Warum hatte die Weimarer Republik keinen Bestand? Die Dolchstoßlegende
Die Gründung der Weimarer Republik erfolgte am 9. November 1918 durch die Proklamation von Philipp Scheidemann (SPD). Dieser Proklamation waren militärische Niederlagen an der Front in Frankreich im Zuge des 1. Weltkrieges (1914-1918) und der Beginn der Novemberrevolution ab dem 4. November 1918 vorausgegangen, die zur Abdankung des Deutschen Kaisers Wilhelm II. führte. Nach der Proklamation der deutschen Republik begannen Waffenstillstandsverhandlungen mit den Alliierten, da die militärische Situation Deutschlands und seiner Verbündeten aussichtslos war. Der Abschluss des Waffenstillstandes erfolgte am 11. November 1918, woraufhin die Kampfhandlungen beendet wurden. Der Waffenstillstand beinhaltete relativ harte Bedingungen: • Rückzug des Westheeres hinter den Rhein innerhalb von 15 Tagen; • Besetzung der linksrheinischen deutschen Gebiete sowie dreier Brückenköpfe bei Köln, Mainz und Koblenz durch alliierte Truppen innerhalb von 25 Tagen; • Aufrechterhaltung der Seeblockade bis zum Friedensvertrag; • Übergabe des schweren Kriegsgerätes, der U-Boote und der Hochseeflotte; • Ablieferung von 5.000 Lokomotiven, 150.000 Waggons und 5.000 LKW als erste Reparationsleistungen; • Freilassung der alliierten Kriegsgefangenen; • Aufhebung der Friedensverträge mit Rumänien und Russland u. Rückzug des Ostheeres auf Abruf hinter die deutsche Grenze von 1914;
• vorläufige Stationierung deutscher Truppen im Baltikum (um die Ausbreitung des russischen Kommunismus zu verhindern) Bereits am 17. Dezember 1918 veröffentlichte erstmals die Neue Zürcher Zeitung in einem Artikel die These von einem Dolchstoß gegen die kaiserliche Armee, wo es hie?, Zitat: „Was die deutsche Armee betrifft, so kann die allgemeine Ansicht in das Wort zusammengefasst werden: Sie wurde von der Zivilbevölkerung von hinten erdolcht.“ Diese Legende machte demnach die Revolutionäre (wurden als Verräter dargestellt) für die Niederlage Deutschlands verantwortlich, nicht aber die militärischen Misserfolge der Armee an der Westfront. Diese als „Dolchstoßlegende“ in die Geschichte eingegangene Verschwörungstheorie wurde rasch von den Gegnern der harten Bedingungen des Waffenstillstandes und des Versailler Vertrages, der am 28. Juni 1919 unterzeichnet wurde, aufgegriffen und stark propagiert. Auch der am 10.1.1920 in Kraft getretene Versailler Vertrag beinhaltete für Deutschland harte Friedensbedingungen: • Alleinschuld des Deutschen Reiches am Ausbruch des Ersten Weltkriegs; • große Gebietsabtretungen – z. T. auch von Gebieten mit überwiegend deutscher Bevölkerung – bzw. zeitweilige Gebietsbesetzungen; • Verzicht auf alle Kolonien; Internationalisierung wichtiger dt. Flüsse; • zeitweilige Entmilitarisierung einiger dt. Gebiete (z. B. Rheinland) und drastischen Beschränkung der zahlenmäßigen Größe der dt. Wehrmacht; • Auslieferung von Kriegsverbrechern und Regelung der Auslieferung von Kriegsgefangenen; enorme Reparationszahlungen Sowohl von der deutschen Regierung als auch von der deutschen Bevölkerung wurde der Vertrag als ungerecht angesehen und löste heftige Proteste aus, so dass es erst nach einem Ultimatum der alliierten Siegermächte zur Unterzeichnung kam. Zu einer Akzeptanz dieser Bedingungen durch die deutsche Bevölkerung kam es nie, so dass der Friedensvertrag in Verbindung mit der „Dolchstoßlegende“ von Anfang an zu einer großen Belastung der ersten deutschen Demokratie wurde und deren Destabilisierung förderte.
Gründe für den Untergang der Weimarer Republik
Bild Kapp-Putsch: Bundesarchiv, Bild 183-J0305-0600-003 / CC-BY-SA Bereits der Tag der Proklamation trug den Keim weiterer Ursachen für die Instabilität der Republik in sich. So rief wenige Stunden nach Proklamation von Philipp Scheidemann der Kommunist Karl Liebknecht die „freie sozialistische Republik Deutschland“ aus, in der die „Herrschaft des Kapitalismus“ gebrochen sei und propagierte eine „neue staatliche Ordnung des Proletariats“ mit dem Ziel der „Vollendung der Weltrevolution“. 4 Damit lehnte er sich direkt an die Oktoberrevolution in Russland 1917 an. Tatsächlich hatte sich der erste Arbeiter- und Soldatenrat bereits am 4. November 1918 in Kiel infolge des Matrosenaufstands gebildet. Es folgten weitere in Braunschweig, Bremen, Mannheim, Fürth, Würzburg, München, Rosenheim, Kempten, Lindau, Regensburg, Schweinfurt und Hof, die in der Hauptsache in der Zeit zwischen November 1918 und Mai 1919 bestanden. Höhepunkt dieser Bewegung war der Januaraufstand vom 5. bis 12. Januar 1919 in Berlin der aus der „Spartakusgruppe“ hervorgegangenen KPD. Der Aufstand wie auch die Räterepubliken wurden mit militärischen Mitteln niedergeschlagen – die Kommunistenführer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wurden dabei von Angehörigen rechter Freikorps am 15. Januar 1919 gefangen genommen und getötet. Der Kampf um das politische System wurde damit zugunsten einer parlamentarisch-demokratischen Ordnung entschieden. Auch nach dem Ende dieser Unruhen blieb die Situation unsicher. So gab es Umsturzversuche, wie den sogenannten „Kapp-Putsch“ (13.-18. März 1920) und den Putschversuch von Hitler und Ludendorff (8. und 9. November 1923) in München, die beide scheiterten. Die Besetzung des Ruhrgebietes (11. Januar 1923 – Juli/August 1925) durch französische und belgische Truppen, um die Erfüllung der deutschen Reparationsverpflichtungen zu erzwingen, führte zu Generalstreiks, Sabotageakten und auch Anschlägen auf die Besatzungstruppen. Diese Ereignisse führten zur Hyperinflation, durch die am 15. November 1923 eine Währungsreform
notwendig wurde. Erst ab 1924 beruhigte sich die Situation und die Republik stabilisierte sich. Die Situation verschlechterte sich mit dem sogenannten „Schwarzen Donnerstag“ im Oktober 1929 wieder, mit dem die Weltwirtschaftskrise begann. Eine Drosselung der Industrieproduktion und hohe Arbeitslosigkeit war die Folge. Während es in Deutschland im Jahre 1927 nur etwa 1 Million Arbeitslose gab, stieg die Zahl bis Ende September 1929 auf 1,4 Millionen und bis Februar 1930 auf bereits 3,5 Millionen. Ihren Höhepunkt erreichte die Krise auf dem Arbeitsmarkt im Februar 1932, als es 6.120.000 Arbeitslose gab. Zudem wurden die öffentlichen Gehälter um 25 % vermindert und die Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wurden stark gekürzt. Weitere Schwächen der Republik lag im Politischen System begründet. So gab es keine Sperrklausel bei den Reichstagswahlen – eine Vielzahl von im Reichstag vertretenen Parteien waren die Folge, die stabile Regierungsbildungen verhinderten und häufige Neuwahlen notwendig machten. Von Januar 1919 – März 1933 fanden insgesamt 9 Wahlen zum Reichstag/Nationalversammlung statt. Die häufigen Regierungsumbildungen und Reichstagsauflösungen führten insbesondere in der Endphase der Weimarer Republik ab 1930 dazu, dass Reichspräsident v. Hindenburg verstärkt die Regierungsgewalt mit Hilfe von Notverordnungen und sogenannten Präsidialkabinetten, die sich im Reichstag auf keine Mehrheit stützen konnten, an sich zog. Ebenfalls in die Endphase der Weimarer Republik fällt der sogenannte „Preußenschlag“. In der Landtagswahl am 24. April 1932 in Preußen, dem mit Abstand größten Flächenstaat Deutschlands, errangen die beiden radikalen Parteien NSDAP und KPD zusammen 219 Sitze, die demokratischen Parteien hingegen nur 204 Sitze. Eine regierungsfähige Landesregierung mit ausschließlich demokratischen Parteien war damit nicht möglich. Das führte dazu, dass die bisherige Landesregierung aus SPD, Zentrum, DDP und DStP am 19. Mai 1932 zurücktrat und laut Verfassung lediglich geschäftsführend im Amt blieb. Obwohl dazu nicht befugt, forderte Reichskanzler Franz von Papen am 7. Juni 1932 den Landtagspräsidenten Hanns Kerrl (NSDAP) per Brief auf, die amtierende Landesregierung durch eine gewählte zu ersetzen. Rechnerisch wäre in Preußen eine Koalition aus NSDAP (162 Sitze) und Zentrum (67 Sitze) mit einer Mehrheit von insgesamt 229 Sitzen möglich gewesen – zusammen mit den 31 Sitzen der DNVP hätte diese Koalition sogar eine Mehrheit 260 von 423 Sitzen gehabt. Eine solche Koalition strebte Papen in Preußen an. Die Koalitionsverhandlungen scheiterten jedoch an der NSDAP. Währenddessen verschlechterte sich die Sicherheitslage in ganz Deutschland erheblich. Im Vorfeld der Reichstagswahl am 31. Juli 1932 kam es zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen insbesondere zwischen Anhängern von NSDAP und KPD, bei denen es zu etwa 300 Toten und über 1100 Verletzten kam. Höhepunkt der Auseinandersetzungen war der „Altonaer Blutsonntag“ am 17. Juli 1932. Es war der blutigste Wahlkampf in der Geschichte der Weimarer Republik. 5 Diese Situation nutzte Papen mit Rückendeckung durch Reichspräsident Hindenburg aus, als er am 20. Juli 1932 die geschäftsführende Landesregierung mit dem Vorwand absetzte, dass „die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Preußen nicht mehr gewährleistet erscheine“. 6 Unter Protest der bisherigen Landesregierung, aber ohne weiteren Widerstand von SPD oder der Gewerkschaften setzte Papen eine Kommissariatsregierung unter Franz Bracht (parteilos, ehemals Zentrum) ein – weitere Ablösungen gab es auch bei der preußischen Polizei. Dieser als „Preußenschlag“ in die Geschichte eingegangene Staatsstreich im Land Preußen stand noch nicht im Zeichen der Machtergreifung Hitlers in ganz Deutschland, wohl aber wurde dessen spätere Zentralisierung durch die Aufweichung des Föderalismus erleichtert. Es deutete sich hier bereits eine Demontage der Demokratie in großen Teilen Deutschlands an, an der prominente Persönlichkeiten außerhalb der extremen Parteien die Hauptakteure waren.
Gründung der NSDAP und Aufstieg Hitlers bis 1932
Bild NSDAP Delegation: Bundesarchiv, Bild 119-5519 / CC-BY-SA Die NSDAP ging am 24. Februar 1920 in München durch Umbenennung aus der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) hervor, an der Hitler bereits mitwirkte. Vorsitzender den Partei wurde er am 29. Juli 1921 mit diktatorischen Machtbefugnissen innerhalb der Partei. Damit war der Aufstieg Hitlers direkt mit dem der NSDAP gekoppelt. Der Gründung der Partei folgten im Jahre 1922 eine Reihe von Parteiverboten auf regionaler Länderebene, so in Baden (4. Juli), Thüringen (15. Juli) und auf Grundlage des Republikschutzgesetzes vom 21. Juli 1922 folgten Verbote in Braunschweig (13. September), Hamburg (18. Oktober), Preußen (11. November) und Mecklenburg-Schwerin (30. November). Dem gescheiterten Putsch von Adolf Hitler und Erich Ludendorff vom 8. und 9. November 1923 in München folgte am 23. November 1923 ein reichsweites Verbot gegen die NSDAP. Hitler wurde zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, wurde jedoch im Dezember 1924 nach neun Monaten Haft „wegen guter Führung“ aus der Haft entlassen. Während dieser Haft entstand der erste Band von Hitlers „Mein Kampf“, welcher am Juli 1925 erschien. Der zweite Band erschien im Dezember 1926. Hitler legte darin programmatisch seine Überzeugungen dar, die insbesondere nationalistisch und antisemitisch geprägt waren. Das Verbot der NSDAP wurde mit der Neugründung der NSDAP im Februar 1925 umgangen, größere Wahlerfolge konnte die Partei jedoch zunächst nicht erreichen. Insbesondere nach der Reichstagswahl von 1928, als die NSDAP nur 2,6 Prozent der Stimmen erreichte, änderte die Partei ihre Strategie. Sie setzte von nun an vor allem auf außenpolitische Themen (Antisemitismus wurde zunächst zurückgestellt) und auf Straßenterror insbesondere gegen die KPD. Hierbei ging die paramilitärische NS-Organisation „Sturmabteilung“ (SA) gegen den ebenfalls paramilitärischen „Rote Frontkämpferbund“ der KPD vor. Hitler selbst hatte bereits 1921 die Gründung der SA zunächst als parteiunabhängigen, aber auf Hitler eingeschworenen Wehrverband angeordnet. Wie die NSDAP wurde auch die SA nach dem gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch 1923 verboten.
Nach 1925 gliederte sich die SA in die NSDAP ein. Die Mitgliederstärke der SA wuchs zwischen 1925 und 1930 von ca. 3.600 auf annähernd 60.000 Männer an. Bis Anfang 1933 wurde die SA zu einer Massenorganisation mit weit über 400.000 Mitgliedern. Die neue Strategie der NSDAP nach 1928 diente, wie bereits erläutert, am 20. Juli 1932 als Vorwand für den sogenannten „Preußenschlag“. Die Mitgliederzahl der NSDAP wuchs zwischen 1925-1930 von 27.000 auf rund 130.000 an. Bis Januar 1933 stieg ihre Mitgliederstärke auf rund 850.000 an. 7 Im Vergleich dazu zählte die SPD am 30.06.1932 genau 984.117 Mitglieder. 8 Den ersten größeren Wahlerfolg hatte die NSDAP bei der Reichstagswahl am 14. September 1930, als sie mit 18,3 Prozent der abgegebenen Stimmen zweitstärkste Partei hinter der SPD wurde. Auf Landesebene trat die NSDAP bereits im Januar 1930 in Thüringen und noch im gleichen Jahr auch in Braunschweig in Koalitionsregierungen ein. Ihren größten Erfolg erreichte die Partei in der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932, wo sie mit 37,3 % der abgegebenen Stimmen stärkste Partei im Reichstag wurde. Dennoch war sie zunächst nicht an den Präsidialregierungen beteiligt, da Hitler auf die Kanzlerschaft bestand, Hindenburg aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht bereit war, ihm diese zu übertragen. In der Reichspräsidentenwahl vom 13. März und 10. April 1932 trat auch Adolf Hitler als Kandidat gegen den amtierenden Paul von Hindenburg (parteilos), Ernst Thälmann (KPD) und Theodor Duesterberg (Stahlhelm/DNVP) an. In dieser Wahl erhielt Paul von Hindenburg im 1. Wahlgang 49,6 % und im 2. Wahlgang 53,1 % der abgegebenen Stimmen und lag damit jeweils vor Adolf Hitler, der 30,2 % bzw. 36,7 % erhielt. SPD und Zentrumspartei verzichteten bei dieser Wahl auf einen eigenen Kandidaten und unterstützten stattdessen Hindenburg, um Adolf Hitler als Reichspräsidenten zu verhindern. In dieser Wahl gelang noch ein Bündnis der demokratischen Kräfte gegen die erklärten Feinde der Republik.
Die Machtübernahme am 30.01.1933
Bild Fackelzug Machtergreifung: Bundesarchiv, Bild 102-02985A / CC-BY-SA Am 6. November 1932 fand nach einer erneuten Auflösung des Reichstages eine Neuwahl statt. In dieser Wahl erlitt die NSDAP eine Wahlniederlage und erreichte nur noch 33,1 % der abgegebenen Stimmen (-4,2 %), blieb aber stärkste Partei. Da aber sowohl die KPD und auch die DNVP jeweils etwa 2,5 % der Stimmen zusätzlich erhielten, waren die demokratischen Parteien erstmals im Reichstag in der Minderheit. Somit setzte Hindenburg am 3. Dezember 1932 erneut eine Präsidialregierung ein, diesmal unter Reichskanzler Kurt von Schleicher (parteilos). Der Versuch Schleichers, die NSDAP zu spalten, scheiterte. Bis Ende 1932 gewann Hitler gute Kontakte zu Unternehmerkreisen und konnte deren Bedenken gegen das NS-Wirtschaftsprogramm weitgehend ausräumen. Am 4. und 10. sowie am 18. Januar 1933 gab es Treffen zwischen Hitler und von Papen (bis 3. Juni 1932 Zentrum, danach parteilos), bei denen es zu ersten Abmachungen für eine Regierung mit der NSDAP und der DNVP mit von Papen als Vizekanzler kam, während Hitler selbst Kanzler werden würde. In der Folgezeit konnte Hitler noch letzte Vorbehalte bei Hindenburg und der Führung der Reichswehr ausräumen, so dass Reichskanzler von Schleicher zunehmend handlungsunfähig wurde. Nachdem Hindenburg seine Bitte um eine Neuwahl des Reichstages ablehnte, trat von Schleicher am 28. Januar 1933 zurück. Inzwischen hatten sich Hitler, von Papen und Hugenberg auf ein Kabinett geeinigt, was nun Hitlers Ernennung zum Reichskanzler ermöglichte. Am 30 Januar 1933 ernannte Hindenburg Hitler zum neuen Reichskanzler, der einem Kabinett vorstand, in dem nur er selbst und zwei weitere Minister der NSDAP angehörten – Innenminister Wilhelm Frick und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich, die übrigen Minister hingegen der DNVP. Da Hermann Göring (NSDAP) jedoch zudem als „Reichskommissar für das preußische
Innenministerium“ die Polizei in Preußen kontrollierte, besaßen die Nationalsozialisten von Beginn an eine große Machtfülle. Hindenburg genehmigte auch die Auflösung des Reichstags für Neuwahlen. Daher markiert der 30. Januar 1933 den Beginn der NS-Diktatur in Deutschland. Dieser Tag wurde von den Nationalsozialisten propagandistisch als „Machtergreifung“ bezeichnet, nach heutiger Geschichtsschreibung jedoch als „Machtübertragung“ bzw. „Machtübergabe“ oder auch „Machtübernahme“.
Errichtung und Festigung der NS-Diktatur ab 1933
Bild Ermächtigungsgesetz: Bundesarchiv, Bild 102-14439 / CC-BY-SA Die Ausschaltung aller demokratischen Institutionen ging dann sehr schnell. Am 1. Februar 1933 löste Hindenburg den Reichstag auf und schrieb Neuwahlen für den 5. März 1933 aus. Bereits am 4. Februar 1933 erließ Hindenburg die von Hitler und Innenminister Frick und Justizminister Gürtner gegengezeichnete Notverordnung, die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes“ (so genannte Schubladenverordnung) mit Eingriffen in die Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit. Dem neuen Reichsinnenminister Wilhelm Frick (NSDAP) wurden dabei weitreichende Vollmachten erteilt. Ebenfalls am 4. Februar 1933 ordnete Göring als kommissarischer preußischer Innenminister die zwangsweise Auflösung sämtlicher Gemeindevertretungen Preußens zum 8. Februar und Neuwahlen für den 12. März an. Gleichzeitig wurden Gemeindeorgane wie Räte und Bürgermeister reichsweit unter Gewaltandrohung aufgelöst und Personen rechtswidrig inhaftiert. Damit setzte bereits zu diesem Zeitpunkt der staatliche Terror gegen alle Demokraten ein. Am 20. Februar 1933 kam es zu einem Geheimtreffen, bei dem Hitler von 25 Industriellen einen NSDAP-Wahlfonds von drei Millionen Reichsmark zur Verfügung gestellt wurde.
Am 22. Februar 1933 wurden 50.000 SS-/SA-Mitglieder zu bewaffneten „Hilfspolizisten“ ernannt. In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 gab es einen Brand im Reichstagsgebäude, der auf Brandstiftung beruhte. Am Tatort wurde Marinus van der Lubbe festgenommen – ein politisch links stehender Niederländer dessen genaue politische Zugehörigkeit jedoch ebenso umstritten ist, wie der Tathergang. Van der Lubbe selbst wurde am 23. Dezember 1933 wegen „Hochverrats in Tateinheit mit vorsätzlicher Brandstiftung“ zum Tode verurteilt. Die Mitangeklagten mussten jedoch mangels Beweisen freigesprochen werden, wurden jedoch zunächst zur „Schutzhaft“ in ein Konzentrationslager eingeliefert. Das Todesurteil gegen van der Lubbe wurde am 10. Januar 1934 vollstreckt. Dieser Reichstagsbrand hatte folgenschwere politische Auswirkungen. Bereits am 28. Februar 1933 erließ Hindenburg die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ (Reichstagsbrandverordnung). Damit wurden die Grundrechte der Weimarer Verfassung praktisch außer Kraft gesetzt und der Weg freigemacht für die legalisierte Verfolgung der politischen Gegner der NSDAP durch die Polizei und ihrer „Hilfspolizisten“. Die Gefängnisse waren schnell überfüllt, so dass schon bald die ersten Konzentrationslager (KZ) eingerichtet wurden (siehe Dachau). Ebenfalls am 28. Februar 1933 erging eine „Verordnung des Reichspräsidenten gegen Verrat am Deutschen Volke und hochverräterische Umtriebe“. Die Reichstagsbrandverordnung war damit eine entscheidende Etappe in der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur. Am 5. März 1933 fanden die letzten – nur noch halb-demokratischen Neuwahlen statt. u diesen Wahlen durften zwar noch alle bisher im Reichstag vertretenen Parteien antreten, jedoch keinen Wahlkampf mehr betreiben. Politische Gegner waren schweren Repressalien ausgesetzt – alle Wahlplakate der übrigen Parteien wurden von der NSDAP überklebt. Trotz dieser Repressalien gelang es der NSDAP nicht, eine eigene Mehrheit zu erringen – sie kam auf 43,9 %. Eine knappe Mehrheit konnten die Nationalsozialisten nur im Bündnis mit dem von der DNVP dominierten Wahlbündnis „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“ (KSWR) 9 herstellen, welches 8,0 % der Stimmen erreichte. Die übrigen Parteien: SPD 18,3 %, KPD 12,3 %, Zentrum 11,3 %, Bayrische VP 2,7 %, Deutsche VP 1,1 %, CSVD 1,0 %, sonst. 1,4 % Bereits am 8. März 1933 wurden die von der KPD gewonnenen Reichstagsmandate dieser aberkannt – diese Parlamentssitze galten als erloschen. Auf diese Weise wurde die für das „Ermächtigungsgesetz“ erforderliche Zweidrittelmehrheit gesichert. Am 11. März 1933 gab es einen Beschluss über die Errichtung eines „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“, welches zum 1. April 1933 seine Tätigkeit aufnahm. Minister dieses Ministeriums wurde Joseph Goebbels (NSDAP). Die Indoktrination der Bevölkerung durch Goebbels wurde zu einem wichtigen machtpolitischen Instrument des NS-Regimes. Am sogenannten „Tag von Potsdam“ fand am 21. März 1933 die konstituierende Sitzung des Reichstages mit Abgeordneten der NSDAP und weiterer Vertreter der rechten sowie der bürgerlichen Parteien, jedoch ohne SPD und KPD in der Potsdamer Garnisonkirche statt. Die Stadt Potsdam war dabei bewusst ausgewählt worden, denn sie sollte als ehemalige Residenzstadt der preußischen Könige die „Versöhnung des alten“ – preußisch geprägten Deutschland – mit dem „jungen Deutschland“, welches von nun an nationalsozialistisch geprägt sein sollte, versinnbildlichen. Ebenfalls am 21. März 1933 wurde die Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung („Heimtückegesetz“) erlassen. Bereits im März/April 1933 wurden zahlreiche Personen in unkontrollierten Verhaftungsaktionen durch SA und SS festgenommen und in SA-Keller oder ?ilde?Lager verschleppt. In das erste KZ der Schutzstaffel (SS) wurden die ersten Häftlinge ab 22. März 1933 in das KZ Dachau in der Nähe von München eingeliefert. Die Errichtung zahlreicher weiterer KZs innerhalb und außerhalb Deutschlands folgten. Am 23. März 1933 der Reichstag tagte in der Krolloper und stimmte im Beisein von bewaffneten
SA- und SS-Einheiten über das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich („Ermächtigungsgesetz“) ab, das die legislative Gewalt in die Hände der Reichsregierung legen sollte. Die Reichstagsabgeordneten der KPD können an der Abstimmung nicht mehr teilnehmen, da sie zuvor verfassungswidrig festgenommen wurden bzw. aufgrund Todesdrohungen untertauchen mussten. Trotz dieser Umstände stimmen die anwesenden Abgeordneten der SPD gegen das Gesetz, während die Abgeordneten aller anderen Parteien dafür stimmen. Auch bei der SPD fehlten bereits einige Abgeordnete wegen Festnahme oder Flucht. In dieser Sitzung sprach der damalige SPDParteivorsitzende Otto Wels auch seine legendäre Rede: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ Am 24. März 1933 wurde das zunächst auf vier Jahre befristete Ermächtigungsgesetzes im Reichsgesetzblatt mit den Unterschriften des Reichskanzlers Hitler und des Reichspräsidenten Hindenburg veröffentlicht. Folgen des Ermächtigungsgesetzes: Durch das Ermächtigungsgesetz erlangte die NS-Regierung das Recht, Gesetze ohne Zustimmung von Reichstag und Reichsrat sowie ohne Gegenzeichnung durch den Reichspräsidenten zu erlassen. Das Parlament schaffte sich damit als demokratische Institution selbst ab. Damit markiert der 23. März 1933 die endgültige Zerstörung der ersten pluralistischen deutschen Demokratie – der Weimarer Republik. Mit dem Gesetz gelang es Adolf Hitler endgültig, die Weimarer Verfassung auszuhöhlen und dem Übergang zur totalitären NS-Diktatur den Schein von Legalität zu geben. Offiziell wurde die Weimarer Verfassung zwar nicht abgeschafft, wurde jedoch durch das Ermächtigungsgesetz und die zuvor beschlossene Reichstagsbrandverordnung so stark unterlaufen, dass die Nazis faktisch die absolute Macht erhielten. Der Reichstag, war faktisch abgeschafft, die Gewaltenteilung, Grundlage jedes Rechtsstaats, damit aufgehoben. 31. März 1933: Das erste Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ löst die Landesparlamente auf und bestimmt deren Neubesetzung nach den Ergebnissen der Reichstagswahl vom 5. März. Die Landesregierungen werden zur Gesetzgebung ohne Zustimmung der Parlamente ermächtigt. Im zweiten Gesetz vom 7. April werden in den Ländern Reichsstatthalter eingesetzt, die für die Durchführung der vom Reichskanzler aufgestellten Richtlinien der Politik sorgen sollen. Am 1. April 1933 wurde als erstes in Deutschland das Gewerkschaftshaus in Hannover überfallen und besetzt. Weiterhin gab es an diesem Tag angeblich spontane Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte in ganz Deutschland, die aber nicht den von den Nationalsozialisten erwünschten Anklang bei der Bevölkerung fanden. Am 7. April 1933 wurde das Gesetz mit dem beschönigenden Namen „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ erlassen. Es ermöglichte dem Regime die Entlassung politisch missliebiger und „nicht-arischer“ Beamter. Am 2. Mai 1933 erfolgte der entscheidende Schlag gegen die freien Gewerkschaften. Die Gewerkschaftshäuser wurden von SA und NSBO besetzt, das Vermögen der Gewerkschaften beschlagnahmt, führende Funktionäre wurden in „Schutzhaft“ genommen. Am 10. Mai 1933 wurden von der NSDAP in vielen Städten Bücherverbrennungen initiiert, unter anderem Berlin, Bremen, Dresden, Frankfurt, Hannover, München und Nürnberg, wobei Werke sozialistischer, pazifistischer, jüdischer und liberaler Autoren ins Feuer geworfen wurden. Dies betraf zum Beispiel Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Sigmund Freud, Erich Kästner, Heinrich Mann, Karl Marx, Carl von Ossietzky, Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky, Franz Werfel, Arnold und Stefan Zweig. Am 22. Juni 1933 wurde die SPD offiziell wegen angeblichen Landes- und Hochverrats verboten. Am 27. Juni 1933 trat auch Hugenberg zurück und es erfolgte die Selbstauflösung der DNVP auf Druck Hitlers. Am 5. Juli 1933 folgte die Selbstauflösung der Zentrumspartei. Am 7. Juli 1933 wurde eine Verordnung des Reichsministers des Innern zur Sicherung der
Staatsführung erlassen. Bis zum 14. Juli 1933 waren alle Parteien außer der NSDAP verboten oder hatten sich selbst aufgelöst. Das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ begründete den Einparteienstaat. Die Neugründung und Fortbestand (anderer) politischer Parteien wurde unter Strafe gestellt. An diesem Tag wurde auch das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ beschlossen. Zudem passierte das Reichskonkordat Hitlers Kabinett, welches am 20. Juli 1933 zum Abschluss kam. Dieses Reichskonkordats zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl regelte rechtlich die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich. Manche Bischöfe nutzten die erreichten Spielräume, um nachdrücklich gegen Maßnahmen des NS-Regimes zu protestieren. 10 Am 12. November 1933 kam es erneut zu einer Reichstagswahl – eine Scheinwahl mit einer NSDAP-Einheitsliste, gekoppelt mit einer Volksabstimmung über den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund. Am 15. Dezember 1933 wurde das „Preußische Gemeindeverfassungsgesetz“ erlassen. Es vereinheitlichte zum 1. Januar 1934 alle bis dahin in Preußen geltenden Kommunalverfassungen. Bürgermeister als Gemeindeleiter wurden ohne Wahl auf 12 Jahre berufen und konnten in der Gemeinde alle Entscheidungen ohne Gemeinderat treffen („Führerprinzip“). Das am 20. Januar 1934 erlassene „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ setzte das Führerprinzip auch in der Wirtschaft durch. Die „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) wurde in die NSDAP eingegliedert. Mit dem am 30. Januar 1934 erlassenen „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ wurde die föderale Struktur der Weimarer Republik aufgehoben. Die Hoheitsrechte der Länder gingen auf das Reich über. Die Regierung erhielt das Recht, neues Verfassungsrecht zu setzen. Der angebliche „Röhm-Putsch“ diente am 30. Juni 1934 als Vorwand für parteiinterne Säuberungen und eine weitere Machtkonzentration in der Partei. In der so genannten „Nacht der langen Messer“ wurde die Führung der SA zerschlagen. Neben dem SA-Führer Röhm und seiner engsten Gefolgsleute wurden auch ehemalige politische Gegner wie Kurt von Schleicher ermordet. Am 2. August 1934 starb Reichspräsident von Hindenburg auf Gut Neudeck. Am 19. August 1934 fand eine Volksabstimmung zur Zusammenlegung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers statt. Hitler vereinigte danach das Reichskanzleramt mit dem Amt des Reichspräsidenten unter seiner Person und führte fortan den Titel „Führer und Reichskanzler“. Am gleichen Tag wurde die Reichswehr auf ihn vereidigt. Damit waren alle wichtigen Ämter auf ihn vereinigt. Es gab keinerlei Kontrollinstanzen mehr. Der Umbau der Weimarer Republik in eine totalitäre NS-Diktatur kann damit als weitgehend abgeschlossen gelten. Am 1. April 1935 trat die reichseinheitliche „Deutsche Gemeindeordnung“ vom 30. Januar 1935 in Kraft: Sie schaffte das bisherige föderalistisch strukturierte und oft nur noch auf dem Papier stehende Gemeindeverfassungsrecht der deutschen Länder ab. Am 15. September 1935 wurden die sogenannten „Nürnberger Gesetze“ verabschiedet. Insbesondere Juden wurden durch diese Gesetze entrechtet. Als Resultat der nationalsozialistischen Rassenideologie waren sie eine Vorstufe der systematischen Ermordung von 5,7 Millionen Juden. 11 9. November 1938: Die Exzesse gegen Juden in Deutschland erreichten einen ersten Höhepunkt. In dieser als sog. „Reichspogromnacht“ oder auch „Reichskristallnacht“ bezeichneten nächtlichen Aktion von SS-Leuten, meist in ziviler Kleidung, wurden 91 Menschen ermordet, über 30.000 jüdische Männer verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt, 1.200 Synagogen und Gebetshäuser niedergebrannt und 7.500 Geschäfte zerstört. Zudem wurde den Juden eine „Sühneleistung“ in Höhe von einer Milliarde Mark an das Deutsche Reich auferlegt. Weiterhin hatten sie alle Schäden sofort selbst zu beheben, die Kosten für die Wiederherstellung selbst aufzubringen und die von den Versicherungen gezahlten Entschädigungen an das Reich abzuführen. Außerdem wurde die „Arisierung“ aller jüdischen Unternehmen und Betriebe angeordnet und damit alle Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben ausgeschaltet.