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Sir Lady Eisenhover: „Ich bin ein Unikum“

Wer mit offenen Augen durch Bruneck geht, hat ihn mit großer Wahrscheinlichkeit schon einmal gesehen. Sir Lady Eisenhover. Schneider, Lebenskünstler, Grenzgänger. Kurz vor seinem 17. Geburtstag teilt ein Unfall sein Leben in ein Davor und Danach. Davor war er Schlosser, danach blieb er es noch eine Weile und wurde irgendwann Schneider und Designer. Ein Gespräch über Schnitte, modernen Punk und Vivien Westwood

Lady sitzt an seiner Nähmaschine in der Werkstatt von VergissMeinNicht, nur einen Steinwurf vom Florianitor entfernt. Er ist gerade dabei, einen türkis-grünen Mantel zu nähen. Sigrid heißt das Modell. Alle Designs tragen die Namen von Menschen, die die Sozialgenossenschaft mit Nähstube und eigenem Shop zu etwas Besonderem machen. Auch Lady hat hier seinen Platz gefunden. Irgendwo sein dürfen, irgendwohin passen – das war in seinem Leben nicht immer so einfach.

PZ: Lady, mit fast 17 Jahren haben Sie einen schweren Unfall gehabt. Über

Jahrzehnte konnten Sie sich an nichts erinnern, auch das Kurzzeitgedächtnis hat gelitten.

Sir Lady Eisenhover: Ich steckte damals mitten in meiner Ausbildung zum SchlosEigentlich heißt er Hubert Pfeifhofer, doch unter seinem Geburtsnamen kennt in Sexten und Umgebung niemand Sir Lady Eisenhover. Sein Künstlername erzählt viel über sein Leben. Eisenhover ist eine Anspielung auf seinen ersten Beruf. Der 55-Jährige ist gelernter Bauschlosser. Bei einem Unfall mit der Vespa verletzt er sich schwer und verliert sein Gedächtnis. Ein Wendepunkt in seinem Leben. Trotz aller Schwierigkeiten schafft er seinen Abschluss und arbeitet weiter in der Schlosserei. Nach neun Jahren geht er vorübergehend in Rente. Als er die Möglichkeit bekommt, an der Hauswirtschaftsschule in Dietenheim nähen zu lernen, ergreift er sie. Im Anschluss arbeitet er bei Textilunternehmer Richard Vill in St. Lorenzen und befasst sich in einer weiteren Ausbildung in Meran mit Design und Schnitten. Seit 2018 ist er Teil von VergissMeinNicht. Sir Lady Eisenhover lebt in Sexten.

ser. Der Unfall passierte im März und das Schuljahr habe ich verpasst. Ich musste die Klasse wiederholen. Meine Erinnerung an das Leben davor war weitestgehend ausgelöscht, und ich konnte mir fast nichts mehr merken. Neun Jahre bin ich noch in dem Schlossereibetrieb geblieben. Aber irgendwann ging es nicht mehr, und ich bezog die Rente. Das ging bis 2000 so. Als die Ärzte und das Arbeitsamt mir sagten, ich solle doch wieder probieren, etwas zu arbeiten, meinte ich: Ich würde gerne schneidern lernen.

Schneidern? Wie kommt es?

Ich habe nirgends Gewand gefunden, das mir gefällt. Schon als kleines Kind hätte ich gerne andere Sachen getragen. Aber man hat das angezogen, was die Eltern wollten. Dass ein Schlosser die Schneiderlehre machen will, wollte mir am Anfang sowieso niemand glauben. Dann haben sie mich zunächst in den Sägemüllerhof geschickt. Ich sollte Nackenrollen nähen. Aber das hatte ich mir nicht unter Schneidern vorgestellt. Dann kam ich in die Werkstatt nach St. Georgen. Drei Monate war ich dort. Und wieder sagte ich: Nein, das ist es auch nicht.

Sie sind dann doch noch zur Schneiderlehre gekommen. Ein Glück?

Ich durfte in der Hauswirtschaftsschule in Dietenheim nähen lernen. Da habe ich Einzelunterricht bekommen. Das hat mir sehr gefallen. Ich bin da zunächst nur aufs Nähen gedrillt worden und habe das Handwerk richtig gelernt. Aber eigene Schnitte, das gab es noch nicht. Als ich sagte, ich hätte gerne einen Frack, haben mir meine zwei Lehrerinnen ein Schnittmuster besorgt und halfen mir, das zuzuschneiden. Also habe ich den Frack genäht und ein Jedi-Ritter-Gewand für einen guten Freund. Und plötzlich waren drei Jahre rum.

Vom Schlosser zum Schneider…

Ja, unglaublich nicht? Zweieinhalb Jahre war ich dann noch in der Werkstatt von Richard Vill in St. Lorenzen. Durch ihn habe ich vom Kurs für Schnittzeichnen und Modedesign in Meran erfahren und mich dort angemeldet. Jedes zweite Wochenende bin ich nach Meran gefahren. Die Schule war ein Spleen von mir. Mein Problem war: Ich konnte mir nichts merken. Als ich den Lehrern zugehört habe, tat es in meinem Gehirn währenddessen dssssss. Das ging einfach nicht. >>

Nähatelier: Seit 2018 ist Lady, wie ihn alle in der Kurzform nennen, Teil der Sozialgenossenschaft VergissMeinNicht. Hier entstehen Stücke, die von besonderen Menschen geschaffen werden.

In seinem Element: Lady beim Zuschneiden und an der Nähmaschine.

Auch hier sind sie auf mich eingegangen und gaben mir die Möglichkeit, nur die Werkstatt zu besuchen. Denn mit den Händen zu arbeiten, das war ja immer möglich.

Es fing an zu laufen – im wahrsten Sinne: Sie nähten die erste eigene Kollektion und schickten Models auf den

Laufsteg.

An Weihnachten beschloss ich, meine erste eigene Modenschau zu machen. Ich habe Mädchen von der Straße als Models gesucht, Maß genommen, meine Stücke designt und ihnen auf den Leib geschneidert. Im Kunsthaus in Meran wurde das dann auf die Bühne gebracht. Den Leuten hat es gefallen, wir haben eine Show gemacht (lacht).

Es ist nicht bei einer Show geblieben. Trotzdem musste ein Plan B her.

Warum?

Ich habe Modenschauen in Bruneck, Sexten, Innichen, Bozen und Meran gemacht. Das war immer toll, aber ich habe nichts damit verdient, eher noch einen Haufen ausgegeben. Als ich gefragt wurde, ob ich im Atelier von VergissMeinNicht arbeiten möchte, habe ich spontan ja gesagt.

Sie sind jetzt seit 2018 Teil der Sozialgenossenschaft, die Grenzgänger:innen eine Möglichkeit zum Arbeiten gibt. Wie ist die Arbeit?

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Wir haben viel zu tun. Wir nähen Jacken, Mäntel, Ponchos, Umhänge, T-Shirts. Auch Bestellungen auf Maß verlassen unser Atelier. Ich konzentriere mich vor allem aufs Nähen. Ich bin relativ blind auf beiden Augen, wenn ich zu lange auf etwas schaue, muss ich eine kleine Pause machen. Mir gefällt es hier. Nur Hektik mag ich nicht besonders. Wenn mich dann jemand im falschen Moment anredet…

Auf Ihrem Werktisch liegt gerade ein farbenfroher Mantel. Sie selbst tragen liebend gerne schwarz und rot. Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

Mit der Vergiss-Mein-Nicht-Technik hier bin ich noch nicht ganz eins geworden. Wir nähen ohne Futter, ohne Reißverschluss, ohne Knöpfe. Das ist ein bisschen anders, als ich es gelernt habe. Mein Stil ist moderner Punk. Schwarz ist mein Ding. Damenklei-

Kontrast: Eine Auswahl von Mänteln aus dem Nähatelier. Für sich selbst näht Lady eigene Kreationen –modern Punk ist sein Ding.

der designe ich asymmetrisch, die Mode soll von allen Blickwinkeln anders ausschauen. Ich bin nicht darauf aus, dass die Leute glotzen, wenn sie mich sehen. Das geht von ganz alleine.

Ihre Kleider nähen Sie selbst. Auch ein entsprechendes Etikett mit Ihrem Namen haben Sie gestaltet. Woher kommt der Künstlername Sir Lady Eisenhover?

Lady nennen mich die Sextner schon seit früher. Warum, weiß ich nicht mehr genau. Wahrscheinlich war ich immer schon ein bisschen anders. Als Schlosser habe ich mir ab und zu schon Kleidung gekauft, die für die Sextner sicher außertourlich war. Eisenhover hat mich mein bester Freund getauft, weil ich Bauschlosser war. Er meinte, das passt. Den Sir habe ich dem Namen noch selbst angefügt. Dass ja niemand auf die Idee kommt, ich sei eine Lady.

Was heißt es, ein Grenzgänger zu sein? Einmal hatte ich einen Blackout. Ich saß vor der Nähmaschine und wusste nicht, was das vor mir ist. Also bin ich erstmal

VergissMeinNicht

Die Sozialgenossenschaft mit Sitz in Bruneck ermöglicht Grenzgängerinnen und Grenzgängern einen Platz in der Arbeitswelt. In der 2015 gegründeten Nähstube entstehen in Handarbeit Unikate, die im eigenen Shop verkauft werden. Die Idee zum Projekt hatte Sigrid Regensberger. Ihre Tochter Julia ist Grenzgängerin und gehört damit zu den Menschen, die den Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht gewachsen sind. Also beschließt Regensberger, selbst ein Projekt zu starten, das Menschen wie Julia die Möglichkeit gibt, mitten im Leben zu stehen und doch geschützt zu sein. „Wir leben Inklusion. Die Herausforderungen sind groß. Die Wirtschaftlichkeit muss gegeben sein und das pädagogische Konzept steht über allem. Es ist eine tolle Geschichte, an der wir Tag und Nacht arbeiten.”

vergissmeinnicht.bz.it

raus, eine zu rauchen. Als ich wieder kam, wusste ich wieder, was da läuft. Hier in der Werkstatt darf man so sein, wie man ist. Dieses Beispiel trifft es ganz gut.

Für wen würden Sie gerne einmal ein

Kleid schneidern?

Hm, bekannte Menschen sind mir nicht so wichtig. Ich kann mir ohnehin keine Namen merken. Das ist für mich alles eine große Illusion. Wobei, jetzt fällt mir doch jemand ein. Die vor Kurzem verstorbene Designerin Vivien Westwood imponiert mir sehr.

Hadern Sie manchmal mit dem, was passiert ist?

Natürlich arbeitet es in mir, und ich schäme mich manchmal, dass ich mich schwer tue. Aber ich weiß, dass jeder seinen Lebenslauf hat. Das ist meiner. Es kommt so, wie es kommen muss. So sehe ich das.

Die Leute sagen: Sir Lady Eisenhover ist ein Original.

Ich bin ein Unikum, das ist wohl wahr.

Sie arbeiten vier Tage die Woche in der

Nähstube. Haben Sie noch Zeit, Einzelstücke auf Bestellung anzufertigen?

Wenn einer Zeit hat zu warten: gerne.

// Interview Verena Duregger

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