Servus in Stadt & Land 09/19 DE

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In Hülle und Fülle

Rezepte mit Weißwurst & Co

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GUT .

LEBEN

Ludwig und die Rösser

Der Herr der Brauerei-Pferde

2 SEPTEMBER

09/2019 D 4,40 EUR CH 7,00 SFR ESP/IT/LUX 4,60 EUR

Augsburg: Wo aus Wasser Wunder wurden

SÜSSHOLZ RASPELN IN BAMBERG 2

EIN ARCHITEKTUR-JUWEL IM CHIEMGAU 2

GAUMENFREUDEN IN STEPHANSKIRCHEN

MYSTIK DER BÄUME Was uns die alten Hüter der Weisheit verraten

FRANSEN, GRANDLN, FEDERHUT

Mein Land, mein G’wand Festtagstrachten aus Bayern und dem Alpenraum


NATURWISSEN SAGENHAFTE BÄUME

* unter Verwendung der Werke von Walther Müller, C. F. Schmidt, K. Gunther, Otto Wilhelm Thomé, Rembrandt, George Price Boyce, Andreas Posselt

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DIE MYSTIK DER ALTEN RIESEN

Sie waren Gerichtsort oder Totenstätte, und ihr Gedeihen vermochte das Schicksal eines heranwachsenden Menschen zu prophezeien. Bäume gelten seit Beginn der Menschheitsgeschichte als Hüter großer Weisheit. Und stets drehten sich geheimnisvolle Geschichten um sie. TEXT: MARGRET HANDLER ILLUSTRATIONEN: ANDREAS POSSELT

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rüher, da wusste man genau, wel­ chen Baum man aufsuchen sollte, wenn es einem an Kraft mangelte, die Traurigkeit sich wie ein dunkler Schleier um das Herz legte oder der rheumatische Schmerz der­ art groß war, dass nur noch der Besuch bei ­einem der alten Riesen Hilfe versprach. Kroch man beispielsweise durch ein Tor aus Weißdornzweigen, so glaubte man, würden alle Krankheiten daran hängen bleiben. Ja, die Beziehung zwischen Menschen und Bäumen ist eine jahrtausendealte, eine ganz besonders enge, eine zutiefst verwur­ zelte, das weiß man aus zahlreichen mysti­ schen Geschichten. Denn Bäume galten seit jeher als des Menschen engste Verbündete. Sie boten den Ahnen Schutz vor bitterer Kälte oder allzu großer Hitze. Ihre Früchte, Blätter, Blüten und Wurzeln versorgten sie mit Nahrung. Sie spendeten Holz für Werk­ zeuge und Waffen oder lieferten Baumateri­ al für Hütten, Häuser, Zäune, Brücken und

Schiffe. Am bedeutendsten war wohl der Brennstoff für das Feuer. Viele Kulturen ­sahen in den Bäumen beseelte Wesen, in denen Naturgeister wohnten und unendlich viel Weisheit schlummerte. URALTE VERBÜNDETE DES MENSCHEN

So manche Völker vertraten in ihren ­Mythen die Ansicht, der Mensch sei wohl aus Bäumen entstanden. Die altnordische Mythologie über die Erschaffung der ersten Menschen erzählt, dass Ask und Embla von ihren Göttern aus Esche und Ulme geformt worden seien. Und Baumgleichnisse spre­ chen davon, dass der Baum nicht nur auf­ recht wie der Mensch stehe, sondern auch sein Reifen, Gedeihen und Sterben diesem gleiche. In alten Sprichwörtern werden ­Wesenszüge von Menschen und Bäumen verglichen, etwa indem man einem Men­ schen zugesteht, stark wie ein Baum, stäm­ mig, verwurzelt oder „aus gutem Holz

­ eschnitzt“ zu sein. Wir sprechen von g ­unseren Wurzeln, in denen der Ursprung unseres Seins begründet liegt, oder er­ zählen vom Stammbaum der Familie. Vieles von dem, was wir wissen, stammt aus keltischer oder germanischer Zeit. Doch auch im alten Rom pflegte man den Brauch, zur Geburt eines Sohnes einen Baum zu pflanzen: Sein Gedeihen sollte Aufschluss über die Zukunft des heranwachsenden Kindes geben. Und sowohl in Athen als auch in Rom waren es Bäume, von deren Zustand man das Geschick der jeweiligen Stadt ablas. Es war das Konzil von Arles, das im 5. Jahrhundert nach Christus dazu auf­ forderte, vom „gotteslästerlichen Baumkult“ abzulassen. Doch bis weit über das Mittelalter hinaus glaubte man, dass Wälder von Naturgeistern wie Kobolden, Zwergen, Feen, Elfen und Nymphen bevölkert wären, und fast jeder Baum oder Strauch hatte im Volksglauben eine tiefere Bedeutung. ➻

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GUTE KÜCHE FRISCH AUS DEM OFEN

Christina Bauer

BACKEN MIT CHRISTINA

OMAS MEHLSPEIS’ AUS DEM GARTEN

Besonders gern mag ich Gemüse, wenn es süß schmeckt. In meiner Familie hat das schon Tradition. Bei unserer Großmutter gibt es zum Beispiel oft Zucchinikuchen. Ich habe ihn etwas abgewandelt. REDAKTION: MARGRET HANDLER FOTO: NADJA HUDOVERNIK

1 Ei 80 g Zucker 80 g Öl 100 g Zucchini (gerieben) 8 g Backpulver 140 g Weizenmehl 30 g geriebene Nüsse 1 Prise Zimt 4 Einmachgläser à 290 ml ideo mit Anleitung V unter servus.com/christinabauer

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ZUBEREITUNG 1. Ei mit Zucker schaumig rühren, das Öl einfließen lassen und noch­ mals gut verrühren. 2. Die geriebene Zucchini dazu­ geben. Ich lasse die Schale drauf und reibe die eine Hälfte grob und die andere Hälfte fein. 3. Am Schluss noch Backpulver, Mehl, Nüsse und den Zimt unterrühren. 4. Die Masse gleichmäßig in die Gläser füllen und bei 160 °C ca. 30 Minuten ohne Deckel backen. Danach gut auskühlen lassen und mit Staubzucker bestreuen.

MEINE BACKGEHEIMNISSE DIE RICHTIGE KONSISTENZ: Reibt man die ganze Zucchini fein, wird die Masse zu patzig, und wenn man sie nur grob reibt, bleiben zu viele grüne Scha­ lenstückchen drinnen. Darum ist halbe-halbe für mich die optimale Mischung. NICHT VOLL ANFÜLLEN: Für den Kuchen im Glas ist es wichtig, dass man nach oben hin noch ca. zwei bis drei Zentimeter Platz lässt. Sonst läuft der Teig beim Backen über. Die hier angeführte Menge reicht exakt für vier 290-ml-Gläser. AUF VORRAT: Der Kuchen lässt sich im Glas ein­ frieren und schnell hernehmen, wenn Gäste kom­ men. Er sieht sowohl im Glas serviert schön aus, als auch, wenn man ihn herausnimmt. Wer mag, kann ihn mit Schokoglasur noch verfeinern.

ILLUSTRATIONEN: ROLAND VORLAUFER, ALAMY

ZUTATEN FÜR 4 GLÄSER À 290 ML Zeitaufwand: 1 Stunde


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„Unsere Oma hat immer Zucchinikuchen in der Tiefkühltruhe. Wenn die Familie zusammenkommt, dann serviert sie ihn mit herrlicher Schokoglasur!“

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GUTE KÜCHE EINFACH DEFTIG

ALLES WURST

Ein kulinarischer Blick über den Tellerrand: Wenn’s um die Wurst geht, haben unsere österreichischen Nachbarn ganz ausgesuchte Spezialitäten. Aber wir treffen auch auf gute Bekannte aus Bayern. Begleiten Sie uns auf einen wurstseligen Ausflug, von dem wir herzhafte Rezepte mitgebracht haben. REDAKTION: KLAUS KAMOLZ, ALEXANDER RIEDER FOTOS: EISENHUT & MAYER

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GEBACKENE BLUTWURST mit Salat

Schon die alten Römer liebten sie und nannten sie Butulie. Heute ist die volks­ tümliche Blutwurst aus Schweineblut, Kopf und Schwarte, Weißbrot und Gewürzen wohl jene gefüllte Haut, um die sich die allermeisten folkloristischen ­Begriffe ranken – von der Saudirn, deren wichtige Rolle am Schlachttag es war, das frische Schweineblut zu rühren, damit es nicht stockt, bis zu den bisweilen recht derben Nebenbedeutungen des Wortes: Blunzn, wie die Blutwurst auch in einigen Regionen Bayerns heißt, nennt man zum Beispiel immer noch abschätzig eine unsympathische Frau.

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MEIN DAHEIM DEKORIEREN

ZUM ANBEISSEN SCHÖN Der alte Apfelbaum steht in voller Pracht. Wir haben uns seiner üppigen Äste bedient und diese in die Vase gestellt, einen fruchtigen Kranz gebunden und ein herbstliches Gesteck gefertigt.

FOTOS: MICHAELA GABLER/TAVERNE-AGENCY.COM

REDAKTION: ALICE FERNAU

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ÄSTE FÜR DIE VASE ��

Direkt vom Baum in ein großes ­ urkenglas oder eine Vase gestellt, G sind die Äste des Apfelbaumes ein appetitlicher Blickfang in der Küche. Die Zweige bleiben länger frisch, wenn man sie mit einem scharfen Messer schräg anschneidet und die Stiele von unten nach oben spaltet.

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SCHÖNE HEIMAT MENSCH & TIER

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RÖSSER MIT BIERRUHE Ein Besuch auf dem Urthalerhof in Sindelsdorf bei Luggi Käser. In seinem oberbayerischen Pferdeparadies sind die Brabanter zu Hause, die auch den Festwagen vom Münchner Hofbräuhaus aufs Oktoberfest ziehen. TEXT: LEO PESCH FOTOS: SEBASTIAN GABRIEL

Verlässliche Pferdestärken. Bei regelmäßigen Kutschfahrten durchs Oberland bekommen die Pferde Erfahrung, Routine und Gelassenheit, um die Bierfässer von Hofbräu München sicher zu Volksfesten zu transportieren.

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SCHÖNE HEIMAT RUND UM DIE TRACHT

MEIN LAND,

MEIN G’WAND TEXT: CAROLIN GIERMINDL

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FOTOS: BERNHARD HUBER

Da muss jede Franse richtig liegen, der Hut akkurat sitzen: Eine Festtagstracht ist etwas unverwechselbar Besonderes – und für viele die einzig wahre Tracht. Weil sie für Land und Lebensart steht.


CHIEMGAU Bei der prachtvollen Tracht spielt der Hut die Hauptrolle.

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tolz präsentiert Christa Hamberger (links) ihre Chiemgauer Tracht, eine auffallend edle Variante unter all den regio­ nalen Trachten Oberbayerns. Auffälligster Bestandteil ist ohne Frage der Priener Hut. Vor mehr als 150 Jahren wurde er erfunden und bekam auf der Nürnberger Gewerbe­ ausstellung 1896 die Silbermedaille. Noch heute wird er von Hand gefertigt, zum Beispiel von der Modistin Monika Vog­ genauer, natürlich in Prien. Es gibt den Hut in zwei Varianten: mit Goldquaste für Fest­ tage und mit Samtborte für Sonntage. DER AUFWAND BESTIMMT DEN PREIS

„Früher war ein solcher Hut wirklich etwas ganz Besonderes“, sagt Monika Voggenauer, „und an der Stickerei hat man erkannt, wie wohlhabend seine Trägerin war.“ Je auf­ wendiger die Arbeit, desto höher der Preis. Auch an den einseitig oder beidseitig appli­ zierten Quasten ließ sich der Wert erahnen. Charakteristisch ist zudem das „Hint-obiBandl“ aus Samt. Es darf auf keinen Fall länger sein als der Rock. Eine weitere HutVariante im Chiemgau ist der Aschauer Hut, der oft mit Spielhahnfedern geschmückt ist. Nicht minder wertig als die Hüte sind auch die anderen Teile der Chiemgauer Tracht: der Rock aus Seide und ein gesmok­ tes Oberteil über dem aufwendig bestickten Einstecktuch. Als Schmuck wird ein Samthalsband ­getragen oder eine mehrreihige Kropfkette sowie Haarschmuck und Ohrringe. Zur Festtagstracht gehört auch Blumenschmuck.

CHIEMGAUER TRACHT Ein unverheiratetes Dirndl trägt ein Mieder, einen Rock mit weißer Bluse, Schürze, Fransentuch, weiße lange Baumwollstrümpfe und schwarze Trachtenschuhe. Verheiratete Frauen erkennt man am sogenannten Röcki aus schwarzer, handgereihter Seide.

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