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RHEUMATOLOGIE

Highlights der letzten zwölf Monate

Die für die klinische Praxis relevantesten Arbeiten, die seit dem vergangenen DGRh-Kongress in Dresden publiziert wurden, stellte Prof. Dr. Harald L. Burckhardt, Frankfurt/M., vor. Im Fokus stand der systemische Lupus erythematodes (SLE), wo sich der LLDAS als Treat-to-target (T2T)-Kriterium etablieren könnte und die Phase-III-Daten zu dem Typ-1 Interferon (IFN)-Antikörper Anifrolumab. Im Hinblick auf die ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) wurde erneut die PEXIVAS-Studie thematisiert. Auch die Psoriasis-Arthritis (PsA) mit dem in Bälde verfügbaren Interleukin (IL)-23-Inhibitor Guselkumab sowie neue Daten zum JAK-1-Inhibitor Upadacitinib und die nicht-röntgenologische axiale Spondyloarthritis (nr-axSpA) wurden diskutiert.

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Beim SLE stellt sich immer wieder die Frage nach den am besten geeigneten Kriterien für Krankheitsaktivität (SLEDAI-, SRI-, BICLA-Score) und Remission (DORIS-Kriterien, LLDAS) für klinische Studien. Im Hinblick auf die Remission gewinnt der Lupus Low Disease Activity State (LLDAS) immer mehr an Bedeutung, der 5 Kriterien umfasst (SLEDAI-2K ≤4 plus keine Aktivität in wichtigen Organsystemen, kein neues Merkmal einer Lupus-Aktivität, SELENA-SLEDAI PhGA ≤1, Prednisolon ≤7,5 mg/Tag, Standard-Erhaltungdosen von Immunsuppressiva und Biologika). Eine prospektive Validierungsstudie zeigte kürzlich, dass das Erreichen eines stabilen LLDAS mit einer signifikanten Protektion gegen Krankheitsschübe und – dies war der primäre Endpunkt – Organschädigungen (SDI-Score) verbunden ist. Die Ergebnisse validieren den LLDAS als einen geeigneten Endpunkt klinischer SLE-Studien und laut Burkhardt auch prinzipiell als Behandlungsziel von T2T-Strategien in der Pharmakotherapie des SLE. (1)

SLE und Vaskulitiden im Blickpunkt

Weiter schwierig bleibt die Interpretation der beiden Phase-IIIStudien TULIP-1 und -2 zu Anifrolumab. Dieses war in TULIP-2 mit dem BICLA-Ansprechen als primärem Endpunkt (in TULIP-1 war es noch der SRI-4) Placebo nach 52 Wochen signifikant überlegen (Abb. 1), gleiches galt für mehrere weitere

Patienten mit BICLA-Ansprechen (%) 100

80

60

40

20

0 Placebo (n=182) Anifrolumab, 300 mg (n=180)

∆16,3 %-Punkte; adj. p<0,001

4 8 12 16 20 24 28 32 Zeit (Wochen) 36 40 44 48 52 Endpunkte wie dem SRI-4-Ansprechen, der GlukokortikoidReduktion und Hautbeteiligung (CLASI-Score). Nur numerisch besser war es in puncto einer SJC/TJC-Reduktion ≥50 % und der Schubrate. Es kam öfter zu Herpes zoster, ansonsten war das Sicherheitsprofil aber unauffällig. Somit belegt TULIP-2 die Wirksamkeit von Anifrolumab bei mäßig bis schwer aktivem SLE. (2) Warum zuvor die TULIP-1-Studie scheiterte (primärer Endpunkt klar verfehlt, meist nur numerische Verbesserungen in anderen Endpunkten), bleibt angesichts identischer Ein- bzw. Ausschlusskriterien, Teilnehmerzahlen (je ca. 180 Patienten unter i.v. Anifrolumab 300 mg 1x monatlich bzw. Placebo) weiter im Dunkeln, insbesondere die eklatante Diskrepanz im SRI-4-Ansprechen (einmal klar verfehlt, einmal klar erreicht) gibt Rätsel auf, so Burckhardt.

Nur kurz eingegangen sei auf die von Burckhardt selektierte, schon mehrfach besprochene PEXIVAS-Studie zur Remissionsinduktion bei 704 Patienten mit schwerer AAV (eGFR <50 ml/min., ±alveoläre Hämorrhagie) in der zuzüglich zu (meistens) Cyclophosphamid oder Rituximab der Nutzen der Plasmapherese und die Möglichkeit einer reduzierten Prednisolon-Dosis evaluiert wurden. Primärer Endpunkt war Tod oder terminale Niereninsuffizienz. Im Ergebnis war nach knapp 7 Jahren kein Vorteil einer Add-on-Plasmapherese nachweisbar, so Burckhardt. Positiv war hingegen, dass sich das reduzierte gegenüber dem Standard-Prednisolon-Regime nicht unterlegen zeigte, nach einem Jahr aber mit weniger schweren unerwünschten Ereignissen assoziiert war. (3)

Spondylarthritiden: PsA und nr-axSpA

Bei der PsA weiten sich die Therapiemöglichkeiten stetig aus, zumal die Zulassung des IL-23p19-Inhibitors Guselkumab unmittelbar bevorstehen dürfte. Letzterer war in zwei Phase-III-Studien (DISCOVER-1: csDMARD- plus bis zu ≤2 AntiTNF-Vortherapien, DISCOVER-2: ausschließlich csDMARDVortherapie) erfolgreich getestet worden. In beiden Studien wurde ein gutes Ansprechen auf Gelenke (ACR20/50/70) und Haut nachgewiesen, dabei war keine relevante Differenz in Abhängigkeit einer Anti-TNF-Vortherapie erkennbar. In DISCOVER-2 wurde eine Verlangsamung der radiologisch nachweisbaren Gelenkdestruktion belegt. (4, 5) Etwas überraschend war der Befund einer gepoolten Analyse beider Phase-III-Studien,

der zufolge Guselkumab auch in einer klinisch relevanten Verbesserung axialer Symptome bei PsA-Patienten mit aktiver, mittels Bildgebung validierter Sakroiliitis resultierte. (6) Zwei positive Phase-III-Studien (SELECT-PsA-1 und -2) kann auch Upadacitinib vorweisen, wobei Burckhardt vor allem erstere mit bDMARD-naiven Patienten hervorhob, da in dieser ein direkter Vergleich mit Adalimumab erfolgte. Gegenüber Placebo waren beide Dosierungen (1x 15 und 30 mg/Tag) Placebo signifikant überlegen, in Bezug auf den ACR20 zeigte sich eine Nicht-Unterlegenheit versus Adalimumab und partielle Überlegenheit (auch in einigen weiteren Endpunkten) der 30 mgDosis gegenüber dem TNFα-Inhibitor. Auch die radiologische Progression wurde gebremst. In puncto Sicherheit gab es keine neuen Befunde, die besser wirksame 30 mg-Dosis zeigt etwas mehr Nebenwirkungen. (7)

Für die nr-axSpA sind inzwischen auch die IL-17A-Inhibitoren Secukinumab und Ixekizumab nach positiven Phase-III-Studien zugelassen. Stellvertretend stellte Burckhardt zu letzterem die COAST-X-Studie vor. Der primäre Endpunkt ASAS40-Ansprechen in Woche 16 und 52 wurde gegenüber Placebo signifikant erreicht, ebenso weitere Endpunkte, darunter MRTVeränderungen der SI-Gelenke im SPARCC-Score. Ixekizumab bietet damit für auf NSAR versagende nr-axSpA-Patienten (ebenso wie Secukinumab nach der PREVENT-Studie) eine neue Therapieoption jenseits der TNFα-Inhibition. (8) m

Quelle: Session „Highlights of the year“, DGRh-Kongress, 9. September 2020

Literatur:

1 Golder V et al., Lancet Rheumatol 2019; 1(2): e95-e102 2 Morand EF et al., N Engl J Med 2020; 382(3): 211-221 3 Walsh M et al., N Engl J Med 2020; 382(7): 622-631 4 Deodhar A et al., Lancet 2020; 395(10230): 1115-1125 5 Mease PJ et al., Lancet 2020; 395(10230): 1126-1136 6 Helliwell P et al., Ann Rheum Dis 2020; 79 (Suppl1): 36 7 McInnes I et al., Ann Rheum Dis 2020; 79 (Suppl1): 12 8 Deodhar A et al., Lancet 2020; 395(10217): 53-64

COVID-19 UND RHEUMATOLOGIE Wichtige Lehren aus den bisherigen Daten

Im Hinblick auf den Umgang mit der SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie ist die Befürchtung, dass Rheuma-Patienten unter ihrer immunsuppressiven Therapie per se stärker gefährdet sind, dank der Daten aus dem europäischen, weltweiten und deutschen COVID-19-Register gewichen. Jedoch gibt es auch eine gewisse Ernüchterung in puncto IL-6-Inhibitoren als mögliche Therapieoption – zwei Sarilumab-Studien sind ebenso gescheitert wie eine (COVACTA) zu Tocilizumab, während die zweite (EMPACTA) bei COVID-19-assoziierter Pneumonie erfolgreich war. Daten zur IL-1-Inhibition und Colchicin stehen noch aus.

Auf dem virtuellen DGRh-Kongress wurden auf einer eigenen Abstract-Sitzung aktuelle Daten des deutschen COVID19-Registers erläutert. Dessen Vorteil ist laut Dr. Rebecca Hasseli, Bad Nauheim, dass tatsächlich nur Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (ERE, überwiegend mit rheumatoider Arthritis, RA) und per Abstrich (PCR) oder Antikörper-Test bestätigter SARSCoV-2-Infektion – bis zum 23. August waren es 370 – eingeschlossen wurden.

Die am häufigsten eingesetzten Therapien waren Glukokortikoide (GK) und Methotrexat (MTX), gefolgt von TNFαInhibitoren. Hospitalisiert wurden 115 Patienten, von denen 25 invasiv beatmet werden mussten, 19 verstarben (davon 10 mit RA). Insbesondere Kollagenosen waren gehäuft mit einem letalen Verlauf assoziiert (CO.05). Die Daten zu 104 Patienten wurden kürzlich in RMD Open publiziert. Nur kurz erwähnt sei eine bereits auf dem Online-EULAR von Anne Regierer, Berlin, gezeigte Analyse des Registers (Stand 21. Juni, n=280), die ergab, dass ein Alter >65 Jahre, kardiovaskuläre Erkrankungen, ILD oder COPD und GK-Dosierungen >5 mg/Tag (Odds ratio 2,5, 4,4, 6,5 bzw. 8,1) Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf waren (CO.04).

Eine Umfrage zu den psychosozialen Einflüssen der Pandemie auf 696 Rheuma-Patienten (davon 2 % positiv getestet) dauert noch an. 50 % gaben einen positiven Kontakt mit ihrem Rheumatologen an, 50 % berichteten allerdings über Schwierigkeiten in der Kommunikation. Depression und Angst waren vergleichbar zur Normalbevölkerung, Schlafstörungen waren aber häufig bei im Mittel niedriger Krankheitsaktivität und Schmerzen (CO.11).

Mehrere Untersuchungen und Befragungen weisen (mit einer Ausnahme) darauf hin, dass die DGRh-Empfehlung, nicht aus Furcht vor COVID-19, die immunsuppressive Medikation abzusetzen, zumeist eingehalten wurde. Nur kurz erwähnt sei die bereits in Nature Medicine publizierte Arbeit von Georg Schett und Kollegen, wonach ERE-Patienten (plus Psoriasis oder CED) unter Zytokin-Inhibitoren (Anti-TNF, -IL-6, -JAK, -IL-17, -IL23; -IL-12/23) gegenüber solchen ohne solche Therapien und der Allgemeinbevölkerung ein niedrigeres Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion aufzuweisen scheinen (CO.09). m

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