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mit.uns DAS MAGAZIN DER RAIFFEISENBANK REGION RIED IM INNKREIS
Aus purer Leidenschaft. Was 1989 mit einer ordentlichen Portion Euphorie, Elan – und auch Blauäugigkeit – begann, ist heute für Eltern und Kinder eine unverzichtbare Institution im Innviertel. Wir trafen uns mit Maria Schulz-Berger, Gründerin der Innviertler Tagesmütter, zum Gespräch über den mutigen Anfang und wie der Verein sowohl sich selbst als auch sein Umfeld verändert hat. mit.uns Magazin: 1989 haben Sie den „Verein Tagesmütter“ ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Maria Schulz-Berger: Der Liebe wegen zog ich damals ins Innviertel. Kaum angekommen, trat Gerhard Strasser, der damalige Leiter des AMS Ried, an mich heran. Er bat mich, für fehlende Kinderbetreuungsplätze im Innviertel tätig zu werden und eine passende Einrichtung zu schaffen. Meine Erfahrung als Erzieherin in einem Krisenpflegeplatz und meine innere Überzeugung motivierten mich, dieser Bitte nachzukommen. Es gab damals im Innviertel noch kein Konzept und der Beruf „Tagesmutter“ war noch nicht bekannt. Wie haben Sie den Verein aufgebaut?
Mit Euphorie, Elan und sicher etwas blauäugig. Ich stürzte mich einfach in die neue Herausforderung und hatte das Glück, auf die richtigen Menschen zu treffen. Vier Monate war ich ehrenamtlich im Innviertel unterwegs, um mein Konzept zu präsentieren. Zur rechten Zeit am rechten Ort, wenn man so will. Denn der Bedarf an familiennaher Kinderbetreuung war groß. Und so erfolgte schon im November 89 die Gründung des Vereins.
Wolfgang Grasl
Dieses Interview erschien ursprünglich in gekürzter Fassung in Ausgabe 2 des Magazins „mit uns“ der Raiffeisenbank Region Ried
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Was ist das Besondere am Modell „Tagesmütter“?
Bei einer Tagesmutter sind Kinder in guten Händen. Sie weiß, was Kinder brauchen. Uns geht es weniger darum, nur Versorgungsplätze für Kinder zu schaffen, als vielmehr ein Modell der Betreuung anzubieten, das familiär, individuell und flexibel ist. Ein Modell, in dem Kinder berufstätiger Eltern eine Betreuung erhalten, die ihren Bedürfnissen entspricht und gefördert werden. Welche Bedürfnisse sind dies konkret?
Das Wichtigste für ein Kind ist die Familie. Bei uns ist dieses familiäre Umfeld eine kleine Gruppe – bestehend aus Kindern und einer gleichbleibenden Betreuungsperson. Dort wird gespielt, gekocht, gegartelt und auch die soziale Reife gefördert. Kinder bekommen dort „Geschwister auf Zeit“. Und so ganz nebenbei entstanden viele Arbeitsplätze?
Richtig. Denn der Verein Tagesmütter bietet vielen Frauen die Chance auf einen neuen Job, auf Eigenständigkeit und Unabhängigkeit. Er bietet eine fundierte Ausbildung und verhilft mit seinem Netzwerk zu interessanten sozialen Kontakten. Alle Tagesmütter sind heute angestellt und ihr Gehalt ist gesetzlich geregelt. Wieviele Frauen sind dies heute konkret?
MEILENSTEINE
1989 Gründung des Vereins „Innviertler Tagesmütter“ 1993 Anerkennung des Vereins als freier Jugendwohlfahrtsträger 2010 Eingliederung in die Direktion Bildung und Gesellschaft des Landes OÖ
ZAHLEN & FAKTEN
Aus anfangs 18 sind aktuell rund 140 Tagesmütter geworden. Ein professioneller, mittelgroßer Dienstleistungsbetrieb also. Und unbestritten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region.
18 Tagesmütter betreuten im Gründungsjahr Kinder
Welche Werte werden dabei groß geschrieben?
140 Tagesmütter sind es heute
Wir arbeiten mit Freude, Verantwortungsbewusstsein und Einfühlungsvermögen. Wir verstehen uns als Partner der Kinder. Deren individuelle Bedürfnisse sind uns wichtig. Geborgenheit, Förderung, Entwicklung und Verlässlichkeit sind Werte, für die wir eintreten – möglichst frei von verfrühtem Leistungsdruck.
400 Tagesmütter wurden seit der Gründung des Vereins in 30 Lehrgängen ausgebildet
„Geborgenheit, Förderung, Entwicklung und Verlässlichkeit sind Werte, für die wir eintreten – möglichst frei von verfrühtem Leistungsdruck.“ Wo und für welche Altersstufen ist der Verein tätig?
In beinahe allen Gemeinden des Innviertels können wir Tagesmütterbetreuung anbieten. Vom Klein- bis zum jugendlichen Schulkind. Welche Formen der Betreuung gibt es?
Auch hier hat sich im Lauf der Jahre viel getan. Neben der klassischen „Tagesmutter zuhause“ bietet wir Kindernester, Betreuung in Kindergarten und Schule, Betriebstagesmutter, Spielstuben, Ferienbetreuung sowie ein Integrationsprojekt mit Flüchtlingskindern. Ist in puncto Nachfrage ein Trend auszumachen?
Auf jeden Fall: in den letzten Jahren ist der Bedarf an Betreuungsplätzen bei Tagesmüttern in sämtlichen Sparten enorm gestiegen.
900 Eltern vertrauen pro Jahr den Innviertler Tagesmüttern ihre Kinder an 8.000 Kinder wurden seit der Gründung 1989 betreut „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“ ist Leitspruch des Vereins und zeigt den gemeinschaftlichen Aspekt einer Kindeserziehung auf www.tm-innviertel.at
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Lassen sich hier Rückschlüsse, zB. auf die Geburtenentwicklung, ziehen?
Nur zum Teil. Triebfedern waren viel mehr die gesetzlichen Veränderungen der Karenzzeit und der flexible Arbeitsmarkt. Auch ist es oft so, dass kleinere Gemeinden die Kennzahlen für die Öffnung eines Ganztagskindergartens oder für eine schulische Nachmittagsbetreuung nicht erreichen. Und dann ist unser Modell das ideale. Welche Eigenschaften braucht es für den Beruf einer Tagesmutter?
Eine Tagesmutter muss natürlich gerne mit Kindern arbeiten, Freude und Geschick im Umgang mit ihnen mitbringen. Darüber hinaus sind natürlich auch Verständnis, Einfühlungsvermögen, Humor sowie Erziehungsbasiswissen von enormer Bedeutung. Ebenso spielen auch die räumlichen und familiären Gegebenheiten eine entscheidende Rolle.
„Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ Ihr Leitspruch lautet „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ Wie ist das zu verstehen?
Noch vor wenigen Jahren waren Kinder in unserer Gegend selbständig unterwegs und hatten in der Nachbarschaft etliche erwachsene Ansprechpartner. Diese Zeiten sind vorbei. Ich glaube aber, dass Kinder ein derartiges Umfeld brauchen. Eines, das ihnen einerseits viel Freiraum, andererseits aber auch Stabilität sowie feste und liebevolle Beziehungen bietet. Und das ist unser Ziel: ein ruhiger, interessanter, fröhlicher Alltag. Mit gemeinsamem Spielen und Jausnen. Aber auch mit Hausübung-Machen und Lernen. Denn Kinder lernen fürs Leben, nicht vordergründig für Schule oder Beruf. Nächstes Jahr steht das 30-Jahr-Jubiläum an. Ein guter Anlass für ein kleines Resümee über das Erreichte?
Ja. Und ich darf mit Freude sagen, dass wir das Berufsbild sowie die landesweite Organisation aktiv mitgestaltet haben. Viel Idealismus, Disziplin und Beharrlichkeit waren nötig, um dies zu erreichen. Mut und Ideenreichtum ebenso, da sich die Anforderungen an mich und mein Team ständig veränderten.
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Welche Anforderungen sind das?
Die Existenz und das Angebot der Tagesmütter publik zu machen, die Frauen auszubilden und die nötigen Kontakte zu Politik und Verwaltung herzustellen. Wir kämpfen für die Gleichstellung der Betreuungsplätze, ringen mit der Sparpolitik, sichern die Arbeitsplätze und versuchen, wirtschaftliche Umbrüche auszugleichen. Und natürlich setzen wir uns schon immer aktiv für das Wohl des Kindes ein. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an alle MitarbeiterInnen und Partner sowie unseren ehrenamtlichen Vorstand Mag. Gabriele Puttinger, Cordula Breit Menschik und Gerhard Vorhauer. Gibt es besondere Meilensteine an Errungenschaften?
Auf jeden Fall sind das die soziale, arbeitsrechtliche Absicherung aller Tagesmütter und die Anerkennung als Berufsbild. Wir wurden ins Kinderbetreuungsgesetz aufgenommen, ein Basisgehalt wurde eingeführt. Wir konnten einheitliche Elterntarife schaffen und attraktive Aktionstage durchführen. Weitere Highlights waren die Eröffnung unserer ersten Betriebstagesmutterstätte im KH Braunau, sowie die neuen Betreuungsmodelle in Kindergarten und Schule. Und die Liste ließe sich noch beliebig fortführen.
„Wir wollen auch weiterhin mit unserem Angebot die Eltern stärken, die Kinder in ihrer Entwicklung begleiten und ihnen günstige Bedingungen für ihre Entfaltung anbieten.“
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All das Erreichte stimmt Sie also zufrieden?
Ja, wir haben unseren Platz im Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen gefunden und freuen uns über die gute Zusammenarbeit mit Partnern und Institutionen. Jedoch hängt unser Erfolg nicht von uns alleine ab. Auch die Politik ist und bleibt gefordert, die Rahmenbedingungen für eine professionelle und bedarfsgerechte Kinderbetreuung zu schaffen, das Berufsbild noch besser zu verankern. Welche Gedanken und Visionen gibt es für die Zukunft?
Noch immer bewegt mich die Frage „Was bedeutet Kind-Sein heute?“. Ist es lediglich die Vorbereitung auf den späteren Arbeitsprozess? Oder darf sich das Kind noch selbst genügen, ohne einem Leistungsanspruch gerecht werden zu müssen? Wir wollen auch weiterhin mit unserem Angebot die Eltern stärken, die Kinder in ihrer Entwicklung begleiten und ihnen günstige Bedingungen für ihre Entfaltung anbieten.
„Sowohl die Raiffeisenbank Region Ried als auch der Verein Innviertler Tagesmütter unterstützen Menschen in verschiedensten Lebenslagen und Situationen mit dem Angebot maßgeschneiderter und persönlicher Lösungen“ Sehen Sie Parallelen zwischen dem „Verein Tagesmütter“ und der Raiffeisenbank Region Ried?
Ja. Wir erkennen uns ganz klar im Leitbild der Raiffeisenbank Region Ried. Beide sind erfolgreich und aufstrebend. Beide sind ein beständiger und vertrauenswürdiger Partner. Beide stärken die Region. Und beide unterstützen Menschen in verschiedensten Lebenslagen und Situationen mit dem Angebot maßgeschneiderter und persönlicher Lösungen. Eine gute Basis also für eine homogene Partnerschaft?
Fürwahr. Die Raiffeisenbank ist unser langjähriger Partner als Hausbank. Besonders erfreulich ist dabei, dass sie durch Prokurist Gerhard Vorhauer auch aktiv in unserem Vorstand vertreten ist. In den vergangenen Jahren waren wir finanziell wie organisatorisch immer neuen Herausforderungen ausgesetzt und wir haben die Raiffeisenbank Region Ried dabei als verlässlichen, einsatzbereiten und kreativen Partner kennen und schätzen gelernt. Frau Schulz-Berger, wir bedanken uns für das nette Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.