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Preissteigerungen: Es seufzt der Bauer

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ES FALLEN DIE MASKEN, ES STEIGEN DIE PREISE Es seufzt der Bauer

Die Bauern, gemeint sind damit insbesondere die Bergbauern, sind unzufrieden und um ihre Zukunft ernsthaft besorgt. SBB-Bezirksobmann Anton Tschurtschenthaler bezeichnete den gegenwärtigen Zustand der Berglandwirtschaft auf dem bäuerlichen Informationstag in Bruneck (2. April 2022) „als sehr schlecht“. Hierfür verantwortlich machte er einerseits die Pandemie, andrerseits den seit zwei Monaten (24. Feber) in der Ukraine tobenden Krieg. Die horrende Preisexplosion sei eine Folge davon.

Heuer wurde der Informationstag wiederum im großen Saal des Michael-Pacher-Hauses abgehalten, nachdem die Veranstaltung ob der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie in den

Jungbauer (stehend) aus Olang: Mit der Entwicklung der Milchwirtschaft unzufrieden. wpz

beiden vorausgegangenen Jahren ausgefallen war. Die Bauern und Bäuerinnen nachten von der Möglichkeit der persönlichen Präsenz zwar Gebrauch, doch bei Weitem nicht so zahlreich wie zu Zeiten vor Ausbruch der Pandemie. Nicht einmal die Hälfte der Sitzplätze war besetzt, wohingegen früher oft zu wenig Stühle vorhanden waren, um alle Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer aufzunehmen. Rückstaus entlang der Korridore zwischen den Sitzreihen zurück bis ins Foyer waren vielleicht die Ausnahme, nicht aber ein bis zum letzten Stuhl besetzter Saal. Viele waren hingegen via Internet zugeschaltet.

GEDRÜCKTE STIMMUNG

Die Stimmung im Saal war gedrückt. Am besten kam dies bei den Wortmeldungen zum Ausdruck. So begehrte ein Olanger Jungbauer über die Entwicklung der letzten Jahre auf. „Vor fünf Jahren habe ich die landwirtschaftliche Schule abgeschlossen. Seither bearbeite ich den elterlichen Hof. Hätte ich damals nur die leiseste Ahnung davon

Sie standen den Bauern Rede und Antwort: Manfred Vallazza, Leo Tiefenthaler, Herbert Dorfmann, Maria-Magdalena Hochgruber-Kuenzer, Arnold Schuler und Christian Plitzner. wpz

gehabt, welchen Weg die Milchwirtschaft nehmen würde, hätte ich mich wohl kaum darauf eingelassen!“ Jährlich würden in Südtirol rund 150 Milchbauern die Melkmaschine abschalten: 1500 wären’s so in zehn, 3.000 in zwanzig Jahren. Und was dann? Im Zusammenhang mit der für die Bauersleut‘ ungünstigen Einkommensverteilung, meinte der Jungbauer, die oft gepriesene Subventionierung der Landwirtschaft sei weniger betriebs- als vielmehr konsumorientiert, um dadurch dem Endverbraucher den Zugang zu Billigprodukten zu öffnen. Und die Zahnräder der kleinräumlichen Wirtschaft würden auch nicht geräuschlos ineinandergreifen, wie das immer wieder kolportiert würde. Er stellte dazu fest, die Fremdenverkehrsbetriebe würden zwar ihren Gästetempel in gepflegter Landschaft zur Schau stellen und damit um die Klientel werben, doch die lokalen Produkte stünden bei vielen dann nicht im Angebot. Hinsichtlich der Landschaftspflege sei noch darauf verwiesen, dass Steilwiesen in Geiselsberg schon heute nicht mehr gemäht würden.

HEIMISCHE PRODUKTE LOKAL VERMARKTEN

Wie Bezirksobmann Tschurtschenthaler bereits im Voraus gesagt hatte: „Muss alles billig, billig und noch einmal billig sein!“ Die Globalisierung, der freie Warenverkehr, die Auslagerung von Produktionen, die Flächenstilllegung u.a. mehr waren die Wegbereiter der Misere daraus, daran die EU und wir nicht schuldlos seien. Die Zeche hierfür hätten einmal mehr die Kleinen zu bezahlen. Die Profiteure seien andere: die Großen (Handel) und die Schlauen (Spekulanten). Weitere Stimmen aus dem Saal lehnten die Belieferung von Schulmensen und Krankenhäusern von außen mit provinzfremden Milchprodukten dezidiert ab. Auf Unverständnis stieß auch der Ankauf einer Sennerei mit angeschlossener Mortadella-Verarbeitungsstraße durch die Bergmilch in Mantova. Und schließlich ließ ein Bauer seinen Unmut übers geltende Trinkwasserlimit von 36 Kubikmetern pro Kuh und Jahr aus. Die Menge sei zu gering bemessen. Er sähe nicht ein, warum ihm der unvermeidliche Mehrverbrauch dann zum Abwassertarif verrechnet würde.

KLARE WORTE

Und einer, der über viele Jahre hindurch immer ganz vorne saß, meldete sich diesmal ganz hinten von der letzten Reihe zu Wort: Viktor Peintner, viele Jahre Bezirksobmann (15 Jahre) und BundesobmannStellvertreter (9 Jahre). „Gewisse Sachen waren in den letzten Jahren in die falsche Richtung gegangen“, wandte er sich geradewegs an die Politiker am Referententisch und forderte: Stillgelegte Flächen müssten schon im Interesse der Ernährungssicherheit sofort wieder angebaut werden; die Lebensmittelpreise sollten außerdem deutlich angehoben werden, denn wir Bauern möchten den Unterhalt der Familie vom Erlös unserer Arbeit und nicht über Beiträge aus der Steuerschatulle bestreiten können. Und von Arnold Schuler, dem Assessor für Landwirtschaft, forderte er, „die ganzen Spaßettlan zur Nachhaltigkeit so lange in der untersten Schublade zu verstauen, bis der Bauer für einen Liter Milch 1,50 Euro ausbezahlt bekommt“. Und die Forderung der Gesellschaft nach mehr Tierwohl, quittierte der Senior vom TalackererHof (Taisten) mit der Gegenfrage: „Welche Gesellschaft denn? Vielleicht jene, die lieber Hunde als Kinder spazierenfährt?“. Und >>

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ein Letztes zur Tierliebe: „Ein Bauer, der Tiere nicht mag, ist kein Bauer! Wer seinen Fuß einmal in einen der vielen Ställe gesetzt hat, der weiß, dass dem Tierwohl mehr als Genüge getan ist“, so Peintner. Freilich, schwarze Schafe gäbe es nicht allein unter den Schafen. Der kleinstrukturierten Berglandwirtschaft sind jede Menge Grenzen gesetzt. Eine, wenn auch bemerkenswerte Preiserhöhung von beispielsweise 30 Cent (von 50 auf 80 Cent) pro Liter brächte dem Halter von fünf Kühen (30.000 kg/Jahr) zwar einen Mehrerlös von 15.000 Euro, wahrscheinlich jedoch immer noch zu wenig, um die Flächen mit Blick auf einen Vollerwerbsbetrieb entsprechend aufstocken, das Wirtschaftsgebäude demgemäß erweitern bzw. modernisieren und das Familieneinkommen dem Arbeitsaufwand angemessen verbessern zu können.

Die Bereitschaft Landwirt zu sein, ist an befriedigende Arbeits- und Lebensbedingungen gebunden. wpz

Ziel der Politik: Möglichst viele Berghöfe zu erhalten. wpz

DER „LANDWIRTSCHAFTS-EURO“

Die Produktionsgrundlagen am Berg sind viel zu ungünstig, auf dass der Nutzen angehobener Preise maximal ausgeschöpft werden könnte. Wenn auf der Bauerntagung die Rede von einem „Landschafts-Euro“ ging, so konnte damit eigentlich nur eine Förderung zum Zwecke der Erhaltung der Kulturlandschaft gemeint sein, ohne den agrarischen Aspekt dabei völlig außer Acht zu lassen. Die Erhaltung der Landschaft und ihrer Funktionen zur Verbesserung von Klima, Wasser und Luft sei ein Gebot der Stunde und ginge uns ausnahmslos alle an. Darin waren sich die prominenten Akteure am Referententisch sowie die Gäste im Saal augenscheinlich einig Nicht in den begrenzten Einkommenschancen, sondern in der Selbständigkeit findet der Bergbauer die Attraktionskraft seines Berufes. Sie ist es in der Hauptsache, die ihn an den Hof kettet. Das animiert wiederum die Verbandsleitung und die Politiker in Bozen, Rom und Brüssel dazu, all jene Voraussetzungen (Zufahrt, Wasser, Strom, Telefonie, schnelles Internet, Photovoltaik, maximale Lockerung des normativen Korsetts etc.) zu schaffen, um den Bauern das Wirtschaften und das Leben am Berg weitgehend zu erleichtern und somit der Verelendungstheorie und dem Abwanderungsbestreben den Boden zu entziehen.

In der Vergangenheit, so man die Situation mit den Nachbarprovinzen Trient, Belluno und dem Bezirk Osttirol vergleicht, ist das recht gut gelungen. Und nicht zu vergessen: Um dem Tourismus den Tisch zu decken, bedurfte es des Bauern Fleißes, dessen Durchhaltevermögens, Genügsamkeit und Bescheidenheit. Eine Arbeit, auf die unser angeblich größter und erfolgreichster Wirtschaftszweig auch in Zukunft nicht verzichten wird können. „Verkommt die Landschaft, verkommt der Fremdenverkehr“, das die nüchterne und kaum widerlegbare Schlussfolgerung des Bauernstandes. Ein erfolgreiches Mit- und Füreinander liegt in der Synthese der Zielvorstellungen. // wp

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