Health Care Newsletter 2/2014

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2/2014

HEALTH CARE Themenübersicht Editorial

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Im Überblick: Das MVZ im Spiegel der jüngeren Rechtsprechung

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Kein zeitlicher Tätigkeitsumfang des ärztlichen Leiters eines MVZ

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Vollzeittätigkeit im Krankenhaus steht vertragsärztlicher Tätigkeit als Pathologe mit hälftigem Versorgungsauftrag nicht entgegen

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Fortführung der Praxis eines ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Arztes durch psychologischen Psychotherapeuten zulässig

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Bestehen von Zulassungsbeschränkungen rechtfertigt nicht per se Ablehnung eines Nachbesetzungsverfahrens

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MVZ kann nicht Gründer und Gesellschafter weiterer MVZ und ihrer Rechtsträger sein Verlegung von Arztstellen zwischen MVZ unzulässig?

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Ermäßigter Umsatzsteuersatz für gemeinnützige Träger: Änderung der Rechtsprechung

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Rechtliche Besonderheiten im kommunalen Aufsichtsrat

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Weisungsrechte im kommunalen Aufsichtsrat

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Weitergehende Fragen zu Rechten und Pflichten von Aufsichtsräten

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Klinikfusionen und Kartellrecht

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Aktuelle Rechtsprechung zum Honorararzteinsatz

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Abrechenbarkeit honorarärztlicher Leistungen als Wahlleistung

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Risiko „Scheinselbstständigkeit“ beim Honorararzteinsatz

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Editorial Sehr geehrte Leserinnen und Leser, wir freuen uns, Ihnen zum Beginn des Monats September die zweite Ausgabe unseres Newsletters Health Care 2014 vorlegen zu können. Wie immer legen wir dabei Wert auf einen Themenmix aus den Bereichen Recht, Steuern und Revision, der den multidisziplinären Beratungsansatz bei RBS RoeverBroennerSusat widerspiegelt. Über die mit Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes verbundenen rechtlichen Neuerungen haben wir bereits ausführlich berichtet (vgl. RBS Newsletter Health Care 1/2012, S. 4). Veränderungen hat es dabei vor allem auch im Zulassungsrecht gegeben. Inzwischen sind die Neuregelungen in der Instanzrechtsprechung angekommen. Für uns Anlass, die aktuellen Tendenzen auszuwerten. Einen inhaltlichen Schwerpunkt legen wir dabei auf Rechtsfragen rund um den MVZ-Betrieb. Des Weiteren stellen wir eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofes aus dem Bereich Umsatzsteuer-/Gemeinnützigkeitsrecht vor, die in Beratungs- und Kautelarpraxis Handlungsbedarf begründen dürfte. Ebenfalls aus aktuellem Anlass, nämlich vor dem Hintergrund, dass im Jahr 2014 in einer Vielzahl von Bundesländern Kommunalwahlen stattgefunden haben, ist der Beitrag zu Rechten und Pflichten von Aufsichtsräten in Gesellschaften in kommunaler Trägerschaft zu sehen. Wir möchten u. a. eine erste Orientierung für neue und alte Amtsträger geben. Darüber hinaus stellen wir aus aktuellem Anlass eine wettbewerbsrechtliche Thematik vor: Im Rahmen von Transaktionen im Krankenhausbereich sind regelmäßig auch Fragen des Kartellrechts relevant. Dies gilt es auch bei Fusionen zwischen Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft zu beachten, wie eine von uns kommentierte aktuelle Verfügung des Bundeskartellamtes zeigt. Wir möchten damit auch inhaltlich den Bogen zu dem von RBS RoeverBroennerSusat im Frühherbst mitausgerichteten „Kongress kommunale Krankenhäuser“ im Haus der IHK Potsdam spannen, in dessen Rahmen die Referenten vielfältige Aspekte der Kooperation zwischen kommunalen Krankenhäusern beleuchten. Der Beitrag zum Honorararzteinsatz hat hingegen fast schon den Charakter eines Fortsetzungsromans, was jedoch weniger unseren literarischen Präferenzen als vielmehr den fortbestehenden Rechtsunsicherheiten in diesem Bereich geschuldet ist. Erneut geht es dabei um Fragen der Vergütung von wahlärztlichen Leistungen und der Sozialversicherungspflicht. Weitere Informationen über aktuelle Veranstaltungen und Veröffentlichungen aus unserem Hause erhalten Sie auch auf unserer Homepage unter www.rbs-partner.de sowie der Webpräsenz der RBS RoeverBroennerSusat Rechtsanwälte unter www.rbs-legal.de. Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre. Ihre Partner von RBS RoeverBroennerSusat

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Im Überblick: Das MVZ im Spiegel der jüngeren Rechtsprechung Seit seiner Einführung in den Kreis der vertragsärztlichen Leistungserbringer im Jahr 2004 hat sich das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) fest im vertragsärztlichen Versorgungsmarkt etabliert. Die Zahl zugelassener MVZ steigt – bei etwas abflachender Zuwachsrate – weiterhin stetig. Bestanden zum Jahresende 2005 erst 341 MVZ, so betrug deren Zahl zum 31. Dezember 2013 bereits 2.006. Der Anteil von MVZ in Trägerschaft von Krankenhäusern beträgt dabei rund 40 % (795). Die gesetzgeberischen Aktivitäten in jüngerer Zeit sind aus Krankenhausträgersicht jedoch eher als restriktiv zu bewerten. Wir skizzieren die neueste MVZspezifische Rechtsprechung. Die mit Wirkung vom 1. Januar 2012 bzw. 2013 in Kraft getretenen Regelungen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes (GKV-VStG) haben den Kreis zulässiger MVZGründer beschränkt, bestimmte Modalitäten der Führung von MVZ festgeschrieben und darüber hinaus die Zulassungsregelungen (insbesondere zur Nachbesetzung) nicht unerheblich umgestaltet (vgl. z. B. Langhoff, RBS Newsletter Health Care 1/2012, S. 4). Die zu diesen Regelungskomplexen ergangenen aktuellen gerichtlichen Entscheidungen sind nachfolgend zusammengestellt und kommentiert. Dabei ist zusammenfassend zu konstatieren, dass Urteilen, die den Bedürfnissen der Führung von Krankenhaus-MVZ entgegenkommen dürften (kein Mindestumfang der Tätigkeit des ärztlichen Leiters, flexible Nachbesetzungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten von [insbesondere: Krankenhaus-]Ärzten im MVZ), eher restriktive Entscheidungen in Zulassungsfragen gegenüberstehen (Entscheidungen über Ausschreibungen von Vertragsarztsitzen nur eingeschränkt überprüfbar, Einschränkung von Gestaltungsmöglichkeiten bei MVZ-Strukturierungen).

Kein zeitlicher Tätigkeitsumfang des ärztlichen Leiters eines MVZ Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat entschieden, dass der ärztliche Leiter eines MVZ auch mit einer Arbeitszeit von lediglich zehn Wochenstunden (Faktor 0,25) angestellt sein kann. Entgegen der Auffassung der Zulassungsgremien kenne das Gesetz insoweit keinen Mindesttätigkeitsumfang von 20 Wochenstunden (Urteil vom 9. April 2014 – S 1 KA 2/14, nicht rechtskräftig). Sachverhalt Die Zulassungsgremien weigerten sich, die ärztliche Leitung eines MVZ durch einen angestellten Facharzt mit einem Tätigkeitsumfang von 10 Wochenstunden anzuerkennen. Der ärztliche Leiter eines MVZ müsse mindestens mit 20 Wochenstunden angestellt sein. Dies ergebe sich daraus, dass ein Arzt zumindest halbtags beschäftigt sein müsse, um Mitglied der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zu werden, und insofern disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könne. Ein Verzicht auf den Mitgliedstatus des ärztlichen Leiters führe für den Bereich „niederschwelliger“ Pflichtverletzungen durch Nichtmitglieder, welche nicht die Grenze zur „gröblichen Pflichtverletzung“ erreichten, zu einem „sanktionslosen Rechtsraum“ zugunsten des MVZ.

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Entscheidung Das SG Nürnberg entschied zugunsten des klagenden MVZ. Aus dem Gesetzeswortlaut ergäben sich weder Anforderungen an den Mindestumfang der Beschäftigung eines angestellten Arztes im MVZ noch ein gesetzlich vorgeschriebenes Erfordernis einer KV-Mitgliedschaft der im MVZ beschäftigten Ärzte. Dies insbesondere auch dann nicht, wenn sie als ärztliche Leiter tätig seien. Ein MVZ müsse nach den gesetzlichen Regelungen über einen vor Ort tätigen ärztlichen Leiter verfügen, der die Verantwortung für die Organisation der ärztlichen Versorgung übernehme. Darüber hinausgehende Erfordernisse – wie die Mitgliedschaft in der KV – seien nicht vorgeschrieben. Auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei ein Mindestumfang nicht zu entnehmen. Vielmehr habe das Bundessozialgericht (BSG) ausgeführt, dass sich in Fällen, in denen ein personenbezogener Durchgriff für die KV nicht möglich sei, das MVZ als Leistungserbringer etwaige Pflichtverletzungen eines unterhalbschichtig im MVZ beschäftigten ärztlichen Leiters zurechnen lassen müsse (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 – B 6 KA 33/10 R). Praxishinweis Die klare Absage an einen Mindesttätigkeitsumfang des ärztlichen Leiters schafft gerade für Krankenhaus-MVZ Spielräume bei der administrativen Strukturierung des MVZ-Betriebs. Disziplinarrechtlich rechtsfreie Räume ergeben sich hieraus jedoch keinesfalls. Es ist im Gegenteil besondere Vorsicht geboten: Die Notwendigkeit der disziplinarrechtlichen Maßregelung eines ärztlichen Leiters kann zurücktreten, weil das MVZ als solches der Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigungen insoweit unterfällt, als sich das MVZ Pflichtverletzungen unterhalbschichtig im MVZ angestellter Ärzte zurechnen lassen muss. In diesen Konstellationen kann aber sogar regelmäßig die – praktisch viel einschneidendere – Disziplinarmaßnahme der Beantragung der Einleitung eines Zulassungsentziehungsverfahrens im Raume stehen.

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Vollzeittätigkeit im Krankenhaus steht vertragsärztlicher Tätigkeit als Pathologe mit hälftigem Versorgungsauftrag nicht entgegen Mit Urteil vom 13. Februar 2014 hat das SG Nürnberg entschieden, dass es für die Beurteilung der Zulässigkeit von weiteren, neben einer vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeübten Beschäftigungen maßgeblich darauf ankommt, ob es dem Vertragsarzt trotz dieser Tätigkeit möglich ist, seinen Versorgungsauftrag ordnungsgemäß wahrzunehmen. Dies sei bei einem in Vollzeit angestellten Chefarzt der Pathologie, der eine hälftige Zulassung begehre, zu bejahen (Az. S 1 KA 7/13, nicht rechtskräftig). Sachverhalt Der als Pathologe und Chefarzt eines Universitätsklinikums vollzeitbeschäftigte Kläger beantragte die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit hälftigem Versorgungsauftrag als Pathologe. Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Vollzeittätigkeit mit der Ausübung einer selbstständigen vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne von § 20 Ärzte-ZV nicht vereinbar sei. Aufgrund seiner Vollzeittätigkeit am Universitätsklinikum könne der Kläger – auch bei einem hälftigen Versorgungsauftrag – nicht kontinuierlich zur Verfügung stehen. Der Widerspruch blieb erfolglos. Entscheidung Das SG Nürnberg folgte der Auffassung des beklagten Berufungsausschusses nicht. Für die Zulässigkeit von weiteren Tätigkeiten neben einer vertragsärztlichen Tätigkeit nach Maßgabe von § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV komme es vor allem darauf an, ob der Vertragsarzt trotz der Arbeitszeiten im Angestelltenverhältnis in der Lage sei, den Patienten in einem dem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang zur Verfügung zu stehen. Dies sei vorliegend der Fall, denn im Gegensatz zu Ärzten anderer Fachrichtungen nehme ein Pathologe nicht an der unmittelbaren Behandlung von Patienten teil. Seine Tätigkeit beschränke sich – sowohl im Rahmen seiner stationären als auch der beabsichtigten ambulanten Tätigkeit – auf die Untersuchung des ihm von den behandelnden Ärzten zur Verfügung gestellten morphologischen Untersuchungsgutes. Ein persönlicher Kontakt zu den Patienten finde nicht statt. Wegen des für Pathologen geltenden Überweisungsvorbehaltes bestehe auch keine Verpflichtung zur Durchführung von Sprechstunden und Hausbesuchen. Praxishinweis Das SG Nürnberg stützt sich stark auf eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung von § 20 Ärzte-ZV. Ziel ist danach vor allem eine weitere Flexibilisierung der vertragsärztlichen Berufsausübung und eine Lockerung der zeitlichen Grenzen für Neubeschäftigungen von Vertragsärzten. Dies ist vor allem für den ambulanten Einsatz angestellter Krankenhausärzte interessant. Die Anknüpfungspunkte des SG Nürnberg dürften dabei vor allem in Fällen, in denen in Vollzeit angestellte niederlassungswillige Ärzte in patientenfernen und überweisungsgebundenen Arztgruppen tätig sind, argumentativen Spielraum eröffnen; eine weitergehende Übertragung erscheint eher zweifelhaft.

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Fortführung der Praxis eines ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Arztes durch psychologischen Psychotherapeuten zulässig Auch ein psychologischer Psychotherapeut kann die Stelle eines ausschließlich psychotherapeutisch tätigen – in einem MVZ angestellten – Arztes weiterführen. Darauf, dass ein ehemaliger Stelleninhaber und dessen Nachfolger Psychotherapien nach demselben Richtlinienverfahren durchführen, kommt es nach einem aktuellen Urteil des BSG für die Nachbesetzung der Stelle in einem MVZ nicht an (BSG, Urteil vom 2. Juli 2014 – B 6 KA 23/13, Urteilsgründe noch nicht veröffentlicht). Das BSG hat damit zugleich die herrschende untergerichtliche Rechtsprechung zu der Streitfrage, ob psychologische Psychotherapeuten anstelle ärztlicher Psychotherapeuten tätig werden können, im Ergebnis bestätigt. In dem der Entscheidung des BSG zugrundeliegenden Sachverhalt ging es zwar nicht um die Fortführung einer Praxis, sondern um die Besetzung einer Psychotherapeutenstelle in einem MVZ; der Rechtsgedanke der Entscheidung lässt sich jedoch auf das Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V übertragen. Tragende Erwägung des BSG ist dabei, dass sowohl psychotherapeutisch tätige Ärzte als auch psychologische Psychotherapeuten derselben Arztgruppe im Sinne der Bedarfsplanung angehörten. Im Übrigen stimme auch das Leistungsspektrum beider Gruppen weitgehend überein, weil beide Berufsträger die Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinie zu beachten hätten. Auf die Frage, ob der ehemalige Stelleninhaber und dessen Nachfolger Psychotherapien auch nach demselben Richtlinienverfahren (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, analytische Psychotherapie oder Verhaltenstherapie) durchführten, komme es für die Nachbesetzung der Stelle in einem MVZ nicht an. Die gesetzliche Regelung, nach der ein Anteil von mindestens 25 % den psychotherapeutisch tätigen Ärzten vorbehalten ist, stehe der Nachbesetzung durch eine psychologische Psychotherapeutin nicht entgegen, weil die genannte Quote auch nach erfolgter Nachbesetzung gewahrt bleibe. Konsequenz der Entscheidung sind flexiblere Nachbesetzungsmöglichkeiten. MVZ-Träger können bei der Nachbesetzung vorhandener Arztstellen danach einen größeren potenziellen Nachfolgerkreis ansprechen.

Bestehen von Zulassungsbeschränkungen rechtfertigt nicht per se Ablehnung eines Nachbesetzungsverfahrens Mit Urteil des SG Nürnberg vom 20. März 2014 – S 1 KA 46/13 liegt erstmals eine gerichtliche Entscheidung zu § 103 Abs. 3a SGB V in der ab 1. Januar 2013 geltenden Fassung vor. Allein das Bestehen von Zulassungsbeschränkungen in einem Planungsbereich reicht danach nicht aus, um ein beantragtes Nachbesetzungsverfahren abzulehnen. Zulassungsgremien müssen die Notwendigkeit der Nachbesetzung vielmehr konkret ermitteln. Das Urteil ist rechtkräftig.

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Sachverhalt Eine psychologische Psychotherapeutin wurde trotz bestehender Zulassungsbeschränkungen im Planungsbereich auf Grundlage des § 101 Abs. 4 Satz 5 SGB V (Sonderregelungen zur Förderung der psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen) zugelassen. In der Folge verzichtete sie auf ihre Zulassung und beantragte die Ausschreibung ihres hälftigen Versorgungsauftrages. Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen zur Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens nicht vorlägen. Zu prüfen sei, ob die Nachbesetzung des hälftigen Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen erforderlich sei. Da der Planungsbereich mit einem bestehenden Versorgungsgrad von 154,4  % für Zulassungen von Psychotherapeuten gesperrt sei, bestünden keine zusätzlichen Zulassungsmöglichkeiten für Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Eine Nachbesetzung des hälftigen Vertragsarztsitzes sei aus Versorgungsgründen danach nicht erforderlich und die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens abzulehnen. Entscheidung Das SG Nürnberg hat den beklagten Zulassungsausschuss auf die Klage der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns auf Neubescheidung unter Beachtung seiner Rechtsauffassung verurteilt. Das SG Nürnberg stellt fest, dass der Beklagte einen Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahren zwar grundsätzlich nach § 103 Abs. 3a Satz 3 SGB V ablehnen könne, wenn die Nachbesetzung des Vertragspsychotherapeutensitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich sei. Zur Notwendigkeit der Nachbesetzung aus Versorgungsgründen könne dabei jedoch nicht allein auf das Vorliegen von Zulassungsbeschränkungen abgestellt werden, da sich ein Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 3a SGB V gerade auf Zulassungen in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet seien, beziehe. In diesem Zusammenhang treffe den Zulassungsausschuss eine differenzierte Sachverhaltsaufklärungspflicht. Danach hätte die Versorgungssituation weiterhin anhand von Fallzahlen, Behandlungsstunden und im Hinblick auf die Erreichbarkeit und das Leistungsspektrum der Praxis überprüft werden müssen. Zudem hätte in die Entscheidung einbezogen werden müssen, welche Praxen die bisher versorgten Kinder und Jugendlichen weiterversorgen könnten und tatsächlich auch dazu bereit seien.

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Praxishinweis Das SG Nürnberg weist darauf hin, dass Entscheidungen, mit denen Zulassungsausschüsse die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens ablehnen – wie Entscheidungen in Zulassungssachen generell – nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich sind. Hierzu gehört insbesondere eine umfangreiche Sachverhaltsermittlung. Die Entscheidung des SG Nürnberg ist daher insofern als positiv zu bewerten, als der alleinigen Ermittlung des Versorgungsbedarfes anhand der Überprüfung auf Zulassungsbeschränkungen in dem jeweiligen Planungsbereich eine Absage erteilt wurde. Aufgrund des dem Zulassungsausschuss zustehenden Ermessensspielraums hinsichtlich der Entscheidung, ob ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wird, bleibt jedoch unter dem Regime von § 103 Abs. 3a SGB V das erhöhte Risiko einer entsprechenden Ablehnung. Damit gehen nicht unerhebliche wirtschaftliche Risiken für den antragstellenden Arzt einher, der gemäß § 103 Abs. 3a Satz 8 SGB V nämlich nur einen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis hat, wenn sein Vertragsarztsitz „eingezogen“ wird. Aus aktuellem Anlass ist in diesem Zusammenhang auf das am 23. Juni 2014 veröffentlichte Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen mit dem Titel „Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche“ hinzuweisen. Die sieben „Gesundheitsweisen“ empfehlen explizit, die bestehende gesetzliche Regelung einer in das Ermessen gestellten Nichtdurchführung des Nachbesetzungsverfahrens für den Fall, dass die Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich sei (§ 103 Abs. 3a Satz 3 SGB V), um eine zwingende Regelung zu erweitern. Es wird angeregt, zur verstärkten Förderung von Niederlassungen in unterversorgten Regionen ab einem arztgruppenspezifischen Versorgungsgrad von 200 % den obligatorischen Aufkauf frei werdender Arztsitze aller beplanten Gruppen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gesetzlich zu verankern. Wirtschaftliche Risiken für abgabewillige Vertragsärzte und MVZ-Träger würden entsprechend forciert.

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MVZ kann nicht Gründer und Gesellschafter weiterer MVZ und ihrer Rechtsträger sein Das Sozialgericht Marburg hat festgestellt, dass ein MVZ nicht seinerseits Gründer eines weiteren MVZ sein kann, da es nicht zum zulässigen Gründerkreis nach § 95 Abs. 1a SGB V gehört (Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2014 – S 12 KA 117/13). Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig; die Berufung ist beim Hessischen Landessozialgericht anhängig. Sachverhalt Im konkreten Fall hatte die Trägergesellschaft eines im Jahre 2010 noch nach alter Rechtslage zugelassenen MVZ, deren Alleingesellschafter ein Apotheker ist, im August 2012 die Zulassung eines weiteren MVZ beantragt. Der Zulassungsausschuss lehnte dies mit der Begründung ab, die beantragende Trägergesellschaft gehöre (aufgrund der durch das GKV-VStG eingeführten Einschränkungen) nicht (mehr) zu dem nach § 95 Abs. 1a SGB V zulässigen Gründerkreis. Entscheidung Das daraufhin angerufene SG Marburg hat die ablehnende Entscheidung des Zulassungsausschusses bestätigt. Weder aus der abschließenden Aufzählung des § 95 Abs. 1a SGB V (zugelassene Ärzte, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Abs. 3 SGBV, zugelassene oder ermächtigte gemeinnützige Träger) noch aus § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergebe sich ein Zulassungsanspruch. Zwar bestimme § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V, dass die sich auf Vertragsärzte beziehenden Vorschriften auf MVZ entsprechende Anwendung fänden, sofern keine abweichenden Regelungen vorlägen. § 95 Abs. 1a Satz 1, 1. Halbsatz SGB V stelle jedoch eine solche abweichende Regelung dar, denn Intention der Neuregelung durch den Gesetzgeber sei es gewesen, den Kreis der MVZGründungsberechtigten einzuschränken. Da zugelassene MVZ auch nach der Vorschrift des § 95 Abs. 1 Satz 6, 2. Halbsatz SGB V a. F. nicht zur Gründung eines MVZ befugt gewesen seien (eine im Übrigen durchaus nicht unbestrittene Auffassung), sei eine explizite Aufnahme von zugelassenen MVZ in den in § 95 Abs. 1a Satz 1, 1. Halbsatz SGB V n. F. genannten Kreis der MVZ-Gründungsberechtigten erforderlich gewesen, welche aber nicht erfolgt ist. Praxishinweis Zugelassenen MVZ-Trägergesellschaften wird damit die Möglichkeit verwehrt, (Tochter-)MVZ zu gründen. Dies widerspricht teilweise bisheriger Verwaltungspraxis der Zulassungsgremien. Bei konsequenter Umsetzung dieser Entscheidung sind daher auch zahlreiche bereits bestehende – durch ein MVZ gegründete – MVZ dem Risiko einer Zulassungsentziehung ausgesetzt. MVZ-Trägern ist danach zu empfehlen, der derzeit ungesicherten Rechtslage bei geplanten Akquisitionen durch entsprechende Vertragsgestaltung Rechnung zu tragen. Kompetente beraterliche Begleitung ist dabei ratsam – sprechen Sie uns an.

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Verlegung von Arztstellen zwischen MVZ unzulässig? Der Berufungsausschuss Hamburg hat jüngst die Verlegung von Arztstellen von einem MVZ auf ein anderes MVZ untersagt und damit Umstrukturierungen von MVZ unter Ausnutzung der durch das GKV-VStG geschaffenen Rückumwandlungsmöglichkeit von in MVZ gebundenen Arztstellen in Zulassungen eine Absage erteilt. Im konkreten Fall wollte ein MVZ-Träger Arztstellen eines von ihm betriebenen und in Bergedorf belegenen MVZ auf ein weiteres von ihm betriebenes MVZ mit Sitz in Harburg verlegen. Der Vorgang sollte durch eine Rückumwandlung in eine Zulassung mit anschließendem erneutem Zulassungsverzicht realisiert werden. Zulassungs- und Berufungsausschuss hielten die Konstruktion für rechtswidrig und lehnten die zugrundeliegenden Anträge ab. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn ein Arzt sich um eine Zulassung bemühe, nur um sie einen Augenblick später wieder abzugeben. Dies widerspreche dem Sinn und Zweck der Umwandlung einer Angestelltenstelle in eine selbstständige Zulassung, weil der Arzt auf diesem Weg das Recht erhalten solle, in eigener Praxis an der Patientenversorgung teilzunehmen und nicht mit Zulassungen zu „handeln“. Praxishinweis Diese Einengung widerspricht der Zielsetzung des GKV-VStG, in dessen Rahmen mit § 95 Abs. 9b SGB V eine Regelung geschaffen wurde, nach der ein Angestelltenarztsitz auf Antrag des angestellten Vertragsarztes wieder in eine originäre Zulassung rückumgewandelt werden kann. Mit den Regelungen des GKV-VStG war die Schaffung einer zielgenaueren und den regionalen Besonderheiten Rechnung tragende flexible Ausgestaltung der Bedarfsplanung sowie eine Lockerung der starren Planungsvorgaben auf verschiedenen Steuerungs- und Verantwortungsebenen des Gesundheitssystems beabsichtigt gewesen.

Norman Langhoff T +49 30 208 88-1448 E n.langhoff@rbs-partner.de Lena Simone Harmann T +49 30 208 88-1448 E l.harmann@rbs-partner.de

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Wenn Zulassungsausschüsse anderer Zulassungsbezirke der neuen Hamburger Spruchpraxis folgen, werden insbesondere Klinikträger damit in ihrer Möglichkeit zu einer flexiblen wirtschaftlichen Disposition beschnitten. Denn die Übernahme von Arztsitzen erweist sich als erhebliches Risiko, wenn bei Nichtwirtschaftlichkeit eines MVZ eine Übertragung des Arztsitzes auf ein anderes MVZ nicht möglich ist. Die gerichtliche Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage scheint daher sicher. Derweil sollten alternative Gestaltungsvarianten erwogen werden. Kompetente beraterliche Begleitung ist dabei ratsam – sprechen Sie uns an.

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Ermäßigter Umsatzsteuersatz für gemeinnützige Träger: Änderung der Rechtsprechung In seiner am 23. Juli 2014 veröffentlichten Entscheidung vom 20. März 2014 (Az. V R 4/13) äußert sich der Bundesfinanzhof (BFH) zu den Voraussetzungen, unter denen gemeinnützige Einrichtungen einen ermäßigten Umsatzsteuersatz in Anspruch nehmen können. Der Anwendungsbereich von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a, UStG ist danach künftig eingeschränkt. In dem Streitfall klagte ein gemeinnütziger Sportverein darauf, mit seinen Leistungen keine umsatzsteuerbefreiten – sondern steuerpflichtige – Umsätze durch die Überlassung sportlicher Infrastruktur erbracht zu haben, um in den Genuss eines Vorsteuerabzugs zu kommen. In der Entscheidungsbegründung nimmt der BFH dezidiert Stellung dazu, unter welchen Bedingungen der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG von gemeinnützigen Einrichtungen in Anspruch genommen werden kann. Der Sportverein wollte die Nutzungsüberlassung der Infrastruktur dem ermäßigten Steuersatz unterwerfen, um aufgrund der Steuersatzdifferenz zwischen regelbesteuerten Eingangs- und ermäßigten Ausgangsleistungen höchstmögliche Erstattungszahlungen vom Finanzamt zu erreichen. In § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG heißt es: „1Die Steuer ermäßigt sich auf 7 Prozent für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (…). 2Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. 3Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht.“ Nach ihrem Wortlaut knüpft diese Steuerermäßigungsvorschrift an das nationale Gemeinnützigkeitsrecht an. Sie wurde dementsprechend bisher dahingehend verstanden, dass (nichtumsatzsteuerbefreite) Leistungen, die gemeinnützigkeitsrechtlich der Sphäre der Vermögensverwaltung oder aber einem Zweckbetrieb zuzurechnen sind, in der Regel dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Dies ist nach der Entscheidung des BFH nicht mehr zulässig, da eine solche Anwendung das höherrangige und eigenständig auszulegende europäische Recht nicht zutreffend umsetzt. Die EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) erlaubt es den Mitgliedstaaten, einen ermäßigten Steuersatz zu erheben für „die Lieferung von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit, soweit sie nicht gemäß den Artikeln 132, 135 und 136 von der Steuer befreit sind.“ 1

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Nach dem Wortlaut des Unionsrechts können also nur Leistungen für wohltätige Zwecke oder alternativ im Bereich der sozialen Sicherheit dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden. Da die Vermögensverwaltung (Sportstättenvermietung, umsatzsteuerpflichtige Grundstücksüberlassung, z. B. Parkplätze, Option § 9 UStG, Sponsoring) nicht unmittelbar „bedürftigen“ Personen zugutekommt, sondern höchstens mittelbar diesen Zwecken dient, ist die Ermäßigung bei unionsrechtlich gebotener Auslegung nicht anwendbar. Entsprechende Leistungen unterliegen folglich dem Regelsteuersatz von 19 %. Aber auch zu dem Umfang der Ermäßigung bei Leistungen eines Zweckbetriebs nehmen der BFH bzw. Einzelrichter in der weiteren Kommentierung2 Stellung:

Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL i. V. m. Anhang III Nr. 15 zur MwStSystRL

1

Wäger (RiBFH), Sportvereine in der Umsatzsteuer: Steuerbare, steuerfrei und steuerermäßigte Umsätze, DStR 2014, 1517

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Förderung des Wohlfahrtswesens (§ 52 Abs. 2 Nr. 9 AO)

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Zum Beispiel Förderung des Gesundheitswesens (§ 52 Abs. 2 Nr. 3 AO), der Jugend- und Altenhilfe (§ 52 Abs. 2 Nr. 4) oder der Behinder tenhilfe (§ 52 Abs. 2 Nr. 10 AO)

4

Wissenschaft und Forschung (§ 52 Abs. 2 Nr. 1 AO), Kunst und Kultur (§ 52 Abs. 2 Nr. 4 AO), Sport (§ 52 Abs. 2 Nr. 21 AO) usw.

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Jens Krieger T +49 30 208 88-1280 E j.krieger@rbs-partner.de

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Das nationale Gemeinnützigkeitsrecht begünstigt neben wohltätigen Zwecken3 und solchen im Bereich der sozialen Sicherheit4 auch eine Reihe von anderen gemeinwohlorientierten Aktivitäten, z. B. die Förderung von Wissenschaft und Forschung, der Kunst und Kultur oder des Sports5. Die gemeinnützigkeitsrechtliche Zweckbetriebseigenschaft können solche Einrichtungen entweder nach der allgemeinen Zweckbetriebsdefinition (§ 65 AO) oder speziellen Vorschriften, z. B. Forschungseinrichtungen (§ 68 Nr. 9 AO), kulturelle Einrichtungen (§ 68 Nr. 7 AO) oder sportliche Veranstaltungen (§ 67a AO) erlangen. Sofern die Tätigkeit von Zweckbetrieben nicht auf wohltätige oder der sozialen Sicherheit dienende Zwecke ausgerichtet ist, dürfe eine Steuerermäßigung für steuerbare und nichtumsatzsteuerfreie Umsätze künftig jedoch nicht in Frage kommen. Der Frage, welche Leistungen wohltätigen Zwecken oder der sozialen Sicherheit dienen, wird daher erhebliche Bedeutung zukommen. Da die europäische Rechtsprechung hierzu noch in den Kinderschuhen steckt, verbleibt bei der Beurteilung zunächst erhebliche Rechtsunsicherheit. Diese Rechtsprechung ist rechtssystematisch im Sinne einer einheitlichen Anwendung des Umsatzsteuerrechtes zu begrüßen. Andererseits macht sie aufgrund der Abweichung von der bisherigen Verwaltungsauffassung die Überprüfung der umsatzsteuerlichen Behandlung sämtlicher in Frage kommender Umsätze erforderlich. Praxishinweis Da bisher nicht abzusehen ist, wie und gegebenenfalls mit welchen Übergangsregelungen die Finanzverwaltung auf das Urteil reagieren wird, sind zunächst die weiteren Reaktionen abzuwarten. Allerdings sollte bei allen Neuverträgen über entsprechende Leistungen darauf geachtet werden, die Umsatzsteuer jeweils „in der gesetzlichen Höhe“ zusätzlich zum Leistungsentgelt zu vereinbaren, um eine mögliche Steuersatzdifferenz gegebenenfalls vom Vertragspartner nacherheben zu können.

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Rechtliche Besonderheiten im kommunalen Aufsichtsrat In der kommunalen Praxis besteht das nicht unerhebliche Risiko, dass zwischen den Interessen einer Gemeinde, die mit einem privatrechtlich organisierten Unternehmen häufig die Erfüllung eines öffentlichen Versorgungsauftrages verfolgt, und den originären Unternehmensinteressen Konflikte bestehen. So können (politisch) erforderliche Maßnahmen aus Sicht einer wirtschaftlichen Unternehmensführung geradezu unvertretbar erscheinen. Der Beitrag skizziert vor allem Fragen des Weisungsrechts im kommunalen Aufsichtsrat und thematisiert darüber hinaus u. a. (auch haftungsrechtlich relevante) Fragen der Pflichten von Mitgliedern kommunaler Aufsichtsräte. Weisungsrechte im kommunalen Aufsichtsrat Als ein Beispiel für die eingangs angerissene Konfliktlage sei die Vornahme kostspieliger Investitionen in neue, moderne Ausstattung genannt, ohne dass gewährleistet ist, dass die aufzuwendenden Finanzmittel wieder erwirtschaftet werden können. Insoweit stellt sich regelmäßig die Frage, welchen Einfluss die Gebietskörperschaft auf die durch sie gewählten oder entsendeten Mitglieder, insbesondere in den Aufsichtsorganen – namentlich dem Aufsichtsrat –, des Unternehmens hat. Auch für kommunale Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform gilt grundsätzlich das jeweils einschlägige Gesellschaftsrecht (etwa das GmbHG), in dem u. a. die innergesellschaftliche Verfassung, namentlich die Rechte und Pflichten der Gesellschaftsorgane und ihrer Mitglieder, grundlegend geregelt ist. In der juristischen Fachliteratur unbestritten ist auch, dass das Gesellschaftsrecht als Bundesrecht dem Kommunalrecht grundsätzlich vorgeht. Vor diesem Hintergrund muss besonderen kommunalpolitischen Interessen regelmäßig durch entsprechende Regelungen in den Satzungen der kommunalen Unternehmen Rechnung getragen werden. Von zentraler Bedeutung ist regelmäßig die Frage des Bestehens bzw. der gesellschaftsvertraglichen Regelbarkeit eines Weisungsrechts der Gebietskörperschaft gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern. Im Aktienrecht gilt der Grundsatz der Weisungsfreiheit des Aufsichtsrates, der allein den Interessen des Unternehmens verpflichtet ist. Dieser Grundsatz findet auch auf den Aufsichtsrat einer – auch kommunalen – GmbH Anwendung, wenn es sich um einen sog. obligatorischen, also zwingend einzurichtenden, Aufsichtsrat handelt, etwa weil dies aufgrund der Vorschriften über die Arbeitnehmermitbestimmung, insbesondere des Drittelbeteiligungsgesetzes, vorgeschrieben ist. In diesen Fällen ist nämlich das einschlägige Aktienrecht auf den Aufsichtsrat anzuwenden.

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Lange umstritten war die Frage, ob die uneingeschränkte Weisungsfreiheit auch für den freiwillig eingerichteten (fakultativen) Aufsichtsrat einer GmbH gilt, auf den das Aktienrecht nur eingeschränkt und auch nur insoweit Anwendung findet, als im Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen getroffen sind (vgl. § 52 GmbHG). Diese Frage ist seit einiger Zeit höchstrichterlich durch das Bundesverwaltungsgericht entschieden (Urteil vom 31. August 2011 – 8 C 16/10). Danach ist die Weisungsfreiheit des Aufsichtsrates zwar der „gesellschaftsrechtliche Normalfall“, jedoch kein auch jenseits des Aktienrechts geltender allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Grundsatz. Vielmehr kann ein Weisungsrecht der Gebietskörperschaft gegenüber den von ihr entsandten oder gewählten Aufsichtsratsmitgliedern bestehen. Hierfür bedarf es allerdings regelmäßig einer entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes kann sich eine diesbezügliche Regelung, so sie nicht ausdrücklich getroffen wurde, auch aus der Auslegung des Gesellschaftsvertrages ergeben. Hierfür kann schon ausreichen, dass der Gesellschaftsvertrag überhaupt eigene – vom Aktienrecht abweichende – Regelungen für den Aufsichtsrat vorsieht und sich aus den kommunalrechtlichen Vorschriften ergibt, dass bei Beteiligungen an Gesellschaften privater Rechtsform ein ausreichender Einfluss der Gebietskörperschaft in den Aufsichtsorganen der Gesellschaft sichergestellt sein muss (im entschiedenen Fall war das Bestehen eines Weisungsrechts an den Aufsichtsrat in der Gemeindeordnung sogar ausdrücklich vorgeschrieben). In einem solchen Fall – so das Bundesverwaltungsgericht – sei davon auszugehen, dass die Gemeinde die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beteiligung an einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft einhalten wolle.

Weitergehende Fragen zu Rechten und Pflichten von Aufsichtsräten Neben der hier skizzierten Thematik des Weisungsrechts gegenüber Gemeindevertretern im kommunalen Aufsichtsrat stellen sich im Hinblick auf die Rechte und Pflichten von Aufsichtsratsmitgliedern eine Vielzahl weiterer Fragen, deren Beantwortung – insbesondere im Hinblick auf die zunehmend dynamische Diskussion betreffend die sog. Public Corporate Governance – im Fluss ist. Beispielhaft ist auf die Diskussion über die Gestaltung der Vergütung bzw. Aufwandsentschädigung von Aufsichtsräten in kommunalen Unternehmen sowie einer diesbezüglichen – etwaig zu gewährleistenden – Transparenz hinzuweisen.

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Ferner ist die Frage des Bestehens etwaiger Berichtspflichten kommunaler Vertreter im Aufsichtsrat gegenüber der Gebietskörperschaft, sowie hier etwaig konfligierender Verschwiegenheitsverpflichtungen gegenüber der Gesellschaft, nach wie vor nicht abschließend geklärt. Insoweit ist insbesondere der jeweils korrekte Berichtsadressat zu bestimmen, wobei zunehmend Einigkeit dahingehend besteht, dass jedenfalls beim obligatorischen Aufsichtsrat – trotz der Ausnahmetatbestände in §§ 394, 395 AktG – eine Berichterstattung gegenüber einem Kollektivorgan wie z. B. einem Gemeinderat nicht erfolgen darf und die Verschwiegenheitspflichten der Aufsichtsräte insoweit auch nicht durch Satzungsregelungen abgeschwächt werden dürfen. Bei einer kommunalen GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat wird dagegen für eine auch gegenüber dem Gemeinderat wirkende Schweigepflicht zum Teil eine ausdrückliche positive Satzungsregelung verlangt, weil der Rat als oberstes Gemeindeorgan unbeschränkt auskunftsberechtigt sei. Eine abschließende höchstrichterliche Klärung zu diesem Themenkomplex ist bisher jedoch nicht erfolgt. Praxishinweis Vor dem Hintergrund der Vielschichtigkeit der Fallgestaltungen und der fortwährenden Entwicklungen empfiehlt es sich, regelmäßig – insbesondere anlässlich etwaiger Neubesetzungen des Aufsichtsrates – Schulungen der Aufsichtsratsmitglieder durchzuführen. RBS RoeverBroennerSusat steht für derartige Schulungen mit unterschiedlichen Akzentuierungen einschließlich betriebswirtschaftlicher Themen im Rahmen der Ausübung der Überwachungsfunktion gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.

Dr. Henning Michels T +49 30 208 88-1412 E h.michels@rbs-partner.de

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Klinikfusionen und Kartellrecht Wie die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts vom 15. Mai 2014 zum geplanten Zusammenschluss der Kliniken in Esslingen zeigt, können geplante Zusammenschlussvorhaben für Krankenhäuser der kartellrechtlichen Fusionskontrolle nach §§ 35 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterliegen, und zwar nicht nur in privater, sondern auch in kommunaler und freigemeinnütziger Trägerschaft. Worum geht es? Die Stadt Esslingen betreibt mit dem Klinikum Esslingen mit 625 Planbetten in sieben Fachabteilungen und Spezialzentren das größte Krankenhaus im Landkreis Esslingen. Der Landkreis Esslingen betreibt die Kreiskliniken Esslingen an drei Standorten mit insgesamt 1.174 Betten in sieben Planabteilungen, weiteren Spezialzentren und zwei Medizinischen Versorgungszentren. Die von den beiden kommunalen Gesellschaftern geplante Fusion der Kliniken in Esslingen wurde nun laut Pressemitteilung des Bundeskartellamtes von den Wettbewerbshütern untersagt. Das Bundeskartellamt begründet seine Untersagungsentscheidung mit der Entstehung eines marktbeherrschenden Krankenhausträgers in der Region Esslingen und Kirchheim/Nürtingen, in denen keine weiteren Akutkrankenhäuser existieren. Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, wird hierzu mit den Ausführungen zitiert, durch den Zusammenschluss werde der bestehende Wettbewerbsdruck in der Region beseitigt. Ausweichalternativen z. B. in Stuttgart oder Tübingen würden sich für die Patienten nach den Ermittlungen des Amtes nur sehr begrenzt darstellen. Gerade weil der Krankenhausbereich spezifischer staatlicher Regulierung unterliege und es nur wenig Preisdruck gebe, sei es wichtig, Auswahlalternativen für die Patienten und damit den Qualitätswettbewerb zwischen den Krankenhäusern zu erhalten. Die Beteiligten haben nach dieser Pressemitteilung keine zusammenschlussbedingten Vorteile darlegen können, die nicht im ähnlichen Umfang durch weniger wettbewerbsschädliche Alternativen hätten erzielt werden können. Alternativen, wie etwa eine Beteiligung anderer Krankenhausträger, hätten die beteiligten Kommunen von vornherein ausgeschlossen. Dieser Einzelfall belegt die herausragende Bedeutung der kartellrechtlichen Fusionskontrolle für geplante Klinikfusionen, die eben auch deswegen scheitern können, weil die Untersagungsvoraussetzungen nach GWB erfüllt sind. Losgelöst von dem vorliegenden Fall lassen sich folgende Feststellungen für Klinikfusionen aus kartellrechtlicher Sicht treffen: Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahre 2008 sind die §§ 35 ff. GWB auf Klinikfusionen anwendbar, denn Krankenhausträger sind Unternehmen i. S. d. GWB und es gibt keine Bereichsausnahme für den regulierten Markt der Krankenhäuser (eine solche ist auch durch die letzte 8. GWB-Novelle aus dem Jahre 2013 nicht geschaffen worden).

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Kommunale Krankenhausträger unterliegen der kartellrechtlichen Fusionskontrolle ebenso wie private und freigemeinnützige Träger. Das GWB stellt auf die Unternehmenseigenschaft, nicht auf die Unterscheidung zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Hand ab. Fusionskontrolle findet durch das Bundeskartellamt immer dann statt, wenn die nach dem GWB geregelten Schwellenwerte überschritten sind. Ist dies der Fall, dann unterliegt das Zusammenschlussvorhaben der materiellen Fusionskontrolle. In Anlehnung an das Europäische Fusionskontrollrecht ist nach der 8. GWBNovelle ein Zusammenschluss vom Bundeskartellamt nach § 36 Abs. 1 GWB zu untersagen, durch den ein wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt. Der Fall aus Esslingen macht deutlich, dass das Bundeskartellamt den sachlich relevanten Markt nach den angebotenen akutstationären Krankenhausleistungen und den räumlich relevanten Markt nach den ermittelten Patientenströmen in der jeweiligen Region (Einzugsgebiet) bewertet. Die Presseerklärung in diesem jüngst entschiedenen Fall, insbesondere durch das oben wiedergegebene Zitat, macht deutlich, dass das Bundeskartellamt wegen des bekanntermaßen nur sehr eingeschränkt existierenden Preiswettbewerbs der Krankenhäuser untereinander Qualitätswettbewerb sowie Auswahlalternativen für Patienten als besonders wichtig ansieht. Dass durch die Fusion Qualität verbessert und bei schwieriger wirtschaftlicher Situation der Erhalt der betroffenen Klinikstandorte erst gesichert werden kann, muss in die Gesamtbeurteilung des Fusionsvorhabens einfließen, kann aber einer vom Bundeskartellamt festgestellten, wettbewerbsschädlichen Fusion nicht zur kartellrechtlichen Freigabe verhelfen. Praxishinweis Klinikfusionen, gerade auch im kommunalen Bereich, bei dem die Prüfung der einschlägigen Schwellenwerte wegen der Beteiligungsstruktur der Gesellschafter unter Umständen schwierig sein kann und in dem Vorgaben der politischen Entscheidungsträger und -gremien eine übergeordnete Rolle spielen, sollten bereits zu Beginn des Fusionsprojektes fundiert juristisch geprüft werden. In Zweifelsfällen empfiehlt sich unter Umständen eine frühzeitige Kommunikation mit dem Bundeskartellamt. Sollten sich erhebliche Bedenken an der kartellrechtlichen Zulässigkeit der Klinikfusion abzeichnen, sollten Gestaltungsalternativen frühzeitig geprüft und ggf. berücksichtigt werden.

Dr. Tatjana Ellerbrock T +49 30 208 88-1400 E t.ellerbrock@rbs-partner.de

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Aktuelle Rechtsprechung zum Honorararzteinsatz Der Einsatz von Honorarärzten ist in der Praxis vieler Krankenhäuser inzwischen kaum mehr wegzudenken. Gesetzlich zwar nur partiell geregelt, ist die honorarärztliche Tätigkeit rechtlich anerkannt. Dennoch birgt der Einsatz von Ärzten auf Honorarbasis weiterhin rechtliche und praktische Schwierigkeiten. Im Fokus stehen regelmäßig Fragen der Vergütungsfähigkeit honorarärztlicher Leistungen und sozialversicherungsrechtliche Implikationen beim Einsatz von Honorarärzten. Wir werten die einschlägige aktuelle Rechtsprechung aus. Abrechenbarkeit honorarärztlicher Leistungen als Wahlleistung Unverändert weigern sich private Krankenversicherer teilweise, durch Honorarärzte erbrachte Wahlleistungen zu vergüten. Seitens der Versicherungswirtschaft wird dabei hauptsächlich eingewandt, § 17 Abs. 3 KHEntgG stehe einer Abrechnung entgegen, da die operative Hauptleistung honorarärztlich im Krankenhaus erbracht werde und damit keine gesondert berechenbare Leistung nach § 17 Abs. 3 KHEntgG im Sinne einer Wahlleistung vorliege. Zudem stehe der Erstattung auch die Rechtsprechung des BGH entgegen, wonach nur der Chefarzt dem Grunde nach die Wahlleistung erbringen dürfe. Im Übrigen sei der Honorararzt auch kein Wahlarzt nach § 17 Abs. 3 KHEntgG, da dort nur angestellte und verbeamtete Ärzte genannt seien. Die bisher zu diesem Komplex ergangene Rechtsprechung ist und bleibt auch weiterhin uneinheitlich, wie die nachstehenden Entscheidungen zeigen. LG Kempten: Auch selbständiger Honorararzt kann Wahlarztleistungen nach § 17 Abs. 3 KHEntgG erbringen Das Landgericht (LG) Kempten hat jüngst entschieden, dass ein niedergelassener Vertragsarzt, der stationäre Leistungen erbringt (Honorararzt), liquidationsberechtigt für Wahlleistungen sein kann, auch wenn er nicht am Krankenhaus angestellt oder beamtet tätig ist (Urteil vom 30. April 2014 – 51 S 1227/13). § 17 Abs. 3 KHEntgG erfordere nicht, dass der primäre ärztliche Vertragspartner den Patienten untersucht, bevor weitere liquidationsberechtigte Ärzte tätig werden. Der klagende – zugleich als niedergelassener Arzt tätige – Honorararzt machte einen Honoraranspruch gegen eine gesetzlich versicherte Patientin geltend. Die Beklagte hatte die Praxis des Klägers aufgesucht und vereinbart, dass dieser nach stationärer Krankenhausaufnahme der Beklagten bei dieser als niedergelassener Arzt eine Bandscheibenoperation als Privatleistung durchführen sollte. Die Beklagte unterzeichnete hierzu eine Wahlleistungsvereinbarung, wonach sie als gesondert berechenbare Wahlleistungen eine sog. Wahlarztbehandlung durch den Kläger wünschte. Nach Behandlungsabschluss wandte die Beklagte ein, dem geltend gemachten Honoraranspruch stünde die gesetzliche Regelung über Wahlleistungen gemäß § 17 Abs. 3 KHEntG entgegen, wonach nur am Krankenhaus angestellte Ärzte zur Durchführung von Wahlleistungen berechtigt seien. Das LG Kempten gab der Zahlungsklage statt. Die Regelung des § 17 Abs. 3 KHEntG stehe dem grundsätzlich aus dem Behandlungsvertrag folgenden Honoraranspruch nicht entgegen.

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Soweit dort die Erstreckung von „Wahlleistungen“ auf an der Behandlung der Patienten „beteiligte, angestellte oder beamtete Ärzte des Krankenhauses einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses“ erfolge, ergebe sich hieraus kein Ausschluss des Klägers. § 17 Abs. 3 KHEntG stelle weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck eine (die Unwirksamkeit des Behandlungsvertrages begründende) Verbotsnorm dar. Im Gegenteil sollten mit der Erstreckung des Leistungsspektrums auch weitere Ärzte zusätzlich neben den angestellten und beamteten Ärzten des Krankenhauses in einer Wahlleistungsvereinbarung eingebunden werden können. Dies ergebe sich auch aus § 18 und § 19 KHEntG, wonach andere Ärzte zur Leistungserbringung im Krankenhaus mit eigener Liquidation befugt seien. Auch der BGH habe festgestellt, dass die Durchführung von Wahlleistungen durch externe Ärzte dem Ziel des Patienten diene, durch einen Arzt seines Vertrauens behandelt zu werden (Urteil vom 4. November 2010 – III ZR 323/09). Auch könne der Formulierung „außerhalb des Krankenhauses“ in § 17 Abs. 3 KHEntgG nicht entnommen werden, dass ein niedergelassener Arzt nicht im Krankenhaus (örtlich) tätig werden dürfe, sondern dass der insoweit eingebundene Arzt als Leistungserbringer personell eben nicht zwingend dem Kreis der Krankenhausärzte angehören müsse. Eine andere Bewertung führe zu einer den Patienten u. U. unnötig belastenden Situation, da der stationär aufgenommene Patient für die Durchführung der wahlärztlichen Leistung in die Praxis des beigezogenen Arztes transportiert werden müsse, was auch mit einem unnötigen Versorgungsaufwand für den Krankentransport verbunden sei. LG Düsseldorf: § 17 Abs. 3 KHEntgG steht Liquidation durch Kooperationsarzt entgegen Anders als das LG Kempten hat das LG Düsseldorf die Regelung in § 17 Abs. 3 KHEntgG eng ausgelegt und die Abrechenbarkeit von Wahlleistungen durch einen nicht angestellten oder verbeamteten Krankenhausarzt abgelehnt (Urteil vom 6. März 2014 – 21 S 187/12). Die – recht knapp begründete – Entscheidung erging zu einem Sachverhalt, in dem der Behandlung sowohl ein Behandlungsvertrag mit dem Krankenhausträger als auch eine Vereinbarung mit dem Honorararzt zugrundelag. Das Gericht gab der Zahlungsklage eines Privatversicherers gegen den liquidierenden Honorarwahlarzt statt. Zuvor hatte der Versicherer seiner Versicherungsnehmerin, die die an sie gerichtete Rechnung des beklagten Honorararztes beglichen hatte, den gezahlten Rechnungsbetrag gegen Abtretung aller eventuellen Rückforderungsansprüche erstattet. Unter Anschluss an die explizit genannte Rechtsprechung des LG Kiel und entgegen der Rechtsprechung des LG Würzburg (beide Entscheidungen sind im RBS Newsletter Health Care 1/2014, S. 5 [8] besprochen worden) führte das LG Düsseldorf aus, dass der eng gefasste Wortlaut in § 17 Abs. 3 KHEntgG der Liquidation durch einen nicht im Krankenhaus angestellten Arzt entgegenstehe. Eine abweichende privatvertragliche Abrede, die eine Liquidation durch „alle an der Behandlung des Patienten beteiligten Ärzte“ vorsieht, sei ebenfalls unzulässig, da § 17 Abs. 3 KHEntgG als zwingendes Recht ein Verbotsgesetz darstelle und abweichende Vereinbarungen daher unwirksam seien.

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Praxishinweise Die Entscheidung des LG Kempten trägt in praktischer Hinsicht dem Umstand Rechnung, dass in der Versorgungsrealität insbesondere in strukturell schwachen Gebieten eine flexible Zusammenarbeit von Krankenhäusern mit niedergelassenen Ärzten erforderlich ist. Darüber hinaus ermöglichen Wahlleistungsvereinbarungen dem Patienten eine aus Patientensicht bestmögliche spezialisierte Versorgung – ggf. auch durch externe Ärzte. Die Entscheidung des LG Düsseldorf hingegen orientiert sich streng am Gesetzeswortlaut und verneint auch die Zulässigkeit individualvertraglicher Abweichungen von § 17 Abs. 3 KHEntgG. Eine abschließende Klärung der Frage der Vergütungsfähigkeit honorarärztlicher Wahlleistungen steht daher weiterhin aus; die Rechtsprechung bleibt uneinheitlich (vgl. auch die Beiträge in den RBS Newslettern Health Care 1/2014, 2/2013 und 1/2013).

Risiko „Scheinselbstständigkeit“ beim Honorararzteinsatz Sowohl die Sozialversicherungsträger als auch die Steuerbehörden bewerten bekanntlich den Einsatz von Honorarärzten in Krankenhäusern in vielen Fällen – mit den entsprechenden rechtlichen Konsequenzen (insbesondere Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen) – als unzulässige Scheinselbstständigkeit. Zuletzt hatte das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschieden, dass die Tätigkeit eines Honorararztes schon deshalb als abhängige Beschäftigung eingestuft werden müsse, weil vergütungsfähige Krankenhausleistungen prinzipiell nur durch angestellte Ärzte erbracht werden dürften (Urteil vom 17. April 2013 – L 5 R 3755/11; vgl. dazu Langhoff, RBS Newsletter Health Care 2/2013, S. 9). Unabhängig von dem (weiter offenen) krankenhausrechtlichen Streitpunkt der Abrechenbarkeit von von Honorarärzten erbrachten Leistungen hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz in einer jüngeren Entscheidung im Rahmen eines Vergütungsrechtsstreites zwischen Honorararzt und Krankenhausträger mit Abgrenzungsfragen der organisatorischen Eingliederung und der Weisungsgebundenheit eines Honorararztes auseinandergesetzt (Urteil vom 26. September 2013 – 1 U 1500/12). OLG Koblenz: Auf Honorarbasis in Arbeitsabläufe der chirurgischen Station integrierter Oberarzt, der die von ihm übernommenen Dienstleistungen in freier Zeiteinteilung durchführt, hat Vergütungsanspruch aus selbstständiger ärztlicher Tätigkeit Der klagende Arzt war (auf Grundlage einer mündlichen Absprache) als Honorararzt mit dem Aufgabenfeld eines Oberarztes auf der in dem Krankenhaus der Beklagten betriebenen chirurgischen Station tätig. Als Vergütung waren für die Tätigkeit im Regeldienst (7.30 bis 16.30 Uhr) ein Stundensatz von EUR 85 und für die Tätigkeit im Rahmen der Rufbereitschaft ein Stundensatz von EUR 42 vereinbart. Die Dienste wurden dem Kläger nicht zugewiesen, sondern von ihm nach entsprechender Anfrage einvernehmlich übernommen. Ein Weisungsverhältnis der Beklagten bestand nicht; der Kläger konnte jederzeit Einsätze ablehnen. Dem Kläger stand in den Räumlichkeiten der Notfallambulanz ein Dienstzimmer zur freien Verfügung.

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Der Kläger machte einen Restvergütungsanspruch aus seiner Tätigkeit als selbstständiger und freiberuflicher Honorararzt im Krankenhaus der Beklagten geltend. Die Beklagte lehnte die Erstattung dieser Ansprüche mit der Begründung ab, der im Regeldienst und der Rufbereitschaft eingesetzte Kläger sei wie alle anderen Ärzte den Dienstplänen der Beklagten unterworfen gewesen; er habe wie alle anderen Ärzte der Weisungsbefugnis des Chefarztes unterlegen. Für außerhalb der Regelarbeitszeit liegende Tätigkeiten obliege dem Kläger die Nachweis- und Dokumentationspflicht. Entscheidung Das OLG Koblenz gab der Zahlungsklage teilweise statt. Im Rahmen seiner Tätigkeit als freier Honorararzt habe der Kläger nicht nur die üblichen Oberarzt-Aufgaben wahrzunehmen gehabt, sondern er sei auch in der Notfallambulanz eingesetzt worden und habe umfangreiche, an sich zum Aufgabenbereich des Chefarztes gehörende Gutachtertätigkeiten durchgeführt. Ein „Regeldienst“ im Sinne einer bestimmten Arbeitszeit, wie er für die Arbeitnehmer des Krankenhauses gelte, sei mit ihm gerade nicht vertraglich vereinbart worden; er habe vielmehr seine Aufgaben regelmäßig bis in die Abendstunden hinein abgewickelt. Die – insofern unstreitig – mit dem Personalleiter der Beklagten getroffene Vereinbarung belege, dass die Beklagte auch für die Zeiten des „Hintergrunddienstes“ die Vergütungspflicht entsprechend der „normalen Oberarzttätigkeit“ anerkannt habe. Die Selbstständigkeit der Tätigkeit des Klägers zeige sich auch dadurch, dass dieser (gerade) in zeitlicher Hinsicht keinem Weisungsrecht der Beklagten respektive der ärztlichen Leitung des Krankenhauses unterlegen habe. Eine entsprechende Dienstanweisung habe nach der – mündlichen – Absprache in jedem Einzelfall eines entsprechenden (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Einvernehmens mit dem Kläger bedurft. Etwas anderes folge auch nicht aus der Vereinbarung eines sog. Regeldienstes (Kernarbeitszeit) für alle Beschäftigten im Krankenhaus. Denn im Verhältnis zum Kläger finde dieses seine Grundlage nicht in der Ausübung eines Direktionsrechts, sondern einzig in einer individuellen (dienst-)vertraglichen Abrede. Der Kläger sei demzufolge – in den Grenzen der beim Chefarzt verbliebenen fachlichen Prärogative – zur grundsätzlich freien zeitlichen Einteilung der von ihm übernommenen Dienstleistungen berechtigt gewesen. Praxishinweis Die Entscheidung betrifft in erster Linie Fragen der jeweiligen Darlegungslast für geleistete Mehrarbeit, wobei das Gericht u. a. zwischen Dienststunden während und außerhalb der Regeldienstzeit bzw. Rufbereitschaft differenziert. Darüber hinaus kann das Urteil aber gerade auch in Auseinandersetzungen mit der Rentenversicherung Bund bei Auseinandersetzungen hinsichtlich des Bestehens eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nützliche Argumentationslinien liefern. Dessen ungeachtet und in Anbetracht der differierenden Ansichten in der Rechtsprechung im Hinblick auf den Einsatz von Honorarkräften im Krankenhaus ist ein Ende der Rechtsunsicherheit dennoch nicht in Sicht. Schon aus diesem Grund ist weiterhin Vorsicht bei dem Einsatz von Ärzten im Krankenhaus auf Honorarbasis geboten. Eine sorgfältige Vertragsgestaltung ist daher unerlässlich – sprechen Sie uns an.

Norman Langhoff T +49 30 208 88-1448 E n.langhoff@rbs-partner.de Lena Simone Harmann T +49 30 208 88-1448 E l.harmann@rbs-partner.de

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Ihre Ansprechpartner Rechtsberatung Dr. Tatjana Ellerbrock Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht, Fachanwältin für Arbeitsrecht

T +49 30 208 88-1400 E t.ellerbrock@rbs-partner.de

Prof. Dr. Jens Poll Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

T +49 30 208 88-1106 E j.poll@rbs-partner.de

Dr. Wolfgang Wawrzinek Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

T +49 40 415 22-106 E w.wawrzinek@rbs-partner.de

Norman Langhoff, LL.M. (Staffordshire) Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

T +49 30 208 88-1448 E n.langhoff@rbs-partner.de

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Wirtschaftsprüfung/Steuerberatung Gertrud R. Bergmann Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Diplom-Kauffrau

T +49 30 208 88-1954 E g.bergmann@rbs-partner.de

Ingo Fehlberg Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Diplom-Kaufmann

T +49 30 208 88-1232 E i.fehlberg@rbs-partner.de

Bert Franke Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Diplom-Kaufmann

T +49 30 208 88-1181 E b.franke@rbs-partner.de

Helmut Schuhmann Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Diplom-Kaufmann

T +49 30 208 88-1192 E h.schuhmann@rbs-partner.de

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Impressum Herausgeber RBS RoeverBroennerSusat GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Domstraße 15 20095 Hamburg Verantwortliche Redaktion WP/StB Dipl.-Kfm. Ingo Fehlberg Rankestraße 21 10789 Berlin T +49 30 208 88-1232 E i.fehlberg@rbs-partner.de Druckerei Max Siemen KG Oldenfelder Bogen 6 22143 Hamburg


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