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KELVIN VAN DER LINDE UND RICARDO FELLER

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EÍMEAR NOONE

EÍMEAR NOONE

Sie könnten verschiedener kaum sein. Redselig und feinfühlig der eine, verschwiegen und angriffslustig der andere. Genau deswegen bilden die DTM-Fahrer des Rennstalls ABT Sportsline ein ideales Team.

Wie sie mit 270 Sachen auf eine Kurve zurasen, wie sie im perfekten Moment bremsen, wie sie sich mit wenigen Zentimetern Abstand zum Gegner durch eine S-Kurve schlängeln: Wer Kelvin van der Linde, 27, und Ricardo Feller, 23, bei der Präzisionsarbeit unter Extrembedingungen, die sie ihren Job nennen, zusieht, erkennt auf den ersten Blick kaum Unterschiede zwischen den zwei DTM-Fahrern. Wer aber den Team-Funk mithört, bemerkt sie sofort. Kelvin ist auf Dauersendung, „ich will immer alles wissen“, sagt er, wie das Rennen läuft, wie die Gegner fahren. Ricardo hingegen: schweigt. „Was die anderen machen, interessiert mich weniger“, sagt er, „das kann ich eh nicht beeinflussen.“ Zwei Fahrer, zwei Typen, zwei verschiedene Stile hinterm Lenkrad – und gerade die machen sie als Team so stark.

Spagat auf Asphalt

Die DTM (vormals: erst Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft, dann Deutsche Tourenwagen-Masters) ist eine der traditionsreichsten Rennserien der Welt. Wenn sie am letzten Aprilwochenende in Oschersleben in die neue Saison startet, feiert sie ihren 40. Geburtstag. Und sie ist eine der härtesten. In kaum einer anderen Rennserie konkurrieren so viele Fahrer um die vorderen Plätze. Van der Linde und Feller wissen, wie schwer es ist, da zu bestehen – aber auch, wie man das schafft. Seit zwei Jahren fahren sie zusammen für das Team Abt Sportsline. Zweimal wurden sie gemeinsam Dritte in der Teamwertung. Jetzt, im dritten Jahr, wollen sie noch mehr erreichen.

Ihr Job ist ein Spagat: Sie sitzen allein im Cockpit, wollen Siege holen. Gleichzeitig fahren sie im Team, teilen sich mit dem Kollegen die Boxencrew, sollen sich bloß nicht gegenseitig die Runden kaputtmachen oder einander gar von der Strecke schießen. Das birgt Konfiktpotenzial. Und sieht man sich Feller und van der Linde so an, stellt sich schon die Frage, warum ausgerechnet die beiden so gut zusammen funktionieren.

Ihre Karrieren verliefen völlig unterschiedlich. Van der Linde, 27, wurde in Südafrika in eine Motorsportfamilie hineingeboren, Vater, Onkel, Großvater, alle fuhren Rennen. Er habe das „so ein bisschen im Blut“, sagt er. Doch der Schritt von Südafrika nach Europa ist groß. Mit achtzehn wagt er ihn, ohne Netzwerk oder großartige Förderung. „Das war ein extremer Kulturschock.“ Die Rennszene in Europa ist größer, professioneller, schon junge Fahrer reisen oft mit eigenem Trainer über den Kontinent. Van der Linde muss sofort abliefern, und er setzt sich durch. Mit 24 schafft er den Sprung ins DTM-Cockpit. „Ich hätte so einen Schritt vielleicht nicht gewagt“, sagt Ricardo Feller, 23. Weil es in seiner Familie keine Rennsporterfahrung gibt, auf die er hätte zurückgreifen können. „Aber ich bin rund um schöne Autos aufgewachsen“, sagt er. Sein Vater hat ein Autohaus samt Tuningfrma. Der Sohn sitzt schon als kleiner Junge im Leihkart, wird immer schneller, fährt bald auch Rennen außerhalb der Schweiz – und mit 22 in der DTM. Völlig verschiedene Wege also, beschritten von völlig verschiedenen Typen: Van der Linde ist ein offener, lockerer Kerl, „was man bei mir sieht, kriegt man auch“, sagt er. Feller dagegen ruht in sich selbst, macht „keine Welle“, wie er sagt. Aber: „Wir passen charakterlich gut zusammen“, sagt van der Linde. „Und wir respektieren uns“, fügt Feller hinzu.

Ausgleich, wenn’s mal hitzig wird

Am Ende sind es gerade diese Unterschiede, aus denen sie ihre Stärke als Team ziehen. Sie können sich in hitzigen Phasen ausgleichen, in schwierigen anspornen, in starken befügeln. Und weil sie unterschiedliche Herangehensweisen einbringen, entwickeln sie mehr Lösungen für Probleme, als wenn alle das Gleiche denken und tun.

Beispiel Auto. Van der Linde und Feller fahren den gleichen Audi R8 LMS GT3 evo II, aber ihre Fahrstile sind so verschieden, dass sie mit sehr unterschiedlichen Set-ups an den Start gehen, Sturz, Spur, Federung anders einstellen. Van der Linde fährt sein Auto „weicher“, weil er es mit sanften Berührungen am Lenkrad steuert. Feller bevorzugt einen aggressiveren Stil, dafür braucht er ein steiferes Auto. Der positive Effekt: Die Ingenieure, bei denen die Daten und Rundenzeiten zusammenlaufen, erhalten dank der unterschiedlichen Fahrstile und Set-ups ein breites Spektrum an Informationen. So kann das Team das Maximum herausholen aus den Autos – und den Fahrern.

Was da noch geht? Wird sich zeigen. Aber eines haben beide Piloten bei allen Unterschieden gemeinsam: An einem guten Tag können sie sehr weit vorne dabei sein.

Instagram: @ricardofeller1, @kelvinvanderlinde

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