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KOLLAGENOSEN
Systemische Sklerose: Neue Studien im Überblick
Bei den Kollagenosen stand diesmal ganz die systemische Sklerose (SSc) im Fokus, nicht zuletzt aufgrund der Zulassung des Tyrosinkinase-Inhibitors Nintedanib bei mit SSc assoziierter interstitieller Lungenerkrankung (ILD) und weiteren progredient-fibrosierenden ILDs. Entscheidend bei SSc-ILD scheint die intelligente Kombination aus früher antientzündlicher und antifibrotischer Therapie zu sein. Vorgestellt wurden jenseits von Nintedanib aktuelle Daten zu Tocilizumab, Lenabasum und Riociguat.
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Bei SSc-Patienten kommt es auf eine frühe Diagnostik und Behandlung an, betonte Prof. Dr. Gabriele Riemekasten, Lübeck, unter Verweis auf Daten des EUSTAR-Registers. Die beste Überlebenschance bietet dabei die frühe Überweisung an ein Zentrum mit entsprechender Expertise. Von Beginn an bedarf es einer regelmäßigen Befunderhebung, so bei jeder Visite des Hautscores (mRSS), bei Verdacht auf oder gesicherter SSc der Lungenfunktion (FVC, DLco) mit in der Regel auch einer HRCT bei de novo-Patienten, initialen Echokardiografie (sowie im Verlauf bei Auffälligkeiten) und mindestens 1x jährlicher Kontrolle des NT-proBNP bzw. bei diffus-kutaner SSc des Troponins sowie weiterer Laborparameter, die eine Aussage zum Risiko geben (sIL-2-Rezeptor, Neutrophilen/Lymphozyten-Ratio, Monozyten, CRP/BSG und Anämie). Frühe und intensive Therapien unter Verwendung von Kombinationen sind nach ihren Worten der Schlüssel, um Spätschäden zu vermeiden. Immunsuppressive Therapien sind dabei nicht immer erforderlich, Voraussetzungen für deren Einsatz sind ein progressives, entzündliches Krankheitsbild mit z. B. Arthritis, Myositis oder entzündlicher Fibrose.
als ein Baustein
Sowohl die Haut- als auch Lungenfibrose sind, dies zeigen die mitunter erzielten Erfolge nach autologer Stammzelltransplantation (ASCT), prinzipiell reversibel, in den meisten Fällen ist aber – gerade bei SSc-ILD – eine Stabilisierung das realistischere Therapieziel. Generell geht die Entzündung der Fibrose voraus, spielt aber auch im Verlauf eine Rolle, sodass bei SSc-ILD stets sowohl antientzündliche als auch antifibrotische Therapien gefragt sind. Immunsuppressive Therapien der Wahl sind für Riemekasten Cyclophosphamid (CYC: bei progressiver ILD, stark progressiver Hautfibrose bei diffus-kutaner SSc, refraktärer Myositis, kardialer Beteiligung), Methotrexat (MTX: bei moderat progressiver Hautfibrose, Myositis und Arthritis), Ciclosporin-A (CsA: bei MTX-Versagen, Hautfibrose, Myositis, vor allem als guter Kombinationspartner), Azathioprin (AZA: als Erhaltungstherapie nach CYC, falls keine wesentliche Einschränkung der Lungenfunktion vorliegt) und Mycophenolat Mofetil (MMF: bei ILD, nach oder statt CYC). Bei Therapieversagen stellt die Kombination aus MMF und CsA oder Rituximab eine weitere Option dar. In Bezug auf die Off-label-Therapie mit Rituximab zeigen EUSTAR-Daten aus der klinischen Praxis durchaus eine gewisse Wirksamkeit (mRSS, FVC), dies vor allem im Hinblick auf arthritische Beschwerden, führte Riemekasten weiter aus.
Immunsuppressive Therapien
Eine weitere interessante Therapieoption wäre die Interleukin (IL)-6-Rezeptorinhibition mit Tocilizumab. Leider ist die PhaseIII-Studie focuSSced formal gescheitert, da der primäre Endpunkt (Verbesserung der Hautfibrose gemäß mRSS) – wie zu-
Veränderung der %-FVC ab Baseline 4
2
0
-2
-4
-6
-8
-10 Placebo Tocilizumab
8 16 24 Zeit (Wochen) 36 48
Abb. 1: focuSSced-Studie: FVC-Verlust unter Tocilizumab gegenüber Placebo bis Woche 48 in einer Subgruppe von Patienten mit SSc-ILD
30
FVC-Reduktion bis Woche 52 (ml/Jahr) -120 -90 -60 -30 0
-150 Placebo Nintedanib
4 8 12 16 20 24 28 32 Zeit (Wochen) 36 40 44 48 52
Abb. 2: SENSCIS-Studie: FVC-Verlust im zeitlichen Verlauf bis Woche 52 unter Nintedanib gegenüber Placebo in der Gesamtpopulation der Studie
vor schon in der Phase-II-Studie faSScinate – verfehlt wurde. Erneut zeigte sich aber eine Stabilisierung der Lungenfunktion, die sich mindestens mit Nintedanib messen lassen kann – in einem allerdings nicht direkt vergleichbaren Patientenkollektiv. Zumindest bis Woche 48 war auch in einer Subgruppe von Patienten mit SSc-ILD der FVC-Verlust unter i.v. Tocilizumab nur Lenabasum, ein selektiver Cannabinoid-Rezeptor Typ 2-AgoPlacebo ausgeprägte Verbesserung des ACR CRISS-Scores,
minimal (Abb. 1), so Riemekasten.
Weitere Erkenntnisse zu Nintedanib bei SSc-ILD
Auf die nicht-immunsuppressiven Therapien bei SSc ging in der Folge Prof. Dr. Oliver Distler, Zürich (Schweiz), ein. Einen Durchbruch bei SSc-ILD markierte die Zulassung des Multi- Tyrosinkinase-Inhibitors Nintedanib als erster zielgerichtet antifibrotischer Therapie. Die Grundlage hierfür hatte die PhaseIII-Studie SENSCIS mit 566 SSc-ILD-Patienten gelegt, in der Nintedanib gegenüber Placebo nach 52 Wochen zu einer signifikanten Reduktion der Abnahme der Lungenfunktion um 44 % (FVC-Verlust -52,4 vs. 93,3 ml/Jahr, ΔFVC -41 ml/Jahr; p=0,04) (Abb. 2) führte – der stärkste Effekt wurde dabei in Kombination mit MMF erreicht. Die gute Wirksamkeit von Nintedanib stützt derweil eine Analyse der SENSCIS-Studie zum Anteil von Patienten mit und ohne Ansprechen. So wurde bei 66 % der Patienten im Placeboarm eine FVC-Verschlechterung und bei 34 % eine Stabilisierung oder Verbesserung festgestellt, unter Nintedanib waren es 56 bzw. 44 %. Größtes Problem unter Nintedanib sind Diarrhöen (bei 75 %), die meist früh nach Theration neuer digitaler Ulzera und bei Patienten mit SSc-ILD eine
piebeginn auftreten, allerdings meist nur mild (50 %) oder mäßig (45 %) stark ausgeprägt sind. Diese Komplikation ist dem Patienten gut zu kommunizieren, eine begleitende Verordnung von Loperamid zur bedarfsweisen Einnahme ist sinnvoll. Zusätzlich besteht die Option einer temporären oder dauerhaften Dosisreduktion von 2x 150 auf 2x 100 mg/Tag, so Distler.
Mit Blick auf die SSc-ILD verwies Distler auf ein europäisches Wichtige Punkte zur Therapie: Empfohlen werden bei schwerer ILD MMF, CYC und Nintedanib, während zu Tocilizumab keine Einigung erzielt wurde. Bei einem Progress kommt die Kombination aus Nintedanib und MMF hinzu und auch Rituximab kann erwogen werden. Als letzte Optionen verbleiben die ASCT oder Lungentransplantation.
Potenzielle neue Therapieoptionen im Fokus
Der wahrscheinlich größte Hoffnungsträger bei SSc stellte nist und wie Nintedanib ein small molecule, dar. Eine PhaseII-Studie hatte laut Distler eine nach 16 Wochen gegenüber des globalen Arzt- und Patientenurteils sowie der Hautfibrose (mRSS) und Lebensqualität demonstriert und auf Kongressen vorgestellte Langzeitanalysen versprachen eine anhaltende Wirksamkeit. Die große Ernüchterung folgte einen Tag vor dem DGRh-Kongress in Form einer Mitteilung der Herstellers zu den Top line-Ergebnissen der Phase-III-Studie RESOLVE-1 mit 365 Patienten mit diffus-kutaner SSc, die für 52 Wochen on top einer immunsuppressiven Standardtherapie (bei 84 %) auf Lenabasum 2x 5 oder 2x 20 mg/Tag oder Placebo randomisiert worden waren. Weder im primären Endpunkt (ACR CRISS) noch den sekundären Endpunkten war ein Vorteil von Lenabasum erkennbar. Das Problem scheint Distler zufolge das unerwartet gute Ansprechen auf die immunsuppressive Therapie im Placeboarm zu sein mit dem Erreichen eines extrem hohen ACR CRISS-Scores von 0,887 (max. 1), was von Lenabasum mit 0,888 nicht mehr getoppt werden konnte.
Von Interesse war zudem die Phase-II-Studie RISE-SSc bei Patienten mit früher diffus-kutaner SSc zu dem oralen Stimulator der löslichen Guanylatzyklase (sGC) Riociguat: Zwar verfehlte auch diese formal den primären Endpunkt einer signifikanten Verbesserung der Hautfibrose im mRSS (p=0,08), jedoch zeigten sich unter Riociguat positive Effekte im Sinne einer RedukKonsensusstatement zu deren Diagnose und Management.
Verminderung des FVC-Verlusts, so abschließend Distler. m
Quellen: HOT/WIN-Session „Systemische Sklerose & Vaskulitiden, Sitzung „Lupus lebenslang“, DGRh-Kongress, 11./12. September 2020
Ein Symposium zum systemischen Lupus erythematodes (SLE) setzte sich mit dem Therapiemanagement in verschiedenen Lebensphasen auseinander. Zwei konkrete Botschaften hatte Prof. Dr. Hermine Brunner, Cincinatti (USA), parat, die über den juvenilen SLE referierte. So zeigte sich erstens, dass die neuen ACR/EULAR-Klassifikationskriterien auch bei Kindern und Jugendlichen unabhängig vom Geschlecht oder Pubertätsstatus eine bessere Sensitivität gegenüber jenen des ACR aus 1997 aufweisen. Das höchste Risiko einer Fehlklassifikation besteht im Hinblick auf die juvenile Dermatomyositis. Zweitens wurde bei juvenilem SLE auf Basis der PLUTO-Studie der BLyS-spezifische Inhibitor Belimumab neu zugelassen. Laut Brunner war i.v. Belimumab darin vergleichbar effektiv wie in den PhaseIII-Studien bei Erwachsenen, besonders ins Auge sticht die starke Reduktion schwerer Schübe. Den größten Nutzen entfaltet es bei Patienten mit hohem SLEDAI, dsDNA-Positivität und niedrigen Komplement-Spiegeln.