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Sonderthema

Auf der Suche nach Gewerbeflächenpotenzialen

Aurelis Real Estate wandelt das Areal der ehemaligen Turbinenfabrik an der Mannheimer Boveristraße in ein zukunftsfähiges Gewerbequartier um.

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Die Metropolregion Rhein-Neckar ist eine starke und dynamische Industrieund Dienstleistungsregion. In fast allen Kommunen erhöht sich seit Jahren die Nachfrage nach Gewerbeflächen. Mit der „Regionalen Gewerbeflächenstudie Rhein-Neckar“ ermittelte der Verband Region Rhein-Neckar Bedarfe und Potenziale gewerblicher Flächen als Basis für die Fortschreibung des Einheitlichen Regionalplans. Christoph Trinemeier, Leitender Direktor des Verbandes, zu den Ergebnissen.

Foto: S. 4 0: Aurelis Real Estate

Herr Trinemeier, der Einheitliche Regionalplan Rhein-Neckar wurde 2014 genehmigt. Welche Entwicklungen veranlassten den Verband dazu, eine Änderung des Regionalplans für das Plankapitel „Gewerbeflächen“ vorzubereiten?

Zwischen 2008 und 2017 fand auch in der Metropolregion Rhein-Neckar ein konjunktureller Aufschwung in fast allen Wirtschaftsbranchen statt. Insbesondere die Cluster „Chemie, Pharmazie, Biotechnologie“, „Medizintechnik“ und „Organische Elektronik“ zählen zu den Gewinnern. Die zunehmende Automatisierung der Arbeitsprozesse, veränderte Arbeitswelten und Gesellschaftsstrukturen sowie neue Mobilitätsformen wirken sich auf die Standortwahl von Unternehmen aus. In der Rhein-NeckarRegion ist auf der einen Seite eine Flächenknappheit in den urbanen Lagen festzustellen, welche sich in hohen Kaufpreisen für Grundstücke und Immobilien widerspiegelt. Auf der anderen Seite verfügen die ländlich geprägten Gebiete über ein teilweise weitreichendes Flächenangebot, welches jedoch einer Überprüfung hinsichtlich der Marktgängigkeit und einer entsprechend zukunftsgerichteten Standortfaktorenausstattung bedarf. Bezogen auf die Qualität der zukünftig nach gefragten Gewerbestandorte rechnen wir mit einem steigenden Bedarf an hochwertigen Gewerbeflächen.

Turbinenwerk Mannheim

Einst fertigte Brown, Boveri & Cie. (BBC) in ihrem Werk an der Mannheimer Boveristraße Turbinen, Generatoren, Motoren und Lokomotiven. Heute umfasst das „Turbinenwerk Mannheim“ insgesamt 26 zwischen 1900 und 2009 errichtete Einzelobjekte. Der Immobilienentwickler Aurelis Real Estate will die Unternehmensimmobilie mit rund 175.300 Quadratmetern Grundstücksfläche und 113.000 Quadratmetern Gebäudefläche in ein zukunfts f ähiges Gewerbequartier umwandeln und langfristig im Bestand halten. Obwohl das Gelände über eine Länge von 350 Metern direkt an die B 38/ Rollbühlstraße und somit an eine der wichtigsten Stadteinfahrten Mannheims angrenzt, war das Areal durchgängig vom umgebenden städtischen Raum abgeriegelt und bot nur wenige Zugangsmöglichkeiten. Um die weitere Entwicklung des brachgefallenen Standortes steuern zu können und Gemeinbedarfsflächen für das Nationaltheater Mannheim zu sichern, beschloss der Mannheimer Gemeinderat im Mai 2018 planungsrechtliche Eingriffe. Inzwischen haben sich Stadt und Aurelis auf einen öffentlich r echtlichen Vertrag zur Entwicklung des Areals geeinigt, der eine enge Zusammenarbeit vorsieht. Erster neuer Mieter ist die Bauhaus Services Center Deutschland, die 5.900 Quadratmeter Bürofläche in den Gebäuden Ampère und Boveri beziehen wird.

Produktionshalle im Turbinenwerk Mannheim

Es gibt sehr unterschiedliche Standorttypen. Wie hoch ist denn die Nachfrage konkret? Angesichts der offenen Frage, wie sich die Konjunktur trotz vielfältiger Unwägbarkeiten, auch in den Bereichen Digitalisierung, Industrie 4.0 und Elektromobilität weiter- entwickelt, ist eine Bedarfsabschätzung der künftig benötigten Gewerbeflächen grundsätzlich schwierig. Deshalb haben wir uns mit den Gutachtern auf eine Methodik verständigt, die Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit mit absehbaren Trends kombiniert. Dabei differenziert die Studie für die Bedarfsabschätzung zwischen den Wirtschaftsbranchen emissionsintensives Gewerbe, Logistikstandorte, klassisches Gewerbe, Kleingewerbe und Handwerk sowie wissensintensives Gewerbe und Dienstleistungen. Der ermittelte Flächen- bedarfskorridor fällt, differenziert nach Städten und Landkreisen in der Metropolregion, sehr unterschiedlich aus und liegt in Kategorien von geschätzten mehr als 150 Hektar in den Oberzentren und wirtschaftsstarken Land- kreisen bishin zu 50 Hektar in den kreisfreien Städten. Insgesamt wird der absolute Gewerbeflächenbedarf bis etwa 2035 auf rund 1.500 Hektar geschätzt.

Steht dieser Nachfrage angesichts der poli- tisch geforderten Reduktion von Siedlungs- flächen und der zunehmenden Konkurrenz der Nutzungen ein ausreichendes Flächenpotenzial gegenüber? Zur Erfassung der aktuellen und perspektivischen Flächenpotenziale wurde auf aktuelle Bestandserhe- bungen zurückgegriffen, die auf der Datenbank „Raum Plus Monitor“ basieren. Aus dem vorhandenen, bauleit- planerisch gesicherten Potenzial von 2.000 Hektar lassen sich aus unterschiedlichen Gründen geschätzt nur 50 Prozent Flächenanteil tatsächlich entwickeln. So fehlt es teilweise an der Verkaufsbereitschaft, manche Eigentümer haben überzogene Preisvorstellungen und andere Potenziale werden als Reserve-, Ausgleichs- oder Erschließungsflächen benötigt. Bei der Gegenüberstel- lung von Bedarfskorridoren und verfügbaren Potenzial- flächen zeigt sich, dass in der Metropolregion zwar in noch erheblichem Umfang Gewerbeflächenpotenziale vorhanden sind, diese aber für eine dynamische wirt- schaftliche Weiterentwicklung voraussichtlich nicht ausreichen. Insgesamt werden laut Studie bis 2035 rund 500 Hektar zusätzliche Gewerbeflächen benötigt.

Die „Regionale Gewerbeflächenstudie Rhein-Neckar 2030“ bietet eine Übersicht über die aktuellen und perspektivischen Flächenpotenziale im nächsten Jahrzehnt und dient als Basis zur Fortschreibung des Einheitlichen Regionalplans Rhein-Neckar.

Die Neuausweisung von Flächen gestaltet sich nicht immer einfach. Wie begegnet der Regionalverband diesem Problem? In der Metropolregion wurden zunächst rund 30 sogenannte „Suchräume“ (siehe Abbildung) identifiziert, die für eine weitere regionalbedeutsame Gewerbeflächenentwicklung grundsätzlich in Frage kommen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass es sich bei diesen „Suchräumen“ nur in wenigen Fällen um neue Standortbereiche ohne siedlungsstrukturelle Anknüpfung handelt, sondern überwiegend um solche, die an bereits im Einheitlichen Regionalplan ausgewiesene gewerbliche Vorranggebiete gekoppelt sind. Die der Festlegung von Gewerbeschwerpunkten im Einheitlichen Regionalplan zugrunde gelegte Planungskonzeption wird in der aktuellen Studie damit weitgehend bestätigt. Anhand von „Gewerbeflächensteckbriefen“ wurden die Standorte dahingehend näher untersucht, ob und welche Weiterentwicklung möglich und empfehlenswert ist. Darüber hinaus wurden in der Studie einige zusätzliche „Suchräume“ identifiziert, die aus gutachterlicher Sicht ebenfalls als regionalbedeutsame Gewerbeschwerpunkte in Betracht kommen.

Welche Erkenntnisse zieht der Verband aus der Studie? Bei der Flächenentwicklung sind auf der Ebene der Regionalplanung die besonderen Anforderungen der Unternehmen und Betriebe mit den Erfordernissen der gesamträumlichen Planungen und auch der unterschiedlichen Fachplanungen in Einklang zu bringen. Gewerbliche Entwicklungsperspektiven bieten sich insbesondere durch Erweiterungen bestehender Schwerpunkte, Nachnutzung größerer Konversionsflächen sowie Ausweisung von einigen neuen, möglichst aber interkommunalen Standorten. In der Zielsetzung einer flächensparenden und ressourcenschonenden Gewerbeentwicklung sollte sich der Fokus jedoch weiterhin auch auf die effiziente Nutzung der noch großflächig vorhandenen Flächenreserven im Bestand richten. Neben einer verstärkten Innenentwicklung durch Nachverdichtung, Nachnutzung und Arrondierung empfiehlt die Studie dazu als flankierendes Instrumentarium ein regionales Gewerbeflächenmonitoring, das der Verband in enger Abstimmung mit den Kommunen in der Metropolregion in den nächsten Jahren systematisch weiterentwickeln möchte.

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