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DATENAUTOBAHN MIT NEUER SPUR
„DIE DATENAUTOBAHN BRAUCHT MEHR FAHRSPUREN“
Warum der neue Mobilfunkstandard 5G weit mehr als nur die weitere Beschleunigung von mobilem Internet ist und wie auch Unternehmen und ländliche Regionen profitieren, erklärt Magenta-CEO Andreas Bierwirth im Interview.
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Interview: Stefan Schatz
DER GROSSTEIL DER BEVÖLKERUNG WIRD BEREITS 2025 MIT 5G UND SCHNELLEM INTERNET VERSORGT SEIN.
ANDREAS BIERWIRTH, CEO MAGENTA TELEKOM
Mit Höhenflügen kennt sich Andreas Bierwirth aus: Der ausgebildete Berufspilot war in der Geschäftsführung von Eurowings und Germanwings, im Lufthansa-Marketing, CCO und CFO der Austrian Airlines Group. 2012 wechselte er Arbeitgeber und Branche: Seitdem leitet er als CEO Magenta Telekom, einen führenden Anbieter von Internet, Mobilfunk, Entertainment und Business-Lösungen. Im Interview spricht er über die Chancen des Mobilfunkstandards 5G und den Infrastrukturausbau in Österreich.
business: Zurzeit wird in die Infrastruktur für das 5G-Netz investiert. Welche Vorteile bietet der neue Mobilfunkstandard für Unternehmen? Andreas Bierwirth: Die fünfte Mobilfunkgeneration ist weit mehr als nur die weitere Beschleunigung von mobilem Internet. Das Internet der Dinge, Industrie 4.0 und Smart Cities mit intelligenten, autonomen Fahrzeugen, Robotern und Drohnen können zukünftig mit 5G verlässlich betrieben werden. Zusammen mit einem Robotik-Unternehmen haben wir in Wien demonstriert, wie eine 5G-Drohne Leben retten kann. Zu Hause, in Betrieben oder Schulen wird 5G dafür sorgen, dass sehr große Datenmengen transportiert werden können, wie sie von Anwendungen der Virtual und Augmented Reality oder für hochauflösendes 8K-Fernsehen benötigt werden. Nicht nur hohe Datenraten, sondern auch minimale Reaktionszeiten (Latenz) sind für die zukünftige Vernetzung wichtig. Diese Vernetzung erfordert eine verlässliche, schnelle Infrastruktur – eine Autobahn, auf der kein Datenstau entsteht und genug Platz für alle ist, für Menschen, Tiere und Dinge.
business: Kritiker meinen, 5G sei eher eine Evolution und der Stau auf der Datenautobahn auch mit dem aktuellen LTE-Standard auflösbar. Bierwirth: Würden Sie lieber mit 3G surfen als mit LTE? Dann wäre die maximale Bandbreite 40 statt 300 Mbit. Oder VHS-Kassetten benutzen statt UHD Streaming? Technologien stoßen irgendwann an ihre Grenzen, so auch LTE. Der menschliche Forschergeist und der Drang nach einem besseren Leben führen zu vielen spannenden Erfindungen, Innovationen und Entwicklungen. Das 5G-Datenübertragungsprotokoll ist eine solche Erfindung. Sie sprengt jene Limitierung, die LTE erreichen wird. Die Datenautobahn benötigt mehr Fahrspuren, das heißt: mehr Kapazität – weil das Datenwachstum jedes Jahr enorme Sprünge macht. Ein Plateau ist noch lange nicht in Sicht.
business: Vielen KMU wird vorgeworfen, die Digitalisierung verschlafen zu haben. Ist 5G ein Weckruf? Bierwirth: 5G ist ein Beschleuniger für die Überholspur. Die Digitalisierung bedarf einer ordentlichen Internetinfrastruktur. Die große 5GStärke liegt in der Versorgung ländlicher Regionen, in denen entweder nur langsames DSL oder gar kein kabelgebundenes Internet vorhanden ist. Dort werden dank 5G vorhandene Firmenstandorte mit Bandbreitinternet über die Luft versorgt und der Standort wird für neue Firmenansiedlungen attraktiver gemacht.
business: Werden mit schnellerem Datentransfer auch neue Geschäftsmodelle möglich? Bierwirth: Der durch die erste Welle der Coronakrise verursachte Shutdown hat gezeigt, dass die Versorgung mit hochverfügbarem mobilem Breitband zu einer existenziellen Frage für Österreich wurde. Die Digitalisierung macht vor keiner Branche halt. Für viele Unternehmen, uns eingeschlossen, war der Ausbruch der Coronapandemie eine Stoßgeburt der Digitalisierung. Viele Unternehmen mussten ihr Geschäftsmodell rasch an die neue digitale Welt anpassen. Es braucht nicht immer ein neues Produkt – die Digitalisierung kann auch bei bestehenden Prozessen viel bewirken und vor allem zur Effizienzsteigerung, aber auch zu einer Kostenreduktion beitragen. Wir werden die Produkte unserer Kunden nicht neu erfinden, aber mit unserem Know-how und Best-Practice-Erfahrungen können wir die besten technologischen Lösungen erarbeiten, um sie für die digitale Zukunft fit zu machen.
business: Viele österreichische Hidden Champions sind weitab von Ballungsgebieten zu Hause. Wann werden diese mit 5G erreicht? Bierwirth: Wir sind derzeit mitten im 5G-Ausbau, den wir auf Hochtouren vorantreiben. Wer gestern noch keinen 5G-Empfang hatte, könnte ihn schon morgen haben. Ein österreichweites 5G-Interneterlebnis kommt bis 2023.
business: Wie läuft der Ausbau der Infrastruktur? Bierwirth: Derzeit gibt es österreichweit mehr als 1.400 5G-Standorte in über 1.000 Gemeinden. Damit erreicht Magenta heute circa 40 Prozent der Bevölkerung, bis Jahresende werden es bis zu 50 Prozent sein. Der Großteil der Bevölkerung wird bereits 2025 mit 5G versorgt sein. Wir betreiben auch das größte Gigabit-Glasfasernetz Österreichs, mit dem wir bereits mehr als 1,4 Millionen Haushalte und Betriebe erreichen. Bis 2025 werden 150.000 neue Gigabit-Haushalte erschlossen. Übrigens werden heute drei Viertel aller gigabitfähigen Internetanschlüsse in Österreich von Magenta bereitgestellt. Dem liegt eine massive Investition in die mobilen wie fixen Netze zugrunde, die seit 2018 mehr als eine Milliarde Euro beträgt.
business: Werden Sie auch Netze im 700-MHz-Bereich anbieten, die in dünn besiedelten Gebieten Netzabdeckung gewährleisten? Bierwirth: Bei der letzten 5G-Frequenzauktion haben wir gezielt das meiste Spektrum im 700-MHz-Band erworben und uns so die 5GQualitätsführerschaft gesichert. Das niedrige Band steht nicht nur für eine exzellente Versorgungsreichweite für schnelles Internet im ländlichen Raum. Es bringt auch eine optimale Gebäudedurchdringung in der Stadt. Den ersten 700-MHz-5G-Standort haben wir bereits im Mai in Betrieb genommen. Hunderte Standorte folgen dieses Jahr, viele weitere werden über die nächsten Jahre laufend ausgerollt.
business: Wie schnell ist Österreich im internationalen Vergleich bei Netzausbau, Frequenzversteigerung und Genehmigungsverfahren? Bierwirth: Die Verlagerung weiter Teile unseres Wirtschaftslebens ins Homeoffice hat uns die Möglichkeiten unserer mobilen Breitbandversorgung vor Augen geführt, die zu den besten Europas gehört. Wenn wir aus der Krise lernen und die Vorteile der Mobilisierung unserer Arbeitswelten, aber auch der Schul- und Fortbildungswelten mit ins 21. Jahrhundert nehmen, müssen wir massiv in die Weiterentwicklung investieren. 5G ist die Breitbandtechnologie der Zukunft, der neue Telekomrahmen muss uns jenen 5G-Investitionsschub ermöglichen, den dieses Land im internationalen Wettbewerb so dringend braucht. Der Erfolg von 5G in Österreich ist nur als großes Gemeinschaftswerk von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen. ••
Magenta in Zahlen
• Umsatz 2020: 1,3 Milliarden Euro • Mitarbeiter: 2.400 • Magenta Telekom ist Teil der Deutsche-Telekom-Gruppe, versorgt 5 Millionen Kunden in Österreich und gilt als Vorreiter in der 5G-Technologie.