REAL DRIVING LIFESTYLE MOTORMAGAZIN 02-2013 ISBN 978-3-942853-14-9
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iktat war gestern. „Zum Diktat, bitte!“ ist ein Satz, den in modernen Chefetagen wohl niemand mehr laut ausspricht. Die Zeit geht eben weiter und mit solchen schulmeisterlichen Formulierungen verbinden nur noch wenige Menschen den Beruf der Sekretärin. Diese Dame heißt inzwischen auch Assistentin.
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rüher bewahrten die Gatekeeperinnen auch noch Geheimnisse, heute machen sie schlicht und einfach den Chef noch besser. „Assistentinnenporsche“ ist noch nicht so gebräulich, „Sekretärinnenporsche“ allerdings schon, obwohl der Boxster noch besser geworden ist. Seit der Markteinführung des „kleinen Elfer“ im Jahr 1996 hält sich die Bezeichnung mit dem Fortbewegungsmittel der Bürodame. Bei einem Einstiegspreis ab 76.500.-DM (ca. 39.100.-€) wäre wohl „Chefsekretärinnenporsche“ passender gewesen. Sei´s drum, auch Häme muss man sich schließlich verdienen. Der Boxster kann den Spott gut verkraften. Inzwischen.
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ie ersten 986er (Porsche-Typenbezeichnung) sahen mit den Spiegeleier-Scheinwerfern nicht unbedingt umwerfend aus, waren aber bombig erfolgreich. Die Stuttgarter Entwickler hatten die Zeichen der Zeit erkannt und den Roadster-Boom auf Porsche-art interpretiert. Mittelmotor und sehr gute Fahrleistungen halfen dem Konzern aus der Krise. Die Gleichteilstrategie sparte außerdem Kosten. Im Rückspiegel war ein Boxster zwar nicht mehr von einem Elfer zu unterscheiden, aber ohne die neuen und jungen Kunden hätten die Schwaben dicht machen müssen. Da kann man ein wenig Enthusiastenkritik gut verkraften.
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eider klang der wassergekühlte 2,5-Liter-Sechszylinder-Boxer mit 204 PS nicht berauschend. Mit der frühen Tiptronic beschleunigte der Mittelmotorsportwagen so willig wie ein Gelenkbus, aber schlimmer noch: Er hörte sich auch so an! Das änderte sich bei der nächsten Boxstergeneration, dem 987. „Mit Die Spiegeleier-Leuchten kader frühen men weg und die Leistung stieg auf 240 PS (Boxster Tiptronic beschleuS: 280PS). nigte der MittelmotorDer neue Boxster, die sportwagen so willig wie dritte Generation heißt nun natürlich nach 986 ein Gelenkbus, aber schlimmer noch: Er und 987, na? Eben, 981. Vielleicht heißt hörte sich auch der neue Boxster 981, weil so an!“ die seitlichen Designelemente vom Carrera GT stammen und der 918 genannt wird? Wer das versteht kann auch finnisch. Apropos: In Finnland wurde ein Großteil der Boxster produziert. Wer es genau wissen will, kann es an der Fahrgestellnummer ablesen. Ein U steht für Uusikaupunki, ein S für Stuttgart. Ist der neue Boxster nun schöner, besser und kein Sekretärinnenfahrzeug mehr? Ja, ja und nein. Doch der Reihe nach.
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eu heißt nicht zwangsläufig besser und schöner. Im Kino sind Fortsetzungen zum Beispiel häufig ein Griff ins Klo.
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an denke nur an „Wallstreet“. Da war der erste Teil gut, aber der zweite unter aller Kanone. Nun war die erste Boxster-Generation optimierbar, die zweite schon besser und der Boxster 3.0 kann sich sowas von sehen lassen, dass man sich fast fragen kann, warum man sich einen Elfer leisten soll. Natürlich, weil man es sich leisten kann oder eben nicht. Davon abgesehen hat der kleinste Porsche jetzt wirklich die schönste Flanke ever.
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as sieht auch der Designer Mitja Borkert so und freut sich, dass der Boxster nun endlich eigene TĂźren hat, denn bisher stammten die vom groĂ&#x;en Bruder Die Flanke lehnt sich an die des Carrera GT an und sollte sofort einen Platz in DesignbĂźchern oder im Museum bekommen.
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ie Seitenansicht widerspricht dem Impuls im Fahrzeug Platz zu nehmen. So stimmig und richtig und wunderschรถn ist sie.
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a will man sich daneben auf ein Stühlchen setzen, gerne in der Sonne, ein Grinsen im Gesicht und sich über die Linien freuen. Freude vorm Fahren ist das Motto.
Beim Heck hat Designer Borkert ebenfalls alles richtig gemacht. Jetzt fährt kein Spoilerchen mehr nach oben, sondern ein Brett. Die Windabrisskante führt bis in die Rückleuchten hinein.
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ie ist stylish und ein praktisches Gestaltungsdetail der Karosserie. Das sieht gut aus und funktioniert. Mit „So muss Design!“, würde eine Elektrogeräteverkaufskette dafür werben lassen.
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ie Front ist bulliger, die Leuchten sind ausdrucksst채rker, die Gesamtansicht ist eigenst채ndig.
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ie Leistung stieg bei geringerem Verbrauch. Der neue „Kleine“ ist rund 50 Kilo leichter, hat 10 PS mehr und verbraucht 10% weniger.
„Der neue „Kleine“ ist rund 50 Kilo leichter, hat 10 PS mehr und verbraucht 10% weniger.“
Boxster: 2,7 Liter Hubraum mit 265 PS, Null auf Hundert: 5,7 Sekunden, Vmax: 262km/h, Preis knapp 50.000.-€.
Boxster S: 3,4 Liter Hubraum mit 315 PS, Null auf Hundert: 5,0 Sekunden, Vmax: 279km/h erhältlich für knapp 60.000.-€.
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prachlich gesehen hat der „Kleine“ von Porsche übrigens weder etwas mit Faustkampf noch mit Fußball zu tun. Trotz Flanke.
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as Kunstwort ist eine Kombination aus Boxer (vom Motor) und Roadster. Die Form zitiert den 550 Spyder, den 718 RS 60 und den 356 Roadster.
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o ist der Boxster eine Fortsetzung über die man sich freuen kann. Jeder Zentimeter Fahrstrecke macht Spaß. Mit geschlossenem Verdeck und offen. Die elektrische Stoffhaube öffnet und schließt in weniger als 10 Sekunden und das tut sie während der Fahrt bei bis zu 50 km/h.
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ie Sitze sind porschetypisch perfekt. Die Armaturen zitieren den 911er, der Mittelmotor klingt wie eine Rakete und die Lenkung ist so scharf und direkt wie ein guter Satz von Harald Schmidt.
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ie Bremsen sind über jeden Zweifel erhaben und das ESP so sportlich, dass es genügend Drift erlaubt und im Ernstfall dennoch früh genug eingreift. Wer kann nun den Boxster kaufen? Sekretärinnen und Sekretäre und ganz im Ernst: jeder mit gutem Geschmack und Sinn für Sportlichkeit.
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er Boxster ist nicht nur eine Fortsetzung, sondern eine gelungene Design-Evolution. Zur체ck zum Kino: Ganz nebenbei wird es von einem Kino-Film wohl kein Sequel geben: Titanic. Abgesoffen ist eben abgesoffen. Oder doch? Die Erlebnisse in der Werft beim Bau des Schiffes? Die Familie des Schiffsarchitekten beim Mittagstee? Der Hund des Kapit채ns, seine Herkunft und Aufzucht? Die Herstellung des Porzellans der 1. Klasse und die Anlieferung aus China mit einem anderen Schiff, das nicht sank ? Das Putzen des Porzellans der 1. Klasse im Anlieferungsschiff, das nicht sank?
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ie Herstellung der Porzellanputzt端cher in einer chinesischen Weberei und der Weg von dort zum Anlieferungsschiff, das nicht sank? Die Lieblingslieder der Titanic-Band als CD und ein Thriller 端ber den Kampf der Musiker gegen die fr端he GEMA? Fragen 端ber Fragen... Den Porsche Boxster gibt es zwar jetzt, aber ich freue mich auch schon auf den Nachfolger vom Nachfolger vom Nachfolger vom Nachfolger.
REAL DRIVING Impressum:
So funktioniert REAL DRIVING:
Verlag: Proremo GmbH Gernotstr. 8 80804 MÜNCHEN ISBN 978-3-942853-10-1
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Herausgeber: Reinhold Deisenhofer Redaktion: Mathew Wales Amy Werner Grafik und Layout: Niklas Herrmann Programmierung: Harald Öhl
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