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Ein wichtiges Zeichen der Versöhnung: Die Razzia von Tesselberg Der Sturm auf Tesselberg:

Die Razzia von Tesselberg

Am Samstag, dem 29. Oktober 2022 wurde in Tesselberg ob Gais Frau Maria Elisabetta Giudici, stellvertretend für ihren Vater, Giancarlo Giudici, eine Ehrung zuteil. Der Carabinierigeneral hatte nämlich am 10. September 1964 in Tesselberg ein Blutbad verhindert. 15 Menschen wären beinahe erschossen und das Dorf angezündet worden.

Ein Blick zurück: 1964 ging es im Pustertal rund. Am 27. August fliegt bei Percha ein Jeep der Carabinieri in die Luft. Es gab vier Verletzte. Am 3. September wird der Carabinieri Vittorio Tiralongo erschossen. Am 9. September wird wieder ein Carabinieri-Jeep bei Salomonsbrunn in Antholz durch eine Miene in die Luft gejagt. Wiederum werden fünf Carabinieri verletzt. Viele Anschläge wurden damals den vier Puschtra Buibm zugeschrieben. Einige werden sie auch verübt haben, wenn sie auch nach eigenen Worten nie jemanden getötet haben. Wie der Puschtra Bui Siegfried Steger später im Buch „Die Puschtra Buibm – Flucht ohne Heimkehr“ erzählte, setzten sich die Puschtra Buibm nach dem letzten Anschlag in Antolz (Salomonnsbrunn) ab. Oberleiter und Steger in ihren Stützpunkt, Forer, Oberlechner und ein weiterer Mitkämpfer nach Tesselberg, wo sie sich in einem Heustadel versteckten. In einer großen Fahndungsaktion durchkämmten tausende Soldaten das gesamte Gebiet um Bruneck. Als ein Polizist einen Spirituskocher auf dem Balken eines Heustadels in Tesselberg entdeckte, alarmierte er die Einsatzkräfte. Als um Punkt 12 Uhr die Tochter des Mesners (Mesn Loise) die Mittagsglocke läutete, interpretierten die Soldaten dies als Warnung für die Puschtra Buibm. In der Folge kamen an die 1200 Soldaten nach Tesselberg. Alle Dorfbewohner wurden in der Folge aus ihren Häusern geholt und auf einem Platz zusammengetrieben. Den Männern wurden die Hände mit Handschellen auf den Rücken gebunden, und alle mussten sich auf den Bauch niederlegen. Ältere Männer, Frauen und Kinder im Dorfgasthaus eingesperrt. Dann wurden alle Häuser durchsucht. Es wurde geschossen, Handgranaten

Carabinierigeneral Giancarlo Giudici: nachträgliche Ehre. Archiv Giudici

Der Pircherbauer Johann Mair mit dem zerschossenen Torbogen in der Hand. Er und seine Familie wanderten später nach St. Lorenzen ab. Das durchschossene Fenster, hinter dem sich Mathilde Mair befand und verletzt wurde. Fotos: Pfarrer Ambros Stampfl, aus Gemeindejournal Gais

geworfen, Heuhütten und die Mühle des Kastnerbauern angezündet. Beim Oberplantaler wurde sogar ein taubstummes Mädchen angeschossen und liegen gelassen. Später wurde es dann von Adolf Lahner (Plontol-Adolf) und einigen Männern ins Krankenhaus Bruneck gebracht. Während dieser Aktion wurde der Kommandant der Carabinierilegion Bozen, Oberst Franco Marasco, per Hubschrauber eingeflogen. Er befahl 15 Dorfbewohner sofort zu erschießen und das Dorf niederzubrennen. Carabinierigeneral Oberstleutnant Giancarlo Giudici weigerte sich aber diesen Befehl auszuführen und ordnete dem Piloten an, den Oberst wieder wegzufliegen. Er wurde am Tag darauf nach Udine versetzt. In dem ganzen Chaos gelang es Sepp Forer, Heinrich Oberlechner und ihrem Begleiter sich vom Stadel aus freizuschießen und zu fliehen.

Idyllisch gelegen, das Dorf Tesselberg oberhalb von Gais. Dort spielten sich damals dramatische Szenen ab.

VERDIENTE EHRE

68 Jahre sind seitdem vergangen. Oft wurde über diesen Vorfall geredet, erzählt und berichtet. Und oft schon wollte man dem Carabinierigeneral würdigen. Mittlerweile verstorben, wollte die Gemeindeverwaltung von Gais auf Initiative und in Zusammenarbeit mit Ehrenmajor der Schützen Josef Kaser und der ehemaligen Landesrätin und Historikerin Martha Stocker heuer ein Zeichen setzen und überreichte der Tochter des Oberstleutnant, Frau Maria Elisabetta Giudici eine Ehrenurkunde. Am Samstag, dem 29. Oktober wurde diese bei der Tesselberger Kirche im kleinen Rahmen übergeben. Frau Giudici war sehr gerührt und dankbar. Bereits am Vorabend der Ehrung veranstaltete die Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem Jugendverein Slash und dem Bildungsausschuss Gais eine Informationsveranstaltung zum Thema „Tesselberg 1964“. Verena Duregger, Autorin des Buches „Die Pusterer Buben - Eine Südtiroler Heimatgeschichte“, hielt im Gespräch mit Klaus Reichegger, Rückblick über die Geschehnisse in Südtirol von 1919-1972, mit besonderem Fokus auf die Geschichte von Tesselberg. Frau Giudici, die auch diesen Abend besuchte, war die Freude über die Anerkennung ins Gesicht geschrieben. „Keine Sekunde hat mein Vater es jemals bereut, so gehandelt zu haben, auch wenn er anschließend Schwierigkeiten hatte“, betonte sie und nutzte dann auch die Gelegenheit, um sich im Namen ihrer Familie ganz herzlich für die Wertschätzung zu bedanken. Josef Kaser ist nur wenige Tage nach dieser ihm so wichtigen Ehrung bei Holzarbeiten in Issing tödlich verunglückt.

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