Tschechien 2015

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REAL DRIVING LIFESTYLE MOTORMAGAZIN 08/2015 ISBN 978-3-942853-90-3


CONTENT TSCHECHIEN

PIL SEN

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PIL SEN


TSCHE IST M

als Bier und h端


ECHIEN MEHR

端bsche Frauen.


Die Wissenschaft hat festgestellt, dass bei 104% aller internationalen Miss-Wahlen tschechische Frauen zu den schรถnsten Titelaspirantinnen gehรถrten. Rein mathematisch gesehen, haben zwar die Damen aus Venezuela sechsmal gewonnen und die Tschechinnen nur im Jahr 2006, aber zweifellos waren Tschechinnen die charmantesten Bewerberinnen.




Das denke ich mir, als ich in Pilsen stehe. Nicht im Zentrum der Stadt, sondern etwas auĂ&#x;erhalb in den Räumlichkeiten der Brauerei Purkmistr. Da eine kleine Brauerei in Tschechien kaum eine Chance hat gegen die Riesen von Pilsner Urquell, Gambrinus, Budweiser, Staropramen und Co., muss man sich heutzutage schon etwas einfallen lassen.


Voilà und schon steht im Keller ein Bassin in dem speziell hautfreundliches Bier angesetzt wird, in dem man sich dann wunderbar entspannt räkeln kann. Zumindest denke ich das gerne, als ich die tschechischen Schönheiten in den Holzbadezubern und im Whirlpool sehe. Die Rezeptur für das Bierbad bleibt geheim, da ich beim Anblick der bezaubernnden Nixen etwas abgelenkt bin.




Ach ja, massieren kann man sich auch noch lassen. Weiter in Richtung Innestadt von Pilsen, denn wer eine Reise nach Tschechien plant, sollte nicht nur an Prag denken. Das 10-Millionen-Einwohner-Land hat viel mehr zu bieten. Das f채ngt schon hier in Pilsen an. Gleich 80 km hinter der Grenze liegt die Geburtsstadt des Pilsener Bieres.


Ein Deutscher, Josef Groll, hat uns im Jahr 1842 das erste Pilsener beschert. Ein Bier an dem fortan viel weniger Menschen erkrankten oder sogar starben. Unsere Altvorderen beliebten n채mlich bis dahin oberg채riges Bier mit interessanten Ingredienzen zu vermischen und benutzten jede noch so skurrile Zutat, um zu experimentieren.




Um den Geschmack zu verbessern oder genauer gesagt zu verändern, schütteten sie Knochen, Tierexkremente und Erde in das arme Gebräu. Das war so schlimm, dass die Menschen von dem Gesöff krank wurden. Wer sich zu viel von dem Gebräu hinter die arme Binde schüttete, verendete mitunter sogar unter grauenhaften Qualen daran.


Die Folge war, daß sich nicht mehr jeder „Bierforscher“ Bierbrauer nennen durfte. Die Deutschen in Pilsen nahmen das Ganze in die Hand und brauten ein untergäriges Bier. Das erste Pilsener der Welt. So ein Reinheitsgebot muss man sich eben auch erst einmal erarbeiten. Der Herr Groll machte aus Wasser, Hopfen und Malz ein großartiges Bier, das uns heute noch schmeckt.




Insgesamt gibt es in Tschechien 50 industrielle und 21 KleinstBrauereien. Der Qualit채t von Pilsner Urquellist auch daran zu erkennen, dass SABMiller die Brauerei aufgekauft hat und man daher Pilsner Urquell auf der ganzen Welt und in mehr als 1.400 Restaurants in Deutschland kaufen kann.


SABMiller ist der zweitgrößte Brauerei-Konzern der Welt nach Anheuser-Busch InBev. Dazu gehören neben Pilsner Urquell auch die legendären Flüssigkeiten von Gambrinus, Grolsch, Peroni, Ursus und Kozel (!).



120.000 Flaschen PRO STUNDE.


Die Pilsner Urquell Brauerei produziert fast 10 Millionen Hektoliter Bier pro Jahr. Das klingt vielleicht etwas zu abstrakt. Die Flaschenabf端llanlage schafft 120.000 (in Worten: einhundertzwanzigtausend) Flaschen pro STUNDE und die Dosenabf端llanlage 26.000 0,5-Liter-Dosen (bzw. 38.000 0,33-Liter-Dosen) pro Stunde. Prost.




Zusammenfassend kann man sagen: Bier macht Menschen also nicht nur lustig, sondern auch schรถn.



Damit die ganze Welt das und mehr auch mitbekommt, ist Pilsen die Europäische Kulturhauptstadt 2015. Hmmmm. Was macht man da und wer interessiert sich für so etwas? Insgesamt umfasst das Kulturhauptstadt-Programm mehr als 50 Shows und 600 Veranstaltungen nach der großen Eröffnungsfeier am 17.01.2015.


Da ehrt schon allein die Ernennung! Schließlich waren schon Berlin, Paris, Madrid oder Weimar europäische Kulturhauptstädte. Pilsen ist es gemeinsam mit Mons nun 2015. Mons liegt in Belgien und ist bekannt (oder auch nicht) für seine Waltrudiskirsche, den Belfried (ein Glockenturm) und das Museum für Pendeluhren.


Damit Pilsen bekannter wird als Mons, kämpfen ein netter Herr von der Intiatitive-2015 und seine etwas schüchterne Marketingfachkraft für Öffentlichkeit und sind dafür natürlich immer auf der Suche nach neuen Sponsoren. Journalisten haben meistens mehr Einfluss als Geld. Die 2015er Aktivitäten sollen also die Medienmacht mobilisieren und drücken aus, was wir vielleicht schon vermutet haben:


Tschechien ist nicht nur Prag und Pilsen hat mehr zu bieten als Bier. Nicht, dass das fast zu vermuten war. Aber, was das alles genau ist, wird bald klar. Das Stadttheater wird mit Millionenaufwand renoviert. Das ist schon einmal gut. Aber sonst?



Damit die B체rger in Tschechien und die Sponsoren besser hinter die Idee der Europ채ischen Kulturhauptstadt kommen, hat sich Pilsen einen Informationsbus geleistet. Dahinter steckt eventuell eine Idee aus den 70er Jahren im deutschen Fernsehen.


„Das feuerrote Spielmobil“ (1972-1981) war zwar rot, aber es gab die Protagonisten Biff, Wuff und Wummi und die könnten die Vorlagen für die Künstler in und auf dem Info-Bus gewesen sein. Dazu später mehr. Der „Pilsener“ Info-Bus ist mintgrün und hat Bullaugenfenster an der Seite. Hinten kommt bei Bedarf ein aufblasbares Iglu aus dem Bus.




Das hat Vorteile, wenn es regnet, aber Nachteile, wenn die Sonne darauf brennt. Unglaublichen Eindruck macht der 2015er-Pilsenbus durch einen seltsamen Mann mit orangefarbender Kleidung, der Faxen macht und seinen Kumpel mit silberner Fliegerkappe, der auf dem Bus Trompete bl채st. Der M체nchner Stadtindianer Willy Michl war nicht beteiligt, aber es sah fast so aus.




Die interessant gestalteten Stroh-Skulpturen auf der Wiese und das Blasmusikensemble machen im Verbindung dazu einen leicht skurrilen Eindruck. Das verstärkt sich noch, als Tuba, Posaune und Co. ausgerechnet beerdigungsmusikartige TÜne aus ihrem Repertoire anstimmen.






Eventuell, aber nur eventuell, ein kleiner Vorgriff auf die Auswirkungen der potenziell toxischen Leckereien auf den Organismus der Gäste. Rosé-Wein wird auch in Deutschland nicht besser, wenn man ihn stundenlang in der Sonne stehen lässt. Das gilt ebenso für köstliche Hackfleischbällchen.


De Vermutung, dass es sich um ein tschechisches IronieFestival handelt und versteckte Kameras das Treiben aufzeichnen, werden nicht best채tigt, aber auch nicht dementiert.










Auf jeden Fall ist die Altstadt schön. Die Jubiläumskirche ist beeindruckend und die modernen, goldglänzenden Brunnen davor sind bei Einkaufstüten tragenden Menschen mit häßlichem Schuhwerk beliebt als Ruhe- oder Treffpunkt.




Mitunter laden die Läden und Schaufenster zum Schmunzeln ein.Das gilt auch für einheimische Speisen. Da stehen mitunter CHEESE FINGERS oder „Pannierte Käsepommes mit Steakhausefrites“ auf der Speisekarte.




„EINGELEGTER HERMELIN“ ist kein ehemaliges Tierfell, sondern eine Camembert-Variation und Olmützer Quargeln sind panierte Käsescheibchen, die wie Harzer Roller schmecken und leider auch so riechen.


Die Stadtführung hat den Geist des wissbegierigen Touristen erhellt. Bisher noch nie bei „Wer wird Millionär?“ abgefragt, aber deshalb vielleicht um so wertvoller ist die Information, dass die Altstadt auf Arkoseuntergrund steht. Arkose ist ein Sandstein mit hohem Feldspatanteil. Feldspat ist seinerseits ein Gerüstsilikat und wird in reiner Form gerne zur Herstellung von Zahnersatz oder Steinzeugfliesen benutzt.




Arkose verwittert rötlich und ist nicht nur in Pilsen wichtig, sondern auch noch am Uluru, besser bekannt als „Ayers Rock“ in Australien. Sehenswert sind auch die historischen Keller. Das Nachtleben findet gerne dort, in Music-Clubs und in Bierstuben statt.


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Dann aber natürlich weiter nach Prag. Die tschechische Metropole besticht durch Touristenmassen und großartige Bauwerke. Sehenswerte Passagen mit kopfüber herumhängenden Pferdenerzählen wilde Geschichten von sich streitenden Künstlern und unheimlichen Verschwörungen.






Das Essen in Prag hat sich leider dem Geschmack von amerikanischen und japanischen Touristen angepasst. Auf dem Wenzelsplatz ist zu jeder Tages- und Nachtzeit viel los. Wirklich schön ist das aber nicht, denn ständig wird man von aufdringlichen Menschen befragt, ob man sich nicht in einem Cabaret, Stripteaseclub oder noch körperbetonterem Etablissement unterhalten lassen möchte.


Wer das nicht will, bekommt abschätzige bis böse Blicke entgegen geschmettert und wird mitunter beschimpft. Die charmanteste Ansprache ist dabei noch „Hey Mister LoverLover...“. Glücklicherweise besteht ja noch das „Rest-Tschechien“ um Prag herum. Brno oder Brünn ist eine herzallerliebste Stadt fast zwei Auto-Stunden entfernt.



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Eine interessante Innenstadt mit einigen Baus체nden l채sst die unglaublich schlechte Autobahn fast vergessen. Die alten Betonplatten mit Querfugen so breit wie Ziegelsteine sch체ttelnFahrzeuge und Lenker so nachhaltig durch, dass noch Stunden sp채ter die Knochen klappern. Papperlapapp, denn in Brno steht das Tugendhat-Haus.


Ludwig Mies van der Rohe - der Architektur- und Designgott hat es an einen HĂźgel im Norden der Stadt (Schwarzfeld) gestellt und damit den besten Grund geliefert nach Brno zu fahren. Die Unternehmerfamilie Tugendhat hat damit sich und Mies van der Rohe einen groĂ&#x;en Gefallen getan, denn das Bauwerk ist ein Meilenstein der modernen Architektur.




Klingt begeistert? Stimmt. Kann Architektur begeistern? Nat端rlich. Und dann wird sie zur Kunst. Jede Linie ist richtig.


Alle Details passen zueinander, die Gesamtheit macht ein Zimmer zum Raum. Die Stimmigkeit der Konzeption und die durchdachte Kombination von Form und Funktion machen den Besucher des Tugandhat- Hauses zun채chst sprachlos und dann ergriffen. Das beginnt schon beim Eingang.




Von den drei Meter hohen Decken 체ber die Garderobe bis zum T체rstopper passt jede Einzelheit und entwirft ein Gesamtbild, das uns heute so vertraut erscheint, weil Mies van der Rohe damit unsere Wahrnehmung gepr채gt hat.




1930 war das anders. Neu und so noch nicht in dieser Klarheit entworfen und umgesetzt, traf diese Art der Architektur auch auf Unverst채ndnis und deshalb Kritik. Das Bauhaus hat unser Leben zweifellos beeinflusst und l채sst uns seitdem nicht mehr los.




Warum mögen wir manche Ikea-Möbel, obwohl wir es hassen Einzelteile zusammenzuschrauben? Weil sie auf die Bauhaus-Entwürfe anspielen und uns dadurch vertraut erscheinen. Das Tugendhat-Haus steht auf 29 Stahlträgern. Sie sind in die Konstruktion integriert. Wenn sie sichtbar sind, werden sie, mit Chrom, verkleidet zum Gestaltungselement.


Von den Fenster- und Haltegriffen, zu den Wasserh채hnen, bis zum Lichteinfall im Badezimmer, ist alles durchdacht. Das Wohnzimmer setzt sich 체ber die Glasfront in den Park fort und verschmilzt mit der Terrasse, wenn die fast f체nf Meter breiten bodentiefen Fenster versenkt werden. 1.600 Kilogramm wiegt diese Konstruktion und funktioniert heute noch einwandfrei.






Die Trennwand zwischen Bibliothek und Wohnbereich besteht aus Onyxmarmor und leuchtet je nach Lichteinfall heller oder dunkler. Je nach Sonnenstand strahlt sie in grau 端ber ocker bis rot und nimmt die Stimmung der Umgebung auf.


Im Essbereich lässt sich der Tisch zur Tafel vergrößern. Dazu werden einfach weitere Kreissegmente angebaut oder entfernt. Die Klimatisierung erfolgt über den Keller und eine doppelte Temperierungs- und Luftreinigungsanlage. Die Außenluft strömt durch einen Filter, der mit Zedernöl beträufelt wird und danach durch eine Schicht aus Zedernholzsplittern.




Die Perfektion der Konstruktion reicht bis zur Ausarbeitung des Treppengeländers unter Berücksichtigung des Schattens auf den Stufen im Garten. Zum Glück und natürlich ist das Tugendhat-Haus ein UNESCO-Welterbe als Denkmal moderner Architektur. Nach dem Besuch des Tugendhat-Hauses vergesse ich sogar, dass mitten in Brünn ein Kraftwerk steht.


Darüber hilft auch ein sehr schönes Restaurant hinweg. Es heißt Pavillon und liegt in der Jezuitska 6. Was kommt nach Brünn? Natürlich Lednice. Das ist noch weiter im Osten und dort steht ein hübsches Schloss.



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Das Bauwerk aus dem 13. Jahrhundert ist eines der am meisten besuchten Baudenkmäler Tschechiens. Das Gut gehörte ursprünglich dem Geschlecht von Sirotek, doch dann kamen die Liechtensteiner. Es erhielt seine heutige Form im englischen Gotikstil von 1846 bis 1858.




Im beeindruckenden Treppenhaus verrenke ich mir den Hals beim Anblick eines enormen Kronleuchters. Schlossherr Eusebius von Liechtenstein bewies nicht nur bei der Gestaltung der offiziellen Räumlichkeiten außerordentlichen Geschmack, sondern auch im persönlichen Bereich:



Eine freistehenden Badewanne und ein WC mit Wassersp端lung boten bereits damals moderne hygienische Annehmlichkeiten.




Manche der Holztreppen sind aus einem einzigen Baum geschnitzt. Kleine Wunder, die einem den Atem verschlagen. Der Wohnsaal lässt die Gedanken Walzer tanzen. Hier hat das Herrschen bestimmt richtig Spaß gemacht. Obwohl sich Schloßßherr und -herrin auch mal nicht ganz so liebt hatten, erzählt man sich.


Eusebius ergötze sich gerne an den Bildnissen nackter Damen. So ein Gemälde ließ er an eine Wand hängen und ein Sofa genau gegenüber aufstellen. Seine Herzensdame fand das weniger witzig und ließ das Sofa unter das Bild stellen. Eusebius war aber schlau. Damit er die wohlgeformte Dame trotzdem betrachten konnte, durften die Untergebenen einen Spiegel an die Gegenseite hängen und schon war wieder alles in Ordnung.



Ist nun Tschechien eine Reise wert? Auf jeden Fall. Doch die Europ채ische Kulturhauptstadt Pilsen und Br체nn sind wesentlich charmanter als Prag. Und Bier ist nicht die einzige Fl체ssigkeit, die man dort trinken kann. Der tschechische Wein hat sich in den vergangenen Jahren sehr gut weiter entwickelt.


Mehr als 90% kommen aus der Gegend um Lednice. Die Sorte Hibernal ist stets eine Weinprobe wert und die tschechische Küche macht nicht nur mit böhmischen Knödeln satt. Sehr motivierte Köche zaubern aus Bio-Produktion leichte Köstlichkeiten und exzellente Süßspeisen. Es müssen ja nicht immer Olmützer Quargeln sein.


REAL DRIVING Impressum: Verlag: Proremo GmbH Gernotstr. 8 80804 MÜNCHEN ISBN 978-3-942853-90-3 Herausgeber: Reinhold Deisenhofer

Redaktion: Reinhold Deisenhofer Wolfgang Hoffmeister Mathew Wales Simon Fühler Sven Pauly Entwicklung: Harald Öhl, www.sib.io

Grafik und Layout: Niklas Herrmann Programmierung: Josef Rossmann Mark Deskowski Unipushmedia GmbH www.unipushmedia.net

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