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Simone Ashley
Sie hat mit 16 die Schule geschmissen und auf ihr Bauchgefühl vertraut. In der Serie «Bridgerton» beweist die Schauspielerin, dass sie ein Role-Model für Diversität und Empowerment ist.
Das mondäne TV-Festival in Monte Carlo ist gerade mal ein paar Stunden alt, als es auf dem roten Teppich zum ersten Mal laut wird. Vor dem Eingang des Grimaldi Forums, der Festival-Base mit direktem Blick aufs Meer, jubeln die Fans einer jungen Schauspielerin zu, die gerade aus einer Limo gestiegen ist, umringt von einem Stab von Assistenten. Fünf Minuten später wird sie der versammelten Presse gut gelaunt Fragen beantworten, von denen sie die meisten bestimmt schon tausend Mal gehört hat. Wie fühlt es sich an, als Frau mit indischen Wurzeln die Hauptrolle in einem Netfix-Hit zu spielen? Was war toller: die opulenten «Bridgerton»Kostüme oder ihr On-Screen-Love-Interest Anthony Bridgerton, gespielt von Jonathan Bailey?
Simones Antworten darauf sind vorhersehbar, der Verlauf ihrer Karriere war es aber nicht. Die 29 Jahre alte Engländerin verbucht bereits zwei fette Serienhits auf ihrem Konto, ist der Darling der Fashion-Welt (ihre glamouröse Spur führte dieses Jahr von der Met Gala in New York direkt zu den Filmfestspielen in Cannes) und zugleich Poster-Girl für eine ganze Generation junger Schauspielerinnen mit Migrationshintergrund. Simone Ashley, das Phänomen.
Es riecht nach Rebellion
Aber was ist das Geheimnis ihres Erfolgs? Um eine Antwort darauf zu fnden, müssen wir das Rad der Zeit zurückdrehen. Simone Ashley wuchs als Tochter indischer Einwanderer in Surrey, einem 30 000-Seelen-Städtchen südwestlich von London, auf. Ihre Eltern, ein konservatives Akademikerpaar, hatten eher verstaubte Ansichten, was das Showbiz angeht. Simones Vorliebe für Gesang und Musiktheater wurde mit konsequenter Ratlosigkeit begegnet, über Gefühle und Emotionen sowieso nicht geredet. All das erweckte in Simone früh etwas, was sie von da an auf ihrem weiteren Weg begleiten sollte und zu so etwas wie ihrem Kompass wurde. Allerdings zeigte dieser Kompass keine Himmelsrichtungen an. Vielmehr lehrte er sie, Schritt für Schritt, ihren Weg zu fnden. Er ist Simones ganz privates Rebellions-Navi. «Ich hatte nicht dieselben Privilegien und Möglichkeiten wie andere Mädchen meines Alters. Niemand in meiner Familie interessierte sich für Kunst. Die Entertainment-Industrie war meilenweit entfernt. Also habe ich als Reaktion darauf meine Strategien entwickelt, meine Ziele hartnäckig verfolgt. Ich wollte unbedingt Schauspielerin werden. Niemand konnte mich davon abhalten. Ich wusste sehr früh sehr genau, was ich will. So habe ich schon als junges Mädchen gelernt, meinen eigenen Pfad zu wählen und meinen Instinkten zu folgen.»
Die Liebe zum Film entfachte ein gewisser Quentin Tarantino in ihr. Seinen Action-Klassiker «Kill Bill – Volume1», der im Wohnzimmer im Hintergrund lief, beschreibt die Engländerin als lieb-gewonnene Kindheitserinnerung. «Etwas an seiner Art, Filme zu machen, berührt und inspiriert mich», sagt sie. «Und wie er Musik mit Geschichten verbindet, Soundtracks bastelt, ist einzigartig. Ich wollte Teil dieses Universums werden.»
Also hat Simone mit 16 Jahren die Schule geschmissen und ist zu Verwandten nach Kalifornien übersiedelt, hat sich bei einer Model-Agentur eingeschrieben und ist zu Auditions gegangen. Ihre First Appearance auf der Leinwand hatte sie als Partygirl im Hip-Hop-Biopic «Straight Outta Compton». Dem folgte eine Ausbildung an der Arts Educational School in West London. Ihren grossen Moment im Rampenlicht feierte sie als Olivia Hanan im Netfix-Serienhit «Sex Education».
Willkommen im Shondaland
Und dann kam Über-Produzentin Shonda Rhimes, die in den Tiefen ihres BüroSafes eine Geheimformel für Serienrezepte versteckt haben muss und für TV-Meilensteine wie «Grey’s Anatomy», «Scandal» und zuletzt «Bridgerton» verantwortlich zeichnet. Sie castet Simone Ashley für die Hauptrolle in Stafel 2 von «Bridgerton». Die Britin mit indischen Wurzeln wird damit zur Rom-Com-Heroine (Hauptfgur in romantischen Komödien, Anm.), die entgegen allen Widrigkeiten ihr Schicksal in die Hand nimmt – und zum Vorbild tausender Teenager avanciert. Und sie wird weltberühmt: «Ich bin mit romantischen Komödien aufgewachsen. Nur kam ich darin selbst nie vor. Es gab einfach keine Frauen mit dunkler Hautfarbe in der Hauptrolle. Aber ich wollte es so sehr. Ich wollte immer eine Rom-Com-Heldin im Stil von Bridget Jones spielen. Ich will meine Community sichtbar machen.» Das ist ihr gelungen. Simone landete nach «Bridgerton» direkt auf der «Forbes 30 under 30 in European Entertainment»-Liste. Dieses Jahr erscheinen gleich zwei Filme mit Simone – «Picture This» und «This Tempting Madness». Und sie will noch mehr: «Ich bin auf der Suche nach Dingen, die ich davor noch nicht gemacht habe. Ich hätte echt Bock auf eine ActionRolle. Etwas, was mir physisch viel abverlangt.» Vielleicht sollte ihr jemand die Nummer von Tarantino geben. Quentin & Simone klingt irgendwie nach einem «match made in heaven».
Instagram: @simoneashley