Seltene Krankheiten

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Eine SonderverĂśffentlichung des Reflex Verlages zum Thema

Seltene Krankheiten

Augendefekte frĂźhzeitig erkennen Seite Sklerodermie: Angriff auf Haut und Organe Seite Cystische Fibrose: Lebenserwartung nimmt zu Seite Innovative Therapien lindern Morbus Crohn Seite

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April 2013


Eine Sonderveröffentlichung des Reflex Verlages

Seltene Krankheiten

Eine Publikation des Reflex Verlages am 16. April 2013 in der Gesamtausgabe der BZ Berner Zeitung/Der Bund.

I n h a lt Die Waisenkinder der Medizin machen mobil Wenn das Auge nachhaltig in Gefahr ist Sklerodermie – Angriff auf Haut und Organe Wenn der Atem stockt Die Schmerzen sind ständige Begleiter Die tückischen Exoten

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Solidarität und Gleichstellung – auch für seltene Krankheiten die wichtigste Voraussetzung für den Entscheid „Behandlung ja oder nein“und die Grundlage einer erfolgreichen Therapie und Prävention. Falsche oder fehlende Diagnosen können zu Fehlbehandlungen mit schwerwiegenden Auswirkungen oder zur Geburt weiterer betroffener Kinder innerhalb einer Familie führen.

I m p r e ss u m

Gentests als Schlüssel zur Diagnose Da etwa 80 Prozent der seltenen Krankheiten genetisch bedingt sind, kommt dem Gentest eine besondere Bedeutung zu. Wenn das klinische Bild nicht ausgeprägt ist, vor allem bei Kindern, können nur Gentests eine diagnostische Sicherheit bieten. Oft werden diese von den Krankenkassen nur teilweise oder gar nicht vergütet, trotz der neuen Position in der KrankenpflegeLeistungsverordnung für seltene genetische Krankheiten. Seit mehr als einem Jahr setzt hier die Stiftung für Menschen mit seltenen Krankheiten (stiftung-seltene-krankheiten.ch) durch das Betreiben des schweizweit einzigen Zentrums für Kardiovaskuläre Genetik und Gendiagnostik mit eigener Diagnostik-, Forschung-, Lehr- und Beratungskompetenz an (genetikzentrum.ch).

Projektmanager Max Celko, max.celko@reflex-media.net Redaktion Mike Passmann, Julia Borchert, Nadine Effert, Tobias Lemser, Wiebke Toebelmann Produktion/Layout Diana Nyberg, layout@reflex-media.net Fotos Thinkstock / Getty Images Druck Büchler Grafino AG, Druckzentrum Bern Inhalte von Werbebeiträgen wie Unternehmens- und Produktpräsentationen, Interviews, Anzeigen sowie Gastbeiträgen geben die Meinung der beteiligten Unternehmen wieder. Die Redaktion ist für die Richtigkeit der Beiträge nicht verantwortlich. Die rechtliche Haftung liegt bei den jeweiligen Unternehmen. V.i.S.d.P. Mike Passmann, redaktion@reflex-media.net Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Oscar Nyberg, oscar.nyberg@reflex-media.net Reflex Verlag Schweiz AG Fraumünsterstrasse 25, 8001 Zürich, T: 043 / 300 55 55 Der Reflex Verlag hat sich auf themenbezogene Sonderveröffentlichungen in deutschen, niederländischen und schweizer Tageszeitungen spezialisiert. Diese liegen unter anderem dem Tages-Anzeiger, der Berner Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) und dem Handelsblatt bei. So kombiniert der Reflex Verlag den thematischen Fokus der Fachpublikationen mit der Reichweite der Tagespresse. Der Verlag zeichnet sich durch eine unabhängige Redaktion sowie die Trennung zwischen redaktionellen Artikeln und Kundenbeiträgen aus. Mehr Informationen finden Sie unter www.reflex-media.net

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n Europa gilt eine Krankheit als selten, wenn sie höchstens eine von 2‘000 Personen betrifft. Bekannt sind mehr als 5‘000 seltene Krankheiten und sechs bis acht Prozent der Gesamtbevölkerung sind davon betroffen. In der Schweiz leidet etwa eine halbe Million Menschen an einer seltenen Krankheit. Rund 75 Prozent sind Kinder und Jugendliche. Andere seltene Krankheiten manifestieren sich erst allmählich im Erwachsenenalter und könnten jeden treffen. Einige Krankheiten sind so selten, dass in der Schweiz weniger als 100 Patienten davon betroffen sind. Die Ärzte sind dadurch stark gefordert, da sie in ihrem Berufsleben für einige Krankheiten wohl nur einen Patienten sehen. Viele der Krankheiten sind nicht einmal in Lehrbüchern zu finden. Auch die Labormedizin und die Pharmaindustrie müssen unverhältnismässig viel investieren, um Tests und Medikamente für eine so kleine Patientengruppe zu entwickeln. Behörden haben das Problem erkannt und sorgen mittlerweile für gewisse Anreize. Man hofft, dass sich Therapieerfolge auch auf andere Krankheiten anwenden lassen. Diagnose-Odyssee Seltene Krankheiten können lebensbedrohlich sein und sind oft unheilbar. Sie erfordern in der Regel eine aufwendige diagnostische Abklärung. Das Wissen über die Krankheiten und deren Verlauf ist allerdings gering. Aufgrund ihrer Seltenheit und Vielfalt werden sie klinisch oft verkannt und im Vergleich zu bekannten Krankheiten dauert es meist viel länger (etwa 7 Jahre) bis sie diagnostiziert werden. Bis zur richtigen Diagnose haben Betroffene oft eine regelrechte Odyssee hinter sich, wobei die lange Ungewissheit eine grosse psychische Belastung für die Betroffenen und ihre Familien darstellt. Die Diagnose ist

Weiterer Handlungsbedarf Patienten haben nicht nur für eine richtige Diagnose zu kämpfen, sondern auch für einen Zugang und eine Kostenübernahme von wirksamen Therapien und Hilfsmitteln. Die heute geltenden Kriterien des Krankenversicherungsgesetzes (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit) verhindern den Zugang zu wirksamen aber teuren (CHF >100‘000 pro Jahr) Medikamenten sowie zu nicht-medikamentösen Therapieformen. Problematisch ist auch der Wechsel von der Invalidenversicherung zur Krankenversicherung nach dem 20. Lebensjahr. Betroffene haben zudem mit Rechtsunsicherheit, spärlichen Informationen, administrativen Hürden, fehlender Forschung, psychosozialer Isolation, Diskriminierung und ungenügender Betreuung zu kämpfen. 2010 haben sich deshalb mehrere Patientenorganisationen in der Schweiz zur Allianz ProRaris (proraris.ch) zusammengeschlossen, um ihre Interessen in die Öffentlichkeit und Politik zu tragen. Seit 2011 prüft zudem der Bundesrat eine „Nationale Strategie zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Menschen mit seltenen Krankheiten“, die durch die IG Seltene Krankheiten (ig-seltenekrankheiten.ch) unterstützt wird. Ein Rückversicherungsmodell für seltene Krankheiten wurde kürzlich von der Niemann-PickVereinigung (npsuisse.ch) vorgeschlagen. Erfreulicherweise gibt es auch immer mehr Initiativen für seltene Krankheiten. Es ist nun zu hoffen, dass in der Schweiz jeder einzelne Mensch mit einer seltenen Krankheit auf die Solidarität der Gesellschaft zählen und mit der Gleichstellung gegenüber allen anderen Betroffenen rechnen darf. PD Dr. Gabor Matyas, Spezialist für Medizinische Genetik FAMH, Geschäftsleiter der Stiftung für Menschen mit seltenen Krankheiten und Leiter des Zentrums für Kardiovaskuläre Genetik und Gendiagnostik, matyas@stiftung-seltene-krankheiten.ch

Interview  Neurologische Bewegungsstörungen

„Das Ziel ist immer eine Verbesserung der Lebensqualität“

Dr. med. Matthias Oechsner, Leiter des Parkinsonzentrums an der Rehaklinik Zihlschlacht

Dr. Oechsner, Parkinson ist eine Krankheit, deren Symptome im Laufe der Zeit immer schwerer werden. Was bedeutet das für die Behandlung von Betroffenen? Parkinson ist im Frühstadium ambulant behandelbar. Doch mit Fortschreiten der Krankheit kann die ambulante Betreuung häufig die Ziele der Behandlung nicht mehr verwirklichen – etwa weil die Symptome des Patienten täglich kontrolliert werden müssen oder spezielle Therapien nur stationär durchgeführt werden können.

Ja, das stimmt. Für den Laien sind diese Krankheiten kaum von Parkinson zu unterscheiden. Zu nennen wäre hier zum Beispiel die Multisystematrophie. Dabei handelt es sich um eine degenerative Hirnerkrankung, bei der über die ParkinsonKrankheit hinausgehende, neurologische Symptome vorliegen. Derart seltene neurologische Bewegungsstörungen schreiten schnell voran und zeigen sich im Verlauf aggressiver. Ausserdem gibt es Symptome wie etwa Schluckstörungen, die überhaupt nicht auf Medikamente ansprechen.

Parkinson kommt mit etwa 15‘000 Patienten in der Schweiz relativ häufig vor. Es gibt jedoch eine ganze Reihe seltener Krankheiten, deren Symptome ähnlich sind...

Bezüglich der Ursachen tappen Forscher noch immer im Dunkeln. Was heisst das für die Patienten? Das bedeutet leider, dass es keine Heilung gibt. Darüber müssen

Patienten und Angehörige aufgeklärt werden. Allerdings verfügt man heutzutage insbesondere in der stationären Behandlung über verschiedene Therapiemöglichkeiten, um die Symptome intensiver zu behandeln und so die Lebensqualität der Patienten deutlich zu verbessern. Welche therapeutischen Massnahmen stehen zur Verfügung, um die Symptome der neuropathologisch doch ganz unterschiedlichen Krankheiten zu behandeln? Das Angebot ist sehr umfassend und vielschichtig. Von der Physiotherapie über Logopädie bei Sprach-, Schluck- oder Stimmstörungen bis hin zur Ergotherapie und zu alternativen Therapieverfahren. Unter Umständen werden

Patienten auch mit Hilfsmitteln wie Ernährungssonden versorgt. Darüber hinaus geht es darum, Patienten und ihren Angehörigen beratend zur Seite zu stehen. Etwa wenn es um Fragen der weiteren Lebensplanung, Entlastungsmöglichkeiten und der Bewältigung des Alltags geht. Neben der Verbesserung der Lebensqualität, steht das Wiedererreichen der grösstmöglichen Selbstständigkeit im privaten und beruflichen Alltag im Fokus. Um diese Ziele zu erreichen, ist es von elementarer Bedeutung, dass das Team – bestehend aus Ärzten, Therapieleitern und Pflegefachkräften – interdisziplinär zusammenarbeitet und rund um die Uhr den Patienten zur Seite steht. n


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Leitartikel

Die Waisenkinder der Medizin machen mobil Seltene Krankheiten sind auf der politischen Agenda angekommen. Aufklärung, gebündeltes Wissen und Vergütungsrichtlinien sollen die Betreuung verbessern. Von Wiebke Toebelmann

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chwere Diagnosen wie Krebs, Diabetes oder auch Epilepsie sind niederschmetternd – und doch bleiben dem Patienten zahlreiche Möglichkeiten, sich mit solch einer Erkrankung auseinanderzusetzen. Spezialisten stehen bereit, um ihm die optimale Behandlung zu gewährleisten und ihm seine Lebensqualität zu erhalten. Es gibt eine Vielzahl von Informationen, mit denen sich ein Erkrankter versorgen kann. Patientenverbände und Selbsthilfegruppen geben zusätzlichen Halt, und auch sind die weit verbreiteten Zivilisationskrankheiten umfassend erforscht. Doch was tun, wenn die Diagnose Hypophosphatasie, Adrenoleukodystrophie oder auch Sarkoidose heisst? Wenn niemand aus dem Bekanntenkreis etwas damit anfangen kann, mitunter nicht einmal der behandelnde Arzt? Als selten gilt eine Krankheit in der Schweiz und der EU, wenn höchstens fünf von 10‘000 Einwohnern eine bestimmte Erkrankung haben. Weltweit sind heute rund 7‘000 bis 8‘000 seltene Krankheiten bekannt. Zu den „orphan diseases“ (englisch „orphan“ = Waise) zählen beispielsweise genetische Stoffwechselerkrankungen, Bewegungsstörungen, rare Lungenleiden,

Blut- und Gewebekrankheiten oder auch seltene Krebsarten. Auch die sogenannten Lysosomalen Speicherkrankheiten gehören zu den seltenen Befunden, dabei handelt es sich um eine Funktionsstörung bestimmter Enzyme, die oftmals schwere Schäden von manchmal gleich mehreren Organen verursacht. In der Regel kommt ein Allgemeinmediziner in seiner Praxis höchstens einmal im Jahr mit einer seltenen Krankheit in Berührung. Oftmals wird dann eine falsche Diagnose gestellt, und bis der richtige Befund feststeht, vergehen bisweilen sogar Jahre.

Die Krankheit beherrscht das Leben Die Mehrzahl der seltenen Krankheiten ist genetisch bedingt und äussert sich bereits im Kindesalter. Dabei ist es wichtig, dass die Krankheitszeichen früh erkannt und richtig zugeordnet werden. Professor Matthias Baumgartner behandelt am Universitäts-Kinderspital Zürich täglich kleine Patienten, die an komplizierten Stoffwechselkrankheiten leiden. Er weiss, wie sehr diese Krankheiten den Alltag der Kinder und ihrer Familien bestimmen: „Bleiben Stoffwechselkrankheiten unerkannt und dadurch unbehandelt, kann die normale Entwicklung der betroffenen Kinder stark beeinträchtigt werden. Wird jedoch bei-

spielsweise eine Phenylketonurie im Neugeborenen-Screening erkannt, können die Krankheitsfolgen durch die Einhaltung einer phenylalaninarmen Diät verhindert werden. Die betroffenen Patienten müssen lebenslang eine extrem strikte Diät einhalten: Fleisch, Fisch, Brot und Milchprodukte sind neben vielen anderen Lebensmitteln tabu.“ Zum Glück wisse man heute bei vielen Befunden, mit welchen Massnahmen – wie etwa Diäten – gegenzusteuern ist. „Sinnvoll und wünschenswert ist eine Bündelung der Kompetenzen an Referenzzentren, wie im Falle der angeborenen Stoffwechselkrankheiten an den Universitätskliniken Zürich, Lausanne und Bern, welche sowohl untereinander wie auch international vernetzt sind. Ein weiterer Ansatz ist die interdisziplinäre Vernetzung von Forschung und Klinik, wie dies in radiz – der Rare Disease Initiative Zürich, einem neuen klinischen Forschungsschwerpunkt der Universität Zürich, angestrebt wird.“ Professor Baumgartner betont, dass es in der Schweiz bereits einige Beispiele für gut funktionierende Netzwerke und Referenzzentren gibt, dass es aber weiterhin viel Engagement und weitere Ressourcen braucht, um den vielen Patienten mit seltenen Krankheiten tatsächlich gerecht zu werden.

Publireportage

Die IG Seltene Krankheiten. atienten mit einer seltenen Krankheit haben mit vielen Herausforderungen zu kämpfen: Oft dauert es Jahre, bis eine richtige Diagnose gestellt wird. Das Wissen über den Krankheitsverlauf ist oft gering und es fehlt an Therapiemöglichkeiten. Wenn es für Betroffene einer seltenen Krankheit überhaupt eine Behandlung gibt, so ist die Kostenübernahme durch die Krankenversicherer oftmals ungewiss. Regulatorische Lücken führen für alle Betroffenen zu beträchtlichen Unsicherheiten.

Gebündelte Kompetenz erspart den Betroffenen also den anstrengenden Arztmarathon und treibt die Forschung voran – das bestätigt

Weltweit sind heute rund 7‘000 bis 8‘000 seltene Krankheiten bekannt auch Willi Brand von der IG Seltene Krankheiten. „Es wird jedoch Zeit, dass die bestehenden Zentren offiziell als Kompetenzzentren deklariert werden, damit sie auch bei Vergütungsfragen mitreden dürfen.“ Die notwendigen Tests zur Feststellung genetischer Dispositionen würden nämlich bislang noch nicht vergütet. „Wir brauchen einen nationalen

Eine nationale Strategie, wie Patienten mit seltenen Krankheiten medizinisch adäquat und effizient versorgt werden sollen, existiert in den meisten EU-Ländern. In der Schweiz fehlt eine solche nach wie vor. Im November 2010 reichte Nationalrätin Ruth Humbel und 40 Mitunterzeichner eine Interpellation ein. Darin wird der Bundesrat aufgefordert, eine solche Strategie zu erarbeiten. Gefordert werden insbesondere

Innovationsgutschriften für die Industrie. Die Initiativen zeigten aber auch Wirkung: „Seit etwa eineinhalb Jahren spüren wir deutlich, dass das Thema seltene Krankheiten auf der politischen und medialen Agenda angekommen ist. Vorher wurden sie in der öffentlichen Wahrnehmung wirklich als Waisenkinder der Medizin behandelt.“ n

Verbesserungen bei der Wissenssicherung und -vermittlung über Diagnose, Verlauf und Behandlung seltener Krankheiten, eine optimale Zusammenarbeit aller Fachpersonen und Instanzen der Gesundheitsversorgung, die Schaffung nationaler Kompetenzzentren, eine engere europäische und internationale Zusammenarbeit, den rechtsgleichen Zugang zu Diagnostik und wirksamen Therapien sowie die Förderung der Grundlagen- und der klinischen Forschung. Der Bundesrat hat den Auftrag angenommen und das Bundesamt für Gesundheit beauftragt, einen entsprechenden Vorschlag auszuarbeiten.

interview  Gesundheitspolitik

„Die Situation von Patienten mit seltenen Krankheiten muss verbessert werden“ andere europäische Länder mit zentralen Systemen – wie etwa Frankreich oder England – zeigt, dass dort die Frage des Zugangs, der Diagnose und Therapiemöglichkeiten für Patienten mit seltenen Krankheiten besser geregelt ist und wir hierzulande einen Nachholbedarf haben. Und der soll mit der Bündelung von Kompetenzen wettgemacht werden? Richtig. Unter anderem mittels Schaffung nationaler Kompetenzzentren, die mit europäischen und internationalen Referenzzentren und Netzwerken kooperieren, einer einheitlichen Kodierung der Krankheiten sowie der Registrierung Betroffener in einer nationalen Datenbank zur Sicherung und Vermittlung von Wissen.

Die IG Seltene Krankheiten

Dringender Handlungsbedarf ist gegeben

Massnahmenplan, der Rechtsungleichheiten ausräumen soll“, so Brand. Handlungsbedarf sieht die IG Seltene Krankheiten auch in der Forschungsförderung, etwa durch

Für einen nationalen Massnahmenplan

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Seltene Krankheiten als Politikum

Im August 2011 haben Patientenorganisationen, die FMH, Universitätsspitäler, Apotheker sowie die Industrie die Interessengemeinschaft Seltene Krankheiten gegründet. Die IG setzt sich dafür ein, dass die Situation der Patienten rasch und nachhaltig verbessert wird und die Forderungen der Interpellation Humbel erfüllt werden. Im Fokus der Anstrengungen steht dabei die Unterstützung des Bundes bei der Erarbeitung einer nationalen Strategie mit Massnahmenplan. Das Bundesamt für Gesundheit hat signalisiert, bei der Erarbeitung eng mit der IG zusammenarbeiten zu wollen. Im Interesse der Patienten setzt die IG alles daran, dass die Arbeiten am Massnahmenplan nun rasch vorankommen können. Für viele Betroffene läuft die Zeit davon, Eile tut Not. n Autor: Willi Brand, Geschäftsführer IG Seltene Krankheiten

www.ig-seltene-krankheiten.ch

Ruth Humbel, Nationalrätin und Präsidentin der IG Seltene Krankheiten

Vor welchen Herausforderungen steht die Schweiz im Umgang mit dem Thema seltene Krankheiten? In unserem föderalen Staatssystem regeln die Kantone das Gesundheitswesen und der Bund die Krankenversicherung. Dies führt zwangsläufig zu Kompetenz- und Interessenkonflikten, die einer notwendigen Vernetzung auf der Ebene der Patienten-, Ärzte- und Leistungserbringer und somit einer optimalen Versorgung der Patienten im Weg stehen. Gibt es einen Weg aus der Misere? Ja, die Lösung ist eine nationale Strategie mit einem Massnahmenplan. Ein Blick in

Welche Ideen gibt es bezüglich einer Neuregelung der Kosten? Im Bereich der Diagnostik vermag beispielsweise die Regelung der Kostenübernahme über Analyselisten nicht zu genügen. Es braucht ein neues Vergütungssystem. Zum Beispiel eine zentrumsbezogene Finanzierung über die Kompetenzzentren. In Bezug auf die Kostenübernahme von Therapien rückt Artikel 71a/b der Leistungsverordnung in den Fokus, der sowohl die Kompetenz der Nutzenbewertung als auch zur Vergütungshöhe der Medikamente einzig in die Hände der Krankenversicherer legt. Ein falscher Ansatz, der vor allem zu Rechtsunsicherheit und zu einem rechtsungleichen Zugang der Patienten zu wirksamen Therapien führt. Letzterer muss in Zukunft sichergestellt sein und die Nutzenbeurteilung der klinischen Begleitforschung übertragen werden. n


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seltene krankheiten Eine Sonderveröffentlichung des Reflex Verlages

artikel  Seltene Augenkrankheiten

Wenn das Auge nachhaltig in Gefahr ist Ob primäres kongenitales Glaukom und Retinitis pigmentosa: Um diese seltenen Augenerkrankungen früh zu behandeln, ist es wichtig, regelmäßig einen Augenarzt aufzusuchen. von Tobias Lemser

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charf sehen zu können ist ein besonders hohes Gut. Viele Menschen empfinden das Auge sogar als das wichtigste Sinnesorgan. Allerdings gelingt es hierzulande nur den wenigsten, über ein ganzes Leben auf ihre volle Sehleistung zurückzugreifen. Zwei von drei aller 15- bis 74-Jährigen sind aufgrund von Weit-, Kurz- und Altersweitsichtigkeit auf eine Sehhilfe angewiesen.

Nachtblindheit häufig erstes Anzeichen Aber auch seltenere Augenerkrankungen können zum Teil zu erheblichen Sehbeeinträchtigungen führen. Beispielhaft hierfür ist neben entzündlichen Augenkrankheiten die Retinitis pigmentosa, eine erblich

bedingte Netzhauterkrankung, bei der die lichtempfindlichen Sinneszellen des Auges über Jahre hinweg langsam absterben. Typische Symptome dieser Erkrankung sind Nachtblindheit, die in den meisten Fällen in den mittleren Lebensjahren einsetzt, aber auch eine Gesichtsfeldeinengung bis hin zum Tunnelblick. Zudem lässt nicht nur das Kontrast- und Farbsehen nach und die Sehschärfe verschlechtert sich allmählich, vielmehr können die Augen sogar erblinden. Bis heute gibt es noch keine medizinisch anerkannte Methode, die in der Lage ist, das Absterben der Sehzellen chirurgisch oder medikamentös zu verlangsamen oder gar zum Stillstand zu bringen. Erfolgversprechend für die Zukunft könnte

jedoch ein Chip sein, der die Signale von der Netzhaut zum Gehirn transportiert – vorausgesetzt, die Erkrankung wird in einem frühen Stadium diagnostiziert, wenn der Sehnerv noch intakt ist.

Operationen senken den Augendruck Eine weitere seltene – in der Regel bis zum zweiten Lebensjahr auftretende – Augenerkrankung ist das primäre kongenitale Glaukom. Es äussert sich in Form einer zumeist angeborenen Augendruckerhöhung. Grosse Kulleraugen können ein wichtiger Hinweis auf diese Erkrankung sein. Da dieses Phänomen von vielen Eltern als schön angesehen wird, bringen sie zumeist keine Erkrankung damit in Verbindung – ein Fehler mit möglichen fatalen Fol-

gen. „Wird der erhöhte Augeninnendruck nicht rechtzeitig von einem Augenarzt behandelt, droht sogar die völlige Erblindung“, mahnt Prof. Dr. Jens Funk, Leitender Arzt der Augenklinik am Universitätsspital Zürich. Ist das Kind lichtscheu und stellt der Augenarzt zudem Risse, sogenannte „Haab’sche Linien“, in der untersten Schicht der Hornhaut fest, deutet dies auf ein kindliches Glaukom hin. Um den Augendruck auf ein normales Mass zu senken, ist eine Operation unumgänglich – die einzige wirksame Behandlungsmethode. Manche Kinder müssen mehrfach operiert werden. „Dann stabilisiert sich das Auge und die Kinder haben relativ gute Chancen auf ein normales Leben“, so der Ophthalmologe.

Seltene Augenkrankheiten zu erkennen – besonders bei Kleinkindern, die sich nicht äussern können – ist nicht immer leicht. Gerade deshalb ist es wichtig, mit Kindern regelmässig einen Augenarzt aufzusuchen. Aber auch im Erwachsenenalter, ab dem vierzigsten Lebensjahr, ist zu alljährlichen augenärztlichen Untersuchungen zu raten. Nur so lassen sich im Hintergrund schlummernde Erkrankungen rechtzeitig aufdecken und behandeln. n

Weitere Informationen Retina Suisse: www.retina.ch Obvita: www.obvita.ch

gastbeitrag  Auge und Immunsystem

Uveitis – Infektion oder Rheuma der Augen? E

ine Uveitis? Wer schon einmal eine hatte, dem läuft ein Schauer über den Rücken. Sofort werden Erinnerungen daran wach, Sehstörung, Unsicherheit, viele Arztbesuche, Blutuntersuchungen, Medikamente und Augentropfen. Vielleicht waren sogar das Autofahren und das Fernsehen behindert. Und oftmals kommt sie zurück, plötzlich und unerwartet.

Folge der Armut und sehr oft mit dem fehlenden Zugang zu sauberem Wasser und der sozialen Lebenssituation verbunden. Diese Erkrankungen können oft mit geringen Mitteln verhindert oder behandelt werden. Deshalb führen viele Hilfsorganisationen, wie Christoffel Blindenmission, SOS Kinderdörfer, Terre des Hommes, Unicef und andere regelmässig Spendenaktionen durch.

Wie entsteht eine Uveitis ?

Anteriore Uveitis – Entzündung der vorderen Teile des Auges

Eine Uveitis ist eine Entzündung des Augeninneren, die für das Sehen sehr gefährlich sein kann, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt wird. Es handelt sich meist nicht um eine Augenerkrankung, sondern um eine Erkrankung des gesamten Körpers. Sie äussert sich vielleicht zuerst an den feinen Strukturen des Auges, kann aber auch an anderen Organen Schaden verursachen. Hierzulande steht meist eine Art Rheuma der Augen dahinter, eine Störung des Immunsystems, welches zuviel oder zu wenig reagiert. Eine Infektion im Körper als Ursache muss immer gesucht werden. Bei der Abklärung der Ursache kann vielleicht eine Toxoplasmose (Abbildung 1), eine häufige Parasiten-Erkrankung, entdeckt werden, eine Infektion der Haut (zum Beispiel die Gürtelrose), des Darms, der Harnwege (auch Geschlechtskrankheiten) oder der Lunge. In anderen Kontinenten ist ein Grossteil der Erkrankungen eine

Je nach dem, welcher Teil des Auges betroffen ist, teilt man die Uveitis in eine vordere und eine hintere Form ein. Die vordere Uveitis ist die Entzündung der Regenbogenhaut, des Gewebes um die Pupille, welches die Augenfarbe ausmacht (Iritis oder Iridozyklitis (Abbildung 2)). Bei Kindern mit kindlichem Rheuma (juvenile Arthritis) führt sie oft zu schweren Schäden am Auge, weil sie fast unbemerkt verläuft, bis sie bleibenden Schaden verursacht hat. Deshalb ist bei Kindern mit dieser Diagnose immer eine regelmässige augenärztliche Vorsorgeuntersuchung erforderlich. Bei Erwachsenen äussert sie sich fast immer durch starke Augenrötung und starke Schmerzen. Deshalb wird sie meist früh diagnostiziert und kann gut mit kortisonhaltigen Augentropfen behandelt werden. Nur selten ist die Einnahme von Medikamenten über längere Zeit oder gar lebenslänglich erforderlich.

Posteriore Uveitis – Entzündung von Netzhaut und Aderhaut

Abb. 1: Typische Augen-Toxoplasmose (posteriore Uveitis): Die weissen Flecken sind die Entzündungsherde, die weissen Veränderungen der Blutgefässe eine sogenannte Vaskulitis (Gefässentzündung)

Ganz anders sieht es mit der Entzündung der tieferen Gewebe, der sogenannten hinteren Uveitis aus. Sie fängt harmlos an, einzelne Trübungen oder ein leichter Schleier, kann aber bis zur vollständigen Erblindung zunehmen. Schmerzen oder ein rotes Auge fehlen oft. Betroffen sind vor allem die hochempfindliche Netzhaut (Retina) und die darunter liegende Aderhaut (Choroidea) sowie die Gefässe der Netzhaut. Die

Netzhaut ist der wichtigste Teil des Auges. Sie bildet den „Film“ im Auge, der das Bild aufnimmt und über die Nervenfasern und den Sehnerv in das Gehirn leitet. Ist das Zentrum

nannte Immunsuppressiva, erwogen werden. Diese Gruppe von Medikamenten wird zum Beispiel auch nach Organtransplantationen verwandt, um eine Abstossungsreaktion gegen

Abb. 2: Fibrinöse Uveitis bei M.Bechterew, rotes, schmerzhaftes Auge mit Verklebung der Pupille durch Entzündungseiweiss (Fibrin)

der Netzhaut, die Makula, betroffen, kommt es zu starkem Sehverlust. Dieser kann sich auch mit Behandlung nur erholen, wenn die Netzhaut durch die Entzündung noch nicht zerstört ist. Ausserdem besteht die Gefahr, dass das zweite Auge befallen wird, solange die Diagnose nicht gestellt und die Ursache behandelt ist. Deshalb gilt die Uveitis, insbesondere wenn sie die hinteren Augenabschnitte betrifft, als Notfall.

Wie die Uveitis behandelt wird Sobald die Diagnose gestellt ist, wird eine Behandlung eingeleitet, um die Sehstörung zu behandeln und die noch nicht betroffene Netzhaut zu schützen. Fast immer beginnt diese mit Kortison, das trotz seiner vielen Nebenwirkungen das sicherste und schnellstwirksamste Medikament für die Akutbehandlung ist. Reicht dies nicht aus oder ist eine Dauerbehandlung erforderlich, müssen zusätzliche Medikamente, soge-

das neue Organ zu verhindern. Die Auswahl ist inzwischen recht gross, richtet sich sehr nach der zugrundeliegenden Allgemeinerkrankung und der Erfahrung der Ärzte. Wegen der Vielfalt der Ursachen gibt es keine „Standard-Behandlung“. Da schwere Verläufe selten sind, aber für das Sehen der Betroffenen schnell fatal sein können, bietet sich die Zuweisung zu einem spezialisierten Zentrum an. Hier ist nicht nur Erfahrung mit dieser seltenen Erkrankung vorhanden, sondern es kann auch ein aktueller Kenntnisstand bezüglich der sich rasch ändernden und neuen Diagnostik und Therapien erwartet werden. Seit knapp 50 Jahren haben wir Erfahrung in der Behandlung mit Immunsuppressiva bei Augenleiden. Trotzdem gibt es wegen des erheblichen, damit verbundenen Aufwandes bisher kaum abgesicherte Behandlungsrichtlinien und nur einzelne für die Behandlung zugelassene Medikamente. Deshalb

werden derzeit weltweit zahlreiche Studien zur Behandlung der Uveitis durchgeführt. Das anspruchsvolle Ziel dieser Studien ist nicht nur die Stabilisierung der Uveitis und eine Verbesserung des Sehens, sondern auch eine Reduktion der Nebenwirkungen der Behandlung und somit eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten. In diesen Studien wird die TherapieWirksamkeit von Medikamenten für die Uveitis getestet, die für andere Erkrankungen längst erprobt und erfolgreich sind. Die Teilnahme an diesen Studien bedeutet für die Patienten den Zugang zu modernen und gut verträglichen Medikamenten, die ausserhalb von Studien wegen ihrer hohen Behandlungskosten bisher meist nicht von den Krankenkassen bezahlt werden. Die grösste Hürde für eine Teilnahme ist allerdings die Erfüllung der strengen Einschlusskriterien für diese Studien. Dank der enormen medizinischen Entwicklung der letzten 20 Jahre werden wir in Zukunft Therapiemöglichkeiten haben, mit denen wir eine schwere Sehbehinderung oder Erblindung in fast allen Fällen verhindern können, wenn die Patienten rechtzeitig den Weg zu den Augenärzten finden. n

Justus G. Garweg, Berner Augenklinik am Lindenhofspital, Bern


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seltene krankheiten 5

artikel  Sklerodermie

Angriff auf Haut und Organe Welche Anstrengungen unternommen werden, um die Versorgung und Lebensqualität von Betroffenen zu verbessern. von Nadine Effert

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er die Werke des Malers Paul Klee (1879-1940) kennt, dem bleibt nicht verborgen, dass Bilder aus den Jahren vor seinem Tod trist und fragil erscheinen. Sie spiegeln sein Leiden und zugleich Hoffnung wider. Der Künstler litt unter einer rätselhaften Krankheit, die erst 14 Jahre nach seinem Ableben am 29. Juni 1940 im Tessin bekannt wurde: Sklerodermie. Weltweit leiden heute schätzungsweise rund 200‘000 Menschen an Sklerodermie. In der Schweiz leben davon etwa 1‘400 Betroffene. Frauen sind dabei etwa vier Mal häufiger betroffen als Männer. Die meisten sind zwischen 30 und 50 Jahre alt, wenn sie die Diagnose bekommen.

Ursache unbekannt Die Diagnose bedeutet im Verlauf der Krankheit, dass sich Patienten wie eingepanzert fühlen oder als ob sie in einem zu engen Kleidungsstück stecken. Auch auf Gefässsystem und innere Organe wie Lunge, Herz oder Nieren kann sich Sklerodermie auswirken. Ärzte sprechen in diesem Fall von einer Systemischen Sklerose (SSc). Forscher tappen noch immer im Dunkeln, wenn es um die Ursachen der nicht heilbaren Autoimmunkrankheit geht, bei der sich das Kollagen im Bindegewebe verhärtet. Sind Umwelteinflüsse, Viren oder Bakterien Auslöser? Spekulationen gibt es viele, Beweise keine. Wobei derzeit vor allem Immundefekte und vererbte Faktoren diskutiert werden. Darüber hinaus ist eine Früherkennung dieser heim-

tückischen Krankheit schwierig, da sich Symptome im Anfangsstadium unspezifisch und eher schleichend zeigen. Sie ist jedoch wichtig, um zumindest den Verlauf der Krankheit zu beeinflussen.

Forschung und Patienten-Register Um weitere Fortschritte zu erzielen, muss die (Ursachen-)Forschung weiter vorangetrieben, klinische Studien im Sinne einer Patientenorientierten Forschung durchgeführt und das gewonnene Wissen über Krankheitsmerkmale und Verläufe gebündelt werden. Welche Wirksamkeit zum Beispiel die Behandlung mit verschiedenen Immunsuppressiva bei Patienten mit einer diffusen systemischen Sklerodermie hat, untersucht derzeit eine europäische, multizentrische

Beobachtungsstudie – kurz ESOS (European Scleroderma Observational Study). Die aus Spitälern in ganz Europa gesammelten Daten werden in einem zentralen Register dokumentiert und mit modernen statistischen Methoden ausgewertet. Patienten-Register wie das europäische Sklerodermie-Register unter dem Dach der EUSTAR dienen als wesentliche Grundlage für die Erstellung diagnostischer und therapeutischer Empfehlungen und somit für eine bessere Versorgung der Patienten.

Hoffnungsträger Stammzellen Ergebnisse aus Studien zu neuen Therapieansätzen geben Betroffenen Hoffnung. Noch nicht hinreichend untersucht ist die autologe Stammzellentransplantation zur

Behandlung der Sklerodermie. In den USA und in Europa sind derzeit entsprechende Multicenter-Studien unter den Namen SCOT Trial beziehungsweise ASTIS Trial im Gange. Erste Ergebnisse klingen vielversprechend: Wenn Patienten eine autologe (körpereigene) Stammzellentransplantation über sich ergehen lassen anstatt ausschliesslich mit einer bestimmten Chemotherapie therapiert zu werden, konnten nicht nur die Verhärtungen an der Haut vermindert, sondern auch das Fortschreiten der systemischen Sklerose an inneren Organen gestoppt werden. Allerdings eignet sich die Behandlung, laut Studie, zum Beispiel nicht für Patienten mit schwerer Nieren- oder Herzbeteiligung oder pulmonaler Hypertonie (Lungengefässhochdruck). n

gastbeitrag  Sklerodermie – Diagnose und Behandlung

Sklerodermie – Hoffnung durch weltweite Forschung und neue Therapien Wichtig sind die Früherkennung und eine multidisziplinäre Behandlung.

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lötzliche Durchblutungsstörungen der Haut stehen am Anfang der gefährlichen Krankheit Sklerodermie. Erst später folgen Bindegewebsvermehrung und Organversagen. Noch immer vergehen mehrere Jahre von den ersten Symptomen bis zur richtigen Diagnose, wertvolle Zeit, die für die FrüherkenNeue Behandlungsformen von Sklerodermie Video-Interview mit Priv. Doz. Dr. med. habil. Michael Buslau

nung und Frühbehandlung verloren ist. Was durch Kälte und psychischen Stress die Finger erst weiss, dann blau und wieder rot werden lässt, ist als Raynaud-Phänomen bekannt. Der krampfartige Gefässverschluss dauert oft nur wenige Minuten, verursacht aber jedes Mal einen gefährlichen Sauerstoffmangel im Gewebe.

Beginn mit krampfartigen Durchblutungsstörungen Diese Durchblutungskrankheit ist an der Haut leicht zu erkennen, spielt sich aber auch an lebenswichtigen inneren Organen wie Lunge, Herz und Nieren ab. Für die Früherkennung der Sklerodermie braucht es ärztliche Erfahrung mit der Krankheit, ein Mikroskop zur Betrachtung der kleinsten Hautgefässe (Kapillarmikroskopie) und die Bestimmung von speziellen Antikörpern im Blut

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(ANA). Die Betroffenen gehören in die Hände von Spezialisten, besonders Dermatologen und Rheumatologen, zur engmaschigen Kontrolle mit regelmässigen Organuntersuchungen. Von Anfang an müssen die Durchblutungsstörungen wirkungsvoll behandelt werden. Ziel ist es, so Privatdozent Michael Buslau, Leiter des Europäischen Sklerodermiezentrums an der Reha Rheinfelden, möglichst jeden Raynaud-Anfall zu verhindern.

Immunsuppressiva helfen kaum Da bei der Sklerodermie oft verschiedene Autoantikörper im Blut und Gewebe nachweisbar sind, wird diese Krankheit auch als Autoimmunkrankheit gesehen. Im Unterschied zu anderen Autoimmunkrankheiten, helfen bei der systemischen Sklerodermie Medi-

kamente, die das Immunsystem unterdrücken, aber kaum. Das früher bei Sklerodermie regelmässig eingesetzte Kortison steht heute sogar im Verdacht, in höheren Konzentrationen vermehrt Nierenkomplikationen auszulösen. Neue Hoffnungen ruhen auf der Stammzelltransplantation.

Durchblutungsfördernde Medikamente plus Rehabilitation oft erfolgreich Erfolge im Kampf gegen die Sklerodermie werden derzeit durch Medikamente erzielt, die die Durchblutung der Organe verbessern. Wichtig ist auch, den Säurerückfluss aus der Speiseröhre medikamentös zu stoppen. Auch Physiotherapie, Physikalische Medizin und Ergotherapie haben bei Sklerodermie einen hohen Stellenwert. Die verhärtete Haut kann bei Sklerodermie durch

UVA1- Bestrahlungen wieder weicher werden. Frühzeitige Atemtherapie unterstützt den Kampf gegen das drohende Lungenversagen.

Sklerodermiepatienten laufen den Berlin-Marathon 2011 konnte die Reha Rheinfelden zusammen mit der crossklinik Basel weltweit zum ersten Mal zeigen, dass Sklerodermiepatienten durch professionelles Training sogar den Berlin-Marathon meistern können. Das Laufen der 42 km hatte überraschend positive Auswirkungen auf die Durchblutung, die Atmung und das Wohlbefinden der Betroffenen. Die Patienten starten in diesem Jahr erneut. n Autor: Priv. Doz. Dr. med. habil. Michael Buslau, MSc Leitender Arzt, Reha Rheinfelden Europäisches Reha-Zentrum für Sklerodermie


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seltene krankheiten Eine Sonderveröffentlichung des Reflex Verlages

artikel  Cystische Fibrose

Wenn der Atem stockt Das Leben von CF-Patienten wird von aufwendigen Therapien bestimmt. Moderne Präparate können Symptome lindern. CF ist keine Waisenkrankheit mehr

Die Krankheit ist nicht heilbar, aber behandelbar Von Wiebke Toebelmann

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arkus Hänni schreibt auf seiner Website: „Ich weiss nicht, wie es sich anfühlt, gesund zu sein.“ Niemand würde auf den ersten Blick darauf kommen, dass der junge Mann mit dem dunklen, lockigen Haar, der dort abgebildet ist, an einer unheilbaren Krankheit leidet. Und dabei handelt es sich keineswegs um eine weit verbreitete, wohlbekannte Erkrankung: Von

Cystischer Fibrose (CF), auch Mukoviszidose genannt, sind schweizweit nur etwa 1‘000 Menschen betroffen. Der Berner Drehbuchautor und Schauspieler Hänni schrieb über sein Leben mit CF in seinem Buch „Eigentlich müsste ich längst tot sein“, welches im vergangenen Jahr auch über die Grenzen der Schweiz hinaus für Furore sorgte. Es ist das erste autobiografische Buch in deutscher Sprache, das sich diesem schwierigen Thema widmet.

Cystische Fibrose ist eine der wenigen seltenen Krankheiten, die keinen „Waisenkrankheiten“-Status mehr hat. Dies liegt vor allem an dem Engagement diverser Prominenter und öffentlicher Personen, die die Dringlichkeit erkannten, CF eine Bühne zu geben. Schliesslich ist sie die in den Industrienationen häufigste erbliche Stoffwechselerkrankung. Doch genau wie bei anderen seltenen Erkrankungen auch, gibt es bei CF eine hohe Dunkelziffer: ganze 50 Prozent. Der Grund liegt wie so oft bei den unspezifischen Symptomen, die viele Ärzte eben nicht sofort auf diesen Befund schliessen lassen. So werden die Begleiterscheinungen oft mit Asthma, Bronchitis, Keuchhusten oder Zöliakie (Gluten-Unverträglichkeit) verwechselt. Trotz grosser Forschungsanstrengungen ist Cystische Fibrose also nicht heilbar. Und die vorhandenen Therapien können noch immer nicht die Ursachen, sondern nur die Symptome bekämpfen und lindern.

Schleim verklebt Lunge und Bauchspeicheldrüse Die Zahl derer, die Cystische Fibrose weitervererben können, ist beträchtlich höher als die tatsächlich Erkrankten. Das liegt daran, dass der Gendefekt, der für Cystische

Fibrose verantwortlich ist, nur dann übertragen wird, wenn eine ganz bestimmte Konstellation vorliegt: Nur wenn beide Eltern Erbträger sind, wird das Kind an CF leiden, ein Vorgang, beruht also auf der sogenannten autosomal-rezessiven Vererbung. Jeder 20. Mensch ist wiederum gesunder Träger des CFGens. Es ist gewissermassen ein Fehler im Zellen-Erbgut, der zur Folge hat, dass alle körpereigenen Sekrete eingedickt produziert werden. So verklebt ein zäher Schleim die Lunge und die Bauchspeicheldrüse und beeinträchtigt nach und nach die lebenswichtigen Organe. Das kann bis zum Atemstillstand führen. Meist bleibt den Betroffenen als einzige lebensverlängernde Massnahme eine Lungentransplantation. Das bedeutet, dass die Krankheit zwar nicht heilbar, aber zumindest behandelbar ist. Charakteristisch für CF ist der chronische Husten, mit dem sich die Leidenden herumschlagen müssen, ebenso wie die Schwierigkeit, Luft zu holen. Generell ist die Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten sehr viel höher als bei Nicht-Betroffenen. Da die Bauchspeicheldrüse gestört ist, wird die Nahrung zudem nur unvollständig verwertet, was den CF-Patienten oft ein schmächtiges Aussehen verleiht. Sie sind meist untergewichtig und kleiner als Ge-

sunde, auch ist ihr Kalorienbedarf eineinhalb Mal so hoch. Die Forschung bringt für Cystische Fibrose immer wieder Innovationen hervor, die die Situation der Betroffenen erheblich verbessern. Dazu gehören beispielsweise neue inhalatorische Antibiotika, die bakterielle Lungeninfekte bekämpfen. Die Effizienz inhalierbarer Medikamente ist ein wichtiger Schritt, da sie die teuren Präparate ökonomischer macht. In schwereren Fällen muss der Patient mehrere Stunden täglich mit Therapien verbringen, etwa Atemphysiotherapie und Inhalationen sowie Antibiotika-Kuren. Die Lebensqualität wird also erheblich beeinträchtigt, und es ist sicherlich individuell verschieden, wie damit umgegangen wird. Von grosser Bedeutung sind spezielle Kuren, die für CF-Patienten entwickelt wurden. Sie führen die Erkrankten meist ans Meer und in warme Regionen. Diese Rehabilitationsmassnahmen sind nicht nur der Gesundheit zuträglich, sondern auch gut für das seelische Befinden. Anders als bei vielen anderen seltenen Krankheiten sind die Patienten mit der Diagnose Cystische Fibrose gut vernetzt durch Interessensverbände, Selbsthilfegruppen und zahlreiche weitere Aktivitäten. Und dank guter Therapien erreichen heute 80 Prozent das Erwachsenenalter. n

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gastbeitrag  Cystische Fibrose (CF)

Eine Kinderkrankheit ist nun erwachsen

Wir machen mobil

(viskösen) Schleims (Mukus) in verschiedenen Organen, weshalb die Krankheit auch Mukoviszidose genannt wurde. Die Diagnose wird mittels Schweisstest und Genanalyse gestellt. Wichtigstes erkranktes Organ ist die Lunge. Das zähe Sekret behindert die Reinigung der Atemwege (Bronchien), es kommt zur Besiedelung durch Bakterien, später zur chronischen Infektion und Entzündung. Dies führt zu sackförmigen (cystischen) Ausweitungen der Bronchien (Bronchiektasen) und zur Vernarbung des Lungengewebes (Fibrose), daher der Name Cystische Fibrose. Die Betroffenen leiden an chronischem Husten mit eitrigem Auswurf und zunehmender Atemnot. Dr. med. Reta Fischer Biner, Leitende Ärztin Pneumologie, Spital Netz Bern Tiefenau

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bwohl Cystische Fibrose (CF) die häufigste Erbkrankheit in der weissen Bevölkerung darstellt, zählt sie zu den seltenen Krankheiten. CF betrifft in der Schweiz etwa 1 von 2’500 Neugeborenen. Da seit 2011 jedes Neugeborene auf CF getestet werden kann, wird die Krankheit immer früher diagnostiziert. Je früher gezielt behandelt wird, desto grösser ist die Chance auf ein längeres Überleben. Das mittlere Überleben beträgt heute 40 Jahre. An einer Gentherapie wird geforscht, CF ist aber bis heute nicht heilbar.

Krankheitsbild Die Cystische Fibrose wurde erstmals 1934 durch den Tessiner Kinderarzt Fanconi beschrieben. 1989 wurde das CF-Gen auf dem Chromosom 7 identifiziert. Die CF-Mutation führt durch eine Störung des Salz- und Flüssigkeitstransports zur Bildung eines zähen

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Behandlung und Therapie Eckpfeiler der Behandlung sind die Inhalations- und Atemphysiotherapie, Medikamente sowie die hochkalorische Ernährung. Inhaliert werden schleimlösende Medikamente und Antibiotika. Physiotherapie und regelmässiger Sport dienen der Sekretmobilisation. Der Therapieaufwand beträgt 2 bis 4 Stunden pro Tag, Spitalaufenthalte sind häufig. Im fortgeschrittenen Stadium ist zusätzlich Sauerstoff notwendig. Im Endstadium kann eine Lungentransplantation das Leben um Jahre verlängern. Dank moderner Therapien und intensiver Betreuung der Betroffenen in spezialisierten CF-Zentren hat sich das Bild der Cystischen Fibrose in den letzten 20 Jahren dramatisch geändert. Die Krankheit, die früher fast nur Kinder und Jugendliche betraf, ist heute zu einer Erwachsenenkrankheit geworden. Es bleibt die Hoffnung, dass sie mittels Gentherapie eines Tages heilbar wird. n

Unterstützen Sie die Freizeitprojekte der Stiftung Cerebral und schaffen Sie Mobilität für körperbehinderte Menschen. Wir sind dankbar für jede Spende, für alle, die mit einem Legat über ihr Leben hinaus Gutes tun wollen, und für Unternehmen, welche einzelne Projekte finanzieren. Die Stiftung Cerebral unterstützt Betroffene und ihre Familien in der ganzen Schweiz.

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Eine Sonderveröffentlichung des Reflex Verlages

seltene krankheiten 7

Interview  Behandlung der Cystischen Fibrose

„Die Cystische Fibrose im Wandel der Zeit“ Fortschritte in Prognose und Lebensqualität. Herr Dr. Mordasini, Sie betreuen CF-Betroffene seit über 20 Jahren. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Die Behandlung und Betreuung der Patienten ist herausfordernd. Dennoch überwiegen die positiven Erlebnisse. Betroffene feiern ihren 30. Geburtstag, heiraten und bekommen Kinder. Wie diese jungen Menschen ihr Schicksal meistern, beeindruckt mich.

Dr. Carlo Mordasini, Chefarzt Pneumologie, Spital Tiefenau, Spital Netz Bern

Wie und wo werden CF-Betroffene in der Schweiz behandelt und betreut? Ambulant oder stationär betreut werden die CF-Betroffenen ausschliesslich an CF-Zentren. Diese existieren an den grossen Kantonsoder Unispitälern. Das CF-Zentrum im Spital Netz Bern-Tiefenau ist das grösste Erwachsenen-Zentrum der

Schweiz. Für die ganzheitlich ausgerichtete Behandlung der Erbkrankheit ist ein interdisziplinäres Team nötig: Dazu gehören beispielsweise Physiotherapeuten, Ernährungsberater, Infektiologen, Sozialarbeiter, Lungen- und Magendarmspezialisten. Wie wird die Diagnose Cystische Fibrose gestellt? In der Schweiz wird seit Kurzem ein Neugeborenen-Screening durchgeführt. Automatisch getestet werden die Babys dabei auf seltene Stoffwechselkrankheiten. Aufgrund dieser Früherkennung wird wahrscheinlich die Prognose weiter verbessert werden; heute Geborene haben eine gute Chance, 50-jährig oder älter zu werden.

Auf was führen Sie zudem die sich positiv entwickelnde Prognose zurück? Einerseits spielen dabei neu eingeführte und wirksamere Medikamente eine grosse Rolle. Dies gilt insbesondere für Antibiotika wie auch die Pankreasenzym-ErsatzPräparate. Früher litten sehr viele CF-Betroffene an Untergewicht. Glücklicherweise sieht man das heute immer weniger. Andererseits trägt die engmaschigere und professionellere Betreuung der Patienten viel dazu bei. Wie steht es um die Berufsund Familienplanung bei CF-Betroffenen? Fast alle Betroffenen absolvieren eine Lehre oder schliessen ein Studium ab. Danach arbeiten manche von ihnen in einem Teilzeitpensum.

Einhergehend mit der gestiegenen Lebenserwartung nimmt genauso der Kinderwunsch zu. Frauen sind beinahe normal fruchtbar, Männer hingegen steril. Trotzdem ist durch eine Spermienentnahme und die Invitro-Fertilisation Nachwuchs möglich. Zur Sicherheit der Kinder wird der Partner auf das CF-Gen getestet. Dadurch wird sichergestellt, dass die CF-Krankheit nicht vererbt wird. Was geschieht in der Forschung? Grosse Fortschritte erzielt die Transplantation. Jedoch stagnieren die Bemühungen in der Gentherapie. Dagegen werden diverse Medikamente erprobt, welche den Basisdefekt korrigieren. Auch dank der unermüdlichen Forschung steigt die Lebenserwartung der CF-Betroffenen und die Lebensqualität. n

interview  Cystische Fibrose

„Ich bleibe einfach immer optimistisch“ Wann wurde bei Ihnen Cystische Fibrose (CF) festgestellt? Ich war nur ein halbes Jahr alt, die Krankheit hat mich also mein Leben lang begleitet. Schon als Kind musste ich morgens und abends inhalieren und physiotherapeutische Übungen machen. Ausserdem muss ich bis heute Medikamente nehmen, wenn ich etwas esse. Was mir als Kind gefiel: Ich bekam keine Noten im Sportunterricht! Aber sowohl Lehrer als auch Mitschüler waren da sehr verständnisvoll. Wie äussern sich im Alltag die Symptome der Krankheit? Ich habe zum Glück eine eher leichte Form der CF, trotzdem bin ich für Infekte anfälliger als andere Menschen. So brauche ich dann immer wieder Intensiv-Antibiotikakuren,

das heisst, die orale Einnahme von Medikamenten reicht nicht mehr aus und man bekommt über einen Zeitraum von zwei Wochen Infusionen. Wenn es irgendwie geht, versuche ich, die Behandlung zu Hause zu machen anstatt ins Spital zu gehen. Gibt es neben Medikamenten noch Dinge, die Ihnen im Alltag Kraft geben? Ja. Ich mache zum Beispiel gern Yoga. Das hat mir zusätzlich zur Therapie schon oft sehr geholfen. Medikamente muss ich sowieso ständig nehmen, unabhängig von meinem aktuellen Zustand. Aber das ist einfach Routine, das bin ich gewohnt. Haben Sie durch die ständige Einnahme von Medikamenten mit Nebenwirkungen zu kämpfen?

Manchmal. Wenn ich beispielsweise solch eine Intensiv-Antibiotikakur mache, bin ich immer sehr müde und abgespannt. Aber ich habe es glücklicherweise bisher kaum mit starken Nebenwirkungen zu tun gehabt. Ich hoffe natürlich, dass das so bleibt. Ich weiss von anderen, dass sie gegen bestimmte Antibiotika resistent geworden sind und dann immer mal wieder das Präparat wechseln müssen. Fühlen Sie sich im Alltag manchmal beeinträchtigt? Ja, zum Beispiel beim Treppensteigen oder wenn ich mich beeilen muss, um einen Zug zu bekommen. Bei ganz gewöhnlichen Alltagsdingen fange ich an zu husten und brauche viel länger, um mich hinterher zu erholen.

Fürchten Sie, dass Sie irgendwann eine Lungentransplantation brauchen? Bis jetzt habe ich sehr stabile Werte. Es kommt aber sicher irgendwann auf mich zu, denn es ist meist die letzte Chance, wenn alle anderen Therapien keinen Erfolg mehr zeigen. Aber es ist beruhigend, dass ich viele Betroffene kenne, bei denen die Transplantation gut verlief. Wie behalten Sie Ihre positive Einstellung? Ich bleibe einfach optimistisch. Seit meiner Kindheit und auch noch heute habe ich auf Kuren viele andere CF-Patienten getroffen. Ich sage mir: Ohne meine Erkrankung hätte ich einige Erfahrungen wohl nie gemacht und nie so wunderbare Menschen kennengelernt! n

Martina Schmidt, seit Kindheit betroffen von Cystischer Fibrose

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Wir kämpfen gegen Cystische Fibrose Wir unterstützen Menschen mit der unheilbaren Erbkrankheit Cystische Fibrose. Dazu gehört auch die Förderung von Forschungsprojekten, die uns der Heilung näher bringen. Helfen Sie uns, zu helfen.

www.cfch.ch, info@cfch.ch Tel. 031 313 88 45 Spendenkonto: PC 30-7800-2


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seltene krankheiten Eine Sonderveröffentlichung des Reflex Verlages

artikel  Morbus Crohn

Die Schmerzen sind ständige Begleiter Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmkrankheit und unheilbar. Neue Medikamente sollen die Lebensqualität verbessern. von Wiebke Toebelmann

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ine junge Frau beschreibt ihre Krankheit in einem Internetforum wie folgt: „Es ist, als ob Krieg im Bauch herrscht.“ In der Schweiz sind rund 16‘000 Menschen von Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa betroffen, die beide zu den chronischentzündlichen Darmerkrankungen gehören. Morbus Crohn kann den gesamten Verdauungstrakt von der Mundhöhle bis zum After betreffen. Meist siedeln sich aber die Entzündungen im Übergangsbereich vom Dünndarm zum Dickdarm an.

Krankheit in Schüben Die Tücken dieser Krankheit, die zahlenmässig noch zu den häufigeren „seltenen Krankheiten“ gehört, sind vielfältig und beinhalten einen Leidensweg, der zumeist schon

im Teenageralter beginnt. Morbus Crohn verläuft gewöhnlich in Schüben, sodass auf durchaus relativ beschwerdefreie Perioden dann wieder Zeiten mit extrem schmerzhaften und kaum erträglichen Symptomen folgen können. Diese sind typischerweise Bauchweh, Durchfall, Fieber sowie Zustände völliger Erschöpfung. Dazu kommen Analfissuren, Fisteln, Hautveränderungen und Entzündungen der Augen oder des Mundes. Etwa ein Drittel der Erkrankten wird arbeitsunfähig. Die Patienten haben zwar keine eingeschränkte Lebenserwartung, sind jedoch eher gefährdet, an Darmkrebs zu erkranken. Die Ursachen sind unklar. Aber es wird vermutet, dass Morbus Crohn zwar nicht vererbbar ist, bei einigen Betroffenen aber eine Famili-

enhäufigkeit besteht. Zumindest bei zehn bis 15 Prozent der Fälle wird eine genetische Disposition vermutet. Desweiteren gibt es auch die These, dass die in modernen, industrialisierten Ländern übliche Hygiene Schuld ist an dem vermehrten Auftreten von Morbus Crohn und anderen chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Faktoren wie Stress oder Rauchen begünstigen die Krankheit obendrein, dennoch ist es schwer, Vorbeugungsmassnahmen zu benennen.

Fortschritt durch wirksame Therapien Morbus Crohn ist nicht heilbar, allerdings können die Beschwerden gelindert werden. Eine gängige Therapie ist die Verabreichung von Kortison, welches auf Dauer jedoch zu Nebenwirkungen wie Auf-

gedunsenheit, Knochenschwund und Störung des Blutzucker- und Blutfetthaushaltes führen kann. Neu sind die sogenannten Biologika, also die Therapie mit Antikörpern. Biologika sind sehr wirksame Medikamente und binden einen Entzündungsstoff im Körper, der sich TNF-alpha nennt. Dadurch

entstehen weniger Entzündungen, sodass die Schübe weniger stark verlaufen. Die neuen Therapien bedeuten einen Hoffnungsschimmer für die Patienten. Zudem spricht alles dafür, dass sich die Lebensqualität in Zukunft durch weitere innovative Behandlungsmethoden noch stark verbessern wird. n

interview  Fortschritte in der Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen

„Abheilung von Schüben durch TNF-alpha-Antikörper“ Herr Professor Seibold, was sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen und wie häufig treten diese in der Schweiz auf? Chronisch entzündliche Darmerkrankungen umfassen den Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa. Dies sind chronische, oft schubweise verlaufende Entzündungen im Darm. Die Erkrankungen können bereits im Kindesalter auftreten, meistens werden sie jedoch bei Jugendlichen bis jungen Erwachsenen diagnostiziert. In der Schweiz sind circa zwei von 1`000 Einwohnern von einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung betroffen. Unter welchen Symptomen leiden diese Patienten? Die häufigsten Beschwerden sind Durchfälle oder Bauchschmerzen. Aufgrund der meist blutigen Durch-

fälle wird die Diagnose einer Colitis ulcerosa meist rasch gestellt, während bei Morbus Crohn, wo sich die Entzündungen überall zwischen Mund und After befinden, es zum Teil Jahre dauern kann, bis man weiss, woran der Patient leidet. Neben Bauchschmerzen und Durchfall können Müdigkeit, Fieber, Gewichtsverlust, Gelenkschmerzen und viele andere Symptome auftreten. Kann man diese Erkrankungen heutzutage gut behandeln? Hat es in der letzten Zeit Fortschritte in den Behandlungsmodalitäten gegeben? Noch vor zwanzig Jahren war man bei der Behandlung von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sehr begrenzt. Es gab damals nur zwei Medikamente, die man bei diesen Patienten einsetzen konnte. Heutzutage ver-

fügen wir über eine grosse Palette von Medikamenten. Dabei gibt es Medikamente, wie etwa die TNFalpha-Antikörper, die seit 1999 in der Schweiz zum Einsatz kommen. Diese Substanzen führen bei vielen Patienten zu einer raschen Abheilung des Schubes und können weitere Schübe verhindern. Auch mit Immunsuppressiva kann man die Erkrankung relativ gut unterdrücken, jedoch kann ein Teil der Patienten aufgrund von Nebenwirkungen nicht langfristig mit diesen Medikamenten therapiert werden. Es gelang in den letzten Jahren, weitere Medikamente zu entwickeln, die in ihrem Wirkmechanismus immer spezifischer werden. Beispielsweise wird die Wanderung gewisser weisser Blutkörperchen zum Darm selektiv behindert, sodass sich die Entzündung dort beruhigen kann. Solche Medikamente sind kurz vor

der Zulassung und andere neue Substanzen werden derzeit in klinischen Studien getestet. Darunter sind zum Teil auch unkonventionelle Methoden, wie zum Beispiel die Schweinepeitschenwurmeier: Der Patient schluckt einen Wurmeicocktail, im Darm schlüpfen dann die für den Menschen nicht gefährlichen Würmer, die ihrerseits eine Immunreaktion auslösen, welche die schädlichen Immunreaktionen des Morbus Crohns neutralisiert. In Bern konnten wir schon einige Patienten mit dieser Methode erfolgreich behandeln. Insgesamt gehe ich davon aus, dass durch etliche neue Methoden die Therapie in wenigen Jahren weiter verbessert werden kann. Die allermeisten Patienten, die in spezialärztlicher Behandlung betreut werden, haben aber auch schon heute eine recht gute Lebensqualität, und der Verlauf der Erkrankung

kann durch eine adäquate Therapie günstig beeinflusst werden.

eine weitere Studie durch, die untersuchte, ob es Unterschiede gibt zwischen früher und später Diagnose. Das Ergebnis: Die Patienten, bei denen Morbus Crohn erst spät erkannt wurde, leiden oftmals vermehrt an Fistel- und Engstellenbildung.

travenöse Infusion im Spital und die anderen beiden als subkutane Injektion verabreicht werden. Bei der subkutanen Behandlung kann sich der Patient diese selbst unter die Haut injizieren. Wir haben 100 Patienten bei unserer CHOOSE-TNFStudie befragt, ob sie den Weg der Selbstinjektion bevorzugen und wie viel Freiraum sie sich bei der Behandlung wünschen. Das Ergebnis: Die Erkrankten sind gerne selbstständig und möchten nicht ins Spital, um dort mehrere Stunden eine Infusion zu bekommen. Vor allem berufstätige Betroffene wollen es vermeiden, regelmässig am Arbeitsplatz zu fehlen. Daher das Fazit der Studie: Die Mehrzahl der Patienten bevorzugte die Selbstinjektion. n

Besteht denn Hoffnung, dass man diese Erkrankungen eines Tages heilen kann? In den letzten Jahren sind wir bei der Erforschung der Ursachen dieser Erkrankungen, aber auch bei der Entwicklung neuer Behandlungsstrategien deutlich weiter gekommen. Aktuell sind diese Erkrankungen noch nicht heilbar, jedoch ist in vielen Fällen die Erkrankung mit einer medikamentösen Therapie so gut unterdrückbar, sodass die meisten Patienten sich einer sehr guten Lebensqualität erfreuen. n Interview mit Prof. Dr. med. F. Seibold, Chefarzt Gastroenterologie, Crohn-Colitis-Sprechstunde, Spital Tiefenau, Bern Mit freundlicher Unterstützung von: AbbVie AG.

interview  Behandlung von Morbus Crohn mit Biologika

„Patienten bevorzugen Selbstinjektion“ Wie viele Menschen sind in der Schweiz von Morbus Crohn betroffen – gibt es eine steigende Tendenz? In der Schweiz leiden etwa 12‘000 Menschen an Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Beide gehören zu den chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten. Seit den 1950erJahren wurde ein leichter Anstieg beobachtet. Ist es korrekt, dass Morbus Crohn mit zunehmendem Wohlstand und Hygiene zu tun hat? Die Zunahme macht sich vor allem in den modernen Industrienationen bemerkbar. Übermässige Hygiene kann zur Folge haben, dass unser Immunsystem nicht richtig gegen bestimmte Krankheitserreger gewappnet ist.

Wie lange dauert es, bis eine betroffene Person in der Schweiz diagnostiziert wird? In der Schweiz dauert es durchschnittliche neun Monate, bis die Diagnose Morbus Crohn gestellt wird. Bei manchen kann das sogar bis zu drei Jahre dauern. Eine unserer Studien hat ergeben, dass Patienten oft erst nach Monaten ihren Hausarzt aufsuchen und der sie wiederum oft verzögert an einen Spezialisten überweist. Es ist also wichtig, sowohl Patienten als auch Ärzte aufzuklären. Das Ziel für Arzt und Patient muss ganz klar eine frühe Diagnose sein. Ist eine späte Diagnose gefährlich? Die Lebensqualität im Alltag ist sehr eingeschränkt, wenn Betroffene über einen langen Zeitraum mit den

Crohn-Symptomen leben müssen: Durchfall, Bauchweh, Fieberschübe und Abgeschlagenheit. Wir führten

Welche Diagnosemethoden gibt es und müssen die Patienten davor Angst haben? Nein, keineswegs. Als Marker dient uns zunächst das sogenannte Calprotectin im Stuhl, welches auf einen erhöhten Entzündungswert hinweist. Der nächste Schritt ist eine Dickdarmspiegelung.

PD Dr. Stephan Vavricka, Abteilungsleiter Gastroenterologie und Hepatologie, Stadtspital Triemli

Relativ neu ist die Behandlung mit Biologika. Wie werden sie verabreicht? Es gibt drei verschiedene Typen von Biologika, wobei eines als in-

Mit freundlicher Unterstützung von: AbbVie AG.


Eine Sonderveröffentlichung des Reflex Verlages

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artikel  Lysosomale Speicherkrankheiten

Die tückischen Exoten Zu den Speicherkrankheiten gehören etwa 50 seltene Stoffwechselerkrankungen – sie sind genetisch bedingt und schwer behandelbar. Von Wiebke Toebelmann

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er den Zungenbrecher Lysosomale Speicherkrankheiten hört, denkt vielleicht nicht sofort an heimtückische Syndrome, die sehr schwerwiegende Folgen haben und oftmals sogar tödlich enden. Es handelt sich dabei um eine Gruppe von ungefähr 50 genetisch bedingten Stoffwechselerkrankungen mit so exotischen Namen wie Mukopolysaccharidose, Morbus Fabry oder auch Niemann Pick. Die Lysosomalen Speicherkrankheiten sind höchst selten und kommen weltweit nur etwa bei einem Neugeborenen von 7‘500 bis 8‘000 vor. Doch diese wenigen Neugeborenen haben eins gemeinsam, und zwar eine verminderte Enzymaktivität, welche im Erbgut liegt, und die zum Beispiel durch eine Mutation eines Gens entstanden ist. Doch obwohl diese Krankheiten erblich sind, erkrankt nicht jeder, der den Gendefekt in sich trägt. Zunächst einmal ist festzustellen, dass Lysosome per se nichts Gefährliches sind: Jeder Mensch hat sie, jene Zellorgane, die komplexe Makromoleküle in ihre einfachen Bausteine zerlegen. Damit sich dieser Abbau vollziehen kann, stehen uns zahlreiche Enzyme zur Kata-

lysierung, genannt Hydrolasen, zur Verfügung. Anders bei denen, die an einer Lysosomalen Speicherkrankheit leiden: Bei ihnen ist meist eine der Hydrolasen zu schwach und somit der Abbau eines Makromoleküls weniger gut katalysierbar. Die Folge ist eine Anreicherung dieser Makromoleküle in der Zelle und somit eine Funktionsstörung unterschiedlicher Organsysteme.

Niemann Pick: eine tödliche Diagnose Besonders tragisch ist die Niemann Pick-Krankheit, welcher ein genetischer Defekt des Enzyms Sphingomvelinase zugrunde liegt. Sie ist unheilbar und tödlich, und die Betroffenen sterben in sehr jungem Alter. Die Einteilung erfolgt nach den Typen A bis D. Typ A ist eine besonders schwer verlaufende neuroviszerale (neurologische Innenorganbeteiligung) Erkrankung, die schon im Kindesalter tödlich endet. Beim Typ B fehlen neurologische Symptome und das Erwachsenenalter kann erreicht werden. Beim Typ C vergrößern sich Milz und Leber, was zu einer Gelbfärbung der Haut führt. Typ D äußert ähnliche Symptome wie Typ C. Was alle Niemann Pick-Arten gemeinsam haben, ist die bittere Gewissheit, der sich alle Eltern stellen müssen: Ihre Kin-

der werden irgendwann an dieser Krankheit sterben.

Selten, aber tückisch: Morbus Fabry Morbus Fabry ist eine weitere gefährlich fortschreitende Speicherkrankheit, die zwar seit 100 Jahren bekannt ist, doch so selten auftritt, dass die wenigsten Ärzte jemals einen Fall erleben. Die typischen Organe, die in Mitleidenschaft gezogen werden, sind Haut, Augen, Nervensystem, Nieren und Herz. Die Gefahr, Morbus Fabry nicht früh genug zu erkennen, ist gross, sind doch die Symptome im Kindesalter

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Lange vernachlässigt, sind Lysosomale Speicherkrankheiten in den vergangenen Jahren verstärkt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Durch Registrierung der Patienten und Vernetzung der Behandlungszentren kann den Betroffenen besser geholfen werden. Doch bis die Speicherkrankheiten aus ihrem „Waisendasein“ herausgeholt werden, gibt es noch viel zu tun. n

„Betroffene brauchen ganzheitliche Betreuung“

ine optimale Therapie und Begleitung von Patientinnen und Patienten, welche an einer seltenen Krankheit leiden, stellt besondere Anforderungen an alle Verantwortlichen.

Für die optimale Therapie einer seltenen Krankheit kann eine auf den einzelnen Patienten abgestimmte spezielle Dosierung und Darreichungsform eines Wirkstoffs vonnöten sein. Der Apotheker in der öffentlichen Apotheke oder in einer Spitalapotheke hat die fachliche Kompetenz, diese patientenspe-

Wie alle seltenen Erkrankungen sind Lysosomale Speicherkrankheiten nur schwer zu behandeln. Doch für einige von ihnen, gibt es hochentwickelte Therapiemöglichkeiten. Eine von ihnen ist die Enzymersatztherapie: Es ist möglich, das fehlende Enzym durch biotechnologisch hergestellte Enzyme zu ersetzen. Dies erfolgt über Infusionen, deren Verabreichung äusserst strikt geregelt ist: Die Therapieform muss so früh wie möglich und ein Leben lang angewendet werden. Um eine Neubildung der im Lysosom nicht abbaubaren Makromoleküle zu verhindern, können auch niedermolekulare Verbindungen verabreicht werden. Diese Behandlungsform nennt sich Substratreduktionstherapie. Noch nicht sehr gängig, aber bei manchen Krankheitsbildern durchaus erfolgreich, ist die ChaperonTherapie, bei der die Enzymaktivität künstlich erhöht wird.

interview  Morbus Fabry

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Ganz besonderes Augenmerk wird der Apotheker daher auf eine umfassende Information und aufmerksame Begleitung des Patienten richten. In enger Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt werden unerwünschte Nebenwirkungen sofort der zuständigen Behörde gemeldet, damit neu gewonnene Erkenntnisse gesammelt, veröffentlicht und somit die Behandlungsqualität laufend optimiert werden können. Auch die Berichte über Therapieerfolge müssen gesammelt und publiziert werden.

Hilfe durch Therapien

Seltene Krankheiten

Die Apothekerinnen und Apotheker sind dank ihrer anspruchsvollen, universitären Aus-, Weiter- und Fortbildung zum Spezialisten für Arzneimittel in besonderem Masse befähigt, ihren Beitrag zu leisten: Anders als bei gut erforschten Krankheitsbildern werden zur Behandlung seltener Krankheiten zumeist Arzneimittel eingesetzt, welche nicht die üblichen Zulassungsverfahren durchlaufen und über welche somit erst wenige Daten vorliegen. Die Erforschung und Entwicklung, und damit verbunden die Verfügbarkeit von Arzneimitteln zur Behandlung seltener Krankheiten, ist verhältnismässig wenig fortgeschritten.

recht diffus. Hornhauttrübung im Auge, Fieber Erschöpfungszustände, Schmerzen oder Durchfall werden oftmals nicht diesem seltenen Befund zugeordnet. Später bekommt der Patient Probleme mit den Nieren, was sich durch eine erhöhte Eiweissausscheidung äussert und bis zum Nierenversagen führen kann. Auch klagt jeder dritte Fabry-Patient über Herzrhythmusstörungen und Atemprobleme. Ein weiteres typisches Merkmal ist die verminderte Fähigkeit zu schwitzen, grosse Empfindlichkeit bei Hitze und Kälte und auch ein Defizit in der Tränen- und Speichelproduktion.

Was ist Morbus Fabry? Morbus Fabry ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung, charakterisiert durch einen Mangel der alpha-Galactosidase in den menschlichen Zellen. Dieses Enzym baut gewisse Fettsubstanzen ab. Geschieht dies nicht, kann es zu einer Ansammlung von Stoffen und in der Folge zur Schädigung bestimmter Zellen und Organe kommen. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen, da sich der Gendefekt auf dem weiblichen Geschlechtschromosom befindet. zifische Herstellung gemäss dem Arztrezept vorzunehmen oder zusammen mit dem Arzt geeignete Formulierungen zu entwickeln. n

Dominique Jordan, Präsident pharmaSuisse

Stationsstrasse 12 CH-3097 Bern-Liebefeld T +41 (0)31 978 58 58 F +41 (0)31 978 58 59 info@pharmaSuisse.org www.pharmaSuisse.org

Diese Krankheit ist sicher nicht leicht zu diagnostizieren? In der Tat äussert sich die Krankheit häufig mit unspezifischen Symptomen, die schon im Kindesalter auftreten können. Dazu gehören beispielsweise Durchfall oder auch eine Hitzeunverträglichkeit, die Schmerzen in den Füssen und Fingern auslösen kann. Betroffene Kinder wollen dann häufig keinen Schulsport ausüben, was leider oftmals als „Faulheit“ ausgelegt wird. Mit zunehmender Krankheitsdauer können sich ernsthafte und lebensbedrohliche Organschäden an Nieren, Herzen und Hirn ausbilden.

Wir haben die Betreuung der rund 80 Patienten vor einigen Jahren reorganisiert. Heute kümmert sich ein interdisziplinäres Team um sie. Vor allem um betroffene Familien ganzheitlich unterstützen zu können, arbeiten wir ganz eng mit Fachexperten aus dem Kinderspital Zürich zusammen. Wir treffen uns regelmässig, besprechen die Patientenfälle, tauschen unser Fachwissen aus und führen wissenschaftliche Studien durch. Wir haben uns zudem mit unseren Kollegen in Lausanne zusammengeschlossen und die Swiss Society of Fabry Disease gegründet. Damit wollen wir auch auf nationaler Ebene den Fachaustausch sichern, damit Patienten die bestmögliche Betreuung erhalten. n

Wie wird Morbus Fabry behandelt? Die Patienten erhalten eine sogenannte Enzymersatztherapie. Ihnen wird alle zwei Wochen eine Infusion mit dem fehlenden Enzym verabreicht. Diese Therapie erfolgt nicht zwingend im Spital, sondern kann auch durch eine Pflegefachperson bei den Patienten zu Hause durchgeführt werden. Wie sieht die Betreuung von Menschen mit Morbus Fabry am UniversitätsSpital Zürich aus?

PD Dr. Pierre-Alexandre Krayenbühl, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin am UniversitätsSpital Zürich und Präsident der Swiss Society of Fabry Disease


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Im Dialog zur Qualität Umsetzung der Verordnungsänderung von Artikel 71a/b KVV.

Professor für pharmazeutische Medizin an der Universität Basel und Verwaltungsratspräsident Helsana

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oderne Krankenversicherer suchen im Dialog nach Lösungen im Sinne der Patienten – weil der Gesetzgeber nicht alles bis ins Detail festlegen kann und soll. Helsanas Nutzenmodell zur Vergütung von innovativen Medikamenten ist ein Beispiel dafür. Die Schweiz pflegt im Unterschied zu vielen anderen Ländern ein freiheitliches Gesundheitssystem. Mit viel Erfolg, wie internationale Vergleiche immer wieder zeigen. Bei wichtigen Qualitätsindikatoren erreicht die Schweiz überdurchschnittliche Werte. Auch bei den Innovationen ist die Schweiz traditionell Spitze. Das soll nicht heissen, dass sich der Staat gänzlich aus dem Gesundheitssystem herauszuhalten hat. Im Gegenteil. Auch ein liberales System braucht Spielregeln. Zum Beispiel für die Vergütung von Medikamenten durch die obligatorische Grundversicherung. Hier gilt: Erstens muss das Medikament von der Heilmittelbehörde Swissmedic zugelassen sein. Zweitens muss es auf der Spezialitätenliste des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) stehen beziehungsweise die WZW-Kriterien des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) erfüllen. WZW steht für wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich. Nur Medikamente, die alle drei Kriterien erfüllen, sind kassenpflichtig. Bekanntlich kennt das Leben aber keine Regel ohne Ausnahme.

Neue Verordnung sieht Vergütung bei hohem Patientennutzen vor Es gibt zunehmend Medikamente, die ausserhalb der genehmigten Anwendung oftmals bei seltenen oder schweren Krankheiten eingesetzt werden. Die Medikamente versprechen Linderung, erfüllen die WZW-Kriterien aber nicht vollständig. Auch wenn solche Medikamente nicht auf der BAG-Spezialitätenliste stehen, waren sie bis vor einem Jahr in Ausnahmefällen nach Kriterien des Bundesgerichtes durch die Solidargemeinschaft der Grundversicherten vollumfänglich zu finanzieren. Mit der neuen Verordnung KVV 71 a und b1 wurden die Kriterien 2011 gesetzlich verankert. Danach sind Arzneimittel, die ausserhalb ihrer Zulassung angewendet werden und/oder nicht auf der BAG-Liste figurieren, nur dann aus der obligatorischen Grundversicherung zu vergüten, wenn ein hoher Nutzen für die Patienten zu erwarten ist. Wie dieser Nutzen im Einzelfall zu beurteilen ist, lässt die Verordnung offen. Klar ist, dass die Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen vom Versicherer festzulegen und der Vertrauensarzt einzubeziehen ist. Eine Vergütung erfordert also in jedem Ausnahmefall eine vorgängige Abstimmung mit dem Versicherer des Patienten.

Die Umsetzung der Verordnung liegt in der Verantwortung des Versicherers Diese besondere Verantwortung der Versicherer behagt nicht allen. Ein prominenter Befürworter einer staatlichen Einheitskasse sprach sich dagegen aus, „dass der Vertrauensarzt eines Versicherers über Leben und Tod entscheiden soll“. Wie wenn der Vertrauensarzt einfach aus dem Blauen heraus Leistungsentscheide treffen könnte. Aber auch seitens der freiheitlich und wettbewerbsorientierten Pharmabranche griff Unbehagen um sich. Offenbar ist man sich hierzulande nicht gewohnt, dass Krankenversicherer weit mehr können und tun, als auf Geheiss des Staates Prämien einzukassieren und Leistungen zu vergüten. Versicherer moderner Prägung engagieren sich im Interesse ihrer Kunden auch für die Versorgungsqualität. Dazu gehört auch der Zugang zu innovativen Medikamenten. Dass sich ein Versicherer also mit der konkreten Umsetzung der Verordnung KVV 71 a/b im Alltag beschäftigt, ist weder ungehörig noch überraschend. Das gehört schlicht zum Job.

Helsana-Nutzenmodell ermöglicht Zugang zu innovativen Medikamenten Unter der Federführung ihres leitenden Vertrauensarztes entwickelte Helsana mit Fachexperten ein Nutzenmodell2 (siehe Abbildungen 1 und 2). Das Modell erlaubt eine praxistaugliche Nutzenbestimmung im Sinne des Regulators und wurde von Roche und Novartis validiert. Anstoss zur Entwicklung des Nutzenmodells gab die steigende Zahl unklarer Ausnahmefälle. Im Zentrum der Überlegungen standen dabei die Bedürfnisse und Anliegen der Patienten und Versicherten: Die Patienten wollen möglichst schnell und unkompliziert Hilfe und Linderung und bekommen diese dank der einvernehmlichen Partnerschaft von Versicherer und Pharmaunternehmen; die (gesunden) Versicherten erhalten die doppelte Gewissheit, dass ihre Prämien nützliche

Arzneimittel finanzieren und ihre Angehörigen im Falle eines schlimmen Schicksals selber von einem schnellen Zugang zu innovativen Medikamenten profitieren.

Helsana-Nutzenmodell objektiv

transparent

nachprüfbar

praxistauglich

einheitliche Nutzenbewertung

seltene klinische Situation

Nutzenmodell besticht durch seine Praxistauglichkeit Anfang 2012 wurde das Modell der Fachwelt vorgestellt. Das Echo darauf war durchwegs positiv und zeigte, dass das Modell gute Chancen hat, zum Standard erhoben zu werden. Grundlegende Einwände und Vorbehalte wurden jedenfalls keine laut. Bedenken, dass die Lösung erst einem eingeschränkten Kreis von Patienten und Versicherten zur Verfügung steht, lassen sich schnell ausräumen. Denn das Nutzenmodell besticht durch seine Praxistauglichkeit und kann von anderen Akteuren umgehend eingesetzt werden, ohne dass es dazu hochspezialisierte Experten braucht. Es handelt sich um eine kompakte WZW-Konkretisierung, die jeder rasch und unkompliziert anwenden kann. Zudem lässt sich das Modell bei Bedarf unter Einbezug weiterer Anspruchsgruppen weiter entwickeln.

Spitäler sind als weitere Partner miteinzubeziehen Auch ein von Spitalapothekern ins Feld geführter Vorbehalt, dass die direkte Zusammenarbeit zwischen Versicherer und Pharmaunternehmen Änderungen im Beschaffungsprozess von Spitälern bedingt, ist kein unüberwindbares Hindernis. Dass die Spitäler hier als weiterer Partner willkommen und einzubinden sind, liegt auf der Hand und wird bereits diskutiert. Klar ist jedoch auch, dass das Vertragsprinzip zwischen dem Pharmaunternehmen und dem Krankenversicherer in den Ausnahmefällen nach KVV 71 a/b unabdingbar ist und bleibt. Andernfalls drohen langwierige Auseinandersetzungen über eine faire Abgeltung, was den raschen und unkomplizierten Zugang zu den benötigten Medikamenten gefährdet. Zudem lässt sich das Modell bei Bedarf unter Einbezug weiterer Anspruchsgruppen weiterentwickeln.

Evidenzbasierte Medizin

Abb.2: Helsanas Nutzenmodell fusst auf den Säulen Praxistauglichkeit, einheitliche Nutzenbewertung und berücksichtigt seltene, klinische Situationen. Das Fundament bildet die evidenzbasierte Medizin. Das Resultat – Objektivität, Transparenz und Nachprüfbarkeit – erklärt die breite Akzeptanz des Modells.

Praktiker als Gestalter des Gesundheitssystems Die Aussicht auf juristische Auseinandersetzungen sind einem Klima zur Entwicklung innovativer Arzneimittel alles andere als förderlich. Nichts hemmt und verteuert die Entwicklung von Innovationen so sehr wie Unvorhersehbarkeit und ein unberechenbarer Marktzugang. Ganz davon abgesehen, dass der Rechtsweg sich im Gesundheitswesen oft genug als Holzweg erweist. Die Gestaltung und Weiterentwicklung des Gesundheitssystems sollten wir nur in Ausnahmefällen den Richtern überlassen.

Vertrauensarzt

Versicherer

Studienrelevanz

Nutzenkategorie

Vergütungskategorie

Erheblich

Bedeutsam

Gering

Keine

A

B

C

D

1 KVV 71a regelt die Kostenübernahme eines Arzneimittels der Spezialitätenliste (SL) ausserhalb der genehmigten Fachinformation oder Limitierung. KVV 71b regelt die Übernahme der Kosten eines nicht in die SL aufgenommenen Arzneimittels. 2 Beat Seiler et al.: Die Bestimmung des therapeutischen Nutzens eines Medikamentes nach Art. 71 a/b der Verordnung zur Krankenversicherung; Schriftenreihe der Schweizer Gesellschaft für Gesundheitspolitik, Band 112.

Insofern zielt das Nutzen- und Partnerschaftsmodell weit über den individuellen Nutzen der daran beteiligten Parteien hinaus. Es nützt dem Gesundheitssystem insgesamt und beweist, dass die Akteure in der Lage sind, ihre Verantwortung im Sinne einer auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichteten Versorgung wahrzunehmen. Das Beispiel sollte Ansporn sein, auf andere wichtige Fragen rund um unser Gesundheitssystem Antworten im offenen und konstruktiven Dialog unter Praktikern zu finden. n

Pharma

Übereinstimmung Einzelfall (Korrektur)

von Thomas D. Szucs,

* →

→ * Bei erfolgreichem Therapieversuch eines Medikaments der Nutzenkategorie C vergütet der Versicherer einen Teil der Therapie.

Abb.1: Die Höhe der Vergütung wird durch den Versicherer bestimmt – basierend auf der Einschätzung der Studienrelevanz mittels Scorepunkten in Kombination mit der Fallbeurteilung durch den Vertrauensarzt. Das Ziel ist ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Wie weiter? Helsana hat mit seinem Nutzenmodell den Boden für konstruktive Lösungen im Sinne der Patienten bereitet. Die Krankenversicherer – unter massgeblicher Beteiligung Helsanas – sind momentan daran, sich unter Einbezug der Vertrauensärzte auf ein schweizweit einheitliches Nutzenmodell zu verständigen. Die Lancierung ist noch in diesem Jahr geplant.


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