BILDUNGSKURIER 03_2012

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BildungsKurier Magazin der Landesbildungsorganisation der SPÖ OÖ • Nr. 1 • 63. Jg, März 2012

SPÖ OÖ-Info-Nr. 1/2012 • GZ 02Z032837 M • P.b.b. • Erscheinungsort Linz • Verlagspostamt 4020

Freiheit Immer wieder bedroht Immer wieder wichtig

Berichte und Aktivitäten aus den Organisationen

Freiheit



Vorneweg

Markt überrollt Politik Bernd Dobesberger • Chefredakteur

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Leben gehalten. Bei der Kommunalkredit – so hört man – soll ie Schuldenkatastrophe hat uns fest im Griff. Auf in naher Zukunft ebenfalls wieder ein entsprechender Zuder Ebene der Europäischen Union tagen die schuss notwendig sein. Als vor einigen Monaten eine der Staats- und Regierungschefs fast im Monatstakt großen Rating-Agenturen Österreich die „Tripple A“-Bewerum dieser Bedrohung Herr zu werden. Schuldenbremsen und tung aberkannte, war ebenfalls sofort neuer Fiskalpakt wurden in rasendem Handlungsbedarf gegeben. Das SparpaTempo beschlossen. Die Geschwindigket wurde geschnürt – schnellstmöglich. keit der Parlamente passte angeblich Die Sparprogramme Die Begründung der Rating-Agentur nicht zur vorgegebenen Schnelligkeit kommen schnellstmöglich, konnte wegen dieser affenartigen Geder „Märkte“. Auch in Österreich wurde ein Spardie Änderungen im Finanz- schwindigkeit kaum gelesen werden. Risiken der österreichischen Banken, bepaket geschnürt, sehr schnell, die Finanzcasino können warten. sonders bei deren Engagements in Ostmärkte verlangen es so. Alternativen europa, waren kaum ein Thema. sind nicht möglich. Der Bundespräsident Jetzt haben wir fast vier Jahre Fikritisierte, dass der von der Regierung nanzkrise hinter uns und noch immer ist dieses Drama geplante Zeitplan, die durch Verfassung verlangte Prüfung nicht ausgestanden. Und Reformen bei den Finanzmärkten, durch ihn unmöglich mache. Schnell wurde ein Kompromiss Änderungen bei den Banken? Die Sparprogramme komgefunden. Grundsätzlich bleibt es beim rasanten Tempo! men schnellstmöglich, die Änderungen im Finanzcasino In den vergangenen Wochen wurde sehr rasch wieder können warten. eine Bank gerettet, die Volksbanken AG wurde fast zur Hälfte Soviel zum politischen Kräftegleichgewicht in Europa! notverstaatlicht und mit einigen hundert Millionen Euro am

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Diese Freiheit meinen wir!: Bernd Dobesberger über den sehr aktuellen politischen Wert der Freiheit

6 Freiheit ernst genommen: Franz Leidenmühler über die freie Wahl der ganz persönlichen Lebensführung 7

Nein zum kleinen Glücksspiel: Michael Heiling über unkontrollierbare Abhängigkeit

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Interview: Elisabeth Wehling über Sprache und Denkstrukturen

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10 Das Internet als Staatsfeind: Lisa Fuchs über Online-Medien als Ausdruck der Freiheit 11 Kommunalpolitik 1: Bettina Lancaster über weniger Autonomie durch Spardruck in den Gemeinden 12 Kommunalpolitik 2: Bernhard Müller über die Überarbeitung der Verwaltungsstrukturen 14 Splitter: Berichte über Aktivitäten aus den Organisationen

Medieninhaber, Herausgeber, Verleger: Sozialdemokratische Partei Österreich, Landesorganisation – Landesbildungsausschuss, 4020 Linz, Landstraße 36/3 Tel: 0732-77 26 11-16, Fax: 0732-77 26 11-54, annemarie.obermueller@spoe.at, www.renner-institut-ooe.spoe.at Redaktion: Sonja Ablinger, Bernd Dobesberger, Stefan Etzelstorfer, Jakob Huber, Georg Hubmann, Franz Leidenmühler, Brigitte Leidlmayer, Michael Lindner, Gerald Mitterlehner, Annemarie Obermüller, Hans Preinfalk Grundsätzliche Richtung: sozialdemokratisch • Hersteller: Gutenberg-Werbering Ges.m.b.H. Nr.01/12 März, SPÖ OÖ-Info-Nr. 01/2012, GZ 02Z032837 M, P.b.b. Erscheinungsort Linz, Verlagspostamt 4020

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Freiheit

Diese Freiheit meinen wir! Freiheit ist ein vielschichtiger Begriff, oftmals missbraucht und ebenso oft missverstanden. Aber es ist ein sehr aktueller politischer Wert. Freiheit wird nicht einmal errungen, sondern muss ständig gelebt und weiterentwickelt werden. Bernd Dobesberger

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m Parteiprogramm der Sozialdemokratie ist „Freiheit“ einer der vier Grundwerte – neben Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Allerdings hat auch die Sozialdemokratie so ihre liebe Not klar sagen zu können, was denn aus ihrer Sicht mit Freiheit gemeint ist. Historisch geht das ziemlich einfach. Die heftigen Konflikte um Versammlungs- und Koalitionsfreiheit, der Kampf gegen die Zensur im 19. Jahrhundert usw. – das waren wichtige Auseinandersetzungen um die Verwirklichung von Freiheitsrechten. Aber heute? Alle sind frei bei uns, warum also über Freiheit philosophieren? Einfache Antwort: Weil Freiheit ständig gelebt werden muss und dazu ist es notwendig zu wissen, was denn das überhaupt ist! Freiheit ist kein egomanischer Trip Bereits vor den politischen Kämpfen des liberalen Bürgertums und der Arbeiterbewegung um die bereits aufgezählten und um weitere Freiheitsrechte, gab es besonders im 18. Jahrhundert einschlägige philosophische Debatten. Das individuelle Denken und Handeln sollte vom Individuum bestimmt und nicht von Kirche und König festgelegt werden. Nicht

Der autor: Bernd Dobesberger ist Landesvorsitzender der oberösterreichischen Kinderfreunde. Als stellvertretender Landesbildungsvorsitzender leitete er den morgen.rot-Prozess der SPÖ Oberösterreich. Hauptberuflich arbeitet Dobesberger bei der VOEST, als Leiter der Ausund Fortbildung in Linz.

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nerseits muss der/die Einzelne durch Erzufällig heißt ein altes Lied aus dieser ziehung, Bildung und Persönlichkeit dazu Zeit „Die Gedanken sind frei!“. Das implibefähigt sein, unterschiedliche Alternatiziert natürlich, dass es beim Denken und ven zu sehen und auch entsprechend Handeln immer mehrere unterschiedlihandeln zu können. Andererseits braucht che Möglichkeiten gibt und es in der Veres, um frei handeln zu können oftmals antwortung des Einzelnen bzw. der Geauch materielle Vorsellschaft liegt, die jeaussetzungen. Ich weils passende Antbin freier, wenn ich wort zu geben. Heute Freiheit wird nicht mir mehr Möglichwerden immer wienur von Kerkermauern keiten leisten kann der politische Handund nicht nur eine! lungen als alternatieingeschränkt. So ist aber auch deutvlos hingestellt. Dalich, dass Freiheit mit wird gesagt, dass nicht nur die indivies dabei keine Handduelle und die soziale Dimensionen hat, lungsfreiheit gibt. Die Begründung von sondern auch die Aspekte des Wissens Margaret Thatcher „There is no alternaund Könnens bzw. der materiellen Ertive!“ für ihre neoliberale Politik ist legenmöglichung. Das einfache und selbstverdär und signalisierte, dass es keine Freiständliche Recht der Freiheit wird damit heit für andere politische Optionen gäbe. zunehmend anspruchsvoller! In den Übrigens hat auch Werner Faymann das eben beschriebenen Aspekten von Freiaktuelle Sparpaket als alternativlos beheit ist aber endgültig deutlich geworzeichnet. Derartige Begründungen meiden, dass wirklich gelebte Freiheitsrechte nen stets: Ende der politischen Debatte! auch heute noch oftmals nicht selbstverFreiheit meint das eben nicht. ständlich sind. Wenn jemand eben nicht Ist der/die Einzelne für sein und ihr das Zeug hat, selbstbewusst und selbstDenken und Handeln selbst verantwortbestimmt zu handeln und zu leben, dann lich, dann stellt sich natürlich stets die ist er/sie nicht wirklich frei! Eine AlleinFrage: Wie geht das mit dem Denken und erzieherin in einem typischen Frauenjob Handeln der anderen Subjekte zusamist wegen ihrer Einkommenssituation, men? Die Freiheit des einen Einzelmender fehlenden Kinderbetreuungseinrichschen betrifft immer auch die Freiheiten tungen, der nach wie vor existierenden anderer Einzelmenschen. Daher wurde Vorurteile etc. in ihren Entwicklungsphilosophisch schnell klargelegt, dass möglichkeiten eingeschränkt – sie ist Denken und Handeln des einen einzelnicht wirklich frei, das gibt es auch noch nen Menschen nicht das Denken und Leim 21. Jahrhundert in Europa. Und Juben der Anderen beeinträchtigen darf. gendliche (mit ihren Eltern), die mit 15 Damit ist Freiheit eben kein egomaniJahren als Mädchen nach wie vor weit scher Trip von Einzelnen mehr, sondern überdurchschnittlich oft die Berufe der hat immer auch eine gesellschaftliche DiFriseurin, der Sekretärin und der Verkäumension. ferin erlernen bzw. als Burschen besonders häufig Automechaniker werden, haFreiheit muss man sich ben offensichtlich nicht das Zeug dazu, auch leisten können bessere Alternativen für ihre berufliche Um frei handeln zu können, muss Zukunft zu wählen. Also ist ihre Freiheit man (und natürlich auch frau) in zweifaeingeschränkt. Freiheit darf nicht nur als cher Hinsicht das Zeug dazu haben. Ei-


abstrakt gegebene Denk- und Handlungsalternative gesehen werden, gerade die Sozialdemokratie hat sich immer auch damit beschäftigt, möglichst allen Menschen möglichst alle existierenden Optionen tatsächlich als Möglichkeiten zu eröffnen. Es ist eine gesellschaftliche und damit politische Verantwortung den Menschen das doppelt nötige Zeug zur Verfügung zu stellen. Neoliberale Verheißung produziert Ungleichheit Bewusst muss uns sein, dass es derzeit auch im Denken eine neoliberale Hegemonie gibt. Handlungs- und Lebensmaximen wie „Jeder ist seines Glückes Schmied“ oder in Werbedeutsch „Mach dein Ding“ dominieren das gesellschaftliche Bewusstsein. Und Freiheit ist bei den Neoliberalen immer ein ganz wichtiges Argument gewesen. Jeder muss eben die Freiheit haben seines Glückes Schmied zu sein. Real sehen wir aber, dass der neoliberale Furor der vergangenen Jahrzehnte zu mehr Ungleichheit geführt hat, materiell und auch in der Möglichkeit, das Leben tatsächlich frei in die eigenen Hände nehmen zu können. Es wird zwar gesagt, dass Arbeitslose vorher „freigesetzt“ wurden, aber ohne Job sind sie nicht frei, sondern ganz im Gegenteil. Geringverdiener haben zwar einen Arbeitsplatz, aber das geringe Einkommen schränkt sie extrem in ihrer Handlungsfreiheit ein. Die neoliberalen Verheißungen von der Freiheit haben nur für eine kleine Minderheit funktioniert. Die Erklärung, dass ja jeder seines Glückes Schmied und damit selbst Schuld am Scheitern sei, ist vor dem Hintergrund des oben Beschriebenen zynisch und falsch. Man und frau muss eben doppelt das Zeug zur Freiheit haben!

Freiheit hat auch die Dimension der Verbindlichkeit!

siert! Wegen freier Meinungsäußerung Kleine Eliten bestimmen wird normalerweise niemand eingewas wirklich passiert sperrt. Aber es passiert auch sonst Victor Adler, der Einiger der Sozialnichts! Das gesellschaftliche und politidemokratie in der Habsburger-Monarsche Klima ist derartig auf Beliebigkeit chie, wurde am Ende des 19. Jahrhungetrimmt, dass es egal ist, ob etwas gederts mehrmals eingesperrt, weil er mit sagt wird und was Aussagen und politigesagt wird, alles ist schen Handlungen möglich und nichts gegen die Gesetze In doppelter Hinsicht zeigt Wirkung. Alle des Kaisers, des muss man das Zeug können sagen, was Adels und der Kirche sie wollen, aber verstoßen hatte. Adzur Freiheit haben. kleine Eliten bestimler hatte Freiheitsmen, was wirklich rechte in Anspruch passiert und gesellnehmen wollen und schaftliche Relevanz erlangt. Freiheit die Mächtigen haben ihn deswegen verwird nicht nur von Kerkermauern eingefolgt. Eigene politische Ansichten zu schränkt, sondern auch von endlosen, äußern wurde mit Repression beantworbeliebigen Freiräumen. Freiheit, wirklitet. Heute ist es bei uns – im Regelfall – che Freiheit hat auch die Dimension der selbstverständlich möglich, sagen zu Verbindlichkeit! können, was man denkt: Und nichts pas-

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Freiheit

Freiheit ernst genommen Ein Grundpfeiler sozialdemokratischer Politik ist die Freiheit, die es allen Menschen möglich macht, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dazu braucht es die entsprechenden sozialen Rahmenbedingungen. Freiheit ernst genommen bedeutet aber auch die freie Wahl der ganz persönlichen Lebensführung. Franz Leidenmühler

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as Verständnis des Grundwerts Freiheit als Freiheit der Ermöglichung hat bis heute nichts an Bedeutung verloren, ganz im Gegenteil. Hinzu kommt aber ein zweite Facette von Freiheit, die mehr und mehr an Beachtung verdient und die aus ihrem politischen Grundverständnis heraus nur von der Sozialdemokratie glaubwürdig zu besetzen ist: Die Freiheit des Individuums von Bevormundung, gerade und vor allem im höchst privaten Bereich der Lebensführung. Kontrolle als Fundament „Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit“. Das Zitat des Aufklärers Jean-Jacques Rousseau drückt so treffend aus, dass entgegen der Positionen der Marktliberalen die Wahrnehmung der Freiheit durch die Individuen notwendigerweise gesellschaftliche – also staatliche – Kontrolle voraussetzt. Deregulierung, Privatisierung und Flexibilisierung bedeuten nicht mehr Freiheit, zumindest nicht für den größten Teil der Menschen. Diese Strukturveränderungen führen vielmehr zu sozialer Not und damit zu mehr Unfreiheit. Der regellose Markt kann Freiheit nicht gerecht verteilen. Wir brauchen – global und regional – eine Wirtschaftsund Sozialordnung, die die Schwachen vor der Willkür der Starken schützt. So-

Der autor: Franz Leidenmühler ist Universitätsprofessor, Vorstand des Instituts für Europarecht an der Johannes Kepler Universität und Gemeinderat in Linz.

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ziale Sicherheit und Freiheit gehören untrennbar zusammen. Freiheit braucht Empowerment Schutz durch gesellschaftliche Kontrolle ist aber nur der allererste Schritt zu mehr Freiheit. Der zweite, der unbedingt anschließen muss, ist „Empowerment“: Die Schaffung der sozialen, kulturellen und bildungsmäßigen Voraussetzungen, um die Menschen in die Lage zu versetzen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und ihre Zukunft selbstbemunaler Ebene) läge es durchaus an der stimmt zu planen. Sozialdemokratie, dieses gesellschaftspoWas nützt einem Analphabeten die litische Vakuum zu füllen. Pressefreiheit? Was einem Menschen, der Restriktive Sperrstundenregelungen, am Monatsende nicht weiß, ob er Miete Alkoholverbote an öffentlichen Plätzen, und Strom bezahlen kann, die EigenVideoüberwachung im nahezu gesamtumsfreiheit? Freiheit erleben nur jene ten öffentlichen Menschen, die die Raum, Bettelverbote Voraussetzungen der angelehnt an das Teilhabe am gesellDeregulierung, mittelalterliche Dikschaftlichen Leben Privatisierung und tum von der Stadterfüllen, die WahlFlexibilisierung bedeuten luft, die frei macht, möglichkeiten hastünde es einer urbaben, und die vor dem nicht mehr Freiheit. nen (im fortschrittlisozialen Abstieg gechen Sinne) Sozialdeschützt sind. Der Linmokratie durchaus zer Aktivpass oder gut an, entschlossen Position zu beziehen das 10-Euro-Ticket für Bim und Bus schafgegen jegliche Bevormundung, für die fen damit definitiv mehr Freiheit für Linfreie Entfaltung der Persönlichkeit und zerInnen mit niedrigem Einkommen. für kreative Selbstverwirklichung. Für die Freiheit, wollen zu können, was man wolFreiheit ohne Bevormundung len will. Aus Respekt für die unendliche Linker Politik geht und ging es imVielfalt und Verschiedenartigkeit von Inmer auch um die Befreiung von Bevorteressen, Sehnsüchten, Willensäußerunmundung. Individuelle gesellschaftliche gen und Bedürfnissen. Für die uneingeFreiheiten sind zwar in den letzten Jahrschränkte, ausschließlich durch die Rückzehnten gestiegen. Es gibt aber eine ersicht auf die Freiheiten der jeweils Andeneute Hinwendung konservativer politiren begrenzte Freiheit der persönlichen scher Parteien zu einer freiheitsfeindliLebensführung. chen, bevormundenden Politik des GänErst damit kommen wir dem Freigelbandes. Aufgrund der andauernden heitsziel der Sozialdemokratie, dem und hartnäckigen Abwesenheit einer poRecht aller Menschen, ihr Leben selbst litischen Vertretung von klassischem hubestimmen zu dürfen und zu können, eimanistisch-liberalem Gedankengutes nen großen Schritt näher. (und zwar auf Bundes-, Landes- und kom-


Nein zum kleinen Glücksspiel! In Wien ist das Verbot des kleinen Glücksspiels beschlossene Sache. Am Bundesparteitag der SPÖ wird heuer über ein österreichweites Verbot der Spielautomaten diskutiert. Die Glücksspielindustrie legt das als Einschränkung ihrer Freiheit aus. Aus sozialdemokratischer Sicht steht das angestrebte Verbot nicht im Widerspruch zum Freiheitsgrundsatz. Michael Heiling

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ach einer denkwürdigen Debatte und einer mindestens ebenso denkwürdigen Abstimmung hat sich der Landesparteitag der SPÖ Wien voriges Jahr für ein Verbot der „Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten“ (landläufig: kleines Glücksspiel) ausgesprochen. Am 14. September 2011 haben schließlich die Verantwortlichen der Wiener Stadtregierung einen mutigen und richtigen Entschluss getroffen: Dem Automatenglücksspiel wird in Wien die gesetzliche Basis entzogen. Die derzeitige Regelung läuft aus und danach wird es nicht mehr erlaubt sein, außerhalb von Casinos Spielautomaten aufzustellen. Die Stadt

Wien hat damit ihren Entscheidungsspielraum voll ausgeschöpft. Was das für das kleine Glücksspiel im Rest von Österreich heißt, wird heuer am Bundesparteitag diskutiert werden. Die Freiheit, die sie meinen... Die Glücksspielindustrie und viele AutomatenbetreiberInnen und –herstelsüchtigen ihren Arbeitsplatz, 58 Prozent lerInnen sehen ein Verbot des kleinen die Beziehung und 14,7 Prozent die WohGlücksspiels als Eingriff in ihre Erwerbsnung. Partnerinnen von spielsüchtigen freiheit an. Sie scheuen nicht davor Männern haben ein 10,5-mal höheres Rizurück, durch großformatige Inseratensiko Opfer häuslicher kampagnen die Gewalt zu werden, Stimmung im Land als der Durchschnitt. auf ihre Seite zu brinDas kleine Glückspiel All diese Fakten zeigen. Was unterscheiführt Menschen gen: Das kleine det aber diese unterGlückspiel führt nehmerische Vorstelin unkontrollierbare Menschen in unkonlung über Freiheit Abhängigkeit. trollierbare Abhänvon einer sozialdegigkeit, in die soziale mokratischen? Die Isolation, in SchulFreiheit der Industrie den- und Gewaltfallen. Die Freiheit der ist eine rein wirtschaftliche Freiheit: Die Menschen, das eigene Leben selbstbeFreiheit, Geschäfte zu machen, Geld zu stimmt und als freies, gleichberechtigtes verdienen und Vermögen zu vermehren; Mitglied der Gesellschaft zu leben und kurz zusammengefasst: die rein formelle sich vor den Gefahren des Glücksspiels zu Freiheit des Eigentums. Der Freiheitsbeschützen muss mehr wert sein, als die griff der sozialdemokratischen BeweRenditen der Glücksspielindustrie. Ein gung geht viel weiter. Er fordert eine Verbot verhindert, dass noch mehr Mentatsächliche Freiheit des Menschen, das schen dieser Freiheit beraubt werden. eigene Leben frei von Zwängen und Abhängigkeiten, frei und selbstbestimmt leben zu können. Und bei einem Blick auf die Folgen des kleinen Glücksspiels wird Der autor: völlig klar, dass dieses die Menschen unfreier und nicht freier macht. Michael Heiling ist Aktivist in der Glücksspiel hat desaströse Folgen Sektion 8 im neunten Die Folgen des kleinen Glücksspiels Wiener Bezirk und als sind vielerorts menschliche Tragödien. WirtschaftswissenVon 100 Spielsüchtigen sind 83 aufgrund schaftler bei der ihrer Spielsucht verschuldet. Bei einem Arbeiterkammer Wien durchschnittlichen Einkommen von 1.391 beschäftigt. Euro im Monat liegt die durchschnittliche Verschuldung bei 50.019 Euro. Darüber hinaus verlieren 22 Prozent aller Spiel-

In der Diskussion um die richtigen Wege aus der Krise tritt die Sektion 8 der SPÖ Alsergrund für eine Hysteriebremse ein. In leicht lesbarer Form kommt Licht ins Dunkel rund um 18 Schuldenmythen. Zu finden unter: www.sektionacht.at

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Interview

„Die richtige Sprache braucht Klarheit über eigene Positionen“ Sprache schafft Bilder im Kopf. Wie wichtig es ist, dass die Sozialdemokratie ihre Werte mit diesen Bildern verknüpft, erklärt die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling im Interview mit Georg Hubmann.

nur eine andere Sichtweise auf den gleichen Fakt.

Im Interview: Elisabeth Wehling hat Soziologie, Linguistik und Journalismus studiert und unterrichtet gegenwärtig an der University of California in Berkely. Sie arbeitet eng mit dem berühmten Neurolinguisten George Lakoff zusammen. Ihr Forschungsinteresse liegt auf der Frage, wie Sprache und Metaphern das Denken strukturieren. Mit Lakoff zusammen hat sie das Buch verfasst: Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht.

Bildungskurier: In deiner Forschungsarbeit gehst du den körperlichen Auswirkungen von Sprache nach. Was löst Sprache im Hirn aus und wie wirkt sich das auf unser Denken aus? Wie funktioniert der Zusammenhang zwischen Sprache und Körper?

Wie wörtlich das zu nehmen ist, sieht man, wenn man Menschen einen Text zu lesen gibt, in dem steht, dass sie sich in einem nebligen Wald befinden. Das aktiviert im Hirn einen Frame der neuronal auslöst, was es bedeutet, schlechte Sicht zu haben. Hinterher zeigt man den Menschen zwei Bilder mit einem Reh – eines im Nebel ganz schlecht zu erkennen, das andere bei klarer Sicht. Der Mensch erkennt das Reh im Nebel schneller, weil der entsprechende Frame vorher im Hirn aktiviert wurde. Das ist die Wirkkraft von Sprache – sie aktiviert Denkstrukturen, innerhalb derer wir dann Wahrheiten begreifen. Bildungskurier: Du hast dich jetzt schon längere Zeit mit der politischen Diskussion in Österreich auseinandergesetzt. Wir als SozialdemokratInnen haben immer wieder den Eindruck, dass wir in der medialen Auseinandersetzung mit unseren Argumenten nicht durchkommen, dass unsere Ideen auf der Strecke bleiben. Woran liegt das?

Elisabeth Wehling: Menschen unterscheiden sich darin, dass sie eine unterschiedliche Sicht auf die Dinge haben. Diese Sicht Elisabeth Wehling: Man kann in einer poauf die Dinge ist durch Frames bestimmt. litischen Debatte nicht kurzfristig mit seiFrames sind auf der physiologischen Ebene nen Argumenten durchkommen, wenn neuronale Schaltkreise, die uns ermögliman nicht langfristig die richtigen Deuchen, Fakten gedanklich zu verarbeiten. tungsmuster für geAuf einer abstrakten sellschaftliche Fakten Ebene bedeuten die geschaffen hat. Für sogenannten kognitiSprache aktiviert die Sozialdemokratie ven Frames, dass man in Österreich ist es unt e r s c hi e d li c h e n Denkstrukturen schwer, die eigenen Sichtweisen auf ein Ideen zu kommuniFakt hat, man kann zieren, weil man nicht ihn unterschiedlich langfristig geplant hat. So haben die Menbewerten. Ein Beispiel: Wenn jemand weschen keine Stellen zum Andocken, gerade nig Geld ausgibt, kann man sagen der ist wenn eine Debatte von konservativen Frasparsam aber aus einer anderen Sichtweise mes dominiert ist. kann man auch sagen der ist geizig. Das ist

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Wie zum Beispiel die Steuerdebatte: Steuererleichterung, Steuerbelastung, Steueroase, Steuerflüchtling, das sind alles Frames oder Sichtweisen auf die Steuer, die kein Faktum sind, sondern Interpretationen von dem Fakt Steuer. Sie alle stellen Steuer aus einer konservativen Weltsicht dar. Das ist keine Propaganda, sondern von den Konservativen ehrliche moralische Kommunikation. Wenn die Sozialdemokratie es nicht schafft, die eigene Sicht auf die Dinge sprachlich ebenso effektiv darzustellen, dann kriegen wir ein Problem mit der Pluralität in der Demokratie. Denn wenn ein Sozialdemokrat „Steueroase“ sagt, dann kauft er sich gedanklich in den Frame ein, dass Steuern eine existenzielle Bedrohung sind. Weil sie die Vorarbeit nicht geleistet haben und weil sie sich nicht durchgehend genug mit ihrer Sprache beschäftigen, haben es SozialdemokratInnen in Österreich oftmals so schwer, mit ihren Argumenten richtig anzukommen. Dazu kommt auch, dass es für die richtige Sprache auch Klarheit über die eigenen Ziele und Positionen braucht. Professor George Lakoff meinte dazu: “Wenn einem Worte fehlen, dann fehlt auch die Idee.“ Kurz gesagt, wenn die ideelle, die ideologische Klarheit nicht besteht, dann kann auch die richtige Sprache nicht gefunden werden. Bildungskurier: Mit welchen Bildern lässt sich der Wert Freiheit aus sozialdemokratischer Sicht am besten beschreiben, ohne dass man dabei in konservatives Fahrwasser gerät? Elisabeth Wehling: Freiheit ist eine abstrakte Idee. Sie stellt an sich keinen Wert dar, daher muss man die ihr zu Grunde liegenden Werte auch mitkommunizieren.


Lesetipp: In der digitalen Bibliothek der Friedrich Ebert Stiftung finden sich mehrere leicht lesbare Publikationen von Elisabeth Wehling zum Thema „Neue Sprache der Sozialdemokratie“. Zu finden unter: http://library.fes.de/library/fr-digbib.html Elisabeth Wehling im Gespräch mit Georg Hubmann: „Wenn die ideelle, die ideologische Klarheit nicht besteht, dann kann auch die richtige Sprache nicht gefunden werden.“

Wenn Freiheit ein völlig klarer Begriff wäre, dann könnte es nicht sein, dass die so genannten Freiheitlichen, die FPÖ, im Durchschnitt das Wort Freiheit fünfmal öfter in ihrem Programm verwenden als die SPÖ. Wenn eine Idee derart abstrakt ist, dann füllen wir sie immer gedanklich und auch

sprachlich mit grundlegenden Details unserer Moral aus. Für Freiheit stehen sozialdemokratische Werte: Gegenseitigkeit, Gemeinschaft, Schutz vor Schaden oder das Schaffen von freiheitsfördernden Strukturen. Das sind Werte, die würde ein Konservativer nicht einfach so unterschreiben. Für ihn wäre Freiheit viel mehr die Idee,

dass Märkte möglichst unreguliert sein müssen, damit sich Menschen in einem freien Wettbewerb frei bewegen können. Darauf muss man achten, denn wir können unsere Weltsicht viel deutlicher begreifbar machen, wenn wir sie getrennt von der konservativen Weltsicht kommunizieren.


Freiheit im Netz

Das Internet als Staatsfeind Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlicht jährlich einen Bericht in dem jene Staaten angeprangert werden, in denen die Meinungs- und Pressefreiheit am stärksten eingeschränkt ist. Europa gilt laut dem aktuellen Bericht vom März als fast zensurfrei. Doch wie lange noch? Lisa Fuchs

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m 12. März findet jährlich der Welttag gegen Internetzensur statt. Die internationale Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“, kurz ROG, veröffentlichte zeitgleich den „Internet Enemies Report 2012“. Der Bericht, der bereits zum vierten Mal publiziert wurde, handelt vor allem von den zwölf Staaten, die durch Kontroll- und Zensurmaßnahmen die Freiheit der Berichterstattung im Internet am meisten unterdrücken. Social Media als Freiheitswerkzeug Online-Medien spielten nicht erst im arabischen Frühling eine zentrale Rolle. Bereits bei der Iranischen Revolution im Jahr 2009 versuchte das Regime die Berichterstattung seiner GegnerInnen ins Ausland zu unterbinden. Twitter ermöglichte die Kommunikation mit der Außenwelt, füllte die Lücken in der klassischen Presse und löste gleichzeitig eine internationale Solidaritätswelle aus. Und auch im arabischen Frühling 2011 leisteten Online-Medien ihren Beitrag: Während Mubarak die Zügel seiner Medien immer fester anzog, organisierten sich die DemonstrantInnen via Facebook, um vom Tahrir-Platz ausgehend den ara-

Die Autorin: Lisa Fuchs hat Politische Kommunikation studiert und arbeitet bei der Wiener Web-Agentur datenwerk als Social Media Beraterin. Die ehemalige Pressesprecherin der ÖH Uni Wien und später der Wirtschaftsagentur Wien leitete im Jahr 2010 die Jugend- sowie die Frauenkampagne im Präsidentschaftswahlkampf von Heinz Fischer.

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bischen Raum mit Umbruchsgedanken anzustecken. Nichtsdestotrotz: Der Iran steht nach wie vor auf der Liste der „Feinde des Internet“ und Ägypten steht nunmehr „unter Beobachtung“. Libyen hat es hingegen geschafft, nach dem Sturz Gaddafis die „Ära der Zensur“ zu beenden, so ROG. Der Widerspenstigen Zähmung Die freie Nutzung von Online-Medien ist keine Selbstverständlichkeit. Derzeit befinden sich weltweit 120 BloggerInnen und NetzaktivistInnen in Haft. Der Grund dafür ist der Widerstand, den die Online-ReporterInnen leisten. Die Reaktion vieler Regierungen auf die Publikationsfreiheiten, die mit dem Web 2.0 einhergehen, sind verschärfte InternetÜberwachung, Selektion der Online-Inhalte, starker Druck auf und die Verfolgung von Internet-JournalistInnen. Knapp 200 von ihnen wurden alleine im Jahr 2011 verhaftet. China, der Iran und Vietnam beherbergen die meisten der widerspenstigen NetzaktivistInnen. Zu den „Feinden des Internet“ gehören außerdem Bahrein und Belarus (beide erstmals auf der Liste) sowie Birma, Kuba, Nordkorea, Saudi Arabien, Syrien, Turkmenistan und Usbekistan. Zensur in Europa ante portas? ROG veröffentlichte zusätzlich eine Watchlist mit Staaten, die streng beobachtet werden. Österreich wird zwar auf dieser nicht erwähnt, dennoch ist das Thema Zensur näher als es scheint. Denn „unter Beobachtung“ stehen auch die (teil-)europäischen Staaten Russland, Türkei und Frankreich. Weißrussland gilt seit kurzem sogar als „Feindesstaat“ (s.o.). Frankreich zeichnete sich als einziger EUStaat auf der Watchlist im vergangenen Jahr durch mehrfache Klagen gegen Online-JournalistInnen auf Herausgabe ihrer Quellen aus. Und auch in Deutschland

Online-Medien, sogenannte Social Media, sind Ausdruck der Freiheit, die das Internet bietet. Allerdings ist diese vielen ein Dorn im Auge.

flammen immer wieder Diskussion rund um einschränkende Gesetzesentwürfe und geplante Überwachungsmaßnahmen auf, wie es 2009 mit der Debatte zu Netzsperren der Fall war. Zudem ist in Europa ein Trend zur Förderung von freiwilligen Zensurmaßnahmen erkennbar. So wird beispielsweise die Kooperation zwischen Internetwirtschaft und RechteinhaberInnen derzeit durch das geplante Anti-Piraterie-Abkommen ACTA forciert. Der freie Zugang zu Information im Internet könnte dadurch immer mehr durch Private (z.B. Internet-Provider) reguliert werden. Die scheinbar grenzenlose Freiheit, die das Internet bietet, ist vielen ein Dorn im Auge: Repressive Systeme unterdrücken die Berichterstattung und private Unternehmen weisen teils mit staatlicher Unterstützung CopyrightSünderInnen in ihre Schranken. Und schneller als man denkt steht das freie Internet im Visier seiner GegnerInnen, als Medium des Staatsfeinds.


Kommunales

Weniger Autonomie durch Spar-Druck in den Gemeinden „Freiheit ist letzten Endes nur ein anderes Wort dafür, dass Du nichts mehr zu verlieren hast“, hieß es in einem Protestlied von Chris Kristopherson („Freedom is just another word for nothing left to lose“). Aber wollen wir diese Freiheit des Verlierers auf der kommunalen Ebene? Bettina Lancaster

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ie harten Wirtschafts-, Finanzund Schuldenkrisen, die wir jetzt erleben, nehmen uns das Geld aus den Taschen und damit ein beträchtliches Stück unseres freien Handlungsraums in den Kommunen. Es wird alles laut Prognosen noch schlimmer werden, eher es sich bessert. Die Frage für mich als Kommunalpolitikerin lautet daher, ob dieser Prozess mit einer völlig handlungsunfähigen lokalen Politik endet. Die Freiheitsfrage ist meiner Meinung nach klar gestellt: Werden die unerwünschten Kinder der Kommunalpolitik in der Ecke stehen gelassen?

Die Gemeindepolitik genießt bei den BürgerInnen zwar das höchste Vertrauen. Von der Autonomie der Gemeinden bleibt unter dem aktuellen Spar-Druck allerdings nicht viel übrig.

schiedlichen Rollen: als Privatperson, als Die Freiheit lokal über die EntwickGemeindemitarbeiterIn, als VertreterIn lung der strukturellen Abgangsgemeinde einer Bürgerinitiative, eines Vereins oder zu entscheiden wurde schon längst eineiner Körperschaft geschränkt. Gesetzliaber auch als politiche Rahmenbedinscher Mitbewerber. gungen sowie über. . . im Rückbau So unterschiedlich geordnete öffentliche dezentraler Lagen die Rollen, so ähnlich Interessen geben den liegt das Ziel die Anliegen. Es geht Handlungsspielraum um die Zukunft, um vor. Aufgezwungene die eigene und die Entscheidungen sind der Gemeinde im ländlichen Raum. häufig anzutreffen. Bei der Durchsetzung Bürger/-innen in kleinen Gemeinübergeordneter Infrastrukturprojekte auf den sind schon jetzt in der EntfaltungsGemeindegebiet ist die lokale Politik ohne freiheit eingeschränkt. Das Angebot an Mitspracherecht. Kinderbetreuung, Öffentlichen VerkehrsKommunalpolitikerInnen sind zusemitteln, qualifizierten Arbeitsplätzen hends fremdbestimmt und als Puffer usw. ist dürftig, die Nahversorgung nur zwischen BürgerInnen und Landes- sonoch rudimentär vorhanden. Nur durch wie Bundespolitik instrumentalisiert. ein „Mehr“ an persönlichem Aufwand Selbstbestimmtes Handeln ist nur im enkann der Mangel kompensiert werden. gen Bereich erlaubt und Mitsprache oben Die Freiheit sich für ein Leben im ländlistark eingeschränkt. Gemeindepolitik chen Raum zu entscheiden wird immer wirkt nach außen zunehmend trostlos mehr zum Luxus. und der Mühe nicht wert. Dennoch sprechen BürgerInnen den KommunalpolitikerInnen das höchste Vertrauen aus. Die Die Autorin: Unterminierung der Gemeindeautonomie trifft auf Widerstand. Der Verdacht liegt nahe, dass durch VerwaltungskoBettina Lancaster operationen eigentlich Gemeindefusiowurde 1964 in nen und der Rückbau des ländlichen Steinbach am Ziehberg Raums aufbereitet werden. Kleinen Gegeboren. Nach der Mameinden wird unter Druck nahegelegt, tura am BRG Kirchdorf Amtsleiter/-innen nicht mehr nach zu studierte sie an der Unibesetzen, sondern Kooperationen mit versität Wien Biologie. größeren Nachbargemeinden einzugeNach dem Abschluss kehrte sie wieder hen. Die Aushöhlung der kleinen Gein ihre Heimatgemeinde zurück. meinden hat System, im Rückbau dezenSie ist als Projektleiterin bei STUDIAtraler Lagen liegt das Ziel. Unter BeruStudienzentrum für internationale fung auf die Finanzkrise werden die notAnalysen tätig. Seit 2003 ist sie für die wendigen Werkzeuge zur angestrebten SPÖ aktiv in der Kommunalpolitik, Strukturbereinigung entwickelt. zunächst als Gemeindevorständin Diese Umstände machen die Arbeit und seit 2009 als Bürgermeisterin. in der Gemeinde zur großen HerausforSie ist verheiratet und Mutter von derung. Als Bürgermeisterin habe ich zwei Kindern (21 und 19 Jahre alt). täglich Kontakt mit BürgerInnen meiner Gemeinde. BürgerInnen in ganz unter-

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Kommunales

Regionen mit Statut statt Reformstau Die Finanz- und Wirtschaftskrise Europas drängt die Nationalstaaten nicht nur zur Reduzierung der Ausgaben und Erhöhung der (Steuer-)Einnahmen, sondern auch zur Überarbeitung der Verwaltungsstrukturen. Auch Österreich wird seine besondere Reformträgheit im Verwaltungsbereich aufgeben müssen, wenn wir ökonomische Ressourcen für Bildung, Soziales und Gesundheit frei machen wollen. Bernhard Müller

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on weitreichenden Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in der staatlichen Verwaltung werden weder der Bund, die Länder, noch die Gemeinden ausgenommen werden können. In Zeiten äußerst knapper Budgetmittel ist es ein Gebot der Stunde, persönliche Befindlichkeiten und parteipolitisch motiviertes Denken hintanzustellen und schonungslos über zukunftsträchtige Verwaltungsmodelle für die Menschen zu verhandeln.

agenden selbst wahrnehmen (Gemeindeverwaltung ist zugleich Bezirksverwaltung). Daraus ergibt sich, dass z. B. in den Bezirken der Städte Eisenstadt, Innsbruck, Klagenfurt, Steyr, St. Pölten und Villach parallel die Behörden Magistrat und Bezirkshauptmannschaft (BH) existieren, die oft nur durch wenige Meter Luftlinie von einander getrennt sind und jeweils für Stadt bzw. Bezirk idente Aufgaben – aber eben getrennt voneinander – übernehmen.

Zwei Behörden – idente Aufgaben In Österreich gibt es derzeit 2.357 Kommunen (Städte und Gemeinden), die mittels Bezirksverwaltungsbehörden administriert werden. Bei diesen handelt es sich um Bezirkshauptmannschaften (83) für die politischen Verwaltungsbezirke und um Städte mit eigenem Statut (15), die mit dem so genannten Magistrat die Bezirksverwaltungs-

Bezirksverwaltung neu strukturieren Das Modell der Bezirkshauptmannschaften stammt aus dem Jahr 1850 und es ist unschwer zu erkennen, dass daran ein erheblicher Reformbedarf besteht. Insbesondere die Ko-Existenz der BHs im Bereich von Städten mit eigenem Statut und ihren Magistraten als Bezirksverwaltungsbehörden ist mehr als fragwürdig. Andererseits fühlen sich die GemeindesekretärInnen und Mitglieder des Gemeinderates insbesondere in kleinen Kommunen durch die enorm gestiegenen Aufgaben und Anforderungen sowie drohenden Gefahren von Amtshaftung und Regressansprüchen verständlicherweise häufig überfordert. In diesem Sinne könnten bereits vorhandene Verwaltungsbezirke bzw. durch sinnvolle Zusammenlegungen neu geschaffene Verwaltungseinheiten mit einem Statut ausgestattet werden. Daraus würden sich für alle Beteiligten zahlreiche Vorteil ergeben.

Der Autor: Bernhard Müller ist seit Oktober 2005 Bürgermeister der Statutarstadt Wiener Neustadt. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung des Österreichischen Städtebundes und Vorstandsmitglied des Zentrums für Verwaltungsforschung. Müller ist Vizepräsident des Verbandes sozialdemokratischer GemeindevertreterInnen in NÖ und seit 2010 Bundesvorsitzender des Kommunalpolitischen Referats der SPÖ. Der Autor ist auch Herausgeber (gemeinsam mit Michael Rosecker) der „Bibliothek der Grundwerte“ (Verein Alltag Verlag).

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Vorteil 1: Mehr Professionalität Zahlreiche Benchmarks zeigen, dass die überwiegende Anzahl der BürgerInnen die Magistrate als Stätte von Bürgernähe, Servicequalität und Sachkompetenz empfinden. Dieses Modell ließe sich (notwendige verfassungsgesetzliche Änderungen mitbedacht) relativ leicht

von Städten mit eigenem Statut auf Regionen mit Statut übertragen. Neben der Praktikabilität für die BürgerInnen, würde es auch zu einer Effizienz- und Kompetenzsteigerung in der Behördentätigkeit kommen, da sich geschultes und insbesondere in der Praxis geübtes Personal um die Anliegen, Anträge und Verfahren kümmern würde. Zudem verfügen die Magistrate beispielsweise über Rechtsabteilungen, Bau- und Gewerbeämter, Sozialreferate und über hauseigene Amtssachverständige, wodurch externe Professionistenleistungen großteils obsolet werden. Vorteil 2: Näher zum/zur BürgerIn Das Modell Region mit Statut sieht vor, dass die Gemeindeämter ein Teil (Außenstelle) der Bezirksverwaltungsbehörden werden und folglich einfache, aber für die BürgerInnen sehr wichtige, Amtshandlungen vor Ort erledigen könnten. Vorteil 3: Entlastung für BürgermeisterInnen Ein erheblicher Grund, warum es immer schwieriger wird, Männer und Frauen für die Funktion des Bürgermeisters zu gewinnen, ist die Tatsache der Organhaftung und das Gefühl der Überforderung bei diffizilen Behördenverfahren. Da bei Statutarstädten – im Gegensatz zu allen anderen Gemeinden - nicht der/die BürgermeisterIn Baubehörde erster Instanz ist, sondern der Magistrat, wäre dies auch der Problemlösungsansatz bei der Region mit Statut. In diesem Fall würden die BürgermeisterInnen von kompetenten, fachlich versierten und rechtlich bewanderten MitarbeiterInnen der Bezirksverwaltungsbehörde abgelöst, wovon die AmtsträgerInnen, aber insbesondere auch die BauwerberInnen profitieren würden. Durch die Entlastung der BürgermeisterInnen von büro-


kratischem Ballast, könnten sie sich wieder verstärkt, der für die Menschen so wichtigen politischen Ombudsleutefunktion in der Gemeinde widmen. Vorteil 4: Identität bleibt erhalten Österreich ist besonders kleinteilig strukturiert. Während wir bei 8,4 Mio. Einwohner über 2.357 Kommunen verfügen, sind es in Dänemark bei 5,5 Mio. Einwohner nur 98 (!) und im deutschen Bundesland Bayern bei 12,6 Mio. Einwohner 2.056 Kommunen. Deutschland hat zwar rund zehn Mal so viele Einwohner wie Österreich, aber nur 4,7 mal so viele Gemeinden. Daher steht unser Land besonders unter Druck, den enormen Strukturkosten der Zergliederung entgegen zu wirken. Der große Vorteil der Regionen mit Statut ergibt sich aus dem Umstand, dass zwangsweise Gemeindefusionierungen nicht notwendig sind, da die Kommunen Ortsteile des Bezirkes sind und somit auch die Ortsnamen, die Wahlen (verkleinerter) Gemeinderäte und der (Ortsteil-)BürgermeisterInnen beibehalten werden.

Vorteil 5: Demokratisierung der Verwaltungsspitze In den 15 österreichischen Statutarstädten sind die BürgermeisterInnen auch BehördenleiterInnen. Sie werden entweder durch Direktwahlen oder Wahlen des Gemeinderates in ihren Funktionen demokratisch legitimiert. Die Bezirkshauptleute hingegen sind beamtete Organe, die nicht gewählt, sondern von den Landesregierungen ernannt werden – ein Relikt aus der Monarchie. Bei der Region mit Statut, in der es nur mehr eine Bezirksverwaltungsbehörde (und somit keine BHs mehr gäbe), käme es analog zu den jetzigen Städten mit Statut durch Wahl zu einer Demokratisierung der Verwaltungsspitze. Der/die BürgermeisterIn der Bezirkshauptstadt würde durch Wahl zum/zur OberbürgermeisterIn/regierenden BürgermeisterIn (Beispiel Berlin) zum/zur gewählten BehördenleiterIn, die BürgermeisterInnen der Bezirksgemeinden durch Wahl zu (Ortsteil-) BürgermeisterInnen (Beispiel Neuköln/ Ortsteil von Berlin).

Vorteil 6: Zentrale Planung Last but not least wäre es ein überfälliger Reformschritt, dass übergeordnete, die Ortsgrenzen überschreitende Interessen, wie Flächenwidmung, Raumordnung, gemeinsame und kooperative Besorgung von Bauhöfen, Winterdienst, Straßenbau, Abwasser- und Abfallbeseitigung zentral geplant und gelenkt werden. Regionale Verbände haben hier schon gute Vorarbeit geleistet. Nicht zu verschweigen gilt es dabei, dass durch ein regionales Zentralbudget auch die Realisierung von reinen Prestigebauten und Selbstverwirklichungsprojekten (Stichwort jedem Ort sein Hallenbad) hintangehalten werden sollte. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass bis zur Umsetzung des Modells „Region mit Statut“ sicher noch viele Fragen zu klären sind und an manchem wohl noch zu feilen wäre. Faktum ist aber auch, dass damit – wie ausführlich dargestellt - ein Mehr an Bürgernähe, Demokratie, Transparenz, Effizienz und Sparsamkeit erzielt werden könnte. Der lang gesuchte Ausweg aus der Verwaltungsreform-Sackgasse ist möglich.


Splitter

Bildung, Frauen, SJ:

Frühlingswerkstatt: „Die Arbeit hoch?!“ „DIE ARBEIT HOCH?!“ - unter diesem Motto steht die Frühlingswerkstatt 2012 der SPÖ Oberösterreich, zu der Landesbildungsorganisation, Renner Institut OÖ, SPÖ Frauen und Sozialistische Jugend OÖ von Freitag, 20. April bis Sonntag, 22. April interessierte Parteimitglieder ins Hotel Freunde der Natur in Spital am Pyhrn einladen. Geschichte und Zukunft der Arbeit stehen heuer im Zentrum der Frühlingswerkstatt. Die Workshops bieten Historisches, Aktuelles und Kontroversielles zum Thema (Erwerbs-)arbeit. Das Besondere daran: Es gibt parallel eine Frauenwerkstatt, eine Jugendwerkstatt und eine allgemeine Frühlingswerkstatt. Das Rahmen- und Abendprogramm lässt viel Raum für Diskussion, Information und Austausch. Highlight ist am Samstag, 21. April um 20 Uhr eine Diskussion zum Thema Arbeit mit BM a.D. Dr. Erwin Buchinger, der kritischen deutschen Volkswirtin Friederike Spiecker, Dr. Klaus

Dörre, Professor für Arbeitssoziologie in Jena und LH-Stv. Josef Ackerl. Die Fragen stellt SJ-Landesvorsitzende Fiona Kaiser. Anmeldungen bis Montag, 2. April 2012 Infos unter: 0732/772611-16 www.ooe.spoe.at/fruehlingswerkstatt

SJOÖ:

Austria´s Next TopFmodel Die SJ OÖ ließ zum Weltfrauentag mit einer besonderen Aktion aufhorchen. Um auf Schieflagen in Sachen Schönheitsideale aufmerksam zu machen, wurden oberösterreichweit ganz besondere Flyer verteilt: Sie werden geziert von Barbie und Ken, mit Topf am Kopf. „Wir wollen mit unserer Aktion darauf aufmerksam machen, wie Schönheitsideale auf uns alle wirken und dass es vor allem bei Frauen nach wie vor viel mehr darum geht, wie sie aussehen, als was sie können. Und dagegen wehren wir uns! Eine unserer Forderungen ist, dass Fotos von Körpern oder Gesichtern, die mit Programmen bearbeitet wurden, gekennzeichnet werden müssen, damit die Menschen mit solchen Darstellungen nicht ständig in die Irre geführt werden und diesen unrealistischen Schönheitsidealen auch noch nacheifern!“, so Fiona Kaiser, SJ Landesvorsitzende.

Wir sind schön so wie wir sind, auch mit Topf am Kopf!

Terminvorschau

Liederworkshop „ArbeiterInnenlieder“ damit wir am 1. Mai nicht stumm bleiben

„Networking“: Grundlagen der Netzwerkarbeit für politische AkteurInnen

Fr, 20. April 2012, 18.30 – 20.30 Uhr SPÖ Landesgeschäftsstelle, Landstraße 36, 4020 Linz Referent: Dipl.Päd. Manfred Forster, MAS

4. – 5. Mai 2012 Hotel Mader, Katsdorf Referenten: Mag. Christian Kraxner, Mag. Dr. Jürgen Pfeffer

Anmeldung/Information unter 0732-772611-16 oder gabriela.carpella@spoe.at www.renner-institut-ooe.spoe.at

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SPOÖ:

„Laufende Denkmäler“

Die Bezirksfrauenvorsitzenden von Kirchdorf, Schärding und Wels, Petra Kapeller, Brigitte Rienesl und LAbg. Roswitha Bauer (v.l.n.r) mit Landesgeschäftsführer Christian Horner. Rechts im Bild, Landesparteivorsitzender LH-Stv. Josef Ackerl und Landesfrauenvorsitzende NRin Sonja Ablinger mit Landesgeschäftsführer Roland Schwandner.

Die unterschiedliche Bewertung und Entlohnung von Berufen machte die SPÖ aktionistisch zum Thema. "Denk' mal! Ein Maurer hat ganz schön zu heben und zu tragen. Eine Altenfachbetreuerin auch: Aber warum verdient er um 220 Euro mehr im Monat?" Das ist eine der Aussagen, die auf „laufenden Denkmälern“ bei landesweiten Straßenaktionen der SPÖ anlässlich des Internationalen Frauentages Anfang März große Aufmerksamkeit erregten. „Verstecken nützt nicht. Wir werden so lange die unterschiedliche Bewertung und Entlohnung thematisieren sowie Lohngerechtigkeit einfordern, bis eine gleiche Bezahlung in frauentypischen und männerdominierten Berufen selbstverständlich ist", erklärte Landesfrauenvorsitzende NRin Sonja Ablinger.

GVV:

GVV-Medienwerkstatt BürgermeisterInnen und Vize-BürgermeisterInnen nutzten Mitte März die Gelegenheit, sich selbst richtig in Szene zu setzen. Gemeinsam mit der PR-Expertin Christa Oberfichtner und dem Presse-Profi Richard Schmitt wurden kommunale Kommunikationskonzepte erstellt. In Zeiten von Facebook und Co. und einem ständig steigenden Angebot an regionalen Zeitungen und Fernsehsendern wird geplante Öffentlichkeitsarbeit für KommunalpolitikerInnen immer wichtiger. Die TeilnehmerInnen holten sich wertvolle Tipps und brauchbare Checklisten für die geplante Öffentlichkeitsarbeit in der Gemeinde und darüber hinaus.

In wenigen Schritten zum Kommunikationskonzept

Renner Institut OÖ:

40 Jahre Bildungszukunft Bruno Kreisky gründete im Jahr 1972 die politische Akademie der SPÖ, das Dr. Karl Renner Institut. Seine vorrangigen Ziele waren zum einen die Weiterentwicklung des öffentlichen Diskurses in der Demokratie und zum anderen die bessere Ausbildung der in der Politik Tätigen. Anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums hat die Landesstelle Oberösterreich eine Broschüre über Geschichte und Entwicklung sowie Ziele, Schwerpunkte und Vorhaben des Renner Institutes Oberösterreich herausgebracht. Landesstellenleiterin Annemarie Obermüller wird im heurigen Jahr alle Bezirke besuchen, um sowohl das Programm des Renner Institutes zu präsentieren als auch die (Weiterbildungs)Wünsche und Bedürfnisse der FunktionärInnen zu erkunden. Die Broschüre „40 Jahre Bildungszukunft“ kann kostenlos im Renner Institut OÖ bestellt werden (telefonisch: 0732/77261116, per email: gabriela.carpella@spoe.at) und auf der Homepage www.renner-institut-ooe.spoe.at als eflip durchgeblättert bzw. downgeloaded werden. März 2012 / Bildungskurier

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