RCKSTR Mag. #171 Oktober 2019

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TOMMY V Y M M O T MUSIK

#171 | OKTOBER 2019

DER WACHMACHER

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Wir sitzen in zerstrittenen Zeiten. Doch in Sachen Tommy Vercetti und seiner Bedeutung für den Schweizer Rap können sich vom Lyrics Magazin («Genie und Wahnsinn») bis zum, äh, ja: Pfarrblatt («prophetisch-biblische Tradition») scheinbar alle einigen. Die fulminanten, gesellschaftskritischen Textkreationen des Berners sind stets durch Poesie und Tiefgang hervorgestochen, haben dem hiesigen Hip-Hop Herz und Hirn verliehen. 2010 veröffentlichte er seinen Debüt-Longplayer «Seiltänzer». Der Geniestreich blieb fast zehn Jahre lang sein einziges Soloalbum, dazwischen feierte Tommy unter anderem Erfolge als Teil von Eldorado FM und der Glanton Gang. Jetzt legt er mit «No 3 Nächt bis Morn» seinen zweiten Einzellauf in Albumlänge vor – und war dabei doch nicht ganz allein. Massgeblich an der musikalischen Produktion beteiligt war nämlich Pablo Nouvelle. Normalerweise schlägt der Wahl-Zürcher ja sehr gekonnt die Brücke zwischen Soul und elektronischer Tanzmusik. Nun hat er für Vercetti vielschichtige «Insgesamt darf man Sound-Landschaften errichtet, durch die sich dessen Flow seinen Weg bahnen kann und dabei erneut für eine Sternstunde des Gensagen, Schweizer Rap res sorgt. Tommy Vercetti über die spannende Zusammenarbeit, hat sich unglaublich den Status Quo des Schweizer Hip-Hops und die anstehenden eidgenössischen Wahlen. (rec) vielfältig entwickelt, Neun Jahre liegt dein letztes Soloalbum zurück – wie hat sich die Schweizer Rap-Szene und das Genre in dieser Zeit verändert? Uh, ich würde sagen sehr stark! Zwischen 2008 und 2012 war so die Hochzeit von Eldorado FM, wir waren in dieser Zeit und Konstellation sehr stilprägend. Seither sind mindestens noch vier bis fünf «Wellen» durch den Schweizer Rap: der grosse Aufstieg von Lo und Leduc, Mimiks und der «041»-Hype, das gloriose Comeback von Zürich mit Leuten wie Xen oder Stereo Luchs, der Trap-Einfluss mit Pronto an der Spitze, schliesslich Berns gefühlter fünfter Frühling mit den S.O.S-Jungs – und last but not least: auch ein paar sehr spannende Frauen haben den Weg ins Spotlight gefunden! Insgesamt darf man sagen, Schweizer Rap hat sich unglaublich vielfältig entwickelt, musikalisch aber auch, was die Herkunft und den Hintergrund der Protagonisten und Hörer betrifft. Bemängeln würde ich vielleicht einzig, dass die Textebene in letzter Zeit ein bisschen vernachlässigt wird – hinsichtlich Lines sind die Eldorado-Zeiten glaub ich unerreicht. Aber das Positive überwiegt ganz klar. In der Zwischenzeit warst du ja nicht untätig und hast unter diversen Kollaborationen veröffentlicht. Gibt es Texte, Ideen und Inspirationen, die du dann aber doch lieber nur auf einer Platte unter eigenem Namen umsetzen willst? Oder gibt es für dich von der Herangehensweise keinen Unterschied, ob du als Teil eines Kollektivs oder solo kreierst? Oh doch, da gibt es sehr gewichtige Unterschiede. Etwas vereinfacht und natürlich offensichtlich könnte man sagen: je mehr Leute, umso weniger persönliche Tiefe, aber umso mehr Spass. Ein Solo-Projekt gibt dir halt die Möglichkeit, dich völlig auf die Themen und Fragen zu konzentrieren, die dich interessieren, und musikalisch genau die Vision umzusetzen, die dir vorschwebt

musikalisch aber auch, was die Herkunft und den Hintergrund der Protagonisten und Hörer betrifft»


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