FABRIK DER ZUKUNFT
ES GEHT DARUM, DURCH DIGITALISIERUNG ENTLANG DER WERTSCHÖPFUNGSKETTE HÖHEREN NUTZEN FÜR KUNDEN ZU ERZIELEN.
F
ür Innovationen gibt es immer Geld. Auch in der Krise – und zumindest in der globalen Automobilindustrie. Dort wollen Entscheider für ehrgeizige Ziele sogar tief in die Tasche greifen. In den nächsten drei Jahren sollen die Ausgaben für ganz besondere Projekte um 60 Prozent steigen, vermerkt eine Studie der Unternehmensberatung Capgemini in Österreich. Welche Projekte das sind? Es geht um „Smart Factories“, die eine neue Dimension der Fertigung in Aussicht stellen. In der schlauen Fabrik schaffen intelligente Geräte vernetzt und eigenständig ein effizientes Arbeitsbiotop. Wenn Maschinen das Kommando übernehmen und mittels Chips und Sensoren in den Hallen Entscheidungen treffen, entwickeln die Betreiber naturgemäß überdurchschnittliche Erwartungen. Hoffnungen auf große wirtschaftliche Sprünge scheinen auch nicht aus der Luft gegriffen zu sein: „Hersteller und Zulieferer sind zu großen Investitionen bereit. Wir erwarten, dass sich diese Ausgaben bis 2023 rentieren und Firmen jährliche Steigerungen ihrer Produktivität von 2,8 bis 4,4 Prozent erreichen“, verkündet Capgemini-Expertin Jacqueline Wild. Was nicht allzu spektakulär klingt, aber riesige Summen bewegt: Das monetäre Potenzial umfasst über 160 Milliarden US-Dollar innerhalb der nächsten fünf Jahre. Kein W under, wenn derartige Zahlen die technologische Fantasie in vielen Chefetagen befeuert. Deshalb wird jetzt auch die Produktion immer digitaler, allerorts wird das elektronische Betriebsgelände kontinuierlich ausgebaut. Mit großen Hoffnungen auf gesenkte Kosten und optimierte Abläufe. Das Motto lautet: Wer auf der Datenautobahn bremst, dürfte sehr bald auf der Kriechspur des Wettbewerbs unterwegs sein. Beschleunigte Digitalisierung Als Turbo wirkt nun zusätzlich jene Ausnahmesituation, die den Planeten seit Monaten konstant in Atem hält. „Corona hat die Digitalisierung und wirtschaftliche Entwicklungen wesentlich beschleunigt. Praktisch über Nacht wurden viele berufliche Tätigkeiten in die virtuelle Welt verlagert, damit alles weiter funktioniert, so wie Homeoffice oder Videokonferenzen. Das Bewusstsein für den Mehrwert dieser Infrastruktur wurde geschärft“, erläutert Professor Herbert Jodlbauer, Studiengangsleiter Produktion und Management an der Fachhochschule Oberösterreich. Solche Erkenntnisse könnten auch der Verbreitung jenes trendigen Konzeptes dienen, das Experten als Techno-Schwergewicht werten: Industrie 4.0, die DNA einer goldenen Ära. Hinter jener vierten industriellen Revolution verbergen sich Anwendungen mit Science-Fiction-Potenzial. Schließlich wirkt es auf den ersten Blick verblüffend, wenn die Maschine
30 business
weiß, wie viele Bauteile noch vorhanden sind, und ohne menschliches Zutun Bestellungen an Lieferanten sendet. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt: Sollte der Kunde für seine Hi-Fi-Anlage einen Sonderwunsch deponieren, bahnen sich Roboter ihre eigenen Wege durch die Hallen und produzieren ein maßgeschneidertes Gerät. Was Unternehmen reizvolle Perspektiven eröffnet. Denn es geht nicht nur um möglichst günstige Herstellung durch modernste Hardware. Sondern um die Chance, auf das veränderte Verhalten von Konsumenten mit Technologie reagieren zu können. Denn: Der Konsument von heute will nicht mehr wie früher bloß brauchbare Waren von der Stange erstehen. Gefragt sind Erzeugnisse und Dienstleistungen, die Probleme lösen, Aufgaben erfüllen oder ein gutes Gefühl vermitteln. In den Fertigungsstätten der Zukunft wird es Robotern wenig Mühe bereiten, derartige Verlangen für die Produktion konkurrenzfähiger Güter zu berücksichtigen. „Industrie 4.0. ist mehr als Automatisierung.
Es geht nicht nur um die Digitalisierung des Prozesses, sondern darum, dem Verbraucher Gutes zu tun. Durch Integration des Internets in Geschäftsmodelle entstehen neue Services. Auch bei Autos wird nicht das technisch beste Produkt Umsätze bringen, sondern die kundenorientierte Gesamtlösung. Eine Smart Factory muss ebenfalls auf Verbraucher zugeschnittene Wertangebote b erücksichtigen, wie mobiles Entertainment oder ein Road-Office für das Arbeiten im Fahrzeug“, betont Jodlbauer.
© Peter Regaud, Florian Stöllinger, Palfinger AG
ANDREAS KLAUSER, CEO PALFINGER AG