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Geschichte-Wissen
Der 1. Weltkrieg
Zonnebeke - gemalt von William Orpen
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Ein Krieg, der Millionen Leben zerstören sollte und dessen Folgen noch heute nachwirken... Liebe Leserinnen und Leser,
Wissen Magazin aus dieser Reihe
Interesse ist sowohl, wie der
wollen wir untersuchen, wie es zu
Krieg ausgelöst wurde, aber auch
Genau 100 Jahre ist es jetzt
dieser Katastrophe kam, die zu
die
her, als der Erste Weltkrieg
Materialschlachten in vorher nie
Beziehungen innerhalb Europas.
begann. Dieser Krieg wird heute
gekanntem Ausmaß, zum Einsatz
oft als die "Urkatastrophe des
auch
20. Jahrhunderts" bezeichnet.
Millionen
Grund genug, uns mit diesem
Kriegsversehrten
Thema in einer Magazin-Reihe
Schlachtfeldern dieses Krieges
Ihnen verbunden
auseinanderzusetzen.
führte.
Geschichte-Wissen
In diesem ersten Geschichte-
von
Dabei
Giftgas von
von
und
zu
Toten
und
auf
den
besonderem
zwischenstaatlichen Lesen Sie nun unsere erste
Magazin-Ausgabe Weltkrieg.
zum
Ersten
Seite 3
In dieser Ausgabe Das Attentat von Sarajevo Hintergründe Tathergang und Attentäter Die Ermordeten Die Täter Nach dem Attentat Die Julikrise: Wer waren die Kriegstreiber? Das Ultimatum Österreich-Ungarns
Erstürmung der Höhe 285.- Argonnen, 13. Juli 1915 - gemalt von Georg Schöbel
Die politischen Verhältnisse in Europa Die öffentliche Wahrnehmung der Kriegsgefahr Der Kriegsausbruch Österreich-Ungarn erklärt Serbien den Krieg Deutschland erklärt Russland den Krieg Kriegsbegeisterung in der Bevölkerung?
Seite 4
Das Attentat von Sarajevo Hintergründe
Die k.u.k. Monarchie 1914 - Bild von Mariusz Paździora, Wikipedia Commons, CC-BY-3.0
Dem Ersten Weltkrieg von
bosnischen Serben verübt wurde.
Hohenberg) kamen dabei ums
1914 - 1918 ging ein Attentat auf
Sowohl
Leben.
den
des
Erzherzog Franz Ferdinand als
An diesem 28. Juni 1914 fuhr
Habsburgerreiches
Österreich-
auch seine Gattin Gräfin Sophie
Erzherzog Franz Ferdinand von
Ungarn
das
Chotek (ab 1909 Herzogin von
einem Treffen mit dem deutschen
Thronfolger voraus,
von
der
Thronfolger
Seite 5
Kaiser Wilhelm II. auf seinem
Einer der Hintergründe für die
Landsitz Schloss Konopischt in
sich verschärfenden politischen
Reich, Russland, Serbien sowie
Beneschau
nach
Spannungen auf dem Balkan war
Großbritannien auf der anderen
Sarajevo, um dem Abschluss der
die Annexion des formal noch
Seite aus, in deren Verlauf es
Manöver des k.u.k. XV. und XVI.
zum
Reich
vorübergehend zu einer erhöhten
Korps in Bosnien beizuwohnen.
gehörenden, aber seit 1878 von
Kriegsgefahr kam. Die Krise
(Böhmen)
Osmanischen
Seite
und
dem
Osmanischen
Dieser Tag hatte für die Serben
konnte im Frühjahr 1909 noch
eine
Bedeutung,
einmal beigelegt werden, in dem
denn er war der 525. Jahrestag
sich die Parteien untereinander
der Schlacht auf dem Amselfeld
einigten
und
Kaiserreich
symbolische
wurde
in
umfangreichen
Serbien
mit
Veranstaltungen
und
das
Deutsche
sich
hinter
Österreich-Ungarn
stellte.
feierlich begangen. Ob die Wahl
Dennoch blieben Spannungen in
dieses Datums von den Serben als
der Region bestehen, so dass es in
besondere Provokation angesehen
den Jahren 1912 und 1913 zu
wurde, ist umstritten, fest steht
zwei
aber, dass es nicht der erste
denen
Anschlag
hochstehende
Verdrängung der Osmanen von
der
der Balkanhalbinsel und um die
auf
Repräsentanten
Doppelmonarchie war. So wurde bereits am 15. Juni 1910 ebenfalls in Sarajevo ein Anschlag auf Statthalter
von
Herzegowina
Bosnien
Marijan
und
Freiherr
Varešanin von Vareš verübt, der jedoch scheiterte.
Kaiser Franz Josef I
Österreich-Ungarn
verwalteten
Bosniens durch Kaiser Franz Joseph I. im Jahre 1908. Dies
Balkankriegen es
um
die
kam,
in
weitere
Verteilung der Gebiete unter die übrigen Balkanstaaten ging. Diese Balkankriege blieben noch auf die Region beschränkt.
löste die sogenannte "Bosnische Annexionskrise"
zwischen
Österreich-Ungarn auf der einen
Anders war dies jedoch im Jahre 1914:
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Tathergang und die Attentäter
Die
Idee
Vorbereitungen wurden
von
Köpfen
und zum den
des
militärischen
die Attentat
der
nationalistischen
bosnischen
Jugendorganisation
der serbische Ministerpräsident und
mehrere
Minister
"Mlada Bosna" (Junges Bosnien)
Militärangehörige von einzelnen
serbischen
dafür zu rekrutieren. Es waren
Vorgängen der Verschwörung.
Geheimdienstes
Gavrilo Princip (19), Nedeljko Čabrinović (19)
Chef
und
Geheimdienstes
Trifun
Mlada Bosna
Dragutin T. Dimitrijević - auch
„Trifko“ Grabež
Apis genannt, als der führende
(18).
Kopf hinter der Verschwörung.
serbische
Bewegung von Schülern und Studenten gegründet.
Um
Regierung selbst
Der Name der Bewegung wurde 1907 erstmals
zu
irgendeine
und
führenden
getroffen - insbesondere vom dieses
serbisch-
verhindern,
dass
Verbindung
zur
war
Die
in
diese
Die Organisation wurde 1893 in Mostar als
erwähnt, setzte sich aber erst nach 1918 durch. Die anti-klerikale, serbisch-nationalistische revolutionäre
serbischen Regierung hergestellt
Angelegenheit
werden konnte, übernahm ein
zwar
ehemaliger Partisan namens Voja
verstrickt,
aktiv. Ziel der Bewegung war insbesondere die
Tankosić die Aufgabe, Mitglieder
jedoch
Stärkung des serbischen Nationalbewusstseins und
nicht wussten
Bewegung war vor allem im von Österreich-Ungarn verwalteten bzw. annektierten Bosnien-Herzegowina
der Zusammenschluss der südslawischen Provinzen Österreich-Ungarns und letztlich die Gründung eines gemeinsamen Jugoslawien nach der Befreiung von den Habsburgern. Die Mitglieder der Organisation kritisierten den Konservativismus und das hohe Analphabetentum in der bosnischen Bevölkerung. Sie riefen zum Widerstand gegen autoritäre Machtstrukturen und das jesuitische Schulwesen Österreich-Ungarns sowie für die Gleichberechtigung von Frauen auf.
Gavrilo Princip - einer der Attentäter
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Die Ermordeten
Franz Ferdinand Carl Ludwig Joseph Maria von Österreich-Este, geb. am 18. Dezember 1863 in Graz, war als Erzherzog von Österreich seit 1896 der Thronfolger
des
Kaisers
Franz
Joseph
I.
von
Österreich-Ungarn. Er war der Sohn von Karl Ludwig von Österreich (1833-1896) - einem Bruder von Kaiser Franz Joseph I. Franz Ferdinand war aktiv an der Politik des Habsburgerreiches
beteiligt
-
insbesondere
im
militärischen Bereich. Er plante eine Stärkung des Zentralismus, in dem er den österreich-ungarischen Dualismus (K.u.K.) in einen "Trialismus" umwandelte. Dazu wollte er die Provinzen Kroatien, Bosnien und Dalmatien zu einem eigenen südslawischen Reichsteil zusammenschließen. Dies kollidierte jedoch mit den Interessen
des
Königreiches
Serbien
und
der
bosnischen Serben, denen als Ziel ein südslawisches Königreich unter serbischer Führung vorschwebte. Sophie Maria Josephine Albina Gräfin Chotek von Chotkowa und Wognin, geb. am 1. März 1868 in Stuttgart, war eine böhmische Adelige und seit 1909 Herzogin von Hohenberg. Sie war die Tochter des böhmischen Diplomaten Bohuslaw Graf Chotek von Chotkow und Wognin und dessen Gattin Wilhelmine Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau und war seit 1900 mit Thronfolger Franz Ferdinand verheiratet. Obwohl Sophie vom böhmischen Hochadel abstammte, galt die Ehe nach damaliger Ansicht als "nicht standesgemäß", weswegen sie im Zuge der Hochzeit auf die Thronfolge für sich und ihre Kinder verzichten musste.
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Der 28. Juni 1914
Die New York Times meldet die Ermordung
Das Thronfolgerehepaar fuhr in
Sarajevo
Wagenkolonne
in
einer
aus
sechs
Bombe auf den Thronfolger setzte
er nach einer Amnestie frei und
sie aber nicht ein.
starb
Nach
seinem
gescheiterten
während
des
Zweiten
Weltkrieges.
Fahrzeugen, als sie es mit einer
Attentatsversuch gelang es ihm,
ganzen Reihe von Attentätern zu
sich
Montenegro
Der zweite Attentäter, an dem
tun bekamen:
abzusetzen. Da er sich jedoch
die Wagenkolonne vorbei fuhr,
ungeschickt verhielt, wurde er
war
dort doch noch festgenommen,
Minderjährige
konnte
Čabrinović:
Der erste in dieser Reihe war gegen
10.00
Uhr
Muhamed
Mehmedbašić:
nach
aus
ausbrechen
dem und
Gefängnis
wurde
1917
der
zur
Tatzeit
noch
Nedeljko
Er warf seine Bombe des
Fahrzeugs
in
Er war Mitglied von Mlada
erneut festgenommen und zu 15
Richtung
des
Bosna. Er wartete mit einer
Jahren Haft verurteilt. 1919 kam
Thronfolgers. Sie prallte dort ab,
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fiel über das Heck des Fahrzeugs
Stadt. Nach einer Unterredung
der beste Schütze der drei. Von
vor das Dritte Fahrzeug der
übernahm
anwesende
dort erhielten sie auch die Waffen
Kolonne und explodierte dort.
Gouverneur
Bosnien-
und Bomben für den Anschlag auf
Oberstleutnant Merizzi und Graf
Herzegowina, Oskar Potiorek, die
Boos-Waldeck
sowie
Verantwortung für die Sicherheit
Schaulustige
wurden
verletzt.
Das
mehrere dabei
Thronfolgerpaar
blieb hier noch unverletzt. Čabrinovićs
des
der von
Thronfolgerpaares
das Thronfolgerpaar.
-
Princip nutzte die Gelegenheit,
insbesondere für Gräfin Sophie
um
mit
seiner
Pistole
zwei
Chotek.
Schüsse auf das Thronfolgerpaar
anschließender
Auf dieser Route bog die
Selbstmordversuch scheiterte, so
Kolonne einmal falsch ab und
Gräfin
dass er festgenommen werden
blieb einige Sekunden direkt vor
Fahrzeugwand in den Unterleib
konnte. Er wurde vom Gericht zu
einem Geschäft stehen, an dem
und fügte ihr damit Verletzungen
20 Jahren Festungshaft verurteilt,
sich
zu, an denen sie noch im Wagen
die er in Theresienstadt verbüßte.
aufhielt: Gavrilo Princip
ein
weiterer
Attentäter
Er starb 1916 an Tuberkulose.
abzugeben. Der erste Schuss traf Sophie
durch
die
innerlich verblutete. Der zweite Schuss traf Thronfolger Franz Ferdinand in den Hals, wobei eine
Die Kolonne fuhr danach zum
Halsvene
zerriss
und
die
Rathaus, wo Franz Ferdinand wie
Luftröhre verletzt wurde. Auch er
geplant den Bürgermeister traf.
starb sofort.
Dessen
Begrüßungsrede
Auch
Princips
unterbrach der Thronfolger mit
Selbstmordversuch scheiterte, so
den Worten:
dass er lebend gefasst werden
"Herr
Bürgermeister,
da
kommt man nach Sarajevo, um einen Besuch zu machen, und
konnte. Er wurde zu 20 Jahren Das Attentat auf den Thronfolger Maler unbekannt
wird mit Bomben beworfen! Das
Festung Theresienstadt verurteilt und starb dort 1918 nach langer
Auch er war bosnischer Serbe
ist empörend."
schwerer Zwangsarbeit in der
Krankheit.
und seit 1912 Mitglied der Mlada
Princip wird noch heute von
Nach diesem Besuch verfügte
Bosna. Princip und zwei seiner
bosnischen Serben und in Serbien
Franz Ferdinand eine Änderung
Freunde und Mitattentäter wurden
selbst als Nationalheld verehrt.
der Fahrtroute - er wollte nun
in Belgrad auf den Anschlag
nicht direkt ins Museum fahren,
vorbereitet und erhielten von
sondern zunächst den beim ersten
serbischen
Anschlag am Hals verletzten
einer Geheimorganisation namens
Verschwörung, die aber nicht
Merizzi
im
Krankenhaus
"Schwarze Hand" ein Training im
bewaffnet bzw. nicht unmittelbar
besuchen.
Dazu
musste
die
Umgang mit Schusswaffen und
in Erscheinung traten. Es handelte
Kolonne quer durch die ganze
Bomben. Princip erwies sich als
sich dabei um Veljko Čubrilović,
Führungsoffizieren
Es gab noch weitere Beteiligte der
Mlada
Bosna
an
der
Seite 10
Miško Jovanović, Mladen und Sreten
Stojaković,
Jezdimir
Insgesamt wurden aufgrund
wurden zum Tode verurteilt, die
der Verhöre der festgenommenen
übrigen
Dangić, Mitar und Neđa Kerović
Attentäter
Haftstrafen.
sowie Jakov Milović.
verhaftet. Drei der Attentäter
25
Verschwörer
erhielten
langjährige
In der damaligen zeitgenössischen Presse wurde das Ereignis so aufgenommen, wie etwa in der "Berliner Morgenpost". Die damalige amtliche Meldung liest sich wie folgt:
"Als der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin sich heute vormittag zum Empfang nach dem Rathause begaben, wurde gegen das Auto eine Bombe geschleudert, welche der Thronfolger mit den Armen zurückstieß. Nachdem das erzherzogliche Auto passiert war, explodierte die Bombe, und die im nachfolgenden Auto befindlichen Herren Graf Boos-Waldeck und Flügeladjutant Merizzi sowie 6 Personen vom Publikum wurden schwer verletzt. Der Attentäter ist ein Photograph namens Gabrinowitch aus Trebinje in der Herzegowina. Nach dem ortsüblichen Empfang im Rathause setzten der Thronfolger und seine Gemahlin die Rundfahrt durch die Stadt fort. In der Nähe des Rathauses feuerte plötzlich der Gymnasiast der achten Klasse Prinzip aus Grabowo mehrere Pistolenschüsse auf das erzherzogliche Paar. Der eine Schuß traf den Thronfolger in den Kopf, der andere seine Gemahlin in den Unterleib."
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Nach dem Attentat Das Attentat löste in der Öffentlichkeit Entsetzen aus - die Nachricht fand durch Extrablätter, die überall rasch verkauft wurden, schnelle Verbreitung. Der Grundtenor war: "Der arme, alte Kaiser" gemeint war der inzwischen greise, 84-jährige Kaiser von Österreich-Ungarn. Der ermordete Thronfolger selbst schien im Habsburgerreich dagegen weniger beliebt gewesen zu sein - insbesondere seine Pläne zum Umbau des Reiches in einen "Trialismus" stieß vor allem im ungarischen Reichsteil auf kategorische Ablehnung. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. erfuhr von der Todesnachricht
auf
einem
Schiff.
An
jenem
Nachmittag des 28. Juni 1914 bereitete er seine Yacht "Meteor" für eine Ostsee-Regatta vor Kiel vor, als eine Barkasse auf hoher See neben der "Meteor" anlegte und dem deutschen Kaiser die Nachricht per Zuruf überbrachte. Sofort wurde beschlossen, dass der Kaiser nach Berlin zurückkehren müsse, "um die
Deutschlands Kaiser Wilhelm II.
Sache selbst in die Hand zu nehmen und den Frieden in Europa zu bewahren". Doch schon bei seiner Ankunft in Berlin änderte jedoch Wilhelm II. seinen Ton, wobei er nunmehr in einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter in Wien meinte: "Mit den Serben muss aufgeräumt werden, und zwar bald."
Seite 12
Die Julikrise Wer waren die Kriegstreiber?
In der Vergangenheit wurde
Balkan schon hier als möglicher
Während dieser Zeit zwischen
in
Auslöser eines großen Krieges in
dem Attentat und dem Auslaufen
besonders
Europa voraussehbar. Frankreich
des österreichischen Ultimatums
die
baute dabei stark auf Russland als
am 25. Juli 1914 liefen hinter den
Schuld am Ausbruch des Ersten
Bündnispartner, um in einem
Kulissen
Weltkrieges
möglichen Krieg bestehen zu
Botschafter heiß.
meist
dem
angeblich
Deutschland ausgeprägten
Militarismus gegeben.
Der
Historiker Sönke Neitzel betonte jedoch
kürzlich
in
Diskussionssendung,
einer
dass
Der
Der
australische
Historiker
Kaiser
Drähte
der
österreich-ungarische Franz
Joseph
war
entschlossen,
Militär in Deutschland nicht mehr
Thema
Serbiens zur Schaffung einer
Einfluss auf die Politik hatte, als
herausgebracht hat, möchte nicht
großserbischen
etwa in Russland. Ein anderer
mehr
im
unterbinden. Am 2. Juli 1914
Historiker brachte jedoch zum
eigentlichen Sinne sprechen. Er
wurde dem Deutschen Kaiser
Ausdruck, dass er hier eine
bezeichnet den 1.Weltkrieg als
Wilhelm II. ein Schreiben von
andere
eine
Franz Joseph I. übergeben, in den
vertritt.
Anscheinend ist dieser Punkt
gerade von
ein
Buch
Kriegsschuld
gesamteuropäische
Krise
bzw. Katastrophe.
er
auch unter Historikern noch heute umstritten.
die
I.
Christopher Clark, der über das
Meinung
das
können.
die
formulierte,
Ambitionen Nation
zu
Ziel
seiner
Regierung sei "die Isolierung und Das Attentat in Sarajevo vom
Verkleinerung
Serbiens",
da
In Frankreich war dagegen
28. Juni 1914 löste zunächst
dieser Staat "Angelpunkt der
eher das Gegenteil der Fall. Hier
diplomatische, dann militärische
panslawistischen Politik sei" und
war nicht das Militär die Partei,
Aktivitäten
führte
daher "als politischer Machtfaktor
die
zunächst
"Juli-Krise".
am Balkan ausgeschaltet" werden
Obwohl man damals über die
müsse. Dazu wollte sich der
Szenarien durchspielte, wie ein
Verstrickung
österreich-ungarische Kaiser den
solcher möglicherweise einmal
Geheimdienstes
beginnen könnte, sondern die
wusste,
Zivilregierung.
zumindest eine Mitschuld am
Sondergesandte Alexander Graf
Attentat gegeben.
von
eher
auf
einen
spekulierte
und
zw.
Krieg 1912-14
Anscheinend
waren die Verhältnisse auf dem
aus
und
zur des
wurde
serbischen
noch
nichts
Rückhalt Wilhelms II. sichern. Zu
Serbien
rasch
diesem
Zweck Hoyos
reiste nach
der Berlin.
Seite 13
Zusammen mit dem österreich-
Kaiser in den Urlaub ab, den er
ungarischen Botschafter in Berlin
wie
sollte Wilhelm II. für die Politik
verbrachte. Bis zum 25. Juli
in
von Franz Joseph I. gewonnen
verbrachte er dort auf seiner
Besuch
werden. Wilhelm II. stand dem
Yacht "Hohenzollern". Noch am
Regierung in St. Petersburg (20.-
Anliegen
22.
enger
23. Juli 1914) an Serbien ein auf
Mitarbeiter Moritz Freiherr von
48 Stunden befristetes Ultimatum
Lyncker:
sich
zu stellen. K.u.K-Außenminister
zunächst
gegenüber
und
Unterstützung
skeptisch
lehnte
eine
Österreich-
so
oft
Juli
in
Norwegen
notiert
sein
"Man
kann
Am 14. Juli 1914 einigten sich die Minister Österreich-Ungarns Tiszla
darauf, der
nach
dem
französischen
Ungarns ab, da "er eine ernste
eigentlich kaum denken,
daß
Graf Berchtold forderte, es müsse
europäische
im
wegen dieser Mörder-Bande in
so scharf verfasst sein, "daß mit
Auge behalten müsse". Nach
Serbien ein großer Weltkrieg
der
weiteren
Unterredungen
entbrennen sollte" - drei Tage
kriegerischen Auseinandersetzung
erreichten die Diplomaten eine
später erfolgte die überstürzte
gerechnet werden muß". Bereits
Zusage des Deutschen Kaisers.
Abreise
am 7. Juli 1914 äußerte Graf
Der österreichische Botschafter in
Potsdam.
Komplikation
des
Kaisers
nach
nach
einem
Mittagessen
mit
einer
Berchtold gegenüber dem k.u.k.
Berlin, Ladislaus von SzögyenyMarich, notierte am 5. Juli 1914
Wahrscheinlichkeit
Gesandten Wladimir Giesl in Das Heft des Handelns lag nach
dem
Urlaubsantritt
-
müssen
Reichskanzler
Deutschlands rechnen" - zunächst
Hollweg, der laut dem Historiker
allerdings mit der Einschränkung,
Holger Afferbach eine "überaus
Diese Aussagen decken sich
der Kaiser müsse erst noch die
gefährliche Außenpolitik" betrieb.
weitgehend mit der Auffassung
Meinung seines Reichskanzlers
Auch er war im Urlaub auf
heutiger
Theobald von Bethmann Hollweg
seinem
im
Unannehmbarkeit des Ultimatums
hören.
brandenburgischen
Hohenfinow
in seiner Gesamtheit.Christopher
gebe
kaum
Landsitz über
die
kommen."
Historiker
und
seiner
Meinung
"europäische Lage" - sie sei nicht
"Die
werde".
Dieses
frei von Gefahren",
Ultimatum
entscheidende
dort
aber
er
und
abreisen; es muß zum Krieg
Zweifel, dass dieser "vollkommen zustimmen
sinnierte
abbrechen
die
"mit der völligen Unterstützung
Bethmann
Beziehungen
sie
Kaisers
es
besagtem
reagieren
Kaiser Wilhelm II., man könne
Doch
bei
des
Belgrad: "Wie immer die Serben
über
die
Clark rechtfertigt in seinem Werk Schlafwandler" angesichts
das der
Mittagessen im Neuen Palais in
glaube, mit einem begrenztem
Schwere der Tat damit, dass die
Potsdam, wo auch das Wort
Krieg ein "kalkulierbares Risiko"
serbischen
"Bündnistreue" fiel, wird heute
einzugehen
Ermittlungen
als „Blankoscheck“ Deutschlands
Fehleinschätzung
für
Reichskanzlers.
die
Handlungsfreiheit
-
eine
klare dieses
nie
gegen
die
eigentlichen Hintermänner des Attentats eingeleitet hätten. Auch
Österreich-Ungarn gewertet.
andere Historiker der heutigen Ultimatum
Am folgenden Tag reiste der
Behörden
Ungarns an Serbien:
Österreich-
Zeit
sind
der Ansicht,
dass
Serbien in der damaligen Zeit
Seite 14
einen sehr zweifelhaften Ruf hatte
und eine sehr unsägliche Rolle
spielte.
So wurde am 23. Juli 1914 um 18.00 Uhr besagtes Ultimatum durch den Gesandten Giesl in Belgrad übergeben. In dieser Note, die von Serbien bis Samstag, 25. Juli 1914, 18.00 Uhr beantwortet werden sollte, wurden folgende Forderungen aufgestellt:
Die königlich serbische Regierung verurteilt die gegen Österreich-Ungarn gerichtete Propaganda, d. h. die Gesamtheit jener Bestrebungen, deren Ziel es ist, von der österreichisch-ungarischen Monarchie Gebiete loszulösen, die ihr angehören, und bedauert aufrichtig die grauenhaften Folgen dieser verbrecherischen Handlungen. Die königlich serbische Regierung bedauert, daß serbische Offiziere und Beamten an der vorgenannten Propaganda teilnehmen und damit die freundnachbarlichen Beziehungen gestört haben, die zu pflegen die königliche Regierung durch ihre Erklärung vom 31. März 1909 sich feierlich verpflichtet hat. Die königliche Regierung, die jeden Gedanken oder jeden Versuch einer Einmischung in die Geschicke der Bewohner, was immer eines Teiles Oesterreich-Ungarns, mißbilligt und zurückweist, erachtet es für ihre Pflicht, die Offiziere und Beamten und ihre gesamte Bevölkerung des Königreiches ganz ausdrücklich aufmerksam zu machen, daß sie künftighin mit ernster Strenge gegen jene Personen vorgehen wird, die sich derartiger Handlungen schuldig machen sollten, und denen vorzubeugen und die zu unterdrücken sie alle Anstrengungen machen wird. Diese Erklärung wird gleichzeitig zur Kenntnis der Königlichen Armee durch einen Tagesbefehl Seiner Majestät des Königs gebracht und in den offiziellen Organen der Armee veröffentlicht werden. Die Königlich serbische Regierung verpflichtet sich überdies: 1. Jede Propaganda zu unterdrücken, die zum Haß und zur Verachtung der Monarchie aufreizt und deren allgemeine Tendenz gegen die territoriale Integrität der letzteren gerichtet ist; 2. sofort mit der Auflösung des Vereins Narodna Obdrana vorzugehen, dessen gesamte Propagandamittel zu konfiszieren und in derselben Weise gegen die anderen Vereine und Vereinigungen in Serbien einzuschreiten, die sich mit der Propaganda in Oesterreich-Ungarn beschäftigen. Die königliche Regierung wird die nötigen Maßregeln treffen, damit die aufgelösten Vereine nicht unter anderem Namen oder in anderer Form sich fortsetzen;
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3. ohne Verzug aus dem öffentlichen Unterricht in Serbien, sowohl was den Lehrkörper als auch was die Lehrmittel betrifft, alles zu beseitigen, was dazu dienen könnte, die Propaganda gegen Oesterreich-Ungarn zu nähren; 4. aus dem Militärdienst und der Verwaltung im allgemeinen alle Offiziere und Beamten zu entfernen, die der Propaganda gegen Oesterreich-Ungarn schuldig sind und deren Namen unter Mitteilung des gegen sie vorliegenden Materials der Königlichen Regierung bekanntzugeben sich die Kaiserliche und Königliche Regierung vorbehält; 5. einzuwilligen, daß in Serbien Organe der Kaiserlichen und Königlichen Regierung bei der Unterdrückung der gegen die territoriale Integrität gerichteten subversiven Bewegung mitwirken; 6. eine gerichtliche Untersuchung gegen jene Teilnehmer des Komplotts vom 28. Juni einzuleiten, die sich auf serbischem Territorium befinden. Von der Kaiserlichen und Königlichen Regierung hierzu ernannte Organe werden an den bezüglichen Erhebungen teilnehmen; 7. mit aller Beschleunigung die Verhaftung des Majors Voja Takositsch und eines gewissen Milan Ciganowic, serbischen Staatsbeamten vorzunehmen, welche durch die Ergebnisse der Untersuchung kompromittiert sind; 8. durch wirksame Maßnahmen die Teilnahme der serbischen Behörden an dem Einschmuggeln von Waffen und Explosivkörpern über die Grenze zu verhindern; jene Organe des Grenzgebietes von Schabatz und Losnitza, die den Urhebern des Verbrechens von Sarajewo bei dem Uebertritt über die Grenze behilflich waren, aus dem Dienst zu entlassen und streng zu bestrafen; 9. der Kaiserlichen und Königlichen Regierung Aufklärung zu geben über die nicht zu rechtfertigenden Aeußerungen hoher serbischer Funktionäre in Serbien und dem Ausland, die ihrer Offiziersstellung ungeachtet, nicht gezögert haben, sich nach dem Attentat vom 28. Juni in Interviews in feindlicher Weise gegen Oesterreich-Ungarn auszusprechen; 10. die Kaiserliche und Königliche Regierung ohne Verzug von der Durchführung der in den vorigen Punkten zusammengefassten Maßnahmen zu verständigen.
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Entgegen der Erwartungen fiel die Antwortnote der serbischen Regierung am 25. Juli 1914 bis auf wenige Ausnahmen (Punkte 5 und 6 - fett gedruckt) entgegenkommend aus:
Die königlich serbische Regierung hat die Mitteilung der k. u. k. Regierung vom 10. d. M. erhalten und ist überzeugt, daß ihre Antwort jedes Mißverständnis zerstreuen wird, welches die freundnachbarlichen Beziehungen zwischen der österreichisch-ungarischen Monarchie und dem Königreiche Serbien zu stören droht. Die königliche Regierung ist sich bewußt, daß der großen Nachbarmonarchie gegenüber bei keinem Anlasse jene Proteste erneuert wurden, die seinerzeit so wohl in der Skupschtina als auch in Erklärungen und Handlungen der verantwortlichen Vertreter des Staates im Ausdrucke gebracht wurden, und die durch die Erklärung der serbischen Regierung vom 18. März 1909 ihren Abschluß gefunden haben, sowie weiters, daß seit jener Zeit weder von den verschiedenen einander folgenden Regierungen des Königreiches noch von deren Organen der Versuch unternommen wurde, den in Bosnien und der Herzegowina geschaffenen politischen und rechtlichen Zustand zu ändern. Die königliche Regierung stellt fest, daß die k. u. k. Regierung in dieser Richtung keinerlei Vorstellungen erhoben hat, abgesehen von dem Falle eines Lehrbuches, hinsichtlich dessen die k. u. k. Regierung eine vollkommen befriedigende Aufklärung erhalten hat. Serbien hat während der Dauer der Balkankrise in zahlreichen Fällen Beweise für seine pazifistische und gemäßigte Politik geliefert, und es ist nur Serbien und den Opfern, die es ausschließlich im Interesse des europäischen Friedens gebracht hat, zu danken, wenn dieser Friede erhalten geblieben ist. Die königliche Regierung kann nicht für Äußerungen privaten Charakters verantwortlich gemacht werden, wie es Zeitungsartikel und die friedliche Arbeit von Gesellschaften ist. Äußerungen, die fast in allen Ländern ganz gewöhnliche Erscheinungen sind und die sich im allgemeinen der staatlichen Kontrolle entziehen. Dies um so weniger, als die königliche Regierung bei der Lösung einer ganzen Reihe von Fragen, die zwischen Serbien und Österreich-Ungarn aufgetaucht waren, großes Entgegenkommen bewiesen hat, wodurch es ihr gelungen ist, deren größeren Teil zugunsten des Fortschrittes der beiden Nachbarländer zu lösen. Die königliche Regierung war deshalb durch die Behauptungen, daß Angehörige Serbiens an der Vorbereitung des in Sarajevo verübten Attentates teilgenommen hätten, schmerzlich überrascht. Sie hatte erwartet, zur Mitwirkung bei den Nachforschungen über dieses Verbrechen eingeladen zu werden, und war bereit, um ihre volle Korrektheit durch Taten zu beweisen, gegen alle Personen vorzugehen, hinsichtlich welcher ihr Mitteilungen zugekommen wären.
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Den Wünschen der k. u. k. Regierung entsprechend, ist die königliche Regierung somit bereit, dem Gerichte ohne Rücksicht auf Stellung und Rang jeden serbischen Staatsangehörigen zu übergeben, für dessen Teilnahme an dem Sarajevoer Verbrechen ihr Beweise geliefert werden sollten; sie verpflichtet sich, insbesondere auf der ersten Seite des Amtsblattes vom 13./26. Juli folgende Enunziation zu veröffentlichen. » Die königlich serbische Regierung verurteilt jede Propaganda, die gegen Österreich-Ungarn gerichtet sein sollte, das heißt die Gesamtheit der Bestrebungen, die in letzter Linie auf die Losreißung einzelner Gebiete von der österreichisch-ungarischen Monarchie abzielen, und sie bedauert aufrichtig die traurigen Folgen dieser verbrecherischen Machenschaften. Die königliche Regierung bedauert, daß laut Mitteilung der k.u. k. Regierung gewisse serbische Offiziere und Funktionäre an der eben genannten Propaganda mitgewirkt und daß diese damit die freundnachbarlichen Beziehungen gefährdet hätten, zu deren Beobachtung sich die königliche Regierung durch die Erklärung vom 31. März 1909 feierlich verpflichtet hatte.« » Die königliche Regierung….« (gleichlautend mit dem geforderten Texte[3]) …. bis: »veröffentlicht werden«. Die königliche Regierung verpflichtet sich weiterhin: 1. Anläßlich des nächsten ordnungsmäßigen Zusammentrittes der Skupschtina in das Preßgesetz eine Bestimmung einzuschalten, wonach die Aufreizung zum Hasse und zur Verachtung gegen die Monarchie sowie jede Publikation strengstens bestraft würde, deren allgemeine Tendenz gegen die territoriale Integrität Österreich-Ungarns gerichtet ist. Sie verpflichtet sich, anläßlich der demnächst erfolgenden Revision der Verfassung in den Artikel XXII des Verfassungsgesetzes einen Zusatz aufzunehmen, der die Konfiskation derartiger Publikationen gestattet, was nach den klaren Bestimmungen Artikels XXII der Konstitution derzeit unmöglich ist. 2. Die Regierung besitzt keinerlei Beweise dafür und auch die Note der k. u. k. Regierung liefert ihr keine solchen, daß der Verein »Narodna odbrana« und ander ähnliche Gesellschaften bis zum heutigen Tage durch eines ihrer Mitglieder irgendwelche verbrecherischen Handlungen dieser Art begangen hätten. Nichtsdestoweniger wird die königliche Regierung die Forderung der k. u. k. Regierung annehmen und die Gesellschaft »Narodna odbrana« sowie jede Gesellschaft, die gegen Österreich-Ungarn wirken sollte, auflösen.
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3. Die königlich serbische Regierung verpflichtet sich, ohne Verzug aus dem öffentlichen Unterrichte in Serbien alles auszuscheiden, was die gegen Österreich-Ungarn gerichtete Propaganda fördern könnte, falls ihr die k. u. k. Regierung tatsächliche Nachweise für diese Propaganda liefert. 4. Die königliche Regierung ist auch bereit, jene Offiziere und Beamten aus dem Militär- und Zivildienste zu entlassen, hinsichtlich welcher durch gerichtliche Untersuchung festgestellt wird, daß sie sich Handlungen gegen die territoriale Integrität der Monarchie haben zu Schulden kommen lassen; sie erwartet, daß ihr die k. u. k. Regierung zwecks Einleitung des Verfahrens die Namen dieser Offiziere und Beamten und die Tatsachen mitteilt, welche denselben zur Last gelegt werden. 5. Die königliche Regierung muß bekennen, daß sie sich über den Sinn und die Tragweite jenes Begehrens der k. u. k. Regierung nicht volle Rechenschaft geben kann, welches dahin geht, daß die königlich serbische Regierung sich verpflichten soll, auf ihrem Gebiete die Mitwirkung von Organen der k. u. k. Regierung zuzulassen, doch erklärt sie, daß sie jene Mitwirkung anzunehmen bereit wäre, welche den Grundsätzen des Völkerrechtes und des Strafprozesses sowie den freundnachbarlichen Beziehungen entsprechen würde. 6. Die königliche Regierung hält es selbstverständlich für ihre Pflicht, gegen alle jene Personen eine Untersuchung einzuleiten, die an dem Komplotte vom 15./28. Juni beteiligt waren oder beteiligt gewesen sein sollen, und die sich auf ihrem Gebiete befinden. Was die Mitwirkung von hiezu speziell delegierten Organen der k. u. k.. Regierung an dieser Untersuchung anbelangt, so kann sie eine solche nicht annehmen, da dies eine Verletzung der Verfassung und des Strafprozeßgesetzes wäre. Doch könnte den österreichisch-ungarischen Organen in einzelnen Fällen Mitteilung von dem Ergebnisse der Untersuchung gemacht werden. 7. Die königliche Regierung hat noch am Abend des Tages, an dem ihr die Note zukam, die Verhaftung des Majors Voislav Tankosic verfügt. Was aber den Milan Ciganović anbelangt, der ein Angehöriger der österreichisch-ungarischen Monarchie ist, und der bis zum 15. Juni (als Aspirant) bei der Eisenbahndirektion bedienstet war, so konnte dieser bisher nicht ausgeforscht werden, weshalb ein Steckbrief gegen ihn erlassen wurde. Die k. u. k. Regierung wird gebeten, zwecks Durchführung der Untersuchung sobald als möglich die bestehenden Verdachtsgründe und die bei der Untersuchung in Sarajevo gesammelten Schuldbeweise in der üblichen Form bekanntzugeben. 8. Die serbische Regierung wird die bestehenden Maßnahmen wegen Unterdrückung des Schmuggelns
Seite 19
von Waffen und Explosivstoffen verschärfen und erweitern. Es ist selbstverständlich, daß sie sofort eine Untersuchung einleiten und jene Beamten des Grenzdienstes in der Linie Sabac-Loznica streng bestrafen wird, die ihre Pflicht verletzt und die Urheber des Verbrechens die Grenze haben überschreiten lassen. 9. Die königliche Regierung ist gerne bereit, Aufklärung über die Äußerungen zu geben, welche ihre Beamten in Serbien und im Auslande nach dem Attentate in Interviews gemacht haben, und die nach der Behauptung der k. u. k. Regierung der Monarchie feindselig waren, sobald die k. u. k. Regierung die Stellen dieser Ausführungen bezeichnet und bewiesen haben wird, daß diese Äußerungen von den betreffenden Funktionären tatsächlich gemacht worden sind. Die königliche Regierung wird selbst Sorge tragen, die nötigen Beweise und Überführungsmittel hiefür zu sammeln. 10. Die königliche Regierung wird, insofern dies nicht schon in dieser Note geschehen ist, die k. u. k. Regierung von der Durchführung der in den vorstehenden Punkten enthaltenen Maßnahmen in Kenntnis setzen, sobald eine dieser Maßregeln angeordnet und durchgeführt wird. Die königich serbische Regierung glaubt, daß es im gemeinsamen Interesse liegt, die Lösung dieser Angelegenheit nicht zu überstürzen und ist daher, falls sich die k. u. k. Regierung durch diese Antwort nicht für befriedigt erachten sollte, wie immer bereit, eine friedliche Lösung anzunehmen, sei es durch Übertragung der Entscheidung dieser Frage an das internationale Gericht im Haag, sei es durch Überlassung der Entscheidung an Großmächte, welche an der Ausarbeitung der von der serbischen Regierung am 18./31. März 1909 abgegebenen Erklärung mitgewirkt haben.
Noch an diesem 25. Juli 1914
der Kaiser halte "wirre Rede".
Hand hat."
erfolgte sowohl die
Auch Falkenhayn war ein
Generalmobilmachung der
Kriegsbefürworter und war erbost
Streitkräfte Serbiens als auch eine
darüber, dass aus den Reden des
Generaloberst Hans Georg von
Teilmobilmachung der
Kaisers hervorging, dass dieser
Plessen am 28. Juli 1914 in sein
Streitkräfte Österreich-Ungarns
den Krieg nicht mehr wolle "und
Tagebuch: "Ich reite mit S.M. um
und auch Russland leitete bereits
entschlossen ist, um diesen Preis
halb acht. Er sagt mir, England
eine Teilmobilmachung ein.
selbst Österreich sitzen zu
fände die Serbische Antwort auf
lassen". Doch Falkenhayn schrieb
das österreichische Ultimatum so,
weiter: „Ich mache ihn darauf
daß darin im wesentlichen alle
Kriegsminister Erich von
aufmerksam, daß er die
Forderungen zugestanden seien,
Falkenhayn in seinem Tagebuch,
Angelegenheit nicht mehr in der
und damit fiele eigentlich jeder
Am 28. Juli 1914 notierte
Hingegen schrieb
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Grund zum Kriege fort." Es ist für die Julikrise auch ein intensiver Briefwechsel zwischen
Kaiser Wilhelm II. und dem
Verhinderung des Krieges mit
russischen Zaren Nikolaus II.
Russland bewirken sollte.
historisch belegt, der die
Die politischen Verhältnisse in Europa
Dreibund der Mittelmächte Österreich-Ungarn, das Deutsche Kaiserreich sowie Italien waren Bündnispartner im sogenannten "Dreibund", der Im Jahre 1882 geschlossen wurde. Dieser Verpflichtete die Mitglieder bei einem nicht provozierten Angriff auf einen der Bündnispartner, diesem militärisch beizustehen. 1883 trat Rumänien dem Dreibund bei.
Seite 21
Deutsches Reich
Österreich-Ungarn
Italien
Nach Zustandekommen der Gründung des Deutschen Kaiserreiches im Jahre 1871 nach drei Kriegen isolierte sich das Reich in der Zeit nach Reichskanzler Bismarck u. a. durch die ungeschickte Außenpolitik Wilhelms II. zunehmend. Insbesondere nach der Gründung der "Triple Entente" im Jahre 1907 zwischen Großbritannien, Frankreich und Russland sah sich Deutschland in Europa weitgehend isoliert und eingekreist. Generalstabschef Helmuth Johannes von Moltke drängte angesichts des Wettrüstens in Europa bereits 1908 auf einen Präventivkrieg. Für die folgenden Jahre sind weitere Forderungen des Militärs dieser Art belegt. Hintergrund war die Annahme des Generalstabs, dass Russland und Frankreich etwa für 1916 einen Krieg gegen Deutschland planten. Zu diesem Zeitpunkt - so die weitere Annahme - wäre Deutschland angesichts des Wettrüstens nicht mehr in der Lage, einen Krieg gegen beide Großmächte zu gewinnen. Zu diesem Zweck wurden für diese Eventualität mehrere Kriegsstrategien ausgearbeitet, von denen seit 1913 der sogenannte "Schlieffen-Plan" favorisiert wurde. Dieser von Alfred Graf von Schlieffen bereits bis 1905/06 ausgearbeitete Plan sah vor, dass zunächst Frankreich angegriffen und schnell geschlagen werden sollte, bevor Russland vollständig mobil gemacht hätte. Dazu musste Frankreich jedoch auf einer breiteren Front angegriffen werden, als die deutsch-französische Grenze lang war - zumal diese auf französischer Seite auch stark befestigt worden war, so dass dieser Plan die Besetzung Belgiens mit einschloss. Der darauffolgende Feldzug gegen Russland würde laut Schlieffen eine längere Zeit beanspruchen.
Bereits Jahre vor Ausbruch des Krieges forderten hochrangige Militärs von Österreich-Ungarn ein militärisches Vorgehen gegen Serbien. Doch Kaiser Franz Joseph I. hatte sich bisher solchen Forderungen widersetzt. Auch das Attentat von Sarajevo hätte noch nicht zwangsläufig einen Krieg gegen Serbien zur Folge haben müssen. Erst nach Hoyos Reise nach Potsdam und der sogenannte "Blankocheck" Kaiser Wilhelms II. wurde dieser wahrscheinlicher, wobei der Inhalt der Zusage des Deutschen Kaisers von heutigen Historikern unterschiedlich bewertet wird. Die Übermittlung dieser Zusage nach Wien scheint von der österreichischen Gesandtschaft optimistischer erfolgt zu sein, als diese von deutscher Seite gemeint war. Mit Fortschreiten der Julikrise und besonders mit dem Ultimatum an Serbien wurde ein Krieg immer wahrscheinlicher.
Obwohl auch Italien Mitglied des Dreibundes war, wurde der vertraglich zugesagte Beistand im Zuge der Julikrise unsicher. Öffentliche Erklärungen des italienischen Außenministeriums ließen seit dem 14. Juli 1914 erkennen, dass man in Rom vor allem an einem territorialen Ausgleich für Italien im Falle einer Annexion Serbiens durch ÖsterreichUngarn interessiert war.
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Triple entente Die Triple Entente wurde 1907 als Militärbündnis zwischen Großbritannien, Frankreich und Russland gegründet. Sie entwickelte sich aus der bereits 1894 geschlossenen Französisch-Russischen Allianz und der Entente cordinale, die 1904 als Bündnis zwischen Großbritannien und Frankreich entstanden war.
Frankreich
Großbritannien
Russland
Frankreich war einerseits an einer Revanche des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 gelegen, in dessen Ergebnis Elsaß-Lothringen von Deutschland annektiert wurde. Auch die Erniedrigung Frankreichs, die durch die Art und Weise, wie die Gründung des Deutschen Kaiserreiches vollzogen wurde (im Spiegelsaal von Versailles), war nach 43 Jahren nicht vergessen. Zudem hatte Bismarck nach dem Krieg zunächst für eine politische Isolierung Frankreichs in Europa gesorgt. Andererseits gehen heutige Historiker auch davon aus, dass man in Frankreich die deutschen Präventivkriegsplanungen kannte. Tatsächlich favorisierte auch Frankreich seit 1911 mit dem sogenannten "Plan XVII" eine offensive Kriegsstrategie. Der Schlieffen-Plan sollte mit dieser Strategie unterlaufen werden und auch von Russland wurde beim Treffen im Juli 1914 ein rascher Angriff gefordert.
Großbritannien sah vor allem in der Aufrüstung der deutschen Kriegsflotte eine Gefahr. Im Jahre 1898 legte Alfred von Tirpitz den sogenannten "Tirpitzplan" vor, der ein Konzept zum Aufbau einer deutschen Hochseeflotte beinhaltete, welches in den Jahren 1898 und 1900 als "Flottengesetz" vom deutschen Reichstag verabschiedet wurde. Grundgedanke des "Tirpitzplans" war der "Risikogedanke", d. h. die Doktrin, dass die deutsche Flotte so groß sein müsse, dass es den Briten zu riskant sei, einen Seekrieg gegen Deutschland zu riskieren, weil dieser die Seemachtstellung Großbritanniens erschüttern könnte. Als dafür notwendige Stärke der Kriegsmarine sah Tirpitz ein Verhältnis von 2:3 zur Kriegsflotte Großbritanniens als ausreichend an. Dies kollidierte jedoch mit der Marine-Doktrin der Briten, dem sogenannten "Two-Power-Standard", der seit etwa 1889 davon ausging, dass die britische Flotte immer mindestens so groß sein müsse, wie die beiden nächstkleineren Kriegsflotten zusammen. Diese Flottenstärke hat die Royal Navy jedoch zu keinem Zeitpunkt erreicht, doch löste das deutsche Flottengesetz ein Wettrüsten zwischen beiden Ländern aus.
Die Politik Russlands war seit Mitte des 19. Jh. vor allem darauf ausgerichtet, eine möglichst große Kontrolle über die für den russischen Handel äußerst wichtigen, aber zum Osmanischen Reich gehörenden Meerengen Bosporus und Dardanellen auszuüben. Insbesondere Serbien war im Kampf gegen das Osmanische Reich ein wichtiger, nach Ende des Zweiten Balkankrieges 1913 sogar der einzige Verbündete. So hatte ein Angriff einer Nation auf Serbien zwangsläufig auch eine Konfrontation mit Russland zur Folge - so auch in der Julikrise von 1914, in der Russland mehrere Warnungen an Österreich-Ungarn aussprach. Rückendeckung erhielt Russland offenbar beim Staatsbesuch einer französischen Delegation vom 20. bis 23. Juli 1914, die laut den Auswertungen von Christopher Clark ein festes Zusammenstehen in der kommenden Krise forderte.
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Öffentliche Wahrnehmung der Weltkriegsgefahr Schon damals wurde von den Medien die Gefahr eines drohenden Weltkrieges erkannt -
Über den voraussichtlichen In einer weiteren Meldung hieß es:
so auch von der "Berliner
"Petersburg, 24. Juli.
Morgenpost in seiner Ausgabe
Das amtliche Organ
Fortgang der Ereignisse wird auch erläutert: "Unsere amtlichen Stellen haben der Welt keinen Zweifel
vom 25. Juli 1914. Klar wird in
veröffentlicht folgendes
gelassen, daß Deutschland
dieser Ausgabe mit der
Communique: Die kaiserliche
entschlossen ist, seine
Überschrift: "Die
Regierung ist lebhaft besorgt
Bündnispflichten gegen
Weltkriegsgefahr - Rußland will
durch die überraschenden
Österreich zu erfüllen. Und
intervenieren" darauf aufmerksam
Ereignisse und durch das an
ebensowenig darf man zweifeln,
gemacht, dass dieser Konflikt
Serbien durch Österreich-Ungarn
daß auch Frankreich gewillt ist,
nicht regional begrenzt bleiben
gerichtete Ultimatum und verfolgt
seinen Bündnispflichten gegen
würde.
mit Aufmerksamkeit die
Rußland nachzukommen.
Entwicklung des österreichischHintergrund waren die die
serbischen Konfliktes, in welchem
Meldungen, dass am 24. Juli 1914
Rußland nicht indifferent bleiben
um 14.00 Uhr in einer fast
kann."
vierstündigen außerordentlichen Sitzung des Ministerrates in
Also ein Weltenbrand..." Schon zu dieser Zeit war also den Medien, wie in diesem Falle der "Berliner Morgenpost" klar,
Erläutert wird in dieser
dass ein Weltkrieg - hier als
Belgrad zu der österreichischen
Ausgabe auch, wie die
"Weltenbrand" bezeichnet -
Aktion in Belgrad Stellung
Bündnisverpflichtungen der
bevorstand, wenn die Diplomatie
bezogen hatte. Russland
europäischen Nationen
scheitern würde. Die Zeitung
versicherte, unverzüglich zu
untereinander gestrickt waren.
erkannte den Ernst der Lage und
"intervenieren" und von
Würde also Österreich-Ungarn
warnte:
Österreich-Ungarn eine
Serbien den Krieg erklären,
Verlängerung der Frist des
müssten sich "Österreichs Waffen
ernst, und mit banger Sorge muß
Ultimatums zu verlangen, "um
nicht blos gegen Serbien, sondern
die zivilisierte Welt den nächsten
der europäischen Diplomatie Zeit
auch gegen Rußland richten und
Stunden entgegensehen. Vor
zu geben, ihren Einfluß geltend
damit wäre dann der Weltenbrand
dreihundert Jahren hat sich an
zu machen."
entfesselt."
den böhmischen Unruhen jener
"Die Situation ist furchtbar
Seite 24
fürchterliche Krieg entzündet, der
morgen Mitternacht durch
Insbesondere in Offizierskreisen
durch dreißig Jahre hindurch
Extrablätter zur Kenntnis der
riefen die Forderungen
Deutschland verwüstete. Erhebt
Oeffentlichkeit gebracht werden
Österreich-Ungarns dem Blatt
heute die Kriegslust ihr grausiges
soll. Alle militärischen
zufolge "große Erregung hervor."
Haupt, so wird ein Unheil über
Vorkehrungen sind bereits
die Welt hereinbrechen, das
getroffen. Schon am morgigen
vielleicht ebenso furchtbar ist wie
Abend wird an sechs Korps
Zeitung, dass der Minister des
jenes, das vor dreihundert Jahren
Mobilmachungsorder ergehen.
Äußeren Graf Berchtold am
unser Vaterland heimgesucht
Der Schlag gegen Serbien soll
Nachmittag des 25. Juli in Ischl
hat."
mit aller Kraft und sehr schnell
eintreffen wollte, um dort die
geführt werden. 350 000 Mann
Antwort der serbischen Regierung
werden gegen Serbien und
abzuwarten. Anschließend wollte
Korrespondent der Zeitung per
Montenegro dirigiert werden.
er sich unmittelbar zum deutschen
Telegramm:
Außer den sechs Korps macht
Kaiser begeben, um diesem
"Wien, 24. Juli.
auch die Kriegsmarine mobil.
mündlich Bericht zu erstatten - er
(...)
Einberufene Reservisten in
wollte dies also nicht per
Der österreichische Gesandte
großen Massen treffen bereits mit
Telegramm tun.
Weiterhin meldete ein
Weiterhin berichtete die
in Belgrad, Baron Giesl, hat den
allen Zügen hier in Wien ein. Sie
Auftrag erhalten, falls die
sind Angehörige von
Wilhelm II. schon am 24. Juli um
serbische Regierung bis morgen
Regimentern, die in Bosnien,
16.00 Uhr den Reichs-
abend 6 Uhr die vorbehaltlose
Herzegowina und Dalmatien
Finanzminister Bilinski empfing,
Annahme der in der Note vom 23.
liegen, wo die erhöhten
der zugleich auch Minister für
angeführten Forderungen nicht
Friedensbestände der
Bosnien war - "einer für
notifiziert haben sollte, mit dem
Kompagnien jetzt auf Kriegsfuß
Audienzen ungewöhnlichen
Personal der Gesandtschaft
gebracht werden. Die
Stunde".
Serbien zu verlassen.
Einberufenen werden von der
Sofort nach Ablauf der
Bevölkerung sympathisch begrüßt
Ferner wurde berichtet, dass
Rätsel gab ein
Antwortschrift auf das
und bewirtet. Die Bevölkerung ist
Regierungswechsel in Serbien
österreichisch-ungarische
ernst und erwartet ruhig die
auf. So wurde berichtet, dass sich
Ultimatum wird im Falle einer
weitere Entwicklung."
der serbische Ministerpräsident
ablehnenden Antwort Serbiens Kaiser Franz Joseph sich in
Paschitsch durch den Auch über die Reaktion der
Finanzminister Dr. Patschu
einem Manifest an seine Völker
serbischen Seite wurde berichtet,
vertreten ließ, der schon am
wenden. Dieses Manifest wird die
dass der Inhalt der Note "in den
Donnerstag die österreichische
Kriegserklärung an Serbien
Nachmittagsstunden in Belgrad
Note entgegen nahm. Paschitsch
enthalten. Es besteht die Absicht,
allgemein bekannt wurde" und
selbst soll sich auf einer Reise
daß dieses Manifest schon
"ungeheuren Eindruck" machte.
"im Inneren" befunden haben
Seite 25
"und unverzüglich ins Ausland abzureisen genötigt ist". Somit
Angelegenheiten. Dagegen wurde dem Blatt
Juli wieder in Belgrad befinden sollte, die Vertretung aber
übernahm Patschu den Vorsitz im
zufolge von "halbamtlicher Seite"
dennoch nicht aufgehoben wurde
Ministerrat und das Ministerium
gemeldet, dass sich Paschitsch
- und dies alles in einer so
der Auswärtigen
bereits seit dem Morgen des 23.
kritischen Situation.
Der Kriegsausbruch 28. Juli 1914: Kriegserklärung ÖsterreichUngarns an Serbien
Alle Bemühungen der Diplomatie, den drohenden Krieg zu verhindern waren vergeblich. Am 28. Juli 1914 erfolgte die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien mit folgendem Wortlaut: Auf Grund Allerhöchster Entschließung Seiner K. und K. apostolischen Majestät vom 28. Juli 1914 wurde heute an die königlich Serbische Regierung eine in französischer Sprache abgefaßte Kriegserklärung gerichtet, welche in deutscher Übersetzung folgendermaßen lautet: Da die königlich serbische Regierung die Note, welche ihr vom österreichisch-ungarischen Gesandten in Belgrad am 23. Juli 1914 übergeben worden war, nicht in befriedigender Weise beantwortet hat, so sieht sich die K.u.K Regierung in die Notwendigkeit versetzt, selbst für die Wahrung ihrer Rechte und Interessen Sorge zu tragen und zu diesem Ende an die Gewalt der Waffen zu appellieren. Östereich-Ungarn betrachtet sich daher von diesem Augenblick an als im Kriegszustande mit Serbien befindlich. Der österreich-ungarische Minister des Aeußeren Graf Berchtold
Seite 26
Die Bevölkerung erfährt von der drohenden Kriegsgefahr
Die "Berliner Morgenpost"
Ungarn sprechen von einem
wenigen Tagen beendet sein wird,
titelte nun mit "Die Waffen
"Enthusiasmus der Bevölkerung"
berichtet.
sprechen".
- Prinz Ludwig Windischgrätz
Die "Berliner Morgenpost"
feierte in einer Ansprache das
berichtete auch aus Berlin von
Edward Grey hatte noch eine
Bündnis mit Deutschland und im
einer Menge junger Männer, die
erneute Konferenz der
Klub der Arbeitspartei erklärte
freudig und hüteschwenkend über
europäischen Außenminister in
István Tisza Graf von Borosjeno
den Pariser Platz zogen. Die Zahl
London vorgeschlagen -
und Szeged, es herrsche "eine
der Kriegsfreiwilligen sei hoch.
vergeblich.
herrliche Kriegsbegeisterung".
Andererseits gab es auch
Der britische Außenminister
Der in Budapest residierende
Schon in dieser ersten
Kriegsgegner. So hatte die SPD
Erzherzog Joseph Ferdinand rief
Kriegsausgabe der "Berliner
am 28. Juli 1914 zu einer großen
von einem Fenster des Palais aus
Morgenpost“ wird von ersten
Demonstration aufgerufen, an der
der Menge zu: "Brüder, wir
Kämpfen an der Drina und von
mindestens 30.000 Menschen
kämpfen zusammen und kehren
einer Mobilmachung der
teilnahmen - trotz Verbot durch
ruhmreich zurück, oder wir
serbischen Armee und vom
den Polizeipräsidenten. Polizisten
sterben zusammen!" Berichte aus
Aufmarsch der Truppen, der in
überwachten Veranstaltungen
Seite 27
sozialdemokratischer Reichs- und
der Parteien auf, vorzutreten und
Landtagsabgeordneter, die den
mir das in die Hand zu geloben.“
Krieg verurteilten. Am Abend dieses 28. Juli trafen
Am 29. Juli unterbreitete Großbritannien den bereits 5. Vermittlungsvorschlag, der
Doch der Kriegsbeginn
beinhaltete, Österreich-Ungarn
Kriegsbefürworter und
brachte für die Menschen der
solle lediglich Belgrad besetzen
Kriegsgegner "Unter den Linden"
damaligen Zeit auch ganz
und dann seine Bedingungen
aufeinander - die einen sangen
praktische Probleme mit sich. So
bekannt geben, über die dann
"Deutschland, Deutschland, über
wurde beispielsweise darüber
verhandelt werden könne. Dieser
alles" - die anderen stimmten die
informiert, dass die Mietverträge
Vorschlag wurde am 30. Juli von
"Marseillaise" an.
ihre volle Gültigkeit behielten -
der deutschen Regierung an
bei Anstellungsverträgen waren
Österreich-Ungarn weitergeleitet,
der SPD hielt nicht lange an. Am
die Probleme dagegen
jedoch dort zurückgewiesen.
4. August 1914 stimmte die SPD
umfangreicher. So musste ein
im Reichstag der Bewilligung der
Geschäftsführer seinen
Präsident lehnte den Vorschlag
Kriegsanleihen zu, wo Kaiser
Angestellten nicht weiterhin
ab.
Wilhelm II. auch seine berühmte
Gehalt zahlen, wenn sie im Felde
Thronrede hielt:
standen. Wenn der
Doch die Kriegsgegnerschaft
Aber auch der französische
Am 30. Juli erfolgte die
Geschäftsführer selbst in
Generalmobilmachung Russlands
irgendeinem Schützengraben
und am 31. Juli die Österreich-
mehr, ich kenne nur noch
stand und seinen Betrieb nicht
Ungarns.
Deutsche! Zum Zeichen dessen,
offen halten konnte, hatte dieser
daß Sie fest entschlossen sind,
auch das Recht, seinen
Deutschland an Russland ein
ohne Parteiunterschied, ohne
Angestellten zu kündigen, selbst
Ultimatum, seine Mobilmachung
Stammesunterschied, ohne
wenn sie in Berlin geblieben
einzustellen und auch Frankreich
Konfessionsunterschied
waren.
wurde von deutscher Seite
„Ich kenne keine Parteien
durchzuhalten mit mir durch dick und dünn, durch Not und Tod zu gehen, fordere ich die Vorstände
Für die Familien der Einberufenen sorgte der Staat.
Ebenfalls am 31. Juli stellte
ultimativ aufgefordert, sich für neutral zu erklären - erfolglos.
Seite 28
1. August 1914: Kriegserklärung Deutschlands an Russland Aufgrund der Bedrohungslage
Leser informiert wurde, was nun
begannen die deutschen Truppen
trat auch Deutschland am 1.
nicht mehr geschrieben werden
in der Nacht von 3. auf den 4.
August 1914 mit der
durfte. So durfte beispielsweise
August entsprechend des
Kriegserklärung an Russland in
über Truppenbewegungen nicht
"Schlieffen-Plans" mit dem
den Krieg ein. Diese
mehr berichtet werden und auch
Einmarsch in Belgien. Dieser
Kriegserklärung eines Mitgliedes
nicht über den Fortgang der
Bruch der international
des einen Militärbündnis an ein
Mobilmachung. Aber die Zensur
garantierten Neutralität Belgiens
Mitglied eines anderen
nahm auch bald groteske Züge an.
war für Großbritannien der
Militärbündnisses markiert den
So durfte im Januar 1915 der
Anlass, am 4. August 1914
Beginn des Ersten Weltkrieges.
Zirkus Sarrasani nicht in Berlin
Deutschland den Krieg zu
Am 5. August schrieb Wilhelm
auftreten mit der Begründung, das
erklären.
II.: "Angesichts der ernsten Lage,
Publikum könne "geistigen und
in die das teure Vaterland durch
moralischen Schaden" nehmen.
einen ihm aufgezwungenen Krieg
Im Februar 1915 wurde eine
versetzt ist, wollen wir das
Oberzensurstelle beim Militär
Eiserne Kreuz abermals wieder
eingerichtet, die die Einhaltung
aufleben lassen."
der Zensur kontrollierte.
Bereits am 3. August erfolgte die Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich. Am 6. August 1914 erklärte auch Österreich-Ungarn Russland den Krieg, auf die Großbritannien
Auf die Berichterstattung der
Am 2. August 1914 forderte
am 8. August mit der
Medien hatte der Kriegsausbruch
Deutschland das neutrale Belgien
Kriegserklärung an Österreich-
in der Folgezeit große
ultimativ dazu auf, den deutschen
Ungarn antwortete.
Auswirkungen. Schon am 1.
Truppen Durchmarschrechte zu
August 1914 erschien eine
gewähren. Als der König von
Bekanntmachung, in der der
Belgien dies zurückwies,
Der Erste Weltkrieg war damit entbrannt.
Seite 29
Kriegsbegeisterung in der Bevölkerung?
Soldaten ziehen unter dem Jubel der Bevölkerung in den Krieg
Immer wieder wird behauptet
Strandbädern an Ost- und
Somit stellt die Morgenpost
dass, wenn auch nicht in
Nordsee. Auch Zahlen werden
fest, bereiteten sich die Berliner
ländlichen Gegenden, doch in den
genannt:
auf einen Sommer in Badesachen
Städten eine allgemeine Kriegsbegeisterung in der Bevölkerung vorherrschte, wobei
Insgesamt wurden 168.000
vor und nicht in Uniform.
Gepäckstücke aufgegeben. Am Stettiner Bahnhof wurden
Zudem wurde auch in der
sich die Historiker darüber
die meisten Fahrkarten Richtung
"Berliner Morgenpost" in jenen
streiten, wie die "Berliner
Ostsee verkauft: Es waren
Tagen über
Morgenpost" feststellt. Die
123.500.
Soldatenmisshandlungen in der
Zeitung betont jedoch, dass auch
Aber auch Nordseestrände
kaiserlichen Armee berichtet.
in Berlin das Interesse der
waren begehrte Ziele der
Zwar sollte nach einem Erlass des
Bevölkerung an Politik eher
damaligen Berliner:
Kriegsministers härter gegen
gering gewesen sein dürfte. Der
59.200 Fahrkarten wurden am
"Missetäter" vorgegangen
Juli des Jahres 1914 war sehr heiß
Lehrter Bahnhof verkauft, 52.800
werden, allerdings verpuffte das
und die Berliner planten
am Anhalter Bahnhof und 43.000
ganze sehr schnell, als der Krieg
Ferienfahrten zu den
am Schlesischen Bahnhof.
ausbrach. Wörtlich hieß es in der
Seite 30
Zeitung dazu: "Niemals haben die Soldatenmißhandlungen in der deutschen Armee gänzlich
Bankier wird zum Strategen und
damit der Fahrplan wenigstens
jeder Oberlehrer zum
einigermaßen eingehalten werden
Feldmarschall."
konnte.
Ob aus Kriegsbegeisterung
Andererseits: Das schöne
aufgehört. Vielleicht können sie
oder aus Pflichtbewusstsein - fest
Wetter hielt bis Ende August und
auch niemals aufhören, weil nach
steht, dass sich in den ersten
viele Berliner zog es noch immer
den Gesetzen menschlicher
Augustwochen des Jahres 1914
auch ans Strandbad Wannsee, als
Unvollkommenheit unter den
viele junge Männer freiwillig zur
SPD-Politiker Eduard David
35.000 Vorgesetzten, die es im
Armee meldeten - mehr als
notierte, dort herrsche "großer
Heere gibt, immer eine Anzahl
erwartet. "Vor vielen Kasernen
Trubel und fröhliches Treiben"
übler Elemente vom brutalen
bildeten sich rasch Schlangen",
und stellte erstaunt fest, dass er
Rohling bis zum verbrecherischen
schrieb Felix Kellerhoff in seinem
von "Männermangel" nichts
Sadisten sich befinden wird."
Buch "Heimatfront". Sehr bald
merke.
prägten Uniformen das Stadtbild Doch das Bild änderte sich mit
Bemerkenswert ist, dass sich
Berlins. Auf den großen Berliner
alle Nationen als Angegriffene
der österreich-ungarischen
Bahnhöfen fuhren ständig Züge
bzw. Bedrohte betrachteten, so
Kriegserklärung an Serbien. So
mit Soldaten ab.
auch Deutschland, dessen Kaiser
wusste die "Berliner Morgenpost"
Doch die zur Armee
Wilhelm II. zu den Waffen rief
von damals zu berichten, dass die
eingezogenen Männer
Strandkörbe an der Ostsee mit
hinterließen beruflich Lücken - so
Kriegsflaggen bewimpelt wurden.
z. B. bei der Berliner
uns der Feind. Drum auf, zu den
Und weiter heißt es:
Straßenbahngesellschaft. Sie
Waffen..."
“Die Küste hallt vom Kriegslärm wider". "Jeder
mit den Worten: "Mitten im Frieden überfällt
wurden durch Frauen ersetzt, die nun Schaffnerinnen wurden,
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