business Magazin der Raiffeisenlandesbank OÖ

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Das Finanzmagazin der Raiffeisenlandesbank Oberรถsterreich Aktiengesellschaft

NR. 2 / 2019

www.rlbooe.at/business

ALLES NEU SCHWERPUNKT WANDEL

Heimatwerk 4.0 // Das Start-up-Mekka // Stuttgart macht mobil


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VORWORT

ALLES FLIESST

DIE HOHE KUNST DER VERÄNDERUNG

N

ichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel.“ Diese Aussage des Naturforschers Charles Darwin ist aktueller denn je. Die Zukunftsthemen Mobilität, künstliche Intelligenz oder Digitalisierung stellen uns vor neue Herausforderungen. Gerade in Zeiten, wo Veränderungen immer rasanter werden, gilt es, als Unternehmen umso schneller und flexibler auf den Markt zu reagieren. Dies trifft auch auf Unternehmen zu, die in traditionellen Wirtschaftszweigen tätig sind. Ein Beispiel dafür finden Sie mit dem OÖ. Heimatwerk in der aktuellen Ausgabe des Magazins business. Das seit 70 Jahren dem Brauchtum verpflichtete Unternehmen nutzt das Internet als kreativen Vertriebskanal und bietet mit dem eigenen „Dirndl-Konfigu­ rator“ die Möglichkeit, sich online ein maßgeschneidertes Dirndlkleid individuell zusammenzustellen und unmittelbar in Auftrag zu geben. Neue Kundenverhalten nutzen Der digitale Wandel stellt auch die Bankenbranche vor große Herausforderungen – und bietet gleichzeitig auch Riesenchancen. Chancen, wie man die Kundinnen und Kunden auf eine ganz neue Art und Weise ansprechen kann. Chancen, wie man die Kundinnen und Kunden mit neuen Produkten und Services begeistern kann. Und nicht zuletzt auch Chancen, wie man neue Kunden gewinnen kann. Der Schlüssel zum Erfolg in der Zukunft ist, sich an den neuen ­Bedürfnissen der Kunden zu orientieren.

Dr. Heinrich Schaller, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank OÖ.

bei der Raiffeisenlandesbank OÖ stehen nach wie vor für eine enge und persönliche Kundenbetreuung. Als „digitale Regionalbank“ treiben wir aber die Entwicklungen der Digitalisierung voran und verknüpfen diese gleichzeitig mit der persönlichen Betreuung in den Filialen. Innovation und Tradition – kein Widerspruch Kreative Wege geht die Raiffeisenlandesbank OÖ auch mit dem „Innovation Hub“, der sich intensiv mit Zukunftsthemen und der Entwicklung von neuen Konzepten zur Kundenbetreuung beschäftigt sowie Innovationsnetzwerke mit Partnern wie der startup300 AG betreibt. Seit 2018 hat die Raiffeisenlandesbank OÖ ein eigenes „Private Office“ in der Tabakfabrik Linz und ist somit Teil der „Strada del Start-up“. Daraus ergibt sich eine intensive Kooperation mit factory300, dem dort angesiedelten Start-up-Campus. Mitte März fiel mit dem Event „INDUSTRY MEETUP #1“ der Startschuss für eine neue gemeinsame Eventserie. Dabei diskutieren Vertreter der Raiffeisenlandesbank OÖ und factory300 mit Industrieunternehmen, KMU sowie Start-ups über Herausforderungen und Chancen des digitalen Wandels. In der aktuellen Ausgabe finden Sie auch Informationen zum Wirtschaftsstandort Stuttgart, an dem die Raiffeisenlandesbank OÖ im April 2018 ihre neunte Niederlassung am süddeutschen Markt eröffnet hat. Mit der Ferdinand Porsche Aktiengesellschaft und der Würth-Gruppe werden die Erfolgsgeheimnisse von zwei bedeutenden Unternehmen aus der dynamischen Region Stuttgart beleuchtet! Ihr

WIR VERKNÜPFEN DIE DIGITALISIERUNG MIT PERSÖNLICHER BETREUUNG.

© RLB OÖ/Erwin Wimmer

Mehr Kundenkontakte denn je Ein Beispiel für eine Veränderung in der Bankenbranche ist die sinkende Kundenfrequenz in den Bankfilialen. Die Kundenkontakte sind aber dadurch nicht weniger geworden – ganz im Gegenteil! Denn jedes Mal, wenn ein Kunde in sein Online- oder Mobile-Banking einsteigt, tritt er mit uns in Kontakt. Jetzt liegt es an uns, diese digitale Welt weiter zu attraktivieren und damit für beide Seiten zum Vorteil zu gestalten. Allerdings sind nicht alle finanziellen Services und Produkte digitalisierbar. Für eine Reihe von Dienstleistungen bleibt der persönliche Kontakt wichtig. Wir

Dr. Heinrich Schaller, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank OÖ Aktiengesellschaft.

Ihr schnellster Weg zum Erfolg: QR-Code scannen und die aktuelle business-Ausgabe mit vertiefenden Storys, Interviews und Videos online auf unserem Blog weiterlesen: https://business-channel.rlbooe.at/ business 03


INHALT/IMPRESSUM

3 VORWORT

Dr. Heinrich Schaller, Vorstandsvorsitzender

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6 WO ZUKUNFT ENTSTEHT

In der Linzer Tabakfabrik arbeiten Start-ups und etablierte Unternehmen wie die Raiffeisenlandesbank OÖ an der Wirtschaft von morgen

10 GRAND GARAGE

Eine Hightech-Innovationswerkstatt für Menschen in der Technologie – und Geburtsstätte für globale Bestseller

12 HÄUSER DER BEGEGNUNG

Zwei Leuchtturmprojekte der Raiffeisen Bankengruppe definieren die Filiale der Zukunft – als Häuser der Begegnung, Beziehung und Beratung

16 NEUER KRAFTPLATZ

Die Raiffeisenlandesbank OÖ bekommt ein neues Herzstück: Die neu gebaute Zentrale wird zum Mittelpunkt eines attraktiven Stadtteils

18 DIGITALES DIRNDL

Trend trifft Tradition: Das oberösterreichische Heimatwerk bringt Handwerk ins Internet. Samt Onlineshop und Dirndl-Konfigurator

22 STÄRKEZENTRUM

Stihl und Kärcher: Zwei Weltmarktführer illustrieren, warum die Region rund um Stuttgart alles außer durchschnittlich ist

26 AKTEN-DÄMMERUNG

RVM Versicherungsmakler machen Papierbergen den Garaus. Mit der App iClaim gelingt das Schadenmanagement am Smartphone

28 GEMEINSAM STÄRKER

Die Raiffeisenlandesbank OÖ setzt auf den Leitgedanken des Gründers: Die besten Lösungen entstehen im Miteinander mit Start-ups und Kunden

32 THINK BIG

Am Anfang war der Wandel: Wie Porsche und Würth mit visionären Ideen von Stuttgart aus die Welt eroberten

34 FÜR SIE GELESEN

Buchempfehlungen für den Businessalltag

Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: R ­ aiffeisenlandesbank Oberösterreich Aktien­gesellschaft, ­Europaplatz 1a, A-4020 Linz. Grundlegende Richtung und Blattlinie: business ist das Finanzmagazin der Raiffeisenlandesbank OÖ und beleuchtet wichtige Finanz- und W ­ irtschaftsthemen. Das Magazin informiert über interessante ­Chancen und Entwicklungen, nützliche Services und zahlreiche Best-Practice-Beispiele. Es ist politisch unabhängig und b ­ ekennt sich zur sozialen Marktwirtschaft und zur Integration in Europa. Im Sinne leichterer Lesbarkeit werden geschlechts­spezifische ­Bezeichnungen meist nur in ihrer männ­lichen Form angeführt. Satz- und Druckfehler ­vorbehalten.

04 business

© Vuk Babović

Impressum/Offenlegung Medieninhaber und Herausgeber: Raiffeisenlandesbank Oberösterreich Aktien­gesellschaft, Europaplatz 1a, A-4020 Linz. ­Aktionäre der Raiffeisenlandesbank ­Ober­österreich ­Aktiengesellschaft sind zu rund 98,92 Prozent die RLB Verbund registrierte G ­ enossenschaft und zu rund 1,08 Prozent die RLB Holding registrierte ­Genossenschaft mit ­beschränkter Haftung OÖ. Nähere Details sind im Internet unter www.rlbooe.at/impressum a ­ brufbar. • Vorstand: Dr. Heinrich Schaller, Mag. Michaela Keplinger-Mitterlehner, Dr. Michael Glaser, Mag. Stefan Sandberger, Mag. Reinhard Schwendtbauer • Konzept und Produktion: PG The C ­ orporate ­Publishing Group GmbH (CPG), Zelinkagasse 6, 1010 Wien, Tel.: +43/1/405 46 40-762, ­s.wagner@cpg.at • Für den Inhalt ­verantwortlich/Chef­redaktion: Wolfgang Aschenwald und Alexandra Stefanov (Corporates), Mag. Thomas Hackl (Konzernmarketing) • Bestellung oder Abbestellung des M ­ agazins: business@rlbooe.at • Beratung: Mag. Stefan Schatz/CPG • Autoren dieser Ausgabe: Mag. Harald Fercher, Luisa ­Graber, Mag. Markus ­Mittermüller, Mag. Robert Prazak, Mag. Stefan Schatz, Mag. Leo Szemeliker • Layout­konzept: CPG • ­Art­direction: ­Gerald Fröhlich/CPG • L ­ ektorat: Mag. Charlotte Babits • Redaktions­ manage­ment: Silvia Wagner/CPG • ­Geschäftsführung CPG: ­Markus Wagner, Tel.: +43/1/405 46 40-768, m.wagner@cpg.at • Druck: Paul Gerin GmbH & CoKG, 2120 Wolkersdorf • Coverbild: Vuk Babović


© Volker Weihbold, www.philipptomsich.com, STIHL Gruppe

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WO KÖPFE  RAUCHEN Die Tabakfabrik in Linz wurde zum Disruptionszentrum: Der traditionsreiche Ort ist aber weit mehr als nur ein Knotenpunkt für Start-ups, sondern soll zum Modell für die Wirtschaftswelt der nahen Zukunft werden. Text: Robert Prazak • Foto: Florian Schürzenbaum | startup300


TABAKFABRIK

Gewandelte Industrie: Aus der Industrie-Brache Tabakfabrik entstand ein kreatives Zentrum für Wirtschaft, Gesellschaft und Innovation.

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Der Innovation Raum geben In der Tabakfabrik ist auch der Innovation Hub der Raiffeisenlandesbank OÖ angesiedelt: Dort soll der Innovation Raum gegeben werden, wie es Leiterin Barbara Wagner ausdrückt – und zwar durchaus auch abseits der Finanzbranche und abseits der üblichen Prozesse. Dabei wird eng mit startup300 zusammengearbeitet, und genau daraus ist bereits ein Innovationsprojekt entstanden, das in eine konkrete Umsetzung mündet: Unter dem Namen Gibble wurde ein Finanztool für Start-ups geschaffen, das im Sommer 2019 als App ausgerollt werden soll. Damit können Finanzdaten der jungen Unternehmen übersichtlich und einfach dar­gestellt werden. „Wir holen uns als Innovation Hub Inputs von außen und beobachten, wie sich Trends entwickeln“, sagt Wagner. Die Tabakfabrik sei dafür der ideale Ort, denn „durch Austausch und Diskus­ sion kann viel entstehen“. Weitere Inno­va­tions­ prozesse sollen nun angestoßen und ein umfassendes Netzwerk geschaffen werden – factory300 und die Raiffeisenlandesbank OÖ haben Mitte März zuBarbara Wagner dem eine Diskussionsreihe namens „Industry Meet­ verantwortet den up“ gestartet, dabei geht es um die Übersetzung von Innovation Hub der Innovationen in konkrete Anwendungsfälle. Raiff­e isenlandesbank OÖ.

Das 300-Netzwerk Eine zentrale Rolle spielt der Start-up-Campus factory300 der startup300 AG, die seit Anfang dieses Jahres an der Börse gelistet ist. Als Erweiterung dieses Campus gibt es seit vorigem November eine Straße der Innovation: Die Strada del Start-up soll Gründern günstige Möglichkeiten bieten, ihre Ideen zu entwickeln und gleich mit potenziellen Partnern und Investoren in Kontakt zu kommen. Im Februar wurde schließlich eine Innovationswerkstatt namens Grand Garage (siehe Seite 14) eröffnet, in der die Ideen vom Papier in die Realität übersetzt werden: Hier können auf Maschinen Prototypen ­hergestellt und Experimente durchgeführt werden, etwa in den Bereichen Robotik, 3D-Druck und Virtual Reality.

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Dolmetscher für die Gesellschaft Nur neue Produkte zu entwickeln oder Silicon-Valley-Abbild zu werden, ist für die Tabakfabrik-Betreiber kein Ziel. Vielmehr schwebt Chris Müller, einst Tischler, Rockband-Betreuer, Bildhauer und heute Multiunternehmer und Tabakfabrik-Direktor, etwas anderes vor: „Wir gelten europaweit als Best-Practice-Beispiel, weil wir kein klassisches Immobilienunternehmen sind, sondern einen kollaborativen Konzern mit einem florierenden Ökosystem aufgebaut haben.“ Die Tabak­fabrik sei zudem eine „Dolmetscherkabine für die Gesellschaft“. ••

© Sonaar, Volker Weihbold, Thomsen Photography

ber Innovation, digitale Transformation und kollaborative Konzepte für die Wirtschaft wird oft gesprochen. An einem architektonisch spektakulären Ort in Linz werden aus den Worten Taten: In der vom geistigen „Bauhaus“-Vater Peter Behrens erbauten Tabakfabrik versammeln sich heute Start-ups, kleine Unternehmen aus der Kreativwirtschaft, Bildungseinrichtungen, Medienagenturen und Kulturprojekte. In der einstigen liebevoll „Tschikbude“ genannten Produktionsstätte rauchen heute die Köpfe. Die Umwandlung liegt in den Händen der Tabakfabrik Linz Entwicklungs- und BetriebsgesmbH, die zur Unternehmensgruppe der Stadt gehört. Derzeit arbeiten hier rund 1.600 Personen auf insgesamt 70.000 Quadratmetern; das Areal wird aber ständig erweitert. Die Vielfalt ist erstaunlich: Von typischen TechnologieStart-ups über Ein-Personen-­Unternehmen aus Bereichen wie Design, Kunst oder Sozialem bis zur Denkwerkstatt „Schule des Ungehorsams“ des Karikaturisten Gerhard Haderer reicht die Palette.


INTERVIEW

„MENSCHEN UND KOMPETENZEN VERNETZEN“ Chris Müller, Direktor der Tabakfabrik, über seine Vision, unpassende Vergleiche und den typisch europäischen Weg. business: Was ist Ihre Vision für die Tabakfabrik? Chris Müller: Die Tabakfabrik soll der erste kollaborative Konzern der Welt werden und ein neues Verständnis für Arbeit schaffen. Es wird mit der Fabrik als Hardware der Raum geschaffen, in dem Individualisten gemeinsam arbeiten können. Kreativität ist schließlich der Rohstoff der Zukunft. business: Wie kann diese Kreativität erzeugt werden? Müller: Man muss Menschen und Kompetenzen an einem Ort zusammenbringen – gerade, wenn sie nicht alle einer Meinung sind. Wir trennen auch nicht zwischen technischen oder künstlerischen Innovationen, das gehört alles zusammen. business: Wieso sollte gerade die Tabakfabrik dafür der richtige Ort sein? Müller: Hier kann das, was besprochen wurde, in die Praxis umgesetzt werden. Die Idee einer einzelnen Person kann bis zur Fertigung gebracht werden und die Produktion kann dann gleich ausgestellt werden. Wir fragen dann auch, was man daraus lernen kann – so schließt sich der Kreis. business: Worauf achten Sie bei den Personen und Unternehmen, die mitmachen wollen? Müller: Man kommt nicht hinein, nur weil man einen Platz braucht. Es ist wichtig, dass man gebraucht wird, das wird genau kuratiert. Es wird gefragt: Was haben die hier angesiedelten Leute von den Neuen? Wir wollen ja kein Monoblock werden, der scheitert, sobald ein bestimmendes Thema nicht länger aktuell ist. business: Gibt es dennoch eine thematische Klammer? Müller: Wichtige Themen sind Bildung, technische Exzellenz und ein philosophischer Überbau – wir wollen auf Metaebene hinterfragen, was geschehen wird. Und die Digitalisierung ist eine Klammer über viele Themen. Außerdem prägt uns das Umfeld in Linz, etwa durch die voestalpine oder andere Industrieunternehmen. business: Was ist Ihre persönliche Motivation für dieses Projekt? Müller: Es eine enorme Chance für Projektentwickler, etwas von null aufzubauen – so etwas kriegt man nie wieder. Es ist dieser immense

Wille da, in der Gegenwart die Zukunft zu schaffen. Da muss man durchaus auch demütig sein. Und motivierend ist für mich außerdem, mit Menschen zusammenzukommen, die einen täglich bereichern und klüger machen. business: Bei Start-ups kommt ständig der Vergleich mit dem Silicon Valley. Was halten Sie davon? Müller: Das ist gar nicht zu vergleichen. Das Silicon Valley hat eine ganz andere Energie und Dichte. Das ist, als würde man den Attersee mit einem Ozean vergleichen – dort schwimmen ganz andere Fische. Wir sollten den Attersee eher mit dem Wörthersee vergleichen. Europa hat aber die Chance, vieles einzubringen: Kultur, Freiheit und auch die Gewissheit, dass das Erreichte abgesichert wird. business: Wo wird die Tabakfabrik in zehn Jahren stehen? Müller: In zehn Jahren soll die Tabakfabrik fertig ausgebaut sein. Wir haben dann aus einem ehemals verbotenen Teil der Stadt einen öffentlichen Raum gemacht. Und dann beginnt das, worum es wirklich geht: die Software so weit zu entwickeln, dass sie als Prototyp für ähnliche Modelle in anderen Ländern Europas gilt und Grundlage für ein starkes Netzwerk ist. ••

QR-Code scannen und mehr über ein Wirtschafts­m odell der Zukunft erfahren.

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GRAND GARAGE

WERKSTATT FÜRS ÜBERMORGEN Die GRAND GARAGE in der Linzer Tabakfabrik als Werkstatt für alle: Mit dem offenen Zugang zu Maschinen wie Schweißgeräten, Lasercuttern und 3D-Druckern ist sie das Dorado für alle, die an Prototypen eigener Erfindungen feilen – und dabei vielleicht den Exportschlager von morgen entwickeln. Text: Luisa Graber

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zwischen professionellem Anspruch und niederschwelligem Zugang ­schaffen. Hochtechnologie wird begreif- und verstehbar gemacht.“ In der Industrie stieß ihr Konzept auf offene Ohren. Fronius International zählte zu den ersten Unterstützern. Andreas Barth, Vertriebsleiter Perfect Welding ­Österreich: „Auch unsere Geschichte hat 1945 in einer Garage begonnen, heute ist Fronius weltweiter Innovations- und Technologieführer. Die Leidenschaft für Technologien, intensive Forschungsarbeit und revolutionäre Lösungen hat uns dorthin gebracht. Es ist uns ein Anliegen, die GRAND GARAGE mit unseren Schweißgeräten zu unterstützen.“ Groß sind die Erwartungen auch in der eww Gruppe, die Internet Connectivity und virtuelle Server bereitstellt. Vorstand Florian Niedersüß: „Die GRAND GARAGE wird die Freude an der Technik weiter stärken und einen Turbo für die Innovationskraft der Region bringen. Wir freuen uns auf den Austausch mit anderen innovativen Köpfen und das Angebot zur Wissensvermittlung. Das wird auch uns helfen, noch mehr neue und spannende Dienstleistungen auf den Markt zu bringen.“ AMS – Additive Manufacturing Solutions greift der GRAND GARAGE mit Expertise im 3D-Druck ­unter die Arme. Florian Grabs, Business-Development-Manager: „Enthusiasten von Unternehmen treffen hier auf technologiebegeisterte Privatpersonen. Wir wollen uns von den Ideen, die hier Wirklichkeit werden, inspirieren lassen.“ Das sollte gelingen. Tatsächlich übertrifft die GRAND GARAGE schon jetzt alle Erwartungen. Private Erfinder kommen ebenso wie Unis und Hochschulen, für Unternehmen gibt es eigene Kooperationspakete. Jetzt wird das Kursangebot für Experten erweitert. Ruth Arrich hatte recht: Die GRAND GARAGE hat in Linz wirklich gefehlt. ••

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© GERHARDGRUBER.COM

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agerraum für Überflüssiges oder Schatzkammer für Ideen, Raum für Experimente und Narrativ für Erfindungsgeist? Die Initiatoren der GRAND GARAGE in der Tabakfabrik Linz hoffen auf Letzteres. Jeder kann hier 3D-Drucker, Lasercutter, CNCFräsmaschinen, Roboter, Maschinen zum Pulverlackieren, Löten und für die Blechbearbeitung, diverse Schweiß- und Elektromessgeräte etc. verwenden und Workshops, zum Beispiel zum 3D-Druck, besuchen. Die Idee zur Innovationswerkstatt stammt von Absolventen und Betreibern des Talenteprogramms CAP. Dieses wurde 2010 von der Future Wings Privatstiftung und Ruth und Werner Arrich ins Leben gerufen, um AHS-Schülern eine Mechatronik-Lehre in der Freizeit zu ermöglichen. Was CAP.-Absolventen aber fehlte, war Zugang zu Maschinen. Ruth ­Arrich: „Ausgerechnet am Mechatronikstandort Oberösterreich fehlte eine offene Werkstätte.“ Eine Beteiligung und Anschubfinanzierung durch Future Wings, den gemeinnützigen Teil der TGW Future Privatstiftung, schuf Abhilfe. Dazu kamen eine FFG-Förderung und Unternehmen, die Maschinen und Knowhow zur Verfügung stellen. Im Februar konnte die GRAND GARAGE als Industrie-4.0-Hub auf insgesamt 4.000 Quadratmetern eröffnet werden. Die Tabakfabrik sorgt für das kreative Umfeld, in der GRAND GARAGE warten hochqualitative State-of-the-Art-Maschinen und qualifizierte Trainer. Die Erwartungen von Christian Szinicz, Leiter von Future Wings: „Hier wird Raum zur Persönlichkeitsentwicklung geschaffen, um jungen Menschen Werkzeuge für ein selbstbestimmtes und verantwortungsvolles Leben in unserer Gemeinschaft zu vermitteln.“ Damit wolle man einen positiven Beitrag zur Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Linz und der Gesellschaft leisten. Tatsächlich definiert sich die GRAND GARAGE nicht als Makerspace, wie sie gerade rund um die Welt in großer Zahl errichtet werden. Ruth Arrich: „Darunter wird teilweise eine Bastelbude verstanden. Wir definieren uns als Innovationswerkstatt für Menschen in der Technologie.“ Es gibt unter anderem Kooperationen mit der Kunstuni Linz, mit Fachhochschulen und einzelnen Instituten der Johannes Kepler Universität. Trotzdem sind auch Anfänger willkommen. Arrich: „Wir wollen den Spagat


Innovation braucht Platz: Die GRAND GARAGE bietet Erfindern Hightech auf 4.000 Quadratmetern.

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BERATUNG, ­ BEGEGNUNG, BEZIEHUNG

Die Digitalisierung revolutioniert die Arbeitswelt – speziell jene der Banken. Wie persönliche Beziehungen dabei nicht auf der Strecke bleiben, zeigen die Leuchtturmprojekte „haus salzkammergut“ und „DAS RAIQA“. Text: Markus Mittermüller • Illustration: Vuk Babović



DIE BANKFILIALE DER ZUKUNFT

„WIR SOLLTEN DEN

COMMUNITY-GEDANKEN IN ZUKUNFT STÄRKER BETONEN.“

Haus der Begegnung Zwei Leuchtturmprojekte der Raiffeisenbankengruppe zeigen, dass es auch einen anderen Weg gibt. „Wir sind ein Haus der Begegnung, zu uns kommen die Menschen aus der Region“, sagt Klaus Ahammer, Vorstand der Raiffeisenbank Salzkammergut, über das „haus salzkammergut“. Und Johannes Ortner, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank Tirol, definiert mit dem geplanten Quartier „DAS RAIQA“ in Innsbruck die Arbeitswelt der Zukunft neu – und damit auch die Rolle der Banken: „Das tragende Momentum, das sich durch das gesamte Quartier ziehen wird, heißt Beratung, Begegnung und Beziehung.“ Werte vor Design Das sind klare Kontrapunkte zur digitalen Welt. Dennoch bleiben die modernen Entwicklungen bei diesen Projekten nicht außen vor – ganz im Gegenteil. Die Ursprünge des „haus salzkammergut“ gehen in das Jahr 2008 zurück. „Warum gibt es so viele Raiffeisenbanken, die in gleichen Märkten arbeiten?“, war eine der Fragen, die sich Ahammer,

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Mitarbeiter und Eigentümervertreter gestellt haben. Die Fusion von Traunsee West und Salzkammergut Nord zur Raiffeisenbank Salzkammergut war der erste Schritt zur Neudefinition. „Wir wollten nicht vier Wände bauen und dann erst fragen: Was machen wir dort besser für unsere Kunden? Wir haben zuerst unsere Werte und Philosophie definiert und darauf aufbauend das Design“, erklärt Klaus Ahammer. Das Ergebnis dieser Überlegungen steht nun am Klosterplatz in Gmunden und verbindet zwei Bauwerke: das ehemalige, denkmalgeschützte Forstamt und einen modernen Neubau. „Entstanden ist ein Kompetenzzentrum, in dem auch eine Bank untergebracht ist“, weist Ahammer auf die erste Besonderheit hin. Insgesamt 17 Unternehmen teilen sich das Haus: Neben der Raiffeisenbank Salzkammergut sind auch die Real Treuhand, die Oberösterreichische Versicherung, ein Restaurant oder auch der „cowerk innovationscampus“ hier untergebracht. „Wir wollen jungen Unternehmen einen Nährboden bieten“, sagt Ahammer über die „Cowerker“, die hier ihre Ideen entwickeln. Diese profitieren nicht nur vom Austausch untereinander, sondern auch vom breit gefächerten Partnernetzwerk der Raiffeisenbank. Offene Kommunikation Einzelbüros, fixe Arbeitsplätze und große Vorstandsbüros haben in der Arbeitswelt der Zukunft ausgedient. Gearbeitet wird flexibel im gesamten Haus, die Kommunikationswege sind offen. Das viele Glas zeigt diese neue Form der Transparenz. Neu ist auch die Art, wie Mitarbeiter der Raiffeisenbank Salzkammergut untereinander und mit Kunden umgehen. In einem eigenen Prozess haben sie Regeln festgelegt: Wie wird etwa Freundlichkeit definiert? Wie lauten die eigenen Qualitätsstandards? Angebote wie ein Fitnessraum, Yoga während der Arbeitszeit und ein hauseigenes Café haben wesentlich zum kulturellen Wechsel im Umgang miteinander geführt.

© Gerd Kressl

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ie sich die Bank der Zukunft entwickelt, scheint schon jetzt klar zu sein. Filialen werden in dieser Anzahl nicht mehr gebraucht und geschlossen, das Geldgeschäft verlagert sich immer mehr in den virtuellen Raum. Manche Nischenbanken ziehen sich überhaupt ins Internet zurück und verzichten auf persönliche Beratung. Die Bankenkrise von 2008 wie auch die Digitalisierung sind zwei Ursachen, die diese Entwicklung noch befeuert haben. „Banking wird gebraucht, Banken nicht“, hat MicrosoftGründer Bill Gates schon 1998, am Höhepunkt der ersten InternetEuphorie, proklamiert. Werden die Banken künftig völlig von der Landkarte verschwinden? Und damit auch die persönliche Betreuung und der direkte Kundenkontakt?


Das „haus salzkammergut“ beherbergt eine Bankfiliale der anderen Art: keine Logos, keine Schalterhalle, dafür viele Orte der Begegnung mit Kunden und Unternehmern.

Bewusst reduzierte Logos Und wie reagieren die rund 5.000 Kunden der Bankstelle Gmunden darauf? „Sie waren zuerst überrascht, dass wir uns als Bank kein abgehobenes Bankgebäude gebaut haben“, sagt Ahammer. Und ergänzt: „Aber das war ein bewusster Schritt. Wir haben auch darauf verzichtet, außen große Logos von uns anzubringen. Wir sehen uns als Dienstleister.“ Eine Präzisierung, die von den Kunden durchaus geschätzt wird. Eine leere „Schalterhalle“ gibt es in Gmunden nicht mehr. Ein Ansprechpartner ist immer da, gearbeitet wird nach einem neuen Rotationsprinzip mit modernen IT-Systemen. Im Jahr 2022 – hier ist die Eröffnung geplant – wird sich in Innsbruck zeigen, wie dort der Weg von einer Bank der alten Schule hin zu einem Ort der Begegnung gelungen ist. „DAS RAIQA“ beherbergt nicht nur eine Bank, sondern ist zugleich Hotel, Kunstraum sowie Marktplatz inklusive Gastronomie und Geschäften. „Fasziniert hat uns die Kombination mit einem Hotel deshalb, weil es in der Regel vorwiegend nachts bewirtschaftet wird, eine Bank dagegen untertags. Uns ist dann aufgefallen, dass es unzählige Synergien gibt, die ein solches hybrides Gebäude bieten kann“, erinnert sich Ortner an die ursprünglichen Überlegungen. Die komplette Neuentwicklung und -gestaltung der Fläche an der Innsbrucker Adamgasse und im Bereich der „Raiffeisen-Passage“ wurde durch die alte Bausubstanz notwendig. Denn der gesamte Gebäudekomplex in seiner jetzt sichtbaren Fassade ist bereits über 50 Jahre alt. Campus-Community Ein Effekt der neuen Gestaltung wird sein, dass bisher bekannte Übergänge zwischen privater und beruflicher Sphäre im Quartier fließend werden und sich auflösen. Dazu meint Ortner: „Wenn man sich die

­ rbeits­welten der großen Internetgiganten ansieht, dann fällt auf, dass A sie diese fast durchwegs als Campus bezeichnen. Der CommunityGedanke steht dabei im Vordergrund. Ich glaube, dass wir den Campusgedanken zukünftig stärker betonen und dem menschlichen Bedürfnis nach Begegnung entgegenkommen sollten.“ Damit ist klar, dass die Raiffeisenbank – im Gegensatz zu einigen Branchenkollegen – ihr Heil nicht ausschließlich in der Digitalisierung und im Transaktionsbanking sieht. „Wer sollte die Nähe zum Kunden besser ausspielen können als wir bei Raiffeisen?“, stellt Ortner fest. Es wäre daher widersinnig, diese USP wegen der Digitalisierung über Bord zu werfen. Belebung innen und außen Nicht nur das Innere, auch die Umgebung soll durch das neue Quartier belebt werden. Als Tor zum historischen Stadtkern von Innsbruck passieren schon jetzt täglich rund zehntausend Pendler und Gäste diesen in die Jahre gekommenen Teil der Landeshauptstadt vom und zum Innsbrucker Hauptbahnhof. Nicht nur der Businessgast, auch die Durchreisenden werden von der neuartigen Synergie von Bank und Hotel mit 140 Zimmern profitieren. „Wir haben außerdem ein RooftopRestaurant mit Bar geplant, wo man sich am Abend treffen kann“, sagt der Vorstandsvorsitzende. ••

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NEUBAU

NEUER KRAFTPLATZ Die Raiffeisenlandesbank OÖ baut neu: Die neue Zentrale der Bank ­entsteht gleich neben der alten. Das architektonische Schmuckstück wertet den ganzen Stadtteil nahe des Südbahnhofmarkt auf.

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as rund 45 Jahre alte Stammhaus der Raiffeisenlandesbank OÖ am ­Linzer Europaplatz/Südbahnhofmarkt entspricht nicht mehr den Anforderungen der modernen Arbeitswelt. Eine komplette Sanierung lohnt aus baulicher Sicht nicht. Also wird gleich nebenan neu gebaut – am derzeitigen Standort des XXXLutz. Jetzt wurde aus einem internationalen ­Architekturwettbewerb das Siegerprojekt ausgewählt:

„Wir haben uns für ein Projekt entschieden, in dessen Mittelpunkt neben einer zukunftsweisenden Konzeption flexibler und moderner Arbeitswelten vor allem auch die gesamtheitliche ­Aufwertung und Attraktivierung des umliegenden Stadtteils liegt.“ So die Worte von Raiffeisenlandesbank-OÖ-Generaldirektor Heinrich Schaller. Wann mit dem Bau gestartet werden kann, sei von den Bewilligungen der zuständigen Behörden abhängig. „Als groben Zeitplan haben wir als Fertigstellungszeitpunkt das Jahr 2025 geplant“, erklärt Schaller. Integrierte Gastronomie und Geschäfte Das Siegerprojekt punktet mit spezieller Element-Glasfassade, bietet Platz für ein repräsentatives Foyer, großzügige Kundenbegegnungszonen, einen Veranstaltungsund Konferenzbereich sowie Arbeitsplätze für rund 1.000 Mitarbeiter der Raiffeisenlandesbank OÖ. Kernpunkt des Konzeptes ist ein im Erdgeschoss integriertes Gastro­nomie- und Geschäftsangebot, das auch der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Bei der Planung war die infrastrukturelle Aufwertung des Gesamtstandortes ein wichtiges Anliegen, es werden auch Grünflächen, Spielplatz- und Parkanlagen errichtet und die Verkehrssituation verbessert. Das jetzige Stammhaus soll erhalten bleiben und mit neuen Nutzungsideen in die Zukunft geführt werden. ••

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Aufwertung. Bei der Planung war die infrastrukturelle Aufwertung des Gesamtstandortes ein wichtiges ­A nliegen, es werden Grünflächen, Spielplatz- und Parkanlagen errichtet und die Verkehrssituation verbessert.


Neue Arbeitswelten. Für rund 1.000 Mitarbeiter der Raiffeisenlandesbank OÖ werden Arbeitsplätze, ­B egegnungszonen und ­R ückzugsbereiche geschaffen.


D  IRNDL  DIGITAL Das Oberösterreichische Heimatwerk kümmert sich um die Vermarktung traditioneller Handwerkskunst. Und setzt dabei auf hochmoderne Werkzeuge. Text: Stefan Schatz • Foto: Volker Weihbold


Tradition per Mausklick: Der Dirndl-Konfigurator des OĂ– Heimatwerks entwickelt sich zum Online-Renner.


HEIMATWERK 2.0

Seit über 70 Jahren kümmert sich das Oberösterreichische Heimatwerk um die Vermarktung traditioneller Handwerkskunst aus der Region. Und nutzt dafür seit Kurzem die ­Werkzeuge des digitalen Zeitalters – mit großem Erfolg.

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radition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.“ Ein gern zitiertes Bonmot, das Gustav Mahler ebenso zugeschrieben wird wie einem Abgeordneten der Dritten Französischen Republik und griechischen Philosophen. Der Inhalt selbst ist freilich unumstritten: In der globalisierten Welt machen sich Volksgruppen und Gesellschaften auf die Suche nach ihren Wurzeln. In den USA etwa boomt die Homesteading-Bewegung nach Erste-Siedler-Vorbild, die Briten bejubeln die seit 1612 abgehaltenen Cotswold Olimpick Games, ganz Italien forscht nach der Urpizza. In Nord- und Mitteleuropa entwickelte sich schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Idee, gestaltendes Handwerk, Tracht, Volksmusik und Bräuche an die nächste Generation weiterzugeben. Die Heimatwerke entstanden, die sich als Qualitätshüter um regionale Besonderheiten wie den als UNESCO-Welterbe geschützten Mühlviertler Blaudruck kümmern. Und damit heute mehr denn je den Geschmack der Jugend treffen. Auch in Oberösterreich. Das dortige Heimatwerk zeigt gerade, wie man altes Wissen mit modernsten technischen Mitteln vermarktet. Etwa mit dem Dirndl-Konfigurator im Internet, der dabei hilft, per Maus und Tastatur aus Grundmodellen, Nähpaketen und fast 200 Stoffen das individuelle Lieblingsdirndl zu konfigurieren. Ein Service, der selbst etablierte Online-Moderiesen alt aussehen lässt. Grund genug, mit den Machern des Oberösterreichischen Heimatwerks über die Hintergründe der Onlineoffensive zu sprechen. business: Beim Oberösterreichischen Heimatwerk denkt man zuerst an das traditionelle Geschäft in der Linzer Landstraße. Wann haben Sie sich für einen Onlineshop entschieden? Ervin Sebestyen: Die Idee dazu entstand 2015. Uns war wichtig, auch digital sichtbar zu machen, was uns von den großen Online-Modeshops unterscheidet, wofür das Heimatwerk steht und welche Vielfalt wir bieten. Zudem sollte es einen Konnex zu unserem Ladengeschäft geben. So kamen wir zum Dirndl-Konfigurator und zur Darstellung der Stoff­ vielfalt. Im Herbst 2018 haben wir das Projekt abgeschlossen. business: Wird der Onlineauftritt angenommen? Mike Jaeschke: Ja, weil wir nichts dem Zufall überlassen. Es gibt auch einen Facebook-Auftritt und Blogs von uns. Es kommen viele Bestellungen über den Webshop, sogar aus dem Ausland. Der Dirndl-Konfigurator ist bewusst mit spielerischen Elementen ausgestattet, um Appetit auf den Geschäftsbesuch zu machen. Unsere Erfahrung zeigt: Das gelingt. Der Onlineshop ist nicht nur ein zusätzlicher Vertriebskanal, sondern auch Besuchsanreiz für das Geschäft.

Dialekt-Quiz (Begriffe aus Oberösterreich) Schreamsn: Kurve (über d’Schreamsn ummi = durch die Kurve) Märzenkäubel: e ine Verkühlung im Frühling („Den hot des Märzenkäubel dawischt“ = er zog sich eine Frühlingsverkühlung zu) Drawig: eilig („I hob’s drawig“ = ich bin in Eile)

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DIE CUSTOMER JOURNEY MUSS BIS ZUM ENDE, ALSO BIS ZUM AUSPACKEN, PASSEN. business: Wie aufwendig war die Umsetzung? Sebestyen: Von der Logistik über die Lagerhaltung bis zur Buchhaltung müssen überall Schnittstellen geschaffen werden. Man muss achten, dass die Customer Journey angenehm ist, aber die Abläufe für uns ohne großen Mehraufwand bewältigbar bleiben. Man muss aufpassen, nicht etwas in Gang zu bringen, was man gar nicht wollte. Auch Lagerflächen, Logistikwege und Verpackungsmaterial sind wichtig. Die Customer Journey muss bis zum Ende, also bis zum Auspacken des Pakets, ein Erlebnis sein. Details wie ein schönes Seidenpapier sind wichtig. business: Gibt es Feedback von Lieferanten und Mitarbeitern? Maria Huber: Die Lieferanten sehen den Onlineshop positiv und erhoffen sich zusätzliches Geschäft. Sie finden es gut, dass wir modern sind. business: Wie kamen Sie auf die Idee zum Dirndl-Konfigurator? Sebestyen: Das sinnliche Erlebnis beim Kauf einer Tracht ist wichtig: das Tasten, Riechen und Sehen. Trotzdem wollen viele Kundinnen ein Dirndl vor dem Kauf noch ihrem Partner zeigen oder es sich selbst nochmals überlegen. Wir wollten aus dieser Beratungszeit etwas transformieren, aufs Sofa nach Hause bringen. Weil ja auch dort Wünsche entstehen.


HEIMATWERK 2.0

Brauchtumskalender 2019

Oberösterreichische Traditionen im Jahresablauf 01 Jänner Neujahrsschnalzen:

Rhythmisches Schnalzen mit einer langen P­ eitsche. Typisch zu Neujahr oder am Dreikönigstag.

02 Februar Glanglmarkt:

Der Glanglmarkt auf der Welser Messe findet ­j ährlich am 2. Februar statt und ist Oberösterreichs größter Kleintiermarkt.

03 März Rudenkirtag:

Im Raum Sierning zeigen kleine Tänzergruppen am Faschingsdienstag den Traunviertler Volkstanz und verpacken aktuelle Ereignisse in Gstanzln.

04 April Georgiritt:

Am 24. April wird dem Hl. Georg gedacht. Nach Reiter- und Pferdesegnung werden Reitturniere mit verschiedenen Bewerben ausgetragen.

Die Crew vom Oberösterreichischen ­H eimatwerk: Filialleiterin Maria Huber mit den Geschäftsführern Mike Jaeschke (l.) und Ervin Sebestyen (r.) im Interview.

05 Mai Färbermarkt:

Am Gutauer Marktplatz halten am ersten Sonntag im Mai Leinenweber, Färber und Kunsthandwerker aus dem In- und Ausland einen Markt ab.

06 Juni Seeprozession:

business: Erreichen Sie auch jüngere Zielgruppen? Huber: Durch Social Media knüpfen wir Kontakte zu den Jungen und machen sie neugierig auf einen Besuch bei uns im Geschäft. Sebestyen: Wir suchen auch mit anderen Mitteln Kontakt. Wir sind etwa gemeinsam mit Designern wie Juergen Christian Hörl in Modeschulen gegangen und haben einen Designwettbewerb ausgerufen. Wir haben den Jungen gezeigt, dass Tracht nicht automatisch immer nur Dirndl heißt. business: Wie sehen Sie die Zukunft des Oberösterreichischen Heimatwerks? Jaeschke: Wir werden uns sehr stark weiterentwickeln. Ein erster Schritt ist, dass wir mit Influencern zusammenarbeiten wollen. Da­rüber hinaus haben wir unseren Onlineshop um einen Marktplatz für oberösterreichische Kunsthandwerker erweitert. Das Interesse ist sehr groß, wir bekommen viele Anfragen. Zudem planen wir einen gemeinsamen Showroom mit dem OÖ Tourismus, in dem wir unsere Produkte gemeinsam etwa mit traditionellen Köstlichkeiten präsentieren wollen. Im Frühling stellen wir auch den neuen Oberösterreicher-Anzug vor, der etwas flotter und figurbetonter wird. Das Oberösterreichische Heimatwerk insgesamt wird sich also weiterentwickeln, weil sich ja auch das, wo das Heimatwerk herkommt, verändert hat. Wir haben ein klares Zielbild, was Innovation betrifft. ••

Die traditionellen Fronleichnam-Prozessionen f­ inden in Hallstatt in mitunter prächtig g­ eschmückten Booten auf dem Wasser statt.

07 Juli Echoblasen:

In Grünau am Almsee entlockt ein Bläserquartett jeden Mittwoch im Juli den Felswänden mit seinen Melodien ein deutlich hörbares Echo.

08 August Frauendreißiger:

Am 15. August werden in vielen Kirchen besondere „Kräuterweihen“ durchgeführt, die Kräuter sollen dadurch besondere Kraft bekommen.

09 September Schafmusterung:

Wenn die Schafe von den Sommerweiden geholt werden, sorgt in Bad Goisern ein „Ausschreier“ dafür, dass Bauern verirrte Tiere wiederfinden.

10 Oktober Ruamleichtn:

In der Nacht vom 31. Oktober auf 1. November ­z iehen Kinder mit aus Runkelrüben gebastelten Laternen durch die Straßen von Ebensee.

11 November Kathreinstanz:

Am 25. November, an dem letzten Tag vor der vorweihnachtlichen Fastenzeit, laden Volkstanzgruppen und Heimatvereine zum „Kathreinstanz“.

12 Dezember Niglofrau:

In der Nacht auf 6. Dezember tritt bei Nikoloum­z ügen in manchen Gemeinden eine in Weiß gekleidete Niglofrau auf, die Gaben an Kinder verteilt.

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DMUSS   IEZUMSÄGE BAUM … 1926 gegründet, gehört die STIHL Gruppe, Weltmarktführer bei Motorsägen, zu den Aushängeschildern der Maschinenbauindustrie in der Region Stuttgart. Eine Region, die von der Wirtschaftskrise 2008/09 ärger beeinträchtigt wurde als jede andere Großstadtregion in Deutschland. Eine Region, die nach der Krise so etwas wie ein zweites „Wirtschaftswunder“ erlebte. Text: Harald Fercher • Foto: STIHL Gruppe


Schöne Geschichte: Die STIHL-Zentrale ­b eherbergt zukünftig auch eine Markenwelt mit Museum.


WACHSTUMSREGION

„DIE REGION STUTTGART IST EIN ORT DER TÜFTLER UND DER DENKER.“

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inus neun Prozent – die Auswirkungen der weltweiten ­Finanz- und Wirtschaftskrise (2008/2009) trafen die Region Stuttgart härter als alle anderen Großstadtregionen Deutschlands. Binnen zwölf Monaten schrumpfte das BIP in der Region um fast ein Zehntel. Umso erstaunlicher ist der Aufschwung, den die Region in den Jahren nach der Krise für sich verbuchen konnte. Zwischen 2009 und 2015 wuchs das BIP im Schnitt um 5,5 Prozent und damit deutlich stärker als in jeder anderen Großstadtregion Deutschlands. Das liegt nicht nur an der niedrigeren Ausgangsbasis, wie eine Studie der Industrie und Handelskammer (IHK) Stuttgart zur Standortattraktivität zeigt. „... bleibt die Wirtschaftsentwicklung in der Region auch bei der Betrachtung über eine längere Zeitspanne kräftig: Zwischen 2000 und 2015 (...) fällt das Wachstum in der R ­ egion Stuttgart mit 2,8 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich aus“, heißt es in der Studie. Woran das liegt? Nicht zuletzt auch an der Innovationskraft der Unternehmen in der Region. „Innovationen und deren Umsetzung in Produkte und Dienstleistungen gehören zum Image der Region Stuttgart als einem Ort der Tüftler und Denker. Das scheinen die hiesigen Unternehmen und ihr qualifiziertes Personal im Blut zu haben“, heißt es in der Studie. Mit einem Anteil von 6,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (2015) lagen die Aufwendungen für Forschung & Entwicklung deutlich höher als die der nächstbesten Regionen (Nürnberg 3,5 Prozent, München 3,3 Prozent). Mit 317 im Bereich F&E tätigen Personen je 10.000 Beschäftigten hält die Region Stuttgart den deutschlandweiten Rekord, gefolgt von München mit 220 Beschäftigten.

Gewerbes doppelt so schnell wie die Gesamterlöse, heißt es von der IHK. 2017 stammten 68 Prozent der regionalen Industrieumsätze aus dem Ausland, 2008 waren es erst 55 Prozent. Die Region zählt damit zu den exportstärksten Großstadtregionen Deutschlands. Die Automobilindustrie allein ist aber nicht für das „Wirtschaftswunder“ der Region zuständig. Im Gegenteil: 2017 musste die Warengruppe „Kraftwagen und Kraftwagenteile“ das zweite Jahr in Folge ­einen Rückgang verzeichnen. „Die heimische Exportindustrie profitierte jedoch stark von der insgesamt gestiegenen Nachfrage nach ,Maschinen‘, der zweitwichtigsten ­Gütergruppe“, so die IHK-Publikation „Exporte und Auslandsinvestitionen“.

90 Prozent Auslandsumsatz Zu eben diesen Treibern in puncto Export zählt das Maschinenbauunternehmen STIHL. 2018 erzielte die die STIHL Gruppe einen Umsatz von rund 3,8 Milli­ arden Euro. Davon wurden 90 Prozent im Ausland ­erwirtschaftet. Das in Waiblingen beheimatete UnterEine Region in Bewegung Dr. Bertram Kandziora nehmen ist seit 1971 Weltmarktführer bei Motor­ Angetrieben wird die Region von den Automotive InVorstandsvorsitzender bei sägen. Entwickelt, gefertigt und vertrieben werden dustries, fast 45 Prozent des gesamten IndustrieumSTIHL, dem Weltmarktführer auch andere motorbetriebene Geräte für die Forstsatzes kommen aus der Kfz-Branche. Hier haben die für Motorsägen. und Landwirtschaft, die Landschaftspflege, die BauEntwicklungszentren von Daimler und Porsche ebenwirtschaft und Privatanwender. Die Geschichte will so ihren Sitz wie jene des Unternehmensbereiches es, dass der studierte Maschinenbauer Andreas Stihl, Gründer des Kraftfahrzeugtechnik der Robert Bosch GmbH. Dazu kommen zahl­ Unternehmens, erst auf Umwegen zur Motorsäge fand. 1926 eröffnete reiche Zulieferfirmen, darunter Töchter der Weltmarktführer und mehr er das „A. Stihl Ingenieurbüro“ in Stuttgart. Zunächst wurden Vor­ als 400 hochinnovative kleine und mittlere Zuliefererbetriebe, die zufeuerungen für Dampfkessel als Umsatzträger produziert, später auch mindest teilweise für die Automobilindustrie arbeiten. Waschmaschinen. Doch Stihl war schon damals von Motorsägen beDie Bedeutung der Automobilindustrie mag – zumindest zum Teil – geistert und konstruierte eine Zwei-Mann-Elektrosäge mit vier PS. den extrem hohen Exportanteil der Industrie erklären. Zwischen 2008 1929 folgte die erste Benzinmotorsäge: die Zwei-Mann-Benzinmotorund 2017 stiegen die Auslandserlöse des regionalen verarbeitenden

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URBAN AIR MOBILITY

© ANDREAS STIHL AG & Co. KG, Waiblingen, Frank Blümler, Frankfurt, Kärcher

CO 2 -neutral, stilbildend und bestes ­A rbeitsklima: die neue Kärcher-Zentrale in Winnenden, nahe Stuttgart.

ger Zeit die Möglichkeit, Betriebs- und Wartungszustände, Ladezyklen säge Typ A. Das Gerät war der erste Exportschlager des Unternehund Einsatzorte seiner Geräte jederzeit und von jedem beliebigen Ort mens: Erstmals konnte eine Motorsäge direkt zum Baum getragen auf der Welt einzusehen. Wenn notwendig, kann sich ein Servicetechniwerden – für die damalige Waldarbeit eine Revolution. Für Stihl war ker via Remote-Verbindung auf die Maschine schalten, Probleme anader Fortschritt auch Konstruktions-Credo: „Die Säge muss zum Baum lysieren und – sofern möglich – online beheben. Kärcher Fleet nennt sich und nicht der Baum zur Säge.“ Schon als er nach seinem Studium die Flottenmanagement-Lösung, die im heurigen Jahr weiter ausge­ erste Erfahrung als Sachverständiger für Dampfmaschinen in Sägebaut wird und so wunderbar den schwäbischen Erfindungsgeist illus­ werken sammelte, konnte er beobachten, wie die Baumstämme mühtriert. „Wir werden 2019 die weltweit erste digitale Plattform vorsam zu stationär montierten Sägen transportiert werden mussstellen, die Reinigung nach Bedarf ermöglicht“, kündigte ten. Seit damals arbeitete er an einer Lösung. Hartmut Jenner, Vorsitzender des Vorstands, bei der PräDie Idee, Säge und Geräte zu verbessern und damit die sentation des Geschäftsergebnisses 2018 an. Auch bei Arbeit zu erleichtern, regiert auch heute noch die STIHL Kärcher setzt man auf Digitalisierung und die EntwickGruppe. „Aus Sicht von Dr. Bertram Kandziora, dem lung neuer Produkte – allein im Jahr 2018 waren es Vorstandsvorsitzenden der Stihl AG, ist die Digitali­ 100. Innovationskraft, die vom Markt angenommen sierung sicher eines der wichtigsten Themen der wird. 2018 konnte das Unternehmen seinen Umsatz nächsten Jahre. Das oberste Ziel dabei ist es, den auf ein Rekordniveau von 2,525 Milliarden Euro steiKundennutzen zu erhöhen“, gibt der Geschäftsbegern. Ursprünglich beschäftigte sich das Familienunricht 2017 einen klaren Hinweis, wo man Potenziale ternehmen zwar mit der Produktion von Salzbadöfen sieht. Unter dem Titel „STIHL Connected“ läuft eine zum energiesparenden Härten und Veredeln von ganze Reihe von Entwicklungsprojekten mit dem Hartmut Jenner Leichtmetallen, 1950 entdeckte man dann die Welt Ziel, die Anwenderfreundlichkeit der Produkte mit­ Vorstandsvorsitzender bei der Hochdruckreiniger für sich. Und hantelte sich hilfe smarter Funktionen zu verbessern – indem etwa Kärcher, dem Weltmarktführer damit in eine globale Führungsposition. Genauso wie Informationen über Nutzungsdauer und Energiefür Reinigungstechnik. Stuttgart und Umgebung eben. •• Verbrauch abgerufen werden können. Weiteres Potenzial sieht Tim Gegg, Leiter Digitalisierung bei STIHL, in Bereichen wie Flottenmanagement, Diebstahlschutz und Optimierung der Wartungsintervalle. Im Mittelpunkt steht die Frage: „Welche Lösung schafft den optimalen Mehrwert?“ Digitalisierung als Chance Einen ähnlich innovativen Weg beschreitet auch Kärcher. Der 1935 gegründete Weltmarktführer für Reinigungstechnik bietet schon seit eini-

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DIGITALE VERSICHERUNGSLÖSUNGEN

„INTELLIGENTES SCHADENMANAGEMENT FUNKTIONIERT AUF KNOPFDRUCK.“ Wie RVM Versicherungsmakler mit digitalen Lösungen das Schadenmanagement vereinfachen. Was vor allem Kunden wie die WAG freut.

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anche Begründungen sind ganz einfach. „Wir wollten unseren Kunden keine vorgefertigte Standardlösung in die Hand geben, die sie möglicherweise zwingt, ihre internen Geschäftsprozesse zu verändern“, sagt Günther Grössmann, Geschäftsführer der RVM Versicherungsmakler. „Wir legen Wert auf Individualität, und diese Individualität wollen wir uns erhalten.“ Aus diesem Grund hat die RVM gemeinsam mit einem Softwarepartner im Laufe der vergangenen 15 Jahre ein eigenes System für das digitale Schadenmanagement entwickelt, das derzeit bei 40 bis 50 Großkunden zum Einsatz kommt.

Günther Grössmann, Geschäftsführer der RVM Versicherungsmakler: „App statt Aktenbergen.“

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Gerald Aichhorn, Geschäftsführer WAG: Der Wohnbauriese nutzt iClaim bereits seit 2017.

iClaim statt viel Papier „Das System ist stetig gewachsen und wurde immer wieder an Kundenbedürfnisse angepasst“, erklärt Grössmann. Eingesetzt wird es vor allem für die Abwicklung von Massenschäden, also Schäden, die immer wieder vorkommen und stets nach dem gleichen Muster ablaufen. „Meist sind es kleinere Schäden, doch der Administrationsaufwand für die Abwicklung ist der gleiche wie bei einem großen Schaden.“ Früher kam massenweise Papier zum Einsatz, wurden Formulare hin- und hergeschickt – ein Prozess, der dann durch die E-Mail abgelöst wurde. Doch auch das funktionierte eher unstrukturiert. „Deshalb haben wir uns schon sehr früh Gedanken darüber gemacht, wie wir das Ganze vereinfachen können“, erzählt Grössmann. Herausgekommen ist iClaim – eine eigenentwickelte IT-Lösung für das Schadenmanagement, die von der RVM bei Hausverwaltungen bzw. im Transportwesen eingesetzt wird. Einfach automatisch Dort, wo früher Formulare und E-Mails kreisten und im schlimmsten Fall gleich mehrfach hin- und herwanderten, weil irgendeine Infor­ mation fehlte, vereinfacht heute die iClaim-Lösung den Prozess. „Der Kunde gibt seinen Schadenfall ein, der Fall wird automatisch der entsprechenden Polizze zugeordnet, wir prüfen den Fall und geben ihn frei. Der Schadenfall wird vollautomatisiert an die Versicherung weitergereicht“, erläutert Grössmann den Charme der digitalen Lösung. Das ist aber noch nicht alles. Die Applikation ersetzt auch Aktenberge, die früher ganze Schränke bei den beteiligten Partnern füllten. „In Zeiten der Papierlösung gab es im schlimmsten Fall drei Akte. Einen beim

© Michael Strobl, Monika Aigner, Mego-studio – stock.adobe.com

Text: Harald Fercher


Kunden, einen bei uns und einen bei der Versicherung. Heute ist alles zentral hinterlegt und der Kunde kann jederzeit Einblick in seinen Akt nehmen. Weil auch die dazugehörige Polizze bzw. der Vertrag digital verfügbar sind.“ Sämtliche Daten wie Versicherungssumme, Prämie und Objektdaten sind im System gespeichert und k ­ önnen rund um die Uhr online abgerufen werden. Zusätzlich können die Kunden auch Auswertungen vornehmen, um etwa festzustellen, welche Schäden besonders häufig aufgetreten sind. Transparenz spart Zeit Eingesetzt wird die Lösung unter anderem bei der in Linz ansässigen Wohnungsanlagen GES.M.B.H. (WAG). Die WAG verwaltet aktuell 28.000 Wohnungen in fünf Bundesländern. „Im Schnitt fallen in der Sparte Gebäudeversicherung pro Jahr an die 3.000 Schadenfälle an“, erzählt Christian Neidl, Manager für Gebäudeverwaltung und Kundenbetreuung. „Wir setzen die Lösung bereits seit Mitte 2017 ein. Der Vorteil liegt darin, dass eine Mitarbeiterin zentral alles abwickeln und jederzeit nachsehen kann sowie über den Stand der Bearbeitung Bescheid weiß. Das System schafft weitestgehende Transparenz“, erklärt Neidl. Vor Einsatz der zentralen Lösung hat die WAG Schaden­fälle individuell mit den Versicherungen abgewickelt, was einen relativ hohen Zeit­aufwand mit sich brachte. „Die iClaim-Lösung ist bei manchen Kunden auch in das hauseigene System integriert, sodass keine eigene Maske aufgerufen werden muss“, erklärt Grössmann. Prinzipiell funktioniert die digitale Lösung für das Schadenmanagement übers Internet, wo sich der Kunde in einem eigenen Bereich einloggt, die wichtigsten Daten zu einem Scha-

DER SCHADENFALL WIRD VOLLAUTOMATISIERT AN DIE VERSICHERUNG GELEITET. RVM-CHEF GÜNTHER GRÖSSMANN ÜBER SEINE ICLAIM-APP

den eingibt und, wenn vorhanden, auch gleich die Rechnung als Scan anhängt. Polizzennummer und andere Informationen wie Kontonummer des Kunden sind bereits hinterlegt und müssen von der Versi­ cherung nicht mehr eigens nachgefragt werden. „Das Procedere ist ­deutlich schneller und effizienter als alle früheren Lösungen“, sagt Grössmann. „Das Anlegen eines Schadenfalls dauert in der Regel eine Minute. Die Bearbeitungszeit bei uns hat sich dadurch ebenfalls deutlich verkürzt.“ ••

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BANKING IM WANDEL

DIE MÖGLICHMACHER Vom Finanzinstitut zum Lebensbegleiter: Die Rolle der Banken verändert sich drastisch. Die Raiffeisenlandesbank OÖ setzt auf Netzwerke, Transparenz und neue Services, um schon heute die richtigen Werkzeuge für die Kunden von morgen zu finden.

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ung, wachstumsstark, technologieaffin und disruptiv: Es sind genau diese vier Eigenschaften, die das Start-up von heute vom Jungunternehmen von gestern unterscheiden – und sie bei längst etablierten Konzernen begehrt machen. Bei sogenannten Hackathons trifft man aufeinander. „Das sind meist zwei- bis dreitägige Veranstaltungen“, erklärt Claudia Fantner, Head of Sales & Customer Relationship Management Corporates bei der Raiffeisenlandesbank OÖ. „Dabei arbeiten individuell zusammengestellte Teams aus Start-ups, Experten, Unternehmensmitarbeitern, Studenten und IT-Fachkräften an vorab definierten Problemstellungen eines Unternehmens.“ Zum Abschluss werden die Lösungen vor einer Jury präsentiert und bewertet. Eine äußerst schlagkräftige Strategie, wie der Ende April abgehaltene Connected Mobility Business Hackathon ­beweist, der von der oberösterrei­ chischen Standortagentur Business ­Upper Austria gemeinsam mit WhatAVenture in der KTM Motohall in Mattighofen abgehalten wurde. Die Rosenbauer International AG, Weltmarktführer für FeuerwehrausrüstunViktor Sigl, CFO der KTM AG, gen, ging mit hohen Erwartungen ins will mit zwei Start-ups aus Event. „Der Open-Innovation-Ansatz dem Hackathon weiter eines Hackathons erscheint uns ide­z usammenarbeiten. al, um mit dem steigenden Tempo des technologischen Wandels Schritt zu halten“, so CEO Dieter Siegel, der sich „auf den Austausch mit den teilnehmenden Start-ups und ihre Antworten auf einige unserer aktuellen Herausforderungen“ freute. Die Hoffnungen wurden mehr als nur erfüllt. „Vor allem war es bemerkenswert zu sehen, wie unter einer Wettbewerbssituation mit einem lösungs- und kundenorientierten Ansatz praxisnahe Ergebnisse erzielt wurden. Mit zwei Teams haben wir gemeinsam weitere Schritte definiert, wo wir an der konkreten Umsetzung der präsentierten Lösungen arbeiten werden“, schwärmt Viktor Sigl, CFO der

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KTM AG. Auch das dritte Unternehmen im Hackathon, die Raiffeisenlandesbank OÖ, wurde fündig. „Beim Hackathon haben wir gemeinsam mit jungen Unternehmen neue Ideen bzw. Lösungen erarbeitet – konkret in den Bereichen Mobile Payments, Kundenkommunikation, Zertifizierung und Autorisierung sowie zur Nutzung von künstlicher Intelligenz im Banking“, berichtet Claudia Fantner. „Das erklärte Ziel: Innovationen vorantreiben, um Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen zu begeistern.“ Für die Managerin, die bei der Raiffeisenlandesbank OÖ das Projekt Best Digital Place to Work leitet, ist die Idee eines Hackathons die moderne Umsetzung eines Leitgedankens der Bank: „‚Was einer nicht schafft, das schaffen viele‘ – ein Satz, den Friedrich Wilhelm Raiff­eisen geprägt hat und der bis heute die Raiffeisen-DNA ausmacht.“ Und nach wie vor gelebt wird. Bestes Beispiel: der Wiener Standort der Raiffeisenlandesbank OÖ, der mittlerweile das 20. Jubiläum feiert. „Das Oberösterreicher-Haus gegenüber der Staatsoper ist ein Herzstück ­unserer Bank“, so Direktor-Stellver­treter Marco Ginder, der in Wien ­ österreichische und internationale Firmenkunden beDieter Siegel, CEO der treut. „Hier im Herzen der Stadt brin­R osenbauer AG, setzt auf gen wir unsere Kunden zusammen, den Open-Innovation-­ um sich untereinander austauschen zu Ansatz von Hackathons. können. Dadurch sind viele zusätzliche Geschäfte für unsere Kunden entstanden, die wir auch oftmals begleiten. Eine klassische Win-win-Situation.“ (Das vollständige Interview mit Marco Ginder lesen Sie online, dazu einfach dem QR-Code folgen.) Auch in Wien wird die gesamte Palette an Leistungen der Raiffeisenlandesbank OÖ angeboten, die, so Ginder, „viele Möglichkeiten und Lösungen für Unternehmen bereithält, wie etwa unsere eigene Beteiligungsgesellschaft, die INVEST AG, die mittelständischen Unternehmen auch mit Eigenkapitalinstrumenten zur Verfügung steht“.

© Bernhard Müller, Eric Krügel, www.philipptomsich.com

Text: Stefan Schatz


Marco Ginder Leiter Firmenkunden Österreich und ­I nternational, Raiffeisenlandesbank OÖ.

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Alfred Kaplinger leitet die Wiener Filiale der PRIVAT BANK der Raiffeisenlandesbank OÖ.

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„HIER IM HERZEN DER STADT BRINGEN WIR UNSERE KUNDEN ZUSAMMEN. DADURCH SIND SCHON VIELE ZUSÄTZLICHE GESCHÄFTE FÜR UNSERE KUNDEN ENTSTANDEN, DIE WIR DANN NATÜRLICH AUCH BEGLEITEN. EINE KLASSISCHE WIN-WIN-SITUATION.“


BANKING IM WANDEL

„DIE KOOPERATION MIT START-UPS ERMÖGLICHT NEUE IDEEN UND DENKANSÄTZE, DIE BEI DEN ERARBEITETEN LÖSUNGEN WÄHREND DES BUSINESS-HACKATHONS SICHTBAR WURDEN. DIE EINDRÜCKE UND ERFAHRUNGEN DIESER DREI TAGE WERDEN UNS KÜNFTIG DABEI HELFEN, DASS WIR AUCH IN DER KONZEPT­PHASE DEN KUNDEN IMMER IN DEN MITTELPUNKT STELLEN.“ Mag. Stefan Sandberger, Vorstand Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.

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nach ethischen Kriterien. „Als Fondsgesellschaft kontaktieren wir in Zusammenarbeit mit einer großen Nachhaltigkeitsagentur laufend Unternehmen, um auf ökologische und soziale Verbesserungspotenziale aufmerksam zu machen“, erzählt Kepler-Fonds-KAG-Geschäftsführer Andreas Lassner-Klein aus der Praxis. „Die Unternehmen nehmen die Thematik sehr ernst.“ Nachhaltig investieren Ein 2018 initiierter EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums befeuert diesen sogenannten Engagement-Prozess zwischen Geldgebern und der Wirtschaft zusätzlich. Wenn ein Fonds das „Österreichische Umweltzeichen für Finanzdienstleistungen“ und das europaweit ­anerkannte „Eurosif-Transparenzlogo“ aufweist, dann stimmt in der Regel der ethische Investmentansatz. Die öster­reichische Bischofskonferenz hat 2018 zudem eigene Ethikrichtlinien herausgebracht, an denen sich die Fondshäuser orientieren. „Für Anleger empfiehlt sich vor dem Investment ein prüfender Blick auf die Website des jeweiligen FondsanbieAndreas Lassner-Klein, ters, um zu sehen, ob diese Kriterien ­G eschäftsführer KEPLERauch wirklich erfüllt werden“, rät AnFONDS KAG: P­ ionier für dreas Lassner-Klein. Sein Fondshaus ­n achhaltige Veranlagung. hat die grüne Geldanlage auf www. kepler.at sehr transparent positioniert. Weil Offenheit auch zur Zukunftsphilosophie der Raiffeisenlandesbank OÖ gehört. Denn: Die Kunden haben gelernt, kritische Fragen zu stellen. Und nur wer seine Informationen offenlegt und ehrliche Antworten gibt, wird als Bankhaus zum Lebensbegleiter in einer sich rasch und ständig verändernden Zukunft. ••

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©, KEPLER-FONDS, Erwin Wimmer, Raiffeisenlandesbank OÖ

Was Junge wünschen Zweiter Schwerpunkt in der Wiener Niederlassung der oberösterreichischen Bank ist das Private Banking. „Unsere Kunden sind vermögende Privatpersonen, Familienunternehmer, Freiberufler und Stiftungen vorwiegend aus Wien und Niederösterreich, aber auch aus den Nachbarländern wie der Slowakei“, so Prokurist Alfred Kaplinger, der den Standort der PRIVAT BANK der Raiffeisenlandesbank OÖ in Wien leitet, über den grenzüberschreitenden Anspruch der Bank. „Aber natürlich betreuen wir auch Kunden aus Linz, die sich aus beruflichen Gründen in Wien befinden, oder deren Kinder, die in Wien etwa ­stu­dieren.“ Er weiß, was von der PRIVAT BANK erwartet wird: „Hohe Kunden- und Serviceorientierung, gesamtheitliche Beratungsqualität von kompetenten und erfahrenen Beratern, Handschlag­qualität. Ich weiß, das klingt nach Marketing-­Schlag­ worten – aber d ­ iese Werte werden bei uns wirklich gelebt.“ Punkten kann sein Team darüber hinaus mit Dienstleistungen wie dem Financial Planning, wo im Rahmen ­ einer strukturierten Vermögensanalyse Claudia Fantner, eine Gesamtsicht auf alle VermögensLeitung Vertriebssteuerung werte erstellt wird. Da­rauf aufbauend RLB OÖ AG, entwickelt den werden konkrete Handlungsempfeh„Best Digital Place to Work“. lungen abgeleitet – etwa in der Vorsorge- und Nach­ folgeplanung. Die Nachfrage danach nehme deutlich zu: „Nachfolgeplanung, Erben und Schenken werden ein immer größeres Thema. Weil auch die Familienverhältnisse immer komplexer werden, Patchwork-Familien sind längst üblich. Wir begleiten unsere Kunden auch bei diesen Themen.“ Die nächste Generation konfrontiert die erfolgreichen Privatbanker auch am Wiener Standort zudem mit aktiv gelebtem Umweltbewusstsein: „Die Jungen wollen mit ihren Investments einen Beitrag zum nachhaltigen Wirtschaften leisten und sicherstellen, dass damit sozial verantwortlich und ressourcenschonend gewirtschaftet wird“, erzählt der erfahrene Private Banker, für den „Nachhaltigkeit und Rendite alles andere als ein Gegensatzpaar sind“. Eine Einschätzung, die er wohl mit den Kollegen der Kepler-Fonds KAG teilt. Die Fondstochter der Raiffeisenlandesbank OÖ ist ein Pionier für grüne Geldanlage und managt aktuell über 1,5 Milliarden Euro


Der Concept Fire Truck von Rosenbauer ist ein Vorgeschmack auf das Feuer­ wehrfahrzeug der Zukunft. Wolfgang Kurz vom Automobil Cluster testet das neue KTM-Bike.

Roboter „Pepper“ wird im Flagship-Store der RLB OÖ AG auf der Linzer Landstraße ab Jahresende Kunden begrüßen und Fragen beantworten.

Stefan Perkmann Berger von der international tätigen Innovationsberatung WhatAVenture schwört die ­H ackathon-Teilnehmer auf drei intensive Tage ein.


KONSTRUKTEURE DER ZUKUNFT

Porsche und Würth: zwei Geschichten von Familienunternehmen, die stark in Stuttgart und in Baden-Württemberg verwurzelt sind. Beide Geschichten beginnen mit starken Persönlichkeiten, die sich ihre eigene Idealzukunft einfach konstruiert haben – immer mit dem Drang nach außen, in ein gemeinsames Europa und in die Welt. Text: Leo Szemeliker

IN BADEN-WÜRTTEMBERG SIND DIE EIGENTÜMER VON UNTERNEHMEN IN VIELEN FÄLLEN PER DU MIT IHREN MITARBEITERN. ICH SOWIESO. REINHOLD WÜRTH

ICH KONNTE DEN WAGEN, VON DEM ICH TRÄUMTE, NICHT FINDEN: EINEN KLEINEN, LEICHTEN SPORTWAGEN. ALSO BESCHLOSS ICH, IHN MIR SELBST ZU BAUEN. FERRY PORSCHE

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Ferdinand Porsche, Begründer der legendären Auto-Dynastie, erfand den VW Käfer.

© Adolf Würth GmbH & Co. KG, Ma / Interfoto / picturedesk.com

Adolf Würth (l.), Gründer und Sohn Reinhold Würth, der einen Weltkonzern erschuf.


KONSTRUKTEURE DER ZUKUNFT

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ei Porsche ist viel Geschichte und viel Verbundenheit von Innovatoren zu einem Standort spürbar: „Nicht die Technik macht Geschichte, sondern die Menschen, die sie erfunden haben.“ Beim Sportwagenhersteller ist auch der Standort Teil der Legende. In der Mitte des goldenen Schildes des Porsche-Logos sind das Stuttgarter Rössle und der Stadtnamen abgebildet. Das Arrangement ist umgeben von den rot-schwarzen Landesfarben und den stilisierten Geweihstangen aus dem Wappen Württemberg-Hohenzollern. Über allem: der Porsche-Schriftzug. Ein Konstrukteur von Ferry Porsche, Franz Xaver Reimspieß, hatte es bereits 1952 entworfen, vier Jahre nach dem Bau des ersten Modells 356. Der allererste Wagen mit dem Namen Porsche wurde aber nicht in Stuttgart produziert. 1948 bis 1950 schraubte Ferdinand Anton Ernst „Ferry“ Porsche, der 1909 in Wiener Neustadt geborene Sohn des VW-Käfer-Erfinders Ferdinand Porsche, seinen Traumwagen in Gmünd in Kärnten zusammen. Vorher hatte er nach Kriegsende mit seiner Mannschaft, auch in der Werk­ stätte in Zell am See, an Seilwinden und Traktoren, ebenso an der Reparatur ehemaliger Militärfahrzeuge gearbeitet. Es gab den Auftrag eines Formel-1-Autos aus Italien („Cisitalia“), dieses bestritt aber nie ein Rennen. Aber Porsche verdiente etwas damit: „Ich konnte den Wagen, von dem ich träumte, nicht finden: einen kleinen, leichten Sportwagen, der die Energie effizient nutzt. Also beschloss ich, ihn mir

der Porsche SE, also den Familien Porsche und Piëch, kontrolliert. Der größte Autohersteller der Welt, der sein größtes Wachstum mittlerweile in E-Autos und China sieht, ist also noch immer eine Art süddeutschsalzburge­rischer Familienbetrieb, der auf den Verträgen aus den 50erJahren basiert. Ferry Porsche starb 1998. Ein berühmtes Zitat noch, das bis heute gilt, in dem in Stuttgart Fahrverbote wegen Stickstoffbelastung ausgesprochen werden und der VW-Konzern sich in einen Elektroautohersteller wandelt (30 neue Batterienautos bis 2025): „Das letzte Auto, das gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein.“ Der Herr der Schrauben Es gibt auch noch ein anderes Beispiel, wie aus einem kleinen Betrieb, diesmal im hohenlohischen Künzelsau eine Stunde nördlich von Stuttgart, ein Weltkonzern wurde. „Am 29. Mai 1945 durfte ich meinen Vater begleiten, als er mit einem zweispännigen Kuhfuhrwerk mit Holzspeichenrädern und Eisenbereifung zusammen mit Bauer Dümmler aus Künzelsau von hier in die 15  Kilometer entfernte Schraubenfabrik Arnold nach Ernsbach fuhr, um dort die ersten Schrauben einzukaufen. Für mich ein echtes Spektakel! Gleich half ich dem Vater dann, die Schrauben in einem Nebenraum der Schlossmühle in Künzelsau ins Regal einzusortieren.“ Das schreibt der Ausnahmeunternehmer Reinhold Würth im Jahre 2017. Im Jahr 1949 wurde Reinhold Würth von seinem Vater Adolf in des-

DIE VORDENKER selbst zu bauen“, lautet ein Zitat von Ferry Porsche aus dem Jahr 1946 – das angesichts des Effizienzgedankens zeigt, welche Innovation im Sportwagenbau zwangsweise stecken muss. Deutsch-österreichische Verbindungen Die Familie Porsche hat böhmische Wurzeln, war aber seit den 1920erJahren eng mit Stuttgart verbunden. So machte Ferry ein Praktikum bei der Robert Bosch GmbH, heute der größte Zulieferkonzern der Welt. Die von seinem Vater gegründete Porsche GmbH war ein Konstruktionsbüro. Dieses wurde 1944, angesichts starker Luftangriffe, nach Kärnten verlegt, nicht zu weit von seinem Wohnsitz, dem Schüttgut in Zell am See, wo die Familie bis heute zu Hause ist. 1947 gründeten Porsche und seine Schwester Louise Piëch eine Firma in Österreich, auch um der Beschlagnahme durch die Siegermächte zu entgehen und Geld für den Vater zu sammeln, der in Frankreich wegen seiner Rolle im Dritten Reich interniert war (dafür musste Ferry sogar drei Monate in Haft). Im Frühjahr 1952, kurz nach dem Tod seines Vaters, kehrte Porsche wieder mit der Konstruktion seiner Autos nach Zuffenhausen zurück. 1963 entstand dort auch der ultimative deutsche Sportwagen, der Porsche 911, entworfen von Ferrys Sohn, Ferdinand Alexander Porsche. Louise Piëch blieb in Salzburg und leitete den VW-Import- und Handelsbetrieb, der bis heute die Grundlage der Porsche Holding war und der auch die finanzielle Basis für die Entwicklung der Autoproduktion in Stuttgart geliefert hatte. Heute ist die Dr. Ing. h.c. F. Porsche Aktiengesellschaft ein Teil des größten Autoherstellers der Welt, der VolkswagenGruppe mit Sitz in Wolfsburg. Diese wird wiederum zu 52 Prozent von

sen Schraubenhandel als Lehrling und zweiter Mitarbeiter angestellt. Fünf Jahre später, nach dem Tod des Vaters, wurde er Chef, 19-jährig. Heute hat die von Reinhold Würths Tochter Bettina geführte Gruppe 77.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von knapp 14 Milliarden Euro, den sie in 80 Ländern der Welt erwirtschaftet. Motor des Erfolgs war der Direktvertrieb. Bereits 1958 wurde aus dem Handelsbetrieb auch ein Hersteller, Reinhold Würth überraschte alle Mitarbeiter mit der Ankündigung: „Jetzt werden wir auch selbst Schrauben herstellen!“ Würth war Zeit seines Lebens ein glühender Europäer, der bereits in den 60er-Jahren als deutscher Mittelständler Auslandsniederlassungen gegründet hat. Heute verficht er als 85-Jähriger ein starkes Europa: „Jedenfalls ist heute an­ gesagt, vor allem die junge Generation auf die Vereinigten Staaten von Europa einzuschwören“, so Würth. Würth ist eine vielschichtige Persönlichkeit. Seine Kunstsammlung umfasst mehr als 16.000 Werke. Seit 40 Jahren ist er Pilot. Und er gilt als der siebentreichste Deutsche. Trotzdem ist er ein Nahbarer geblieben. Typisch für das Land. „In Baden-Württemberg sind die Eigentümer in vielen Fällen per Du mit ihren Mitarbeitern“, sagte er in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“, „ich sowieso.“ ••

QR-Code scannen und alles über das Schraubenimperium der Firma Würth erfahren.

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LEADING CHANGE: WIE SICH UNTERNEHMEN WANDELN

SILICON GERMANY: DIE DIGITALE TRANSFORMATION SCHAFFEN

John P. Kotters Buch zählt längst zur Pflichtlektüre für Manager: Das Werk erschien zwar bereits 1996, hat aber bis heute weder an Aktualität noch an Bedeutung verloren. Im Gegenteil: Der Druck auf Unternehmen, sich den permanent wandelnden internen und externen Einflüssen zu stellen, wird weiter zunehmen. Dabei gehört ein offener, aber professionell geführter Umgang mit Change-Prozessen zu den Wesensmerkmalen erfolgreicher Unternehmen im 21. Jahrhundert und zu den größten Herausforderungen in der Arbeit von Führungskräften. MIT- und Harvard-Absolvent John P. Kotter wurde bereits 1972 Mitglied der Fakultät der Harvard Business School. Mit nur 33 Jahren erhielt er an der renommierten Univer­sität eine lebenslange Professur. Er gilt als Doyen des Change-Managements. Das Buch basiert auf seinen Erfahrungen aus Forschung und Praxis, die er in einen visionären Text einfließen ließ, der zugleich inspirierend und gefüllt ist mit bedeutenden Implikationen für das Change-Management. Präzise analysiert er, weshalb Unternehmen an Veränderungen scheitern, und liefert einen Leitfaden, wie Change-Management richtig umgesetzt wird. ••

Vor einigen Jahren wagte der Wirtschaftswissenschaftler und Journalist Christoph Keese den Selbstversuch: Gemeinsam mit Kollegen aus der Führungsetage des Springer-Verlages zog er in eine Wohngemeinschaft in Palo Alto, um das Lebens- und Innovationsgefühl im Silicon Valley verstehen zu lernen. Sein Buch „Silicon ­Valley“, in dem er seine Erfahrungen zusammenfasste, wurde ein Bestseller. Das Nachfolgebuch „Silicon Germany“ wurde ebenso zum Renner. Diesmal führte ihn seine Reise durch Deutschland, in die Produktionshallen großer Industriebetriebe ebenso wie in Startup-Hubs und Werkstätten des Mittelstandes. Sein Fazit ist verheerend: Deutschland droht die Digitalisierung zu verschlafen. Eisern wird an bürokratischen Abläufen festgehalten, disruptive Ideen ­landen in Schubladen, um bestehende Geschäftsmodelle nicht zu gefährden. Ob die Wende zum „Silicon Germany“ gelingt? Was kann Google, was Volkswagen und Bosch nicht können? Keese formuliert leicht lesbar, führt viele Beispiele an und analysiert messerscharf. Deutlich zeigt er, wo Deutschland dem Zeitgeist hinterherhinkt. Und wie der Rückstand aufgeholt werden könnte. ••

Autor: John P. Kotter Verlag: Vahlen ISBN: 978-3-8006-3789-8

Autor: Christoph Keese Verlag: Knaus ISBN: 978-3-8135-0734-8

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© Vahlen Verlag, Knaus Verlag, Haufe Lexware, campus Verlag

BUCHTIPPS


BUCHTIPPS

AGILE ORGANISATIONEN: WIE MAN TRANSFORMATION GESTALTET

CHANGE: WIE WANDEL GELINGT

Das Thema Wandel und Transformation bestimmt die Managementliteratur, wie die Flut an Büchern zum Thema zeigt. Das Werk des Herausgebers André Häusling fungiert dabei allerdings als Leuchtturm. Kein Wunder, schließlich ist er als Geschäftsführer der HR ­Pioneers und Gründer der Agile HR Conference einer der führenden Köpfe im deutschen Personalwesen. Im Buch widmet er sich Fragen, die wohl alle Unternehmen beschäftigen: Wie gestalte ich als Unternehmen Transformationen? Wie erhöhe ich den agilen ­Reifegrad meiner Organisation? Wie gehen andere Unternehmen dabei vor? Wo liegen die Herausforderungen und Stolperfallen? Das Trafo-Modell von HR Pioneers zeigt sechs Dimensionen, mit denen die Transformation in der Organisation angestoßen werden kann: Strategie, Struktur, Prozesse, Führung, HR-Instrumente und Kultur. Unternehmen wie TUI Group, Otto Group, Xing AG, 1&1 ­Internet SE, REWE digital GmbH berichten in diesem Buch aus erster Hand über ihren eigenen Weg in die Agilität, benennen zentrale Herausforderungen und Stolperfallen bei der Implementierung und teilen ihre Erfahrungen. ••

Klaus Doppler ist eine Legende: Der mittlerweile 80-Jährige ist als selbstständiger Organisationsberater auf die Begleitung von Entwicklungsprozessen spezialisiert. Noch immer wird er von großen Unternehmen und staatlichen Institutionen geholt, wenn es um kulturellen und strukturellen Umbau geht – schließlich hat er den Begriff „Change Management“ laut Management Magazin erst in die Unternehmensführung eingebracht. Entsprechend reich ist der Erfahrungsschatz, auf den Doppler beim Verfassen des Buches zurückgreifen konnte. Er weiß genau, wo die Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Veränderungsprojekten lauern. Immer öfter fällt ihm auf, dass Change-Manager den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Die Fülle an Informationen, Methoden und Moden ist einfach zu groß. In kompakter Form bietet er Orientierung im Informationsdschungel, nennt die zehn wichtigsten Management-Tools, zählt die unverzichtbaren Kompetenzen eines Change-Managers auf und erklärt, wie man den richtigen Berater findet. N ­ ebenbei gibt es dann auch noch einen Crash-Kurs in Sozial­psycho­logie. ••

Autor: André Häusling Verlag: Haufe Lexware ISBN: 978-3-648-10598-6

Autor: Klaus Doppler Verlag: campus ISBN: 978-3-593-50678-4

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