Retroblatt - 3/2019 - Das Vintage-Magazin vom Retrokiosk

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Bild: © u-bahn-muenchen.de/Florian Schütz

Bild: © MVG, Wolfgang Wellige

u-bahn Wer eine Großstadt besucht, bekommt relativ schnell deren ÖPNV zu Gesicht. Wer München besucht, sollte U-Bahn fahren. Nicht nur, um tatsächlich zügig in der bayerischen Landshauptstadt hin und her zu kommen. Sondern auch um ein Stück Nostalgie zu erleben. Denn im Münchner Untergrundnetz verkehren noch die Baureihen (A und B), die zum Start der U-Bahn in München Anfang der 70er Jahre konzipiert und, bei der Baureihe B, mit leichten Veränderungen jahrelang für die U-Bahn gebaut wurden. Dies fällt vor allem im Innenbereich auf. Wo heute in modernen Zügen kühles Superplastik verbaut ist, grüßt einem hier eine Holzplattenoptik, wie man sie noch von Omas Schrankwand im Wohnzimmer kennt. Die Sitze in blauem und braunen Kunstlederbezug und Viererkonstellation verstärken die Gemütlichkeit mit einem Gefühl, wie auf der Rückbank eines soliden Oldtimers zu sitzen, was ja auf die Züge auch zutrifft. Die über Druckluft betätigten Schwenkschiebetüren schnalzen mit kräftigem Schwung zu, als möchten Sie signalisieren: Hier herrscht noch Recht und Ordnung. Und da wo heute Super-LED-Simulierungen Tages- und Nachtlichteffekte präsentieren, sind hier schlichte Leuchtröhren hinter Lamellenbändern eingebaut. Für den Touristen, besonders den der deutschen respektive bayrischen Sprache nicht so mächtigen, könnten die noch vom Zugführer selbst getätigten Durchsagen eine Überraschung darstellen. In breitem bayrisch

ist ein meist eher charmant genuscheltes „Zruck bleim“ (Zurück bleiben) zu hören, bevor die Türen schließen. Kräftig brummend setzten die Motoren zur Beschleunigung an. Kein optimiert klingender Eco-Motoren-Klang heutiger Öffis. Wenig später folgt die Ansage der nächsten Station, meist in einer eher unpassenden Lautstärke. Zum nächsten Waggon geben zwei Fenster an den jeweiligen Waggonenden den Blick frei. Massive Haltestangen und Schnapper der noch zu öffenbaren Fenster geben das Gefühl, hier wurde noch Qualität verbaut. Die markanten roten Notbremsen würden auch ohne Probleme in so manche Industriedesign-Sammlung passen. Natürlich geht man auch in München mit der Zeit. Neue Züge findet man bereits zahlreich auf den Strecken der MVG. Sie sind stromlinienförmig, hell freundlich, mit Computeransage. Doch charmanter oder besser markanter sind die alten Wagen. Sie geben ein Gefühl von Gemütlichkeit, erzeugt ohne Computersimulationen von Nutzungskonflikten in einer Zeit der permanenten Bemühung um Political und Social Correctnes. Man könnte sich durchaus vorstellen, Gustl Bayrhammer würde als Tatort-Kommissar Melichor Veigl mit seinem Dackel Oswald auf dem Arm bei der nächsten Station zusteigen um ins Polizeipräsidium in die Ettstraße zu fahren oder der Monaco Franze mit Blumenstrauß („a bisserl was geht immer“) in sein „Viertel“, nach Schwabing. ST


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