Jahren Psychoanalytikerin wurde. Sie ließ sich 1926 in London nieder und erwarb sich durch die Veröffentlichung ihres Sammelbandes Die Psychoanalyse des Kindes (1932) einen glänzenden Ruf. Die Divergenzen zwischen ihr und Freud und die Dispute mit Anna Freud, die in den Großen Kontroversen der Britischen Gesellschaft für Psychoanalyse in den Jahren 1941 bis 1944 kulminierten, beeinträchtigten weder ihre Entschlossenheit noch ihre Ausstrahlung. Im Gegenteil, der direkte oder indirekte Einfluss Kleins in der Welt hat seit ihrem Tod weiterhin zugenommen, besonders in England und in Lateinamerika, aber ebenso in Frankreich, auf die klinischen Psychoanalytiker gleichermaßen wie auf Soziologen und Feministinnen. Die Hauptlinien ihrer Divergenzen zum Denken Freuds sind bekannt, sie führten nie zum Bruch, sondern stellten eine Weise dar, die Theorie des Unbewussten zu vervollständigen. Das Freud’sche Unbewusste wird durch den Wunsch und die Verdrängung strukturiert; Melanie Klein insistiert auf dem psychischen Leid des Neugeborenen, auf der Spaltung, und auf seiner frühen Fähigkeit zur Sublimierung, die mehr oder weniger behindert wird. Der Trieb Freuds hat eine Quelle und ein Ziel, aber kein Objekt; die Triebe des Klein’schen Neugeborenen sind von Anfang an auf das Objekt (die Brust, die Mutter) gerichtet: Der andere ist immer schon da; und die Dramen dieser frühen Bindung, die sich zwischen dem Objekt und einem Ich mit seinem ebenfalls ganz frühen Über-Ich eines frühzeitigen Ödipus abspielen, entwickeln sich mit dem Schrecken und der Erhabenheit eines Hieronymus Bosch. Freud macht den Nachweis der Kastration und die Funktion des Vaters zum Zentrum des psychischen Lebens; ohne sie zu ignorieren, stützt Melanie Klein sie mit einer mütterlichen Funktion, die in der Theorie des Gründervaters der Psychoanalyse fehlte, dabei aber läuft sie Gefahr, die Dreiheit auf eine Dyade zu reduzieren (wenngleich das Paar von Anfang an in der Theorie unter der primären Form eines »vereinten Objekts« gegenwärtig ist). Dennoch ist die so privilegierte Mutter weit davon entfernt, zu einem Kult erhoben zu werden, wie es allzu einfach die Verächter vorgeben. Denn der Muttermord, den


16 · Einleitung

Klein nicht ohne Kühnheit als erste gedacht hat, ist, gemeinsam mit Neid und Dankbarkeit, am Ursprung unserer Fähigkeit zu denken. Freud erfindet die Psychoanalyse ausgehend von der Übertragungsliebe, ohne sie allerdings jemals bis zum Grunde zu theoretisieren; Klein analysiert die Mutter-Übertragung ihrer jungen Patienten auf das Analytiker-Substitut der Mutter, das sie ist, und macht sich an das Hören der Phantasien [fantasmes3], wie sie sich in den Spielen manifestieren und wie die (von ihren Schülern herausgestellte) Gegenübertragung sie bei der Analytikerin selbst anzeigt. Träume und Sprache bei Freud – Entfaltung der Phantasien im Spiel bei Melanie Klein: Es ist nicht allein das geringe Alter ihrer Patienten, die die Sprache noch nicht erworben haben oder an Sprachstörungen leiden, das diese Änderung der Technik gebietet. Die Klein’sche Phantasie ist im Mittelpunkt der Analyse, auf Seiten des Patienten ebenso wie auf Seiten des Analytikers; sie ist noch heterogener als die aus disparaten, bewussten und unbewussten Elementen bestehende Freud’sche Phantasie, die der Gründer der Psychoanalyse als ein »Mischgebilde« definiert hatte. Aus Trieben, Empfindungen, Handlungen ebenso wie aus Wörtern gemacht, ist das phantasme (wie die Kleinianer es schreiben), so wie das Kind es spielt, aber auch wie der Erwachsene es auf der Couch in einem von der Motorik befreiten Diskurs erzählt, eine wahrhaftige Inkarnation, eine fleischliche Metapher – Proust würde sagen: eine Transsubstantiation. Diese Komplexität der Konzepte gilt nicht allein für die Klein’sche Phantasie. Wir werden sehen, dass alle Begriffe unserer Autorin sich als doppeldeutig herausstellen, und dass sie eher einer zirkulären als dialektischen Logik folgen. Eine Schwäche der Theoretikerin? Oder, im Gegenteil, Treffsicherheit der analytischen Intuition, die es, im Ergreifen der Regression, nicht einmal nötig hat, von dem Begriff »archaisch« Gebrauch zu machen, um sie als Wiederholung oder Verdoppelung wirken zu lassen, oder sogar als subtile Legierung von Substanz und Sinn, die als Hauptmerkmale des Unbewussten in unserem Denken und Verhalten insistieren? Wenn es zu einer Schule erstarrt, beansprucht das Klein’sche Denken, das Unbewusste zu kennen, das es häufig in übertriebener Weise vereinfacht; Melanie hält sich für das Unbewusste, werden ihre Verächter höhnen! Dennoch, in der Bahnung ihrer Entdeckungen, der Alchemie ihrer »Fälle« und der Genese ihrer Begriffe folgend, bemerkt der moderne Leser Melanie Kleins verwundert eine permanente Öffnung des Unbewussten der Analytikerin zu dem Unbewussten ihrer Patienten: Dieses »at-one-ment«, das einer ihrer originellsten 3 Es handelt sich dabei immer um unbewusste Phantasien (A. d.Ü.).


Das Jahrhundert der Psychoanalyse · 17

Nachfolger, W.R. Bion, erfand, indem er mit den englischen Worten spielte (»to be at one with«), ganz nah am Leid und auf die Möglichkeit abzielend, dieses zu symbolisieren, um es nur zu durchdringen und die dauernde Phantasie wieder zu erschaffen, die wir ein Leben nennen. Melanie Klein, die von der Angst, dieser Welle, die die Lust trägt, mehr als irgendeiner vernommen hat, hat aus der Psychoanalyse eine Behandlungskunst der Fähigkeit zu denken gemacht. Aufmerksam auf den Todestrieb, den Freud seit Jenseits des Lustprinzips (1920) bereits zum Antrieb des psychischen Lebens gemacht hatte, hat sie aus ihm die Hauptursache unserer Seelennöte gemacht, sicherlich, vor allem jedoch unserer Fähigkeit, Schöpfer von Symbolen zu sein. Die Verdrängung der Lust bringt die Angst und das Symptom hervor, sagt Freud im Wesentlichen. Unter welchen Bedingungen werden die Ängste, die uns zerstören, symbolisierbar? So reformuliert Klein die analytische Problematik, was ihr Werk ins Zentrum der Humanität und der modernen Krise der Kultur setzt – aber ohne Wissen über diese Problematik, denn sie war vor allem eine couragierte Klinikerin, keineswegs eine »Meisterdenkerin«. Denn diese Frau, die Leiterin einer Schule wurde, verbarg unter ihrer offenbaren Selbstgewissheit eine außergewöhnliche Durchlässigkeit für die Angst: für die der anderen wie auch für die eigene. Das Leben mit der symbolisierten und daher lebbaren Angst, denn sie war durch das Denken überwunden, hat ihr die Lust und die Kraft gegeben, vor der Psychose nicht zurückzuweichen, sondern sie mit größerer Aufmerksamkeit zu behandeln, als es Freud getan hatte. Erasmus verfasste bereits ein Lob der Torheit (1511), um den Menschen der Renaissance zu verdeutlichen, dass sich die Freiheit aus den Grenzerfahrungen speist. Wenn uns Freud seit der Traumdeutung (1900) lehrt, dass unsere Träume unser privater Wahn sind, verneint er nicht die Krankheit, sondern lässt sie uns als unsere »beunruhigende Fremdheit« besser verstehen, und begleitet sie mit ebenso viel Sorge wie Wohlwollen. Indem sie beim Neugeborenen ein »paranoid-schizoides« Ich herausarbeitet, oder feststellt, dass die »depressive Position« unerlässlich für den Erwerb der Sprache ist, erweitert Melanie Klein unsere Vertrautheit mit dem Wahn und vergrößert unsere Kenntnisse seiner Alchemie. Von der dramatischen Geschichte unseres Kontinents getragen, die in dem nazistischen Delirium gipfelte, widmete sich Melanie Klein gleichwohl nicht den politischen Gesichtern dieses Wahns, der unser Jahrhundert entstellte. Wenn sie sich aber so vor dem sie umgebenden gesellschaftlichen Entsetzen schützt, ermöglicht uns ihre Analyse der privaten Psychose des Kindes oder des Erwachsenen umso besser, die zugrunde liegenden Mechanismen genauer


18 · Einleitung

einzukreisen, die – neben den ökonomischen und parteigängerischen Unwägbarkeiten – die Zerstörung des psychischen Bereichs und das Töten des geistigen Lebens bedingen, welche die Moderne bedrohen. Der Wahn ist brennende politische Aktualität unseres Jahrhunderts gewesen, und es ist notwendig, daran zu erinnern, dass die Psychoanalyse sein Zeitgenosse war. Nicht, weil sie an wer weiß welchem Nihilismus teilhatte, der Folge der Säkularisierung war und zugleich den Tod Gottes, die Totalitarismen und die »sexuelle Befreiung« hervorgebracht hätte! Sondern weil in dieser Dekonstruktion der Metaphysik in der wir mit mehr oder weniger Gefahren und Glück leben, die Psychoanalyse uns ins Herz der menschlichen Psyche geführt hat, um dort den Wahn zu entdecken, der zugleich ihr Motor und ihre Sackgasse ist. Das Werk Melanie Kleins gehört zu denjenigen, die das Beste zu den Kenntnissen unseres Seins beigetragen haben, sofern es, in seinen verschiedenen Aspekten, ein Schlecht-Sein [un mal-être] ist: Schizophrenie, Psychose, Depression, Manie, Autismus, Verzögerungen und Hemmungen, katastrophische Angst, Fragmentierung des Ichs, unter anderen. Und wenn sie uns auch nicht die magischen Schlüssel liefert, um es zu vermeiden, so hilft sie uns, es so gut als möglich zu begleiten und ihm eine Chance zur Veränderung im Blick auf eine Wiedergeburt zu geben – vielleicht. Man bemerkt bereits, jenseits der besonderen Geschicke und der Verschiedenartigkeit ihrer Werke, einige gemeinsame Konstanten in dem jeweiligen Genie Melanie Kleins und Hannah Arendts: Beide interessieren sich für das Objekt und die Bindung, befassen sich mit der Zerstörung des Denkens (das »Böse« für Arendt, eine »Psychose« für Klein) und widerstehen dem linearen Denken. Existenzielle Parallelen kommen hinzu: Aus laizistischem jüdischen Milieu stammend, eignen sich beide Intellektuelle auf kritische und sehr persönliche Weise die christliche Philosophie, den Geist der Aufklärung und das moderne Wissen an, um, verglichen mit der Existenz von Frauen und Männern ihrer Zeit, eine außergewöhnliche Freiheit im Denken und im Verhalten zu entwickeln. Dissidenten ihres Herkunfts- wie ihres professionellen Milieus, Beute der Feindseligkeit von normativen Cliquen, aber auch fähig, schonungslos zu kämpfen, um ihre eigenen Ideen zu entwickeln und zu verteidigen, sind Arendt und Klein Widerspenstige, deren Genie es war, sich im Denken zu riskieren. Versuchen wir, geduldiger der Entwicklung und der Kristallisierung der Besonderheiten zu folgen, die Melanie Klein zu der kühnsten Neubegründerin der modernen Psychoanalyse gemacht haben.


81

IV

1

Angst oder Begehren? Am Anfang war der Todestrieb

Eros, von Thanatos absorbiert: sadistisches Verschlingen und analer Angriff

Während für Freud das gesamte psychische Leben in seinem unbewussten Grund um den Wunsch und dessen Verdrängung zentriert ist, dreht sich das ganze Werk Melanie Kleins um die Sensibilität gegenüber der Angst. Kann man aber behaupten, dass sie die Libido zugunsten des Todestriebes verlässt, dass sie Eros zurückstellt, um im Thanatos zu schwelgen, wie manche es ihr vorwerfen? Das archaische Ich, so fragil es auch ist, begehrt die Brust; indem es aber auf eine unmittelbare, unendliche und unmögliche Befriedigung hofft, begehrt es sie exzessiv, so sehr zu viel (Green 1985, S. 93–102), dass es auf die Frustration stößt. Diese ist nach Melanie Klein nicht ein »Mangel«, der darauf beschränkt ist, das Begehren wieder in Schwung zu bringen, bis hin zu dieser »halluzinatorischen Befriedigung«, die uns nach Freud die Konturen verlieren lässt, die zwischen (phantasmatischer) Repräsentation und (realistischer) Wahrnehmung liegen, oder uns, nach Lacan, umherirren lässt in der stets geöffneten, metonymischen Spalte des Objekts »klein a«. Die Intensität des frustrierten Begehrens heißt bei Melanie Klein Angst, und sie ist »automatisch« (vgl. Petot 1979, S. 89), bevor sie sich in paranoidschizoide und depressive Angst differenziert. Darüber hinaus, und bevor der lange Prozess der Ich-Integration einsetzt, ist ihre Heftigkeit derart, dass sie den Mangel nicht erträgt, und sich an ein Ziel-Objekt, ein PseudoObjekt oder Abjekt heftet.1 So fehlt es nicht an dem, was begehrt werden 1

Vgl. Kristevas Definition des »abjet« in Kapitel III, Abschnitt 3 (A. d. Ü.).


82 · IV Angst oder Begehren? Am Anfang war der Todestrieb

könnte, aber alles verletzt und lässt sich verletzen, lässt sich angreifen nach dem Talionsgesetz. Die Hervorhebung des Todestriebes bei Melanie Klein führt bei den Kommentatoren häufig zu einer fehlerhaften Interpretation: Man unterstellt der Analytikerin einen Gefallen am Tod, ein Zurückweisen der erotischen Lebenskräfte. Ganz im Gegenteil rückt die explizite Diskussion Freuds, die Klein relativ spät, im Jahre 1948, vornimmt, alles in sein richtiges Licht und verdient es, hier in Kürze aufgenommen zu werden, bevor wir dem Klein’schen Denken weiter folgen werden. Nachdem sie daran erinnert hat, dass für Freud in Hemmung, Symptom und Angst (1926) »im Unbewussten aber nichts vorhanden [ist], was unserem Begriff der Lebensvernichtung Inhalt geben kann« (Freud 1926, S. 159; zitiert von Klein 1948, S. 52), erklärt Melanie ohne Umschweife: »Ich schließe mich dieser Ansicht nicht an, weil meine analytischen Beobachtungen zeigen, dass es im Unbewussten sehr wohl eine Angst vor der Vernichtung des Lebens gibt« (ebd.).

Wir haben richtig gelesen: Mit der Annahme eines Todestriebes geht Klein davon aus, dass »dieser Trieb in den tiefsten Schichten der Psyche eine Reaktion in Form der Angst vor der Vernichtung des Lebens auslöst« (ebd., Hervorhebungen J.K.). Unter dem Druck des Todestriebes äußert das Psychische eine Angst um das Leben. Im Dienste des Lebens entwickelt es Mittel, um auf die Angst vor der Vernichtung des Lebens zu reagieren, und seine fundamentalsten Mechanismen dienen ebendieser Abwehr des Todestriebes. Der Todestrieb wird unmittelbar und in dialektischer Weise in seine positive Version gewendet, nämlich die Erhaltung des Lebens. Diese Passage ist nicht nur aus dem Grunde interessant, weil sie sich Freud entgegensetzt, der, wie Klein schreibt, »die Angst vor dem Tod nicht bedenkt« – ganz im Gegensatz zu ihr, die, wie wir bereits wissen, diese Angst »bedenkt«, aufgrund ihrer klinischen Erfahrung mit der Psychose, besonders der frühkindlichen Psychose. Das Interessante besteht vor allem in der Tatsache, dass die Psychoanalytikerin den Freud’schen Gedanken wieder aufnimmt, der der Psyche Handlungen zugunsten des Lebens zuschreibt, um diesen noch zu akzentuieren: »Angst vor dem Tod (oder Angst um das Leben)«, schreibt sie. Und genau diese »aus der inneren Arbeit des Todestriebes stammende« »Angst um das Leben« ist die »erste Ursache der Angst«.


1 Eros, von Thanatos absorbiert: sadistisches Verschlingen und analer Angriff · 83

Genauer handelt es sich bei dieser Angst mehr noch um die Angst um das Leben des Objekts (die Mutter) als um die um das eigene Leben des Ichs. Auch »diese Quelle der Angst wird nie eliminiert werden«, weil der Kampf zwischen den beiden Trieben das ganze Leben lang währt. Man versteht, dass Melanie den Todestrieb in seiner »inneren Arbeit« als mit dem Lebenstrieb stark vermischt ansieht, nicht als ent-mischt. Die Entmischung wird in der Psychose zum Ausdruck kommen und wird andere, nicht weniger interessante Probleme stellen. Wir befinden uns hier, in der Diskussion mit Freud, jedoch auf einer universalen Ebene, die jegliche Triebhaftigkeit – auch die, die so normal wie nur möglich ist – als diesem Todestrieb, der die Angst um das Leben bewirkt, gegenüber tributpflichtig betrachtet: Alles in allem wirkt die Angst vor der Vernichtung des Lebens in den tiefsten Schichten des Psychischen zugunsten des Eros. Ohne in irgendeiner Weise Vitalistin zu sein, ja, sogar dem Eindruck Raum gebend, dass sie die erotischen Triebe und/oder die des Lebens vernachlässigt, ist es geradezu eine Angst um das Leben, die die Klein’sche Angsttheorie herausschreit. Wäre dies das Subjekt Frau, das sich hier ausdrückt, das mit der auf die Psychosen aufmerksamen Psychoanalytikerin solidarisch ist? Diejenige, die den Tod zu (be-)denken nicht fürchtet, weil sie Angst um das Leben hat, das sie gibt, und die den Gefahren der Vernichtung, die auf diesem Leben ab initio lasten, ins Auge sieht? Um sich gegen jene besser verteidigen zu können, umso mehr, als ihre Vertrautheit mit der »Angst um das Leben« ihr gezeigt hat, wie sehr die ursprüngliche Negativität, diese Furcht, zu sein, dies Nicht-Sein (unter bestimmten biologischen und gesellschaftlichen Bedingungen) eine wirkliche Arbeit des Negativen, eine Wiedergeburt werden konnte?2 An vielen Stellen scheint Melanie doch mit Hannah Arendt in der Sorge um das Leben, das vergeht, übereinzustimmen, durch Abhorchen und Begleiten dessen, was es bedroht (Kristeva 2002, S. 27–145, 341–343). Melanie ist es »von Geburt an«, wie Arendt sagen würde, bis hin zu der therapeutischen Hartnäckigkeit, von der ihre einschneidenden Deutungen zeugen. So dass sich, um zu beginnen, der bei ihr privilegierte Todestrieb zunächst als ein sadistischer Appetit darstellt, als eine Lust, wird sie später sagen, kurz, eine verdichtete Hass-Liebe, anders gesagt ein paroxysmales Begehren. Eros verschwindet also bei weitem nicht in dieser primären Gefangennahme des Objekts durch das in Angst verwandelte Begehren, das oral, anal oder 2

Vgl. in diesem Buch Kap VIII, 2.


84 · IV Angst oder Begehren? Am Anfang war der Todestrieb

genital wirkt. In der Tat, Eros hat »Angst um das Leben«, und wartet auf seine Gelegenheit, um in der privilegierten Form der Lust wiederzuerscheinen, die bei Klein ganz wesentlich die Lust an der Intelligenz ist. Der Angst, die in der Übertragung ihre Deutung erfahren hat, indem sie durch besonders schwierige Phasen hindurchgegangen ist, gelingt es, die Spaltung und die Verdrängung zu überwinden, und indem sie die Hemmung aufhebt, wird sie zur Symbolisierung: Die ungehemmte Libido ist es, die denkt, das von der Angst befreite Begehren ist eine Befähigung, zu symbolisieren.3 Man kennt das Unbehagen Freuds dem unbewussten Affekt gegenüber: »Die Möglichkeit einer Unbewusstheit würde also für Gefühle, Empfindungen, Affekte völlig entfallen« (Freud 1915a, S. 263–303, 276).4 Was die Angst betrifft, wäre sie für den Gründer der Psychoanalyse entweder das Zeichen von Erregungszunahme im psychischen Apparat (dies ist der Fall bei den Aktualneurosen: ein »unbedeutendes« Beispiel dafür ist die Angst der Jungfrauen), oder der Effekt der Verdrängung der Libido (das ist der Fall bei den Psychoneurosen). Im Gegensatz dazu entdeckt Melanie Klein sofort die unbewusste Angst, vor allem während sie ihren Söhnen zuhört, die unter den Namen Fritz und Felix figurieren.5 Wenngleich es bei ihr eine Theorie der Affekte im strengen Sinne nicht gibt, so wird ihre direkte Berücksichtigung der Angst zur Basis, von der aus heute eine nach-Freud’sche Konzeption der Affekte ausgehen

3 4

5

Vgl. in diesem Buch Kap VIII. Genauer, der Affekt ist, nach Freud, niemals unbewusst, einzig seine Vorstellung kann der Verdrängung unterliegen. Darüber hinaus bleibt die unbewusste Vorstellung nach der Verdrängung als reale Bildung im Unbewussten bestehen, »während dem unbewußten Affekt ebendort nur eine Ansatzmöglichkeit, die nicht zur Entfaltung kommen durfte, entspricht. Strenggenommen (…) gibt es also keine unbewußten Affekte, wie es unbewußte Vorstellungen gibt. Dieser Unterschied kommt daher, daß die Vorstellungen ›Erinnerungsspuren‹ oder ›Besetzungen‹ sind, während die Affekte und Gefühle Abfuhrvorgängen entsprechen, deren letzte Äußerungen als Empfindungen wahrgenommen werden« (ebd., S. 277). Freud nimmt diese Debatte in Das Ich und das Es (1923) (hier S. 250) wieder auf, indem er den Affekt mit einem merkwürdig ungenauen Ausdruck (»Anderes«) bezeichnet, und auf dem direkten Weg insistiert, auf dem der Affekt bewusst wird: »Nennen wir das, was als Lust und Unlust bewußt wird, ein quantitativ-qualitativ Anderes im seelischen Ablauf, so ist die Frage, ob ein solches Anderes an Ort und Stelle bewußt werden kann oder bis zum System W fortgeleitet werden muß. (…) Mit anderen Worten: Die Unterscheidung von Bw und Vbw hat für die Empfindungen keinen Sinn, das Vbw fällt hier aus, Empfindungen sind entweder bewußt oder unbewußt. Auch wenn sie an Wortvorstellungen gebunden werden, danken sie nicht diesen ihr Bewusstwerden, sondern sie werden es direkt« (Hervorhebungen J. K.). Vgl. Kap. II, S. 38.


1 Eros, von Thanatos absorbiert: sadistisches Verschlingen und analer Angriff · 85

kann.6 Melanie Klein zählt insbesondere also die Angst zu den Hemmungen, die das Symptom vermeiden, allerdings zum Preis einer Verzerrung des Denkens, oder von Tics. Da das Begehren von Beginn an Angst ist, richtet das Ich psychische Barrieren auf, um seine weitere Entwicklung abzubrechen: Vorsichtsmaßnahmen, Hemmungen, Verbote, die an bestimmte phobische Abwehrmethoden erinnern. Die Kastrationsangst, die Felix zeigt, kommt zu diesem Tableau hinzu und vervollständigt den Klein’schen Gedanken einer Kopräsenz von Begehren und Angst. Aber vor allem stützt der Sadismus des archaischen Ichs die ursprüngliche Angst. Ein starker oraler Wunsch zu verschlingen, der von Anfang des Lebens an besteht, wendet sich mit dem gleichen Inhalt auf das Subjekt zurück, jedoch mit einem veränderten Ziel: nicht ich bin es, die/der verschlingen will, ich habe Angst, von der bösen Brust vergiftet zu werden, in die hinein ich meine bösen Zähne projiziert habe – dies wäre die Logik des sadistischen Phantasmas, das der primären paranoid-schizoiden Angst entspricht. Wenngleich diese Angst von Klein wieder mit der ödipalen Aggressivität verbunden wird (so will Rita die Kinder, die noch geboren werden sollen, aus dem Bauch ihrer Mutter stehlen und tritt in Rivalität zu ihrem Vater), sind die genitalen Triebe in hohem Maße mit den oralsadistischen, urethralen oder analen Trieben verwoben. Demzufolge wird der orale Sadismus, den man leicht mit der Klein’schen Theorie (Petot 1979, S. 193) identifiziert, erst nachträglich freigelegt, während sich die aggressive Analität ihrer Aufmerksamkeit von 1924 an aufdrängt, in der Analyse mit Trude, einem Mädchen von drei Jahren und drei Monaten: »Schon zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Analyse bat sie mich, so zu tun, als läge ich schlafend im Bett. Dann sagte sie, dass sie einen Angriff auf mich ausführen würde, um in meinem Gesäß nach Fäzes zu suchen (die, wie mir klar wurde, auch Kinder repräsentierten) und sie herauszuholen. Nach solchen Angriffen pflegte 6

Zu einer modernen Konzeption der Affekte vgl. Green 1973. Der Autor weist zwar auf das Nichtvorhandensein einer spezifischen Affekttheorie bei Klein hin, hebt aber zugleich den Einfluss hervor, den sie auf alle ausgeübt hat, die seit Freud zu einer Ausarbeitung einer solchen beigetragen haben, und insistiert auf dem Affekt als einem »Triebabkömmling«, auf seiner rohen Präsentation, ohne dass er an eine Repräsentation gebunden wäre, auf den inneren, antagonistischen Wahrnehmungen, die ihm korrespondieren, und auf der »Psychisierung« der Affektregung, die nicht kommunizierbar ist, da die Sach- und die Wortvorstellungen mit ihm keinen »intelligiblen Komplex« bilden. Im Gegensatz aber zu den Kleinianern, die angesichts der Undurchsichtigkeit des Problems die Objektbesetzung favorisieren, entfaltet André Green die mnestischen und energetischen Spuren des Affekts und erforscht seine Heterogenität (Kraft und Sinn). Vgl. ebd., S. 306, 313ff. (Ein Teil des oben genannten Buches ist auf Deutsch erschienen, vgl. Green 2003, Teil III; A. d.Ü.)


86 · IV Angst oder Begehren? Am Anfang war der Todestrieb

sie sich in einer Ecke zu verkriechen, wo sie spielte, sie läge im Bett, und sich mit Kissen zudeckte (sie sollten ihren Körper schützen und standen zudem für Kinder); gleichzeitig nässte sie ein und zeigte deutlich, dass sie nun große Angst davor hatte, von mir angegriffen zu werden« (Klein 1955, S. 220).

Und erst im Verlauf der Analysen mit Ruth und Peter, die zwischen 1924 und 1925 stattfanden, wird sich Klein über die »grundlegende Bedeutung« klar, die die oral-sadistischen Triebe in den sadistischen Phantasien und den ihnen korrespondierenden Ängsten spielen: »So sah ich Abrahams Entdeckung in der Analyse kleiner Kinder vollauf bestätigt. Diese Analysen, die mir weiterführende Beobachtungen ermöglichten, da sie länger andauerten als Ritas und Trudes Behandlungen, gewährten mir einen umfassenden Einblick in die grundlegende Bedeutung, die oralen Wünschen und Ängsten für die normale und für die anomale psychische Entwicklung zukommt« (ebd., S. 220f.).

Aus dieser Sicht bringt Klein also zwei ihrer Beobachtungen miteinander in Zusammenhang, die Geschichte von Peter und diejenige der beiden Kriminellen, von denen die Presse berichtet hatte: Der eine nahm homosexuelle Beziehungen zu jungen Männern auf, die er danach tötete, wobei er ihnen den Kopf abschnitt und sie in Stücke zerschnitt, der andere tötete seine Opfer, und verarbeitete ihre Körperteile zu Wurst (vgl. Klein 1927b, S. 257ff.). Peter hatte eine Phantasie, in der er mit seinem Vater und mit seinem jüngeren Bruder masturbierte, er stellte diese Situation mithilfe kleiner Püppchen dar, denen er dann den Kopf abschnitt, den Körper verkaufte er einem Schlachter und behielt den Kopf, den er als das verlockendste Stück ansah, für sich; in seiner Analyse überließ er sich im Übrigen noch unzähligen Zerstückelungen von Figuren und Püppchen, und verschlang diese viele Male. Klein ordnet diesen Sadismus auf Anhieb dem Ödipus-Komplex und dem Strafbedürfnis zu, das das frühe Schuldgefühl des Über-Ichs verursacht, und schreibt: »Man könnte es als Regel betrachten, dass als treibende Kraft hinter den Unartigkeiten eines jeden ›ungezogenen‹ Kindes immer auch ein Strafbedürfnis steht. Ich erinnere an Nietzsche und seinen ›bleichen Verbrecher‹ – Nietzsche wusste sehr viel über den Kriminellen, den sein Schuldgefühl zu seinen Taten veranlasst« (ebd., S. 276).

Dieser unbewusste Sadismus verteidigt sich, wie wir gesehen haben, indem er das innere, aber auch das äußere Objekt in die gute und die böse Brust spaltet.


1 Eros, von Thanatos absorbiert: sadistisches Verschlingen und analer Angriff · 87

Wir verstehen nun die Differenz zwischen dieser Phantasie, die Klein dem ganz jungen Ich zuschreibt, und der halluzinatorischen Wunscherfüllung nach Freud besser (Green 1985, S. 95). In beiden Fällen ist die Wahrnehmung der Realität durch eine Vorstellung ersetzt worden, die jene unter dem Druck unbewusster Triebe deformiert. Bei Freud aber triumphiert der Wunsch, und die Libido errichtet, wo sie auf die Frustration trifft, eine idyllische Vision, die die Befriedigung durch die ideale Vorstellung der Befriedigung ersetzt; bei Melanie Klein wird die destruktive Gewalt des Begehrens anerkannt, wie in Freuds Jenseits des Lustprinzips, allerdings in noch radikalerer Weise. Auf der einen Seite ist diese anfängliche Gewalt so, dass sie die Angst nur – und im Übrigen sehr unvollkommen – mildern kann, indem sie die Phantasie verdoppelt, der sie ihr negatives Zeichen einprägt durch die Erschaffung einer Verdoppelung im Objekt der Angst: gut/böse. Auch wenn, auf der anderen Seite, die Phantasie der guten Brust von Klein durchgängig anerkannt wird und sie darauf beharrt, um daraus den Kern des Ichs zu machen (als ob sie sich im Vorhinein gegen diejenigen verteidige, die von ihrer Theorie allein die Gegenwart der bösen Brust zurückbehalten könnten), so hört das Negative des Todestriebes nicht auf, immer wieder zu erscheinen, um neue Abwehrmaßnahmen zu erschaffen, die immer zu einem Teil günstig und zu einem Teil zerstörerisch sind. Aus diesem Grund ist die Fülle des Genießens, das das Freud’sche Konzept der »halluzinatorischen Wunscherfüllung« beinhaltet, bei Klein ersetzt durch eine unaufhörliche Arbeit des Negativen, eine unbeendbare Sublimierung der Trauer; der Todestrieb treibt das psychische Funktionieren voran, indem er es hemmt, ohne dass es jemals nachlassen könnte. Die Intensität dieses destruktiven Triebes ist für Klein angeboren, diese Überzeugung tritt in ihren letzten Arbeiten noch verstärkt hervor. Wenn sie sagt, dass die der unbefriedigenden Realität geschuldeten »Zustände von Frustration und Angst« die oral-sadistischen und kannibalistischen Wünsche (1946) (vgl. Klein et al. 1952, S. 279) verstärken, so hebt sie nicht minder hervor: »Infolgedessen würde die Kraft der Destruktionstriebe durch den Bezug auf die libidinösen Triebe die konstitutionelle Basis der Intensität der Gier bilden« (ebd., S. 188).

Fast könnte man nach diesen Bemerkungen auf einen therapeutischen Pessimismus schließen, der sich dem Geist der Analytikerin aufzwingt: In der Tat, wie könnte die analytische Kur mit dieser »konstitutionellen Basis«


88 · IV Angst oder Begehren? Am Anfang war der Todestrieb

in Interaktion treten, die so stark und so häufig von Klein evoziert wird? Könnte sie lediglich die optimale Realisierung des Angeborenen erleichtern, ohne das grundlegende, genetisch determinierte Gleichgewicht Liebe/Hass zu verändern? Oder könnte sie wohl dieses Gleichgewicht selbst transformieren, mittels der Wirkung der Übertragung, der Deutung und eines neuen Milieus (Petot 1987, S. 257)? Die Frage bleibt offen, ohne dass, bis hierher, die Klein’sche Arbeit, was die Wirksamkeit der Kur betrifft, einen derartigen Pessimismus anzeigt, gleichwohl aber zeigt sie deren Grenzen an. Klein scheint paradoxerweise anzunehmen, dass eine gute Umgebung die konstitutionelle Basis nicht ändert, diese zeigt sich selbst im Rahmen der besten Bemutterung (Klein 1957, S. 297ff.). Dagegen steigert eine unzulängliche Umgebung oder anhaltende Vernachlässigung die angeborenen Quantitäten der Aggressivität. So bleibt also der Psychoanalyse eine Aufgabe, die nicht unrealisierbar erscheint: die Spaltung zu reduzieren und dem Ich bei der zunehmenden Integration seiner abgespaltenen Anteile zu helfen.

2

Dieser Kummer, der uns eine Seele komponiert

Im Inneren des destruktiven Universums geht der Analytiker eine Wette ein: Die Entwicklung des Ichs in dem normalen Verlauf der Entwicklung und die analytische Kur, wenn sie gelingt, erlauben die Verarbeitung der zerstörerischen Ängste und sadistischen Phantasien. Das Ich vertieft sich über den Weg des depressiven Durcharbeitens. Die Fähigkeit, um das verlorene Objekt zu trauern, ersetzt den anfänglichen Sadismus durch den psychischen Schmerz: Die Sehnsucht und das Schuldgefühl würden das heitere Antlitz von Thanatos bilden. Die Angst ist nicht verschwunden, sie bleibt bei Klein bestehen, aber sie verändert ihr Regime: Anstatt zu spalten oder zu zerstückeln, anstatt zu zerstören oder in Stücke zu zerschlagen, wird die Angst als Trauer um den anderen und als Liebesschuld – ihm Weh getan zu haben – toleriert. Auf den Sadismus und die Verfolgungsangst der ersten drei bis vier Monate folgt die Fähigkeit des stärker gewordenen Ichs – desjenigen der »depressiven Position« des sechsten Monats –, das gute Objekt zu introjizieren. Es kann umso leichter dorthin gelangen, wenn es über eine angeborene Liebesfähigkeit verfügt: »Ein entscheidender Abkömmling der Liebesfähigkeit ist das Gefühl der Dankbarkeit […]. Sie wurzelt in den Gefühlen und Einstellungen der ersten Phasen


2 Dieser Kummer, der uns eine Seele komponiert · 89

des Säuglingsalters, in denen die Mutter für das Baby ein und alles ist. […] Die ihr zugrunde liegenden inneren Faktoren aber – insbesondere die Liebesfähigkeit – scheinen angeborenen Ursprungs zu sein« (ebd., S. 299).

Selbstverständlich ist der psychische Gewinn, der der depressiven Position zu verdanken ist, beträchtlich: Der Sadismus wird zur Trauer, die Sehnsucht mildert die Destruktivität und die schwarze Sonne der Melancholie vertieft das Ich, das durcharbeitet-verdrängt-wiedergutmacht-kreativ ist, anstatt zu spalten und zu verleugnen. Folgt man den Metamorphosen des Todestriebes als »Psychisierung« [»psychisation«] bei Klein, so kann man die Mutter der Psychoanalyse nur für eminent shakespearehaft halten. Legt das Sonnett 146 des Dramaturgen nicht bereits nahe, dass der »tote Tod«, anders gesagt das »Töten des Todes«, sein sublimatorisches Überschreiten nur im inneren Leben der »armen Seele« vollbracht wird, wenn sie in der Lage ist, in sich selbst den Tod zu verzehren, der ihr von Außen kommt?7 Diese shakespearehafte Vision, die sich Klein vom psychischen Funktionieren macht – von einer Seele, die sich vom Tod nährt und daran wächst, vom Tod, der die Menschen isst – wird ganz und gar in ihrer analytischen Technik widergespiegelt. Für den Analytiker geht es darum – jenseits des Wunsches und mit diesem –, das psychische Leiden mit seinem Doppel, der aggressiven Angst, zu hören. Es geht, andererseits und aus diesem Grund, darum, »an dem Punkt der maximalen latenten Angst zu intervenieren« (Bégoin-Guignard 1985, S. 57): Im Hören so nah wie möglich am Material der Angst und der Aggressivität zu sein, wie es sich in der Sitzung gibt, um es direkt und häufig zu deuten. Wenn man, in dieser Perspektive, eine zu große Verstärkung der Angst durch psychische Beeinflussung des Kindes durch den Analytiker fürchten kann, so kann man mit Florence Bégoin-Guignard als Kontrapunkt daran erinnern, dass die umgekehrte Haltung, die mehr Abstand zwischen die analytischen Sitzungen für Kinder legt mit dem Ziel, sie mehr zu »respektieren«, und die sich in der »Nicht-Intervention« hält, eine »Einladung ist, seine Strebungen [die des Kindes] zur starken projektiven Identifizierung mit den allmächtigen inneren Objekten zu verstärken, die es benutzt, um in die Psyche des Analytikers einzudringen und vollständig die 7

»Poor soul […] Than, soul, live thou upon thy servant loss […]/ So shalt thou feed on Death, that feeds on men,/ And, Death once dead, ther’s no more dying then.« (»O Seele, lebe von des Leibs Verlust […]/ Der Tod sei dir, wie Leben ihm, Verzehr; denn Sterben stirbt, lebt erst der Tod nicht mehr!«, Übersetzung von Karl Bernhard.)


90 · IV Angst oder Begehren? Am Anfang war der Todestrieb

Aktivität seines Denkens zu kontrollieren« (ebd., S. 63). Eine Verstärkung der Spaltung und die Bildung »falscher Selbst-Anteile« zeichnen sich dann ab. Das Rezept? Der Analytiker ist auf seine eigenen prägenitalen Konflikte verwiesen, auf seine kannibalistische oder andere Aggressivität, auf seine Möglichkeit, die »depressive Position« zu durchqueren: So viele Fallen hält die Gegenübertragung seinem eigenen Sadismus und seinen eigenen Leiden bereit. Fallen, die mehr werden und sich verstärken im Hören auf das Kind, mehr noch als in dem auf Erwachsene, denn die infantile Abwehr ist zugleich mächtiger und weniger fixiert als im Erwachsenenalter, und offen an das Kind im Analytiker appellieren. Das Mindeste, was man sagen könnte, ist, dass Melanie Klein sich vor diesem Appell nicht versteckt hat. Sie hat ihre Arbeit als Analytikerin etwa mit vierzig Jahren aufgenommen und ihre Schüler widmen ihr, im Jahre 1952, zu ihrem siebzigsten Geburtstag, ein Sonderheft des International Journal of PsychoAnalysis; diese Texte sowie einige andere, auch zwei Texte von Melanie Klein, ergeben 1955 den Sammelband New Directions in Psychoanalysis (London, Tavistock). Man glaubt nun, mit Recht annehmen zu können, sie habe ihr Werk beendet, aber siehe da, die »Mutter der Psychoanalyse« veröffentlicht 1957 Neid und Dankbarkeit (Klein 1957). Die auf einen ursprünglichen aggressiven Trieb gesetzte Betonung, die bereits in ihren vorherigen Arbeiten dargestellt ist, insbesondere im Umkreis der paranoid-schizoiden Position, wird hier unter dem Aspekt des Neides hinsichtlich der Brust wieder aufgenommen. Eine Rückkehr der christlichen Erbsünde? Der heilige Paulus, der heilige Augustin und Shakespeare werden evoziert, und Othello mit Milton, Chaucer oder Spenser in Verbindung gebracht, um die klinischen Beobachtungen, die Melanie über die Aggressivität und ihre Bearbeitung bereits gemacht hatte, in der Tradition zu gründen, die hier zu einer neuen binären Sichtweise synthetisiert wurde: Neid und Dankbarkeit.

3

Macht des Neides und Wette auf die Dankbarkeit

Während die Eifersucht an eine Objektliebe gebunden ist, ist der Neid früher und archaischer: Die Eifersucht beruhigt sich durch eine wiedergefundene Liebe, der Neid – niemals; die Eifersucht ist triangulär, der Neid dual8.

8

»Duelle« hat im Französischen die doppelte Bedeutung von »dual« und »Duell« (A.d. Ü.)


3 Macht des Neides und Wette auf die Dankbarkeit · 91

»Es ist auch wichtig zu berücksichtigen, dass das über die Eifersucht erfolgende Durcharbeiten des Neides gleichzeitig eine wichtige Neidabwehr darstellt. Eifersucht wird als weit akzeptabler empfunden und weckt weniger Schuldgefühle als der primäre Neid, der das erste gute Objekt zerstört« (Klein 1957).

Getragen von der ursprünglichen Gier, strebt der Neid danach, sein Objekt vollständig zu besitzen, ohne sich um dessen mögliche Zerstörung zu bekümmern: Er möchte sich alles, was im Objekt gut ist, aneignen, und, wenn sich das als unmöglich herausstellt, schreckt er vor der Beschädigung nicht zurück, um dem Ursprung des Neidgefühls zu entkommen. Wenn er auch aus der primären Liebe und der primären Bewunderung hervorgeht, unterscheidet sich der Neid von der Gier dadurch, dass in ihm weniger Eros ist: Er wird vom Todestrieb überflutet. Den Lesern Freuds war seine Konzeption des Neides schon bekannt, die zunächst und vor allem »Penisneid« bei der Frau ist, Korrelat des Kastrationskomplexes, Quelle der Hemmung, der Frigidität und der negativen therapeutischen Reaktion. Für Melanie Klein wird das Psychische lange vor dem Penisneid von dem oralen Neid, dem Neid auf die Brust, beherrscht: »In vorliegenden Kontext möchte ich den weiblichen Penisneid insbesondere unter dem Aspekt seines oralen Ursprungs betrachten. Wie wir wissen, wird der Penis unter der Vorherrschaft oraler Wünsche weitestgehend mit der Brust gleichgesetzt (Abraham); meiner Erfahrung zufolge lässt sich der Penisneid der Frau auf den Neid auf die Mutterbrust zurückführen. Wenn der weibliche Penisneid in diesem Sinne analysiert wird, können wir – wie mir meine Beobachtungen zeigten – sehen, dass er in der ersten Beziehung zur Mutter wurzelt, in dem grundlegenden Neid auf die Brust der Mutter und in den destruktiven Gefühlen, die er weckt« (ebd., S. 316).9

Der Neid initiiert, wenn er auch die Entwicklung des Psychischen behindert: Indem er ihm ein wohltuendes Objekt bestimmt, bei dem es aber darum geht, es sich anzueignen bis zu dessen Entleerung oder Zerstörung. Melanie moduliert in dieser letzten wichtigen Reise das Thema des geliebten-undgehassten Primärobjektes, das ihr teuer ist. Rest der uterinen Sehnsucht, diese wiederum Resultat des Traumas der Geburt, wird die Brust als eine unerschöpfliche Brust phantasiert: Idealisiert und daher den Hass intensivierend – denn das reale Objekt stimmt niemals mit dem psychischen Objekt 9

Vgl. in diesem Buch, Kapitel VI.


92 · IV Angst oder Begehren? Am Anfang war der Todestrieb

überein. Dieser Grundsituation fügt sich die Privation hinzu: Die Brust zieht sich zurück, sie fehlt, die Fürsorge ist nicht immer gut, etc. Ein Übermaß an Frustration, aber auch eine zu weitgehende Nachsicht (die »genügend gute Mutter«, von der Winnicott sprechen wird, ist sie nicht auch die »genügend schlechte«?) steigern diesen angeborenen Neid: »Ich habe häufig von dem Bedürfnis des Säuglings nach einer unerschöpflichen, allgegenwärtigen Brust gesprochen. Wie ich jedoch im vorangegangenen Abschnitt erwähnte, gilt sein Verlangen nicht allein der Nahrung; er möchte auch von den destruktiven Triebregungen und von seiner Verfolgungsangst befreit werden. Dieses Gefühl, daß die Mutter omnipotent ist und es in ihrer Macht steht, alle Schmerzen und Mißlichkeiten, ob sie inneren oder äußeren Quellen entstammen, zu beseitigen, läßt sich in der Analyse Erwachsener ebenfalls beobachten« (ebd., S. 296).

Dennoch – und hier erscheint die gute Brust wieder in starker Weise –, wenn auf eine gewisse Frustration Gratifikation folgt, kann das Kind seine Ängste besser ertragen. Die Mutter enthält also die destruktiven Ängste und stützt, als ein solches Behälter-Objekt, die Integration des Ichs. Das Genießen und die Dankbarkeit, die der Behälter hervorruft, wirken insgesamt den destruktiven Trieben entgegen und vermindern den Neid und die Gier. Hier führt Melanie Klein die genießende Bindung zu der Mutter ein, auf die sie bisher nicht so unmissverständlich hingewiesen hatte, die auf die präverbale Phase als Fundament der Dankbarkeit zurückgeht, aus der sich letztlich die Fähigkeit zur Wiedergutmachung, zur Sublimierung und zur Großzügigkeit herleiten wird. Aber, so wie nichts in diesem vom Todestrieb durchzogenen Universum einfach ist, denkt die Analytikerin durchaus daran, dass die Dankbarkeit von der Schuld »agiert« werden kann, in diesem Falle sollte man sie von der »wirklichen« Dankbarkeit unterscheiden: »All dies wird vom Säugling in weit primitiverer Weise empfunden, als unsere Sprache es auszudrücken vermag. Wenn diese präverbalen Gefühle und Phantasien in der Übertragungssituation wiederbelebt werden, treten sie – wie ich es nennen würde – als ›in Gefühle eingebundene Erinnerungen‹ an die Oberfläche, die dann mit Hilfe des Analytikers rekonstruiert und in Worte gefaßt werden. In derselben Weise müssen wir uns der Sprache bedienen, wenn wir andere Phänomene rekonstruieren und beschreiben, die den frühen Entwicklungsstufen angehören« (ebd., S. 288, Anm. 2).


:LP[LU IYVZJOPLY[ 0:)5

3TIGMATISIERUNG UND $ISKRIMINIERUNG SIND SCHON IMMER "ESTANDTEIL VON -EDIZIN UND 0SYCHOTHERAPIE $IE !UTORINNEN UND !UTOREN DIESES "UCHES FàHREN IN DIE 4HE MATIK EIN UND FOKUSSIEREN AUF 0SYCHIATRIE UND 0SYCHOTHERAPIE %INEN 3CHWERPUNKT BILDEN SEXUALWISSENSCHAFTLICHE &RAGESTEL LUNGEN (OMOSEXUALITÊT 4RANSSEXUALITÊT $ARàBER HINAUS WERDEN DIE KULTURELLEN $IMENSIONEN IN UNTERSCHIEDLICHEN ME DIALEN 2EPRÊSENTATIONEN ,ITERATUR UND &ILM AUFGEZEIGT

:LP[LU IYVZJOPLY[ 0:)5

)N IHRER 0RAXIS ALS !NALYTIKERIN IST *ULIA +RISTEVA MEHR UND MEHR AUF 0ATIENTEN GE STO EN DIE EINEN NEUEN 4YP DARSTELLEN "E SCHÊDIGTER .ARZISSMUS PSYCHOSOMATISCHE "ESCHWERDEN UND WIEDERKEHRENDE $EPRES SIONEN SIND HEUTE DIE HÊUFIGSTEN %RSCHEI NUNGSFORMEN VON .EUROSEN (YSTERIEN UND /BSESSIONEN 0OLITISCH GESELLSCHAFTLICHE 6ERÊNDERUNGEN DER 7ANDEL VON &AMILIE UND 3EXUALITÊT UND DER %INFLUSS DER -AS SENMEDIEN HABEN MA GEBLICH ZU DIESEN NEUEN ,EIDEN DER 3EELE BEIGETRAGEN )N DEN "EITRÊGEN DIE DIESER "AND VERSAMMELT ANALYSIERT *ULIA +RISTEVA EIN MORALISCHES UND KULTURELLES 'RUNDSATZPRO BLEM DIE 3CHWIERIGKEITEN DER )DENTITÊTS FINDUNG IN DER -ODERNE

'OETHESTR q 'IE EN q 4EL q &AX BESTELLUNG PSYCHOSOZIAL VERLAG DE WWW PSYCHOSOZIAL VERLAG DE


2008 · 300 Seiten · Broschur ISBN 978-3-89806-752-2

Suizidalität ist ein Geschehen, das von Beziehungen beeinflusst ist und auf Beziehungen zurückwirkt. In ihrer Untersuchung der umstrittenen Suizidforen im Internet arbeitet Soheila Pourshirazi heraus, in welcher Weise sich die suizidale Beziehungsproblematik dort ausdrückt. Mithilfe einer psychoanalytisch orientierten Texthermeneutik zeichnet sie zentrale Beziehungsdynamiken in den Foren nach, deren Verständnis nicht nur den klinisch-psychoanalytischen Diskurs erweitert, sondern auch eine Neueinschätzung der Suizidforen ermöglicht. Die aktuelle psychoanalytische Debatte um die neuen intersubjektiven Ansätze wird dabei vor dem Hintergrund eines dialogphilosophischen Diskurses über den Anderen kritisch reflektiert.

2008 · 603 Seiten · Broschur ISBN 978-3-89806-741-6

Das Rätsel des Masochismus ist mehrschichtig. Da ist das oberflächliche und relativ leicht zu beantwortende Rätsel, warum jemand Befriedigung und sogar sexuelle Lust aus Schmerz und Leid, aus Erniedrigung und Scham ziehen kann und deshalb sogar dieses Leiden aufsucht. Schon schwieriger zu beantworten ist die Frage: Wie kann der Schmerzsüchtige sich selbst achten? Dieses Buch richtet sich vornehmlich an Therapeuten und zeigt Wege auf, wie man einem derart Schmerzsüchtigen helfen kann. Durch die therapeutische Erfahrung wie auch die umfassende Bildung von Léon Wurmser ist dieses Buch nicht nur für therapeutisch mit dem Problem befasste Leser eine Bereicherung.

Goethestr. 29 · 35390 Gießen · Tel. 06 41/ 9716903 · Fax 77742 bestellung@psychosozial-verlag.de www.psychosozial-verlag.de


2008 · 127 Seiten · Broschur ISBN 978-3-89806-785-0

Kann man aus der Mimik von Patient und Therapeut im Erstgespräch Vorhersagen über den Erfolg einer Psychotherapie ableiten? Das vorliegende Buch zeigt, dass zwischen Therapeut und Patient bereits im Erstgespräch ein intensiver nonverbaler Austausch stattfindet, der bereits wichtige Hinweise auf ein Gelingen der nachfolgenden Therapie gibt. Neben einem Überblick über den bisherigen Kenntnisstand zur nonverbalen Kommunikation in der Psychotherapie werden auch eigene Untersuchungen vorgestellt. In einem detailliert beschriebenen Einzelfall werden sowohl die untersuchten Prozesse im klinischen Kontext dargestellt als auch die Implikationen für das Konzept der therapeutischen Beziehung, die durch beide Interaktionspartner aktiv mitgestaltet wird, diskutiert.

2008 · 229 Seiten · Broschur ISBN 978-3-89806-747-8

Sinnliches Erleben und Präsenzeffekte führen in der Theorie der Psychoanalyse eher ein Schattendasein, wenngleich sie in jeder Behandlungsstunde von Bedeutung sind. Wie kann die Psychoanalyse helfen, wenn ein Mensch den Kontakt zur sinnlichen Welt, zum sinnlich-emotionalen Erleben verloren hat? Ein zentrales Anliegen dieses hervorragenden und präzise geschriebenen Buches ist es, die Zusammenhänge von sprachlicher und leiblicher Dimension der Psychoanalyse in einer breiteren theoretischen Untersuchung zu erhellen. Außerdem werden im Hinblick auf besondere Behandlungskonstellationen erste Anwendungsmuster aufgezeigt, so etwa bei traumatisierten Patienten, und diese zugleich als erweiterte Reflexionsräume für die Analytikerin verstanden.

Goethestr. 29 · 35390 Gießen · Tel. 06 41/ 9716903 · Fax 77742 bestellung@psychosozial-verlag.de www.psychosozial-verlag.de


7ÊHREND &REUD DEN ½DIPUSKOMPLEX UND DIE 2OLLE DES 6ATERS INS :ENTRUM DES PSYCHISCHEN ,EBENS RàCKTE ENTDECKTE -ELANIE +LEIN ALS -UTTER 0SYCHOANALYTIKERIN DIE w-UTTERi INMITTEN DES SEELISCHEN ,EBENS DES 3UBJEKTS $AMIT GELANG IHR DIE 6ERTIEFUNG DER 0SYCHOANALYSE DIE DIE 0SYCHOSE DIE /BJEKTBEZIEHUNGEN UND DAS 6ERSTEHEN wVORSPRACHLICHERi -ITTEILUNGEN IN DER +INDERANA LYSE BETRAF +RISTEVA ERZÊHLT ANSCHAULICH UND AUSFàHRLICH -ELANIE +LEINS &ALLGESCHICHTEN NACH 7EITERHIN STELLT DIE !UTORIN DIE THEORETISCHEN %NTWICKLUNGEN -ELANIE +LEINS UND DEREN %INFLUSS AUF DIE 0SYCHO ANALYSE DAR "EI DEM VORLIEGENDEN "UCH HANDELT ES SICH UM DIE DEUTSCHE %RSTAUSGABE DER FRANZÚSISCHEN !USGABE VON

*ULIA +RISTEVA $AS WEIBLICHE 'ENIE n -ELANIE +LEIN

w%RSCHAFFE DEIN $ENKEN UND ERSCHAFFE ES STETS AUFS .EUE INDEM DU MIT DEM 7EIBLICHEN IN DIR IN "ERàHRUNG BLEIBST i

*5,)! +2)34%6!

$!3 7%)",)#(% '%.)% -%,!.)% +,%). $AS ,EBEN DER 7AHN DIE 7ÚRTER

* 5,)! +2)34%6! IST ,ITERATURTHEORETIKERIN 0SYCHO ANALYTIKERIN 3CHRIFTSTELLERIN UND 0HILOSOPHIN 3EIT LEBT UND ARBEITET +RISTEVA IN 0ARIS WO SIE SEIT EINEN ,EHRSTUHL AN DER 5NIVERSITÊT INNEHAT )HRE 3CHRIFTEN ZUR ,INGUISTIK PRÊGTEN DIE POSTSTRUKTURALIS TISCHE $ISKUSSION "EEINFLUSST WURDE SIE DABEI VON DER &REUD SCHEN UND ,ACAN SCHEN 0SYCHOANALYSE ERHIELT +RISTEVA DEN (ANNAH !RENDT 0REIS FàR POLITISCHES $ENKEN

WWW PSYCHOSOZIAL VERLAG DE )3".

")",)/4(%+ $%2 039#(/!.!,93% 039#(/3/:)!, 6%2,!'

280 Seiten 28 mm Rückenstärke · 8 mm Falzugabe


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.